BayHStA Staatsrat 380, Nr. 10 5 Seiten. Datum der Genehmigung durch den Kfst.: 10. Mai 1800.

Anwesend: Montgelas, Morawitzky, Hertling; Krenner sen., Zentner, Krenner jun., Hartmann, Steiner, Schenck, Utzschneider, Branca, Fuchsius, Stengel, Stichaner; Vizekanzler der pfälzischen Regierung Lamezan.

Neue Verwaltungsordnung der Rheinpfalz

Zusätzlich präsent bei dieser Sitzung ist Ferdinand Freiherr von Lamezan, Vizekanzler der pfälzischen Regierung.

Der churfürstliche Geheime Staats und Conferenz Minister Freiherr von Montgellas eröffnete dem versammelten Staats Rathe, dem auch zufolge der churfürstlichen höchsten Willens Meynung der churpfälzische Regierungs Vice Canzler Freiherr von Lamezan beywohnte, daß die Organisation der rheinpfälzischen Lande der Gegenstand seye, der heute {2v} in Berathung zu ziehen komme.

Vorlage der Arbeitsergebnisse einer Kommission unter Leitung von Justizminister Hertling. Zwei grundsätzliche Alternativen stehen zur Debatte und führen zu einer offenen Entscheidungssituation: Grundlegender Neuaufbau der Verwaltung oder, im Hinblick auf die Kriegszeiten, vorerst nur Zusammenfassung von Regierung und Hofkammer zur vorläufigen Zwischenstufe eines »Landkommissariats« als einheitlicher oberster Landesstelle nach Vorbild der General-Landesdirektion.

Nach churfürstlichem höchsten Befehle habe sich eine Commission unter Leitung des Justiz Ministers Freiherr von Hertling mit Vorbereitung und Aufstellung eines Planes, wie diese Organisation einzurichten, beschäfftiget, welche Arbeit heute dem Staatsrathe zur Prüfung und dann Seiner Churfürstlichen Durchleucht in einer Geheimen Staats Conferenz zur gnädigsten Entscheidung vorgeleget werden würde.

Von dieser Commission seye nebst dem Organisations Plane ein Vorschlag übergeben worden, der blos darauf abziele, die churpfälzische Regierung und Hofcammer zußammen zu werfen und daraus ein ausgedehnteres Land Commissariat zu bilden, bis eingetrettene Ruhe und günstigere Verhältnüße erlaubten, den entworffenen Plan in Ausführung zu bringen, welcher inzwischen durch erwehntes Land Commissariat noch näher beurtheilet und nach den eintrettenden Local-Umständen eingerichtet werden könnte. Es komme dahero vor allem auf Entscheidung der Frage an, ob dermahl schon die ganze Organisation der Rheinpfalz oder nur der lezte Vorschlag ins Werk gesezet werden solle, weswegen es nöthig seyn werde, sowohl ersteren als lezteren zur Kentnüß des Staats Rathes zu bringen.

Justizreferendär Stengel erstattet Vortrag über die »große Lösung«, einen »Organisationsplan« der Vorbereitungskommission als Basis für eine tiefgreifende Neuordnung von Behördenorganisation, Ämterwesen, Gerichtsinstanzen etc. Anfrage von Finanzminister Hompesch dazu, ob die »entfernteren Provinzen« eigenen Ministerien unterstellt werden sollten.

Benanter Freiherr von Montgellas trug dahero dem Geheimen Justiz Referendaire Freiherr von Stengel auf, den Organisationsplan abzuleßen.

Dieser Plan, den Freiherr von Stengel hierauf vortrug, faßet in sich die Eintheilung der churpfälzischen Lande dießeits Rheins, die Eintheilung der Ämter nach der Zahl der Bewohner, derselben Benennung, die Niedersetzung einer Amts Vogthey für die Polizey, einer Amtsgefällverweßerey für die Gefällverwaltung und eines Amtsgerichts für die Justiz und Landeshoheit, die Bestellung und den Geschäffts Creiß dieser 3 Behörden, die Anordnung zweyer Amts Directionen zur zwoten gerichtlichen Instanz, derselben Besezung und Instruction, die Einrichtung der städtischen Directionen zu Mannheim und Heydelberg, des churpfälzischen Hofgerichts, Oberappellations-, Revisions- und Cassationsgerichts, derselben Personale und Geschäffte so wie auch der rheinpfälzischen Landes Direction.

Freiherr von Stengel führte ferner an, daß der churfürstliche Geheime Staats und Conferenz {3r} Minister Freiherr von Hompesch in seiner über diesen Gegenstand abgegebenen Äüßerung nebst einigen Erinnerungen auch die Frage aufgeworffen habe, ob es nicht beßer seyn mögte, die entferntere Provinzen eigenen und ausschließenden Ministerien zu unterwerffen?, welches der höchsten Beurtheilung gehorsamst untergeben werde.

Zentner erstattet für das Außenministerium Bericht über den wesentlich weniger weitgehenden »Vorschlag«, Regierung und Hofkammer der Rheinpfalz zu einem General-Landeskommissariat mit zwei Deputationen zu vereinigen. Daraus wäre dann »in ruhigeren Zeiten« eine General-Landesdirektion zu formieren und die Geistliche Güter-Administration neu einzurichten.

Der Geheime Referendaire von Zentner verlaß sodann den Vorschlag, zu Vereinigung der Gewalten in der Rheinpfalz die dortige Regierung und Hofcammer zußammenzuwerffen und daraus ein General-Landes Commissariat unter einem Praesidio zu bilden, welches in zwo Deputationen, wovon die eine die Landeshoheit und Polizey nebst allen bisherigen Regiminalien, und die andere die Staatswirthschafft und Cameralia zu besorgen hätte, einzutheilen wäre. Durch diese inzwischen getroffen werdende Anstalt bereite man die bey ruhigeren Zeiten einzuführende General Landes Direction vor und gewinne Zeit, um den Organisations Plan nach vorherig reifer Prüfung aller dabey gemacht werdenden Erinnerungen zum Wohle der rheinpfälzischen Lande und Unterthanen einzurichten und der Geistlichen Administration in Heydelberg eine andere, mit dem Hauptplane übereinstimmende Gestalt zu geben, welches dermahl ebenso wie die Errichtung der zwoten Deputation des Kirchenweeßens unterbleiben müße, da persönliche Umstände mancher dabey angestellt werdenden Glieder und andere Rücksichten solches nicht zu bewürken erlaubten.

Die Abfrage der Konsultativstimmen der Referendäre und der Dezisivstimmen der Minister ergibt einstimmiges Votum für den Vorschlag Zentners, also die Errichtung eines General-Landeskommissariats, das zu gegebener Zeit dann den großen Organisationsplan Stengels umzusetzen habe. Die Hochgerichtsfälle sollten künftig nur noch vor dem Hofgericht verhandelt werden.

Die Consultativstimmen sämtlicher Geheimen Referendarien, welche hierauf von dem Geheimen Staats und Conferenz Minister Freiherr von Montgellas erforderet wurden, so wie die Decisiv-Stimmen des churfürstlichen Ministerii fielen einstimmig dahin aus, daß nach dem Vorschlage der Commission die churpfälzische Regierung und Hofcammer vereiniget und daraus ein General-Landes Commissariat in der angetragenen Art gebildet, diesem auch der entworffene größere Organisationsplan zur Erinnerung und Abgebung seines Gutachtens zugefertiget, das Criminale aber diesem Commissariat schon dermahl abgenohmen und churpfälzischem Hofgericht dergestallten übertragen werde, daß die zeitherige Regierungs Räthe, welche in das Oberappellations Gericht übertreten, {3v} bey Criminalpropositionen auf Erforderen des Hofrichters den Hofgerichts Sizungen beywohnen und dort votiren, in Zukunft auch die Criminal Referendarien ihre Vorträge in Criminalsachen bey churpfälzischem Hofgericht, so wie zeither bey churpfälzischer Regierung, erstatten sollten.

Welcher Beschluß Seiner Churfürstlichen Durchleucht zur gnädigsten Genehmigung gehorsamst vorzulegen wäre.

Zentner legt anschließend Vorschläge für die personelle Besetzung des General-Landeskommissariats vor, wobei ein Drittel der Ratsstellen Protestanten vorbehalten bleibt. Ignaz Freiherr v. Reibeld solle Präsident, Stephan Freiherr v. Stengel (derzeit in München bei der Allodial-Kommission beschäftigt) Vizepräsident bleiben, Ferdinand Freiherr v. Lamezan 2. Vizepräsident werden.

Nachdeme dadurch die erste Frage entschieden ware, so schritt der Geheime Referendaire von Zentner zum Vorschlage des Personalis, welches bey dem provisorisch errichtet werdenden Land Commissariat angestellet werden solle, wobey das den Protestanten zugestandene ein Drittheil an Räthen soviel möglich zur Richtschnur genohmen, bey dem Mangel an reformirten Subjecten aber auch Lutheraner eingeschalten worden.

Nach Meynung der Commission wäre[n] der Freiherr von Reibeld als Praesident und der Herr von Stengel als Vice Praesident beyzubehalten, der Herr von Weiler als Director bey dem Oberappellations Gericht und der Freiherr von Schmiz als Director des churpfälzischen Hofgerichts bey Organisation der Justizstellen anzuordnen, inzwischen aber den sehr alten von Roseneck in die Ruhe zu versetzen, der Freiherr von Weiler hierauf zu decretiren und dem Herrn von Schmiz, bis zu des Freiherrn von Weiler Eintritt, die Verwaltung dieses Postens unter der Versicherung einer seine Verdienste lohnenden Stelle zu übertragen, den tit. Siegel allein in der Oberappell zu belaßen und ihme seiner Zeit die Vice-Directorsstelle bey churpfälzischem Hofgericht zu verleyhen, als Director der 1. Deputation den bisherigen Regierungs Rathen tit. Dawans und als Räthe die tit. Jung, Reichart, Schmiz den jüngeren, Schweickert, Joseph Herrn von Stengel, Detroge, Bettinger, Bachmann oder, wenn dieser hier angestellet würde, den tit. Leirsé und den tit. Manger zu bestimmen, als Director der 2. Deputation den tit. Bingner und als Räthe den Freiherrn von Venningen, den tit. Speicher, den tit. Linck, den tit. Lamezan bisherigen Hofcammer Rathen, den tit. Beck und tit. Dykerhoff den mitleren anzustellen, das Personale der General Casse noch zur Zeit {4r} beyzubehalten, auch nach dem Beyspiele der für die gülich- und bergische Lande entworffenen Organisation eine Mittelperson zwischen dem Militare und Civile in Person des Majors à la suite von Lamezan mit dem Sitze bey der Polizey anzuordnen.

Rücksichtlich des verdienstvollen und lange mit Ehre und Nuzen gedienten Regierungs Vice Canzlers Hern von Lamezan müße die Commission deßen Bestimmung der höchsten Entscheidung überlaßen, glaube aber, daß derselbe nebst dem Freiherrn von Stengel zum Vice Praesidenten des Landes Commissariats zu ernennen wäre, weil ersterer bey der Allodial Commission allhier noch lange beschäfftiget und selbst nach seiner Ankunft in Mannheim die Aufsicht der Registraturen, Canzleyen und der Geschäfftsführung zwey Vicepraesidenten erforderen werden.

Die Umfrage ergibt einstimmigen Konsens; nur in einem Fall empfiehlt Montgelas für eine Ratsstelle im Landeskommissariat den pfälzischen Regierungsrat Karl Theodor von Haacke anstelle von Friedrich von Venningen.

Der churfürstliche Geheime Staats und Conferenz Minister Freiherr von Montgellas hielt hierauf wiederhohlte Umfrage, und alle Consultativ- und Decisivstimmen der Geheimen Referendarien und des Ministerii fielen mit dem Vorschlage der Commission übereinstimmend aus, nur Freiherr von Montgellas bemerkte aus Gründen, die er angab, wie er glaube, daß Freiherr von Haacke bey Ertheilung einer Rathsstelle in dem Landes Commissariat vor dem Freiherrn von Venningen den Vorzug verdiene.

Worauf beschloßen wurde, Seiner Churfürstlichen Durchleucht hierüber unterthänigsten Vortrag zu erstatten und die höchste Entscheidung sich zu erbitten.

Die Genehmigung des Kurfürsten enthält einige Abänderungen in Personalsachen (zusätzliche Anstellung des zweibrückischen Rats Joseph d’Epreville, Ludwig Lerse statt des Zweibrückener Regierungsrats Georg August Bachmann); der Präsident und die beiden Vizepräsidenten des General-Landeskommissariats werden bestätigt. Die Grundsatzentscheidung, keine Angehörigen des Ritterstandes in den Landeshoheitssenat der GLK aufzunehmen, sei im »Principien-Buch« des Ministerial-Departements der auswärtigen Geschäfte vorzumerken.

Ich genehmige die provisorische Errichtung eines General-Landes Commissariats in der Rheinpfalz nach dem Vorschlage so wie die übrige Anträge wegen Übergebung der Criminal-Justiz an churpfälzisches Hofgericht und Aufstellung des Land Commissariats Personalis mit folgenden Abänderungen, daß der pfalz-zweybrückische Geheime Rath De Préville bey der 1. Deputation des Landes Commissariats, und zwar bey der Polizey Section in Censursachen und bey der Landshoheits Section in französischen Verhältnüßen angestellet, statt des vorgeschlagenen Regierungs Rathen Bachmann der tit. Leersé der ältere, der ebenfalls in Antrag gebracht worden, in der 1. Deputation, und der Regierungs Vice Canzler Freiherr von Lamezan {4v]} nebst dem Freiherrn von Stengel zum Vice Praesidenten ernennet werden solle. Auch verordne ich, daß als Grundsaz aufgestellet werde, in den Landshoheits Senat des provisorischen Landcommissariats und der seiner Zeit errichtet werdenden Landes Direction kein ritterschaftliches Mitglied anzunehmen, welche Entschließung bey dem Auswärtigen Departement in dem Principien Buch vorzumerken ist. München, den 10. May 1800