BayHStA Staatsrat 8

6 Blätter. Unterschriften der Minister und des Königs. Protokoll: Kobell.

Anwesend:

König Max Joseph.

Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Morawitzky; Hompesch.

Entwurf der Konstitution für das Königreich Bayern

Beratung über verschiedene Kritikpunkte, die Finanzminister Hompesch in der Sitzung vom 13. Februar 1808 am Entwurf der Konstitution geübt hat. Im einzelnen geht es um die Entschädigung der Abgeordneten zur Nationalrepräsentation, um die Permanenz der Abgeordneten-Ausschüsse sowie um die Erhebung der Kommunalabgaben. Montgelas präzisiert seine diesbezüglichen Anträge und verständigt sich mit Hompesch. Sodann trägt Montgelas an, ergänzende Bestimmungen zur Aufhebung der Leibeigenschaft, zur Einführung von Kronämtern und zur Einführung eines Zivil- und eines Strafgesetzbuches in die Konstitution aufzunehmen. Der König akzeptiert die Anträge und bestätigt erneut spezielle Beschlüsse der Sitzung vom 13. Februar 1808 zur Gestaltung der Konstitution.

{1r} Veranlaßet durch die, von dem königlichen Finanz Minister Freyherrn von Hompesch nach der Geheimen Staats Conferenz vom 13. dieses Monaths wegen drey Punckten in der vorgelegten Constitutions Urkunde {1v} für das Königreich Baiern schriftlich gemachten und übergebenen Erinnerungen47: nemlich wegen einer in der Constitutions Urkunde denen Repraesentanten zugesichert werdenden Entschädigung, wegen den hier permanent bleiben sollenden Commißionen der Repraesentanten, und wegen Erhebung der Communal Lasten und Neben Beyschlägen; und die von den geheimen Staats und Conferenz Minister Freyherrn von Montgelas und Graffen von Morawizky erfolgte Beantworthungen, haben Seine Königliche Majestät allergnädigst geruhet, die in der lezten Staats Conferenz vom 13. d. M. gefaste Entschließungen rücksichtlich der Constitution einsweilen ausgesezet zu belaßen, und auf heute eine weitere Staats Conferenz über diesen Gegenstand zu versamlen.

Der königliche Geheime Staats und Conferenz Minister Freyherr von Montgelas zergliederte die von dem Freyherrn von Hompesch schriftlich gemachte Erinnerungen, laß einige derselben ab, und zeigte in mündlichem Vortrage seine Ansichten hierüber.

Wegen der ersten Erinnerung, rücksichtlich der Bestimmung in der Constitutions {2r} Urkunde § 3 Tit. IV, daß den Reichs Repraesentanten eine Entschädigung zugesicheret werden solle, habe er Freyherr von Montgelas geglaubt, daß es billig seye, denenselben für die Versäümnüß der Zeit und für die Reiße Kösten eine Entschädigung zu bestimmen. Nach seiner Meynung würde dieselbe den Staat höchstens jährlich 56.000 fl. gekostet haben, indeme er nach der in Neuburg bestehenden Verordnung vom Jahr 1796 für einen der Repraesentaten die Summe von 500 fl. angenohmen; Gratificationen nach beendigter Sizung würden höher kommen, weil solche als eine Belohnung der während der Sizung geleisteten Dienste, wobey aber nach der Verfaßung der Repraesentation, und nach der Art der eingeführt werdenden Abstimmung auf Dienste eines einzelnen gar nicht gerechnet werden könne, würden angesehen werden, und in dieser Voraussezung einem doch wenigstens 2 bis 3.000 fl. gegeben werden müste. Wenn aber die Meynung des Freyherrn von Hompesch wie derselben sich rücksichtlich dieses Puncktes geäüßeret, diese seye, daß diese Entschädigung nur in der Constitutionsacte nicht ausgedrückt, dennoch aber in dem jedes Jahr erscheinenden Einberufungs Reglement der Repraesentanten bestimt {2v} und ausgesprochen werde, so seye er mit der angetragenen Änderung des 3 § Tit. IV verstanden, daß derselbe blos enthalte, § 3 „Die Dauer der Functionen der Deputirten wird auf 6 Jahre bestimt“ und das übrige wegbleibe.

Nur glaube er Freyherr von Montgelas daß noch beygefüget werden könte: „daß die Deputirten nach dem Verlaufe dieser 6 Jahre wieder erwählbar seyen“.

Auch müße er antragen, daß in dem 4. § Tit. III mit dem 1. § Tit. IV hinzugefüget werde: „Daß die Creiß Räthe aus jenen vierhundert Land Eigenthümer, welche die höchste Grundsteuer bezahlen, und die Repraesentanten aus zweyhundert dieser Claße gewählet werden sollen.“

Freyherr von Hompesch äüßerte sich ganz übereinstimmend mit diesen Anträgen, nachdeme er auseinander gesezet, daß er keineswegs den Repraesentanten alle Entschädigung habe absprechen wollen, nur die ausdrückliche Bestimmung in der Constitutions Acte habe Im [!] bedencklich geschienen, und er halte es für beßer, wenn Sie dieselbe als einen Beweiß der königlichen Gnade {3r} erhielten, als wenn sie solche als ein in der Constitution zugesichertes Recht forderen könten, ob diese Entschädigungen des Jahres 30 oder 50.000 fl. mehr betrügen, hierauf komme es nicht an.

Wegen der 2ten Erinnerung, rücksichtlich der Permanenz der Commißionen habe er Freyherr von Montgelas geglaubt, daß es beßer seye, die Commißionen für immer hier bey dem Size der Regierung zu haben, um sie mit dem Geiste der Regierung vertraut zu machen, und durch sie die Versamlung zu leiten. Da aber die Versamlung blos die Negativ bey den ihr vorgelegt werdenden Gesezen habe, welche ihr auch, ohne das ganze Ansehen der Versamlung zu zernichten, nicht genohmen werden könnte, und diese Negativ, wenn sie auch eintretten sollte, den Verfügungen der Regierung nicht hinderlich, noch weniger gefährlich werden könte; so wolle er auch mit Hinweglaßung der Permanenz dieser Commißionen, und der angetragenen Faßung des § 6 Tit. IV sich vereinigen.

Rücksichtlich der Erhebung der Local Ausgaaben § 4 No 2 Tit. III dann § 6 des nemlichen Titels wegen Erhebung der königlichen Gefälle, Steuern und Auflaagen habe die angetragene Faßung dieser § den nehmlichen Sinn, den er Freyherr von Montgelas hinein{3v}geleget, und seye nur in den Ausdrücken verschieden, er erkläre sich also auch hiemit verstanden.

Bey nochmahliger Durchleßung der Constitutions Urkunde habe er Freyherr von Montgelas auch noch einige weitere Beysäze für nothwendig befunden, und wolle dieselbe Seiner Königlichen Majestät und dem Ministerio vortragen.

1.) Glaube er, daß rücksichtlich der Aufhebung der Leibeigenschafft, wo sie noch bestehet, in dem 1. Titel ein § eingeschaltet, und sohin in dem 3 § ausgesprochen werden müste[:] „die Leibeigenschafft wird da, wo sie noch bestehet, aufgehoben“48.

2.) In dem § 9 des II Titels seye bestimt, daß in Ermanglung eines volljährigen Agnaten der erste Kronbeamte des Reiches die Verwaltung deßelben übernehmen solle. Da aber keine Kron Ämter bestünden, so müste entweder dieses geändert, oder die Kron Ämter errichtet werden.

Er glaube, daß es der Würde Seiner Königlichen Majestät angemeßen, diese Kronämter zu errichten, auch könten dadurch mehrere mediatisirte Fürsten, nach ihrem schon geäüßerten Wunsche hieher gezogen und dem Intereße des Staates {4r} näher gebracht werden.

Im Falle der Genehmigung trage er an, die Würden eines Kron Obersthofmeisters des Reiches, eines Kron Oberst Cämmerers des Reiches, eines Kron Oberst Marschall des Reiches und eines Kron Oberst Postmeisters des Reiches, welche an den Herrn Fürsten von Taxis schon vergeben49, zu errichten. Diese könten den Sizungen des Geheimen Rathen beywohnen.

Zugleich trage er auch an, alle würkliche Geheime Staats und Conferenz Minister zu Kronbeamten des Reiches zu erheben.

Bey dem VI Titel der Constitution, wegen der Justiz, würde er Freyherr von Montgelas noch einen 6ten § beyfügen, und darin aussprechen, daß für das ganze Königreich ein eigenes bürgerliches und peinliches Gesezbuch eingeführet werden solle.

Hiebey komme es nur darauf an, ob man auch ausdrücken wolle, nach den Grundzügen des Code Napoleon oder nicht? Seine Meynung über die dem auswärtigen Ministerial Departement mitgetheilte Ansicht des Ministerial Justiz Departements über die Annahme des Code Napoleon habe er in einer {4v} Gegen Note, die bereits ausgefertiget, dem Ministerial Justiz Departement mitgetheilet.

Seine Königliche Majestät haben, nachdeme Allerhöchstsie die Meynungen Ihrer geheimen Staats und Conferenz Minister vernohmen, folgende Entschließungen zu faßen geruhet:

1.) Solle in dem I Titel der Constitution der 3 § wegen der Leibeigenschafft beygefüget werden.

2.) Solle in dem § 9 II Titel der Ausdruck Kronbeamte stehen bleiben, indeme Seine Königliche Majestät die Errichtung der Kronämter – eines Kron Obersthofmeisters des Reiches, eines Kron Oberst Cammerer des Reiches, eines Kron Oberst Marschall des Reiches, eines Kron Oberst Postmeisters des Reiches, welche Würde an den Herrn Fürsten von Taxis bereits vergeben, allergnädigst genehmigen, und die Anträge zu Besezung der drey ersten erwarten. Sie sollen den Sizungen des Geheimen Raths beywohnen; auch erheben Seine Königliche Majestät allerhöchstdero würkliche geheime Staats und Conferenz Minister zur Würde der {5r} Kronbeamten.

3.) Der Nus 2 des 4ten § Tit. III solle auf folgende Art gesezet werden: „Die zur Bestreitung der Local Ausgaaben nöthige Auflaage in Vorschlag bringet, welche gesöndert in dem jährlichen Finanz Etat aufgenohmen, von den königlichen Rent und Steuer Beamten mit den Auflaagen des Reiches erhoben und ausschlüßlich zu dem Zwecke, wozu sie bestimmt sind, verwendet werden müßen.“

4.) Der § 6 des nemlichen Titels solle, wie folget, redigiret werden: „Die königliche Gefälle, Steuern und Auflaagen des Reiches werden so, wie die Local Neben Beyschläge durch die Rent Ämter und die übrigen zu Behebung der Auflaagen bestimten Beamte erhoben.“

5.) Dem No 3 § 4 Tit III solle nach den Worten, auf lebenslang vergeben, beygefüget werden: „Sie werden aus denjenigen vierhundert Landeigenthümer des Bezirkes, welche die höchste Grundsteuer bezahlen, erwählet.“

{5v} 6.) In dem 1ten § des IV Titels solle eben so nach den Worten aus 112 Mitglieder gesezet werden: „welche aus denjenigen zweyhundert Landeigenthümer des Bezirkes, welche die höchste Grundsteuer bezahlen, von den Creiß Räthen gewählet, und unter die Creiße des Reiches ganz gleich vertheilet werden.“

7.) In dem 3 § Tit. IV solle der Schluß – „Sie erhalten keine Diaeten &[“] weggelaßen, und dieser § auf folgende Art redigiret werden: „Die Dauer der Functionen der Deputirten wird auf 6 Jahre bestimmet, jedoch sind sie nach Verlauf dieser 6 Jahren wieder erwählbar.“

Seine Königliche Majestät befehlen aber zugleich bey diesem §, daß obschon in der Constitutions Urkunde nichts von einer Entschädigung der Reichs Repraesentanten aufgenohmen wird, dieselbe dennoch in dem jedes Jahr erscheinenden Einberufungs Reglement der Repraesentanten ausgesprochen werden solle.

8.) Der 6te § Tit IV solle auf folgende Art gesezet werden. „Die Versamlung wählet unter sich {6r} Commißionen von 3 höchstens 4 Mitglieder: jene der Finanzen, der bürgerlichen und peinlichen Gesezgebung, der inneren Verwaltung und der Tilgung der Staatsschulden. Diese versamlen sich und correspondiren mit den einschlägigen Sectionen des Geheimen Rathes über die Entwürfe der Geseze und Hauptreglemens sowohl als dem jährlichen Finanz Etat, so oft es die Regierung von ihnen verlangt.“

9.) Solle dem VI Titel der 6te § wegen Einführung eines eigenen bürgerlichen und peinlichen Gesezbuches für das ganze König Reich hinzugefüget, dabey aber vom Code Napoleon nichts erwähnet werden.

Alle übrigen, in dem wegen der Constitutions Urkunde verfasten Conferenz Protocol vom 13ten d. M. enthaltene Beschlüße wegen dem Indigenat, wegen der niederzusezenden Ministerial Commißion, wegen Besezung des geheimen Rathes, und der Vermögens Confiscation der Desserteurs bleiben in ihrer Würkung, und erhalten so wie die Constitutions Urkunde, nachdeme die heute gefaste Beschlüße darin aufgenohmen und die hienach nöthige Änderungen getroffen seyn werden, die wiederhohlte allerhöchste Bestättigung.

Genehmigung der Entschließungen durch den König.

Anmerkungen

47

Vgl. Nr. 2 (Staatskonferenz vom 13. Februar 1808), TOP 2.

48

Zu Überlegungen Montgelas’ aus dem Jahr 1798, die Leibeigenschaft gegen eine Geldzahlung abzulösen, vgl. Weis, Montgelas Bd. 1, S. 414f.; Holzapfl, Bürgerliche Freiheiten, S. 46.

49

Karl Alexander Fürst von Thurn und Taxis war mit der Verordnung betr. die „Konstituirung einer General-Post-Direktion“ vom 1. März 1808 (RegBl. 1808, Sp. 1281-1289) als „Reichs-Ober-Postmeister“ bestätigt worden.