BayHStA Staatsrat 172

14 Blätter. Unterschriften des Königs und der Minister. Protokoll: Baumüller.

Anwesend:

König Max Joseph.

Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Morawitzky; Hompesch.

Geheime Räte: Graf v. Preysing; Ignaz Graf v. Arco; v. Zentner; Johann Nepomuk v. Krenner; Freiherr v. Stengel; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Schenk; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach.

Erläuterungen und Ergänzungen zum spezialgerichtlichen Verfahren

Feuerbach trägt über einige Zweifelsfälle vor, die sich bei der Anwendung des Patents über die Spezialgerichte ergeben haben. Der Geheime Rat diskutiert erstens über die Notwendigkeit der Vollzähligkeit der Richter, zweitens über die Degradation katholischer Geistlicher als Voraussetzung ihrer Bestrafung durch das staatliche Gericht. Während Feuerbach eine vorgängige Degradation nicht als notwendig betrachtet, befürchtet Montgelas insoweit Konflikte mit den Bischöfen; er setzt sich mit seiner Ansicht durch. Drittens diskutiert man, ob auf Todesstrafe entschieden werden kann, wenn die Richter über die Qualität der Beweise und den Status der Zeugen uneins sind.

{1v} 1. Das königliche geheime Ministerium der Justiz sah sich durch einen Anfrags Bericht der zum Spezial Gericht in Innsbruk ernannten Justizräthe in Betreff einiger in dem Edicte über die Special-Gerichte1306 nicht ausdrücklich entschiedenen Punkte veranlaßt, deßhalb allerhöchste Entscheidung zu erholen, und Seine Majestät der König haben befohlen, daß die Anfrags Punkte in der heutigen geheimen Raths Sizung von dem geheimen Rathe von Feuerbach zum Vortrage gebracht werden sollen1307.

Die erste Anfrage betraf den Fall, wenn von den 7 zum Special Gerichte ernannten Richtern1308 der eine oder der andere durch Krankheit oder sonstige Zufälle verhindert werde, wie es hier zu halten sei? Referent bemerkte, daß die von dem Gesez vorgeschriebene Verfahrungs-Art {2r} bei den Specialgerichten darauf berechnet sei, daß jedes einzelne Mitglied sich anschaulich von dem Gang der Verhandlungen, von der Kraft der Beweise für und gegen den Angeschuldigten überzeugen und hierauf sein Urtheil gründe.

Da ferner bei dem künstlichen Beweise die Einhelligkeit der Stimmen zur Todes-Strafe erfordert, und also auf jeden einzelnen der Richter so sehr mitgerechnet werde, daß von einer einzigen bejahenden oder verneinenden Stimme Tod oder Leben eines Menschen abhänge, so seie kein Zweifel, daß die Zahl der 7 Richter stets vollzählig sein müße1309. Wenn also das eine oder andere Individuum auf irgend eine Art verhindert sei, so müße nothwendig die volle Zahl durch supplirende Richter ergänzt werden.

Deßfalls jedesmal zu berichten, würde mit dem schnellen Gange der Spezial Gerichts-Höfe sich nicht vereinigen laßen. Es müßten also entweder gleich supplirende {2v} Richter beigegeben werden, welches jedoch große oft unzwekmäsige Kosten verursachen würde, oder der Vorstand des Spezialgerichts müßte zu einer provisorischen Verfügung ermächtiget werden.

Referent stellte demnach folgende Anträge:

1.) Wenn der eine oder der andere der fünf Civilrichter durch Krankheit oder andere Zufälle verhindert würde, so mögte der Vorstand des Specialgerichts benehmlich mit dem Kronfiskal zu ermächtigen sein, aus den Justiz-Räthen, Stadt- oder Landgerichts-Aßeßoren des Orts, wo das Gericht gehalten wird, oder in Ermanglung eines tauglichen Subjects an diesem Orte aus einem benachbarten Orte den Verhinderten zu ergänzen.

2.) Im Falle der Verhinderung des einen oder des andern der Militärpersonen hätte sich der Vorstand an die Kommandantschaft des Gerichts Sizes zu wenden, welche sogleich eine mit den gesezlichen Eigenschaften versehene {3r} Militärperson zur Ergänzung abzuordnen verbunden sei.

3.) Sobald der Fall einer solchen Ergänzung eingetreten sei, sollte sogleich zur allerhöchsten Stelle berichtet werden, damit bei vorhandenen Gründen einer fortdauernden Verhinderung durch Abordnung eines andern ständigen Mitgliedes die gesezliche Zahl ergänzt werde.

Diese Anträge wurden als vollkommen zwekmäsig genehm gehalten.

Der königliche geheime Rath von Feuerbach erinnerte, daß es einer näheren Erläuterung bedürfe, wie es im Falle ein Geistlicher von dem Specialgericht verurtheilt werden solle, mit deßen Degradazion zu halten sei. Er entwikelte die bisherige gesezliche Bestimmung in solchem Falle, besonders des oesterreichischen Kriminal-Gesezbuches, welches noch in Tyrol und Vorarlberg gelte, und welches einen Zeitraum von 30 Tagen festseze, um die Degradazion zu bewirken1310. Dieses könne jedoch bei den Spezial Gerichten {3v} nicht angewendet werden, wo die Vollziehung dem Urtheile nachfolgen solle. Übrigens seie die vorgängige Degradazion der Geistlichen blos eine Folge der ehemaligen Immunität der Geistlichen in weltlichen Handlungen und Verbrechen1311, da aber die Immunität der Geistlichen in bürgerlichen Verbrechen durch wiederholte allerhöchste Verordnungen aufgehoben sei1312, so glaube er, daß in Folge der schon vorhandenen Staats-Geseze zu erklären wäre: daß im Falle wider einen Geistlichen eine peinliche Strafe erkannt werden sollte, dieselbe ebenfalls innerhalb der gesezlich bestimmten Zeit zu vollstreken sei, ohne daß es einer vorgängigen Deposizion oder Degradazion von Seite der geistlichen Obrigkeit des Verbrechers bedürfe.

Dagegen erinnerte der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Freiherr von Montgelas, so wie der geheime Rath von Zentner, daß auf diese Art mit den Bischöfen Kollisionen {4r} entstehen würden, wie man deren schon vor mehreren Jahren habe erfahren müßen, und es wurde zwekmäsiger gefunden, die gestellte Anfrage dahin zu entscheiden,

daß das Spezialgericht, welches in den Fall kommen könnte, einen Geistlichen wegen Staats Verbrechen in Untersuchung zu nehmen, und wider ihn eine peinliche Strafe zu erkennen, sich an den Bischof der Provinz wenden solle, damit derselbe einen Bevollmächtigten in loco des Gerichts ernenne, um in eintretendem Falle den Geistlichen zu degradiren. Wenn der Bischof hierauf im Allgemeinen nicht entspräche, oder der von ihm Bevollmächtigte innerhalb der gesezlichen Frist die Degradazion vorzunehmen unterlaßen würde, so solle die Degradazion als geschehen angenommen und gegen den verurtheilten Geistlichen weiter verfahren werden.

Die dritte Anfrage betraf den Fall, wenn sich bei der Stimmen-Sammlung eine Stimmengleichheit über die eine oder die andere Entscheidungs-Frage ergäbe1313. Der Referent erwähnte {4v} der zwei bekannten möglichen Wege, bei der Stimmengleichheit eine Stimmenmehrheit herauszubringen, wo nämlich a) die Stimmen-Kombinazion nicht statt, dagegen der Vorstand, der sonst nicht mitstimmt, eine dezisive Stimme hat, und b) wo die Majorität durch Stimmen-Kombinazion herauskömmt, und der Vorstand keine Dezisiv-Stimme hat1314.

Der Antrag wurde nunmehr dahin gestellt: daß im Falle einer eintretenden Stimmengleichheit der Vorstand nach folgenden Grundsäzen den Beschluß zu faßen habe.

1.) wenn die Stimmen einfach gleich getheilt seien, so daß das ganze Kollegium nur in zwei entgegengesezte Meinungen mit gleicher Stimmenzahl sich theile, so seie der Beschluß nach der dem Angeschuldigten vortheilhafteren Meinung abzufaßen.

2.) Wenn aber die Stimmen unter mehr als zwei Meinungen getheilt seien, ohne daß für die eine entscheidende Mehrheit vorhanden sei [!], {5r} so mögte immer die dem Angeschuldigten härtere Stimme der ihr zunächst folgenden gelinderen bis zu entschiedener Mehrheit hinzuzählen sein.

Es wurde erinnert, daß der erste gegebene Fall nicht eintreten könne, da das Spezial Gericht nur aus 7 Richtern bestehe, den Vorstand miteingeschloßen, und daher

festgesezt, daß von dem unter Nro 1 gegebenen Falle Umgang genommen, der Fall aber, wenn die Stimmen in mehr als zwei Meinungen getheilt seien, ohne daß für die eine entscheidende Mehrheit vorhanden sei, dahin entschieden werden solle, daß immer die dem Beschuldigten härtere Stimme der ihr zunächst folgenden gelinderen bis zu entschiedener Mehrheit hinzugezält werde.

Endlich bemerkte von Feuerbach es seie nicht bestimmt, ob in dem Falle, wo das Collegium darüber uneins ist, ob wider den Angeschuldigten künstlicher oder nicht künstlicher Beweis vorhanden, ob die Zeugen exceptione majores {5v} seien oder nicht, der Inquisit nach Stimmenmehrheit oder nach Stimmeneinhelligkeit zum Tode verurtheilt werden könne.

Das Edict verordne, wenn ein nicht künstlicher Beweis vorhanden sei, und durch Stimmen Mehrheit der Beklagte für schuldig erkannt werde, blos auf diese Mehrheit die Todes Strafe statt haben könne, wenn aber derselbe blos aus Konkurrenz der Indizien zu überweisen ist, so wie wenn mehrere exzeptionsmäsige Zeugen gegen ihn außagen, so verordne das Edict, daß der Delinquent bei der ersten Frage, ob schuldig oder nicht, durch Stimmen Einhelligkeit für überwiesen geachtet werde, wenn auf den Tod erkannt werden solle.

Nun könne aber selbst über die Frage, ob künstlicher oder nicht künstlicher Beweis gegen den Beschuldigten vorhanden, ob die Zeugen exzepzionsfrei seien oder nicht, schon eine Theilung der Meinungen sein, und blos die Mehrheit dafür stimmen, daß der Delinquent durch die {6r} Außagen exzepzionsfreier Zeugen überwiesen sei. Es frage sich nun, ob auf diese Mehrheit die Todes Strafe erkannt werden könne.

Ein Fall könne sein, daß alle Stimmen darin sich vereinigen, daß der Angeschuldigte für überwiesen zu achten sei nur trennen sich die Meinungen in dem Grunde der Überzeugung. Hier glaube Referent, könne ohne Zweifel die Todes Strafe statt finden. Ein anderer Fall könne sein, daß die Mehrheit den Delinquent für überwiesen halte, und zwar aus dem Grunde des nicht künstlichen Beweises, weil sie z. B. die Zeugen omni exceptione majores annehme, die Minderzahl aber ihn nicht für überwiesen halte, weil sie die Zeugen exzepzionsmäsig finde. Hier frage sich nun, ob Todes Strafe ausgesprochen werden könne? Es könnte scheinen, als wenn durch die bejahende Beantwortung eine Illusion der Verordnung über die Stimmeneinhelligkeit verborgen werde, und als wenn {6v} das Verbot nach bloßer Stimmen Mehrheit die Todes Strafe zu erkennen falls doch exzepzionsmäsige Zeugen vorhanden, von selbst zugleich die Rechtswidrigkeit dieser Strafe in dem Falle begreifen müße wo nur über die Frage, ob die Zeugen exceptionsfrei seien, eine Stimmenmehrheit vorhanden sei. Dieses bestimme eigentlich, der verneinenden Meinung beizutreten, allein wenn man auf den Grund des Gesezes sehe, welches die Stimmeneinhelligkeit bei dem künstlichen Beweise erfordere, so zeige sich allerdings das Gegentheil als die richtigere Ansicht. Der Grund des Gesezes liege allein darin, weil der Beweis durch Kombinazion der Indizien allzu unsicher sei, weil daher der Gesezgeber einer Stimme, welche ihre Überzeugung blos auf das Zusammentreffen der Conjuncturen gründe, nicht hinreichendes Gewicht zutrauen könne, darum werde hier die Einheligkeit aller Stimmen erfordert.

{7r} Wenn es sich aber frage, ob künstlicher oder nicht künstlicher Beweis vorhanden, ob der Zeuge Einwendungen gegen sich habe oder nicht, so trete diese Voraussezung nicht ein. Die Unschuld laufe daher keine große Gefahr, wenn dabei der Stimmen Mehrheit ihr gewöhnliches Recht gelaßen werde1315.

Der Antrag des geheimen Raths von Feuerbach gieng also dahin, daß in dem unterstellten Falle allerdings auf Todes Strafe erkannt werden könne.

Es wurde genehmigt, daß diese 4te Anfrage dahin beschieden werde, daß im gegebenen Falle auf den Tod gesprochen werden könne.

Diese Erläuterungen sollen als ein Nachtrag zu dem Edicte über die Spezialgerichte und zwar als Bescheide auf geschehene Anfragen durch das Regierungsblatt zur allgemeinen Kenntniß gebracht werden1316.

Fideikommiß-Gesetzgebung

Vortrag Johann Nepomuk von Krenners aus Anlaß der mit § 69 des Adelsediktes, der die Aufhebung sämtlicher Fideikommisse anordnet, einhergehenden Unklarheiten. Ausgehend von einer Ausarbeitung Krenners haben die Sektionen des Inneren und der Justiz des Geheimen Rates einen Fragenkatalog formuliert, der nunmehr diskutiert wird. Es geht dabei im wesentlichen um die Feststellung, welche Vermögensmassen von der Vorschrift des § 69 erfaßt sind, das heißt auch um die Frage, welche in den Familien akkumulierten Vermögenswerte das jeweilige Familienfideikommiß umfaßt. Krenner fragt ferner, ob die Fideikommisse mit Inkrafttreten des Adelsedikts erloschen sind oder bis zum Ablauf der Sechsmonatsfrist am 14. März 1809 fortbestanden haben. Das ist im Fall des Freiherrn vom Stain zum Rechtenstein wichtig, der vor Fristablauf verstorben ist. Der König beschließt, das Problem in einer weiteren Sitzung erörtern zu lassen.

2. Der königliche geheime Rath von Krenner der ältere wurde nunmehr von Seiner {7v} Majestät zum Vortrage in Betreff einiger Anstände wegen Aufhebung der Fideikommiße aufgefordert. Über die Frage, was eigentlich die im § 69 des königlichen Edictes über den Adel geschehene Aufhebung der Fideikommiße für rechtliche Wirkungen nach sich ziehe, waren zwischen dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten und jenem der Justiz verschiedene Discußionen entstanden, weßhalb sich eine gesezliche oder authentische königliche Erklärung erbeten werden mußte. Der königliche geheime Rath von Krenner hatte diesen Gegenstand in einem umständlichen Vortrage bearbeitet1317, welcher in mehreren geheimen Raths Sekzions Sizungen des Ministeriums des Innern und der Justiz diskutirt worden war. Man hatte für gut befunden, die Haupt-Momente dieses Vortrags in 11 Fragen aufzustellen und hierüber die Entscheidung Seiner Majestät des Königs zu erbitten1318.

{8r} 1te Frage, begreift man in Deutschland unter dem Ausdruke Familien Fideikommiße auch jene Succeßions Verordnungen, durch welche das Eigenthum eines Gutes in der Gemeinschaft aller Familien-Angehörigen verblieb, zur Nuznießung dieses Gutes aber immer nur einer oder einige der Familien-Angehörigen in succeßiver Erbfolge berufen sind.

Referent bemerkte, daß diese Frage durch Mehrheit der Stimmen in der Sekzions Sizung verneinend beantwortet worden sei1319.

2te Frage. Sind die Succeßions Verordnungen obiger Art auch in der Disposizion des § 69 des Edictes verstanden, sohin durch diesen auch aufgehoben.

Diese Frage seie durch Mehrheit in der Sekzions Sizung mit ja beantwortet worden, so wie die folgende

3te Frage. Wenn auch die Succeßions Verordnungen obiger Art aufgehoben sind, müßen dann die im Miteigenthum sich erhaltene {8v} Familien Angehörige für Civilbesizer eines solchen Familien Gutes geachtet werden.

Bei der 4ten Frage, welches die Criterien und Merkmale seien, daß das Miteigenthum bei der Succeßions Verordnung sämmtlichen Familien Angehörigen vorbehalten worden sei, hatte man nachstehende in den vereinigten Sekzions Sizungen ganz einstimmig angenommen. A) Wenn in der ersten Erbfolge Verordnung die ausdrükliche Erklärung enthalten sei, daß das Miteigenthum den Familien Angehörigen vorbehalten werde. B) Wenn die disponirende Stamm Väter in dem Miteigenthum eines Gutes waren, und bei ihrer Erbfolge-Verordnung ohne des Eigenthums zu erwähnen, lediglich über den Genuß disponirt haben. C) Wenn die fideikommißarische Erbfolgeordnung blos im Genuße, dagegen das Miteigenthum in der Substanz aus dem Geseze hervorgeht, wie dieses bei den Privatlehenhöfen der Fall sei, {9r} D) wenn in der Erbfolge Verordnung immer mehrere Familien Glieder zugleich zur Erbfolge also berufen seien, daß sie den Genuß des Gutes entweder unter sich theilen oder abwechselnd von Jahr zu Jahr haben sollen. In diesem Falle jedoch seie das Miteigenthum nicht allen Familien Angehörigen sondern nur diesen zur Erbfolge zugleich berufenen zugestanden, und nur diese seien also als Civil Mitbesizer anzusehen.

Endlich auf die 5te Frage: wenn mehrere Familien-Angehörige als Civilbesizer zu achten seien, nach welchem Verhältniße das aufgelöste Miteigenthum unter diese leztere getheilt werden müße, seie dahin eingestimmt worden, daß es in dem Maaße zu vertheilen wäre, in welchem sie das Miteigenthum auf sich vererbt haben, jedoch hätte der bis zur Aufhebung der Erbfolgeordnung im Genuße gestandene Stamms-Genoße diesen Genuß bis zu seinem Tode zu behalten, und dan solle erst die Theilung {9v} vollzogen werden. Sei der Genuß unter mehreren gleichzeitig oder von Jahren zu Jahren abwechselnd verordnet gewesen, so hätte die Theilung sogleich unter diesen nach dem Verhältniße der Theile, welche ihnen am Genuß zuständen, Plaz zu greifen. Die Fideikommiß Seniorate seien unter solchen Verordnungen des abwechselnden Genußes nicht zu verstehen, sondern als wahre Familien-Fideikommiße zu halten.

Seine Königliche Majestät riefen nunmehr die königliche geheime Staats- und Konferenz Minister und übrige geheime Räthe zur Abgabe ihrer Meinung über vorstehende 5 Fragen auf.

Fünf Stimmen vereinigten sich mit der hier in Antrag gebrachten Beantwortung der Fragen, wornach jene Succeßions Verordnungen durch die das Eigenthum eines Gutes in der Gemeinschaft aller Familien-Angehörigen verblieben, zur Nuznießung desselben aber immer nur einer oder einige der Familien-Angehörigen {10r} in succeßiver Erbfolge berufen seien, nicht unter dem Ausdruke Familien-Fideikommiße begriffen werden sollen. Man solle also darauf zurük gehen, was eine Familie in Condominis genieße, und ausscheiden von dem, was eigentlich Fideikommiß sei; da wo Condominium bewiesen werden könne, käme die für die Fideikommiße beschloßene Auflösung nicht in Anwendung und zu dieser Ausscheidung möchten die in der Sekzions Sizung angetragene Criterien anzunehmen sein. Neun Stimmen hingegen waren dafür, daß diese Succeßions Verordnungen von den Familien Fideikommißen nicht ausgeschieden, sondern wie diese leztere simpliciter als erloschen anzusehen wären. Jedoch wären hiervon die Privatlehen Höfe und der Fall der communionis usus auszunehmen.

Nach dieser Stimmen Mehrheit

wurde festgesezt: daß zwischen den Succeßions-Verordnungen der Familie, durch welche das Eigenthum {10v} eines Gutes in der Gemeinschaft aller Familien-Angehörigen verblieb, zu seiner Nuznießung aber nur einer oder einige derselben in succeßiver Erbfolge berufen seien, und zwischen den durch das königliche Edict über den Adel aufgehobene Fideikommißen kein Unterschied zu machen, sondern die erstere gleichfalls wie die Fideikommisse zu Gunsten des lezten Besizers mit bezug auf den § 701320 als simpliciter erloschen anzusehen seien. Es sollen jedoch die Privatlehenhöfe und der Fall der Communionis usus in sofern dieselbe aus einem ursprünglichen wahren Miteigenthum abfließt hievon ausgenommen werden.

Der königliche geheime Rath von Krenner trug nun die 6te Frage in Betreff der Substituzionen vor, wenn nämlich bei den aufgehobenen eigentlichen Fideikommißen zulezt noch piae causae oder der Fiskus substituiret seien, ob sich die aus der Aufhebung hervorgehende Faßirung der Substituzionen auch auf Stiftungen und auf den Fiscus erstreke? Diese Frage war in der vereinigten Sekzions Sizung mit Ja beantwortet.

{11r} Bei der Abstimmung hierüber trug zwar der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Freiherr von Montgelas darauf an, daß die in Frage stehende Substituzionen des Fiscus und der milden Stiftungen gleichfalls aufgehoben sein sollten, jedoch wäre etwas, allenfalls 1/10 tel als Ablösung von demjenigen zu verreichen, welcher als Allodebesizer eintritt. Dieser Meinung traten zwar noch 3 Stimmen bei, allein die Mehrheit von 9 Stimmen war pure für die Aufhebung der fraglichen Substituzionen.

Es wurde demnach beschloßen, daß die aus der Aufhebung der Geschlechts Fideikommiße hervortretende Faßirung der Substituzionen sich auch auf Kirchen, milde Stiftungen und den königlichen Fiscus erstreken solle.

Es frage sich ferner 7tens ob, wenn in einer Geschlechts Fideikommiß-Urkunde die milde Stiftungen oder das gemeine Wesen zwar nicht substituiret jedoch mit besondern Stiftungen oder Legaten bedacht seien, auch diese leztere mit der Aufhebung des Fideikommisses {11v} zusammen fallen. Es wurde bemerkt, daß diese eigentlich ein titulus privatus seien, und ganz ohne Widerspruch mit dem emanirten Edicte bestehen können, und daher der Beschluß gefaßt:

Solche besondere Stiftungen oder Legate an causas pias oder das gemeine Wesen haben in ihrer rechtlichen Wirkung zu verbleiben, und sollen auf dem vormaligen Fideikommiß nunmehrigen Allodial Gute haften, weßhalb die geeignete Sicherheit mittels Eintragung der Stiftung oder des Legats in das Hypothekenbuch zu stellen ist.

Referent trug den weitern Fall 8) vor, wenn bei einer solchen Nebendisposizion mit dem frommen Zweke auch zugleich die Erhaltungs-Absicht des Geschlechts oder nur der Vortheil der Geschlechts-Angehörigen verbunden sei, ob diese Nebendisposizion dann hinweg falle. Derselbe hat seine Ansicht in einem eigenen Nebenvortrage entwikelt.

Schon in der Sekzions Sizung des geheimen Rathes hätte man dreierlei Arten {12r} solche Nebenstiftungen unterscheiden zu müßen geglaubt nämlich

A) Nebenstiftungen, welche Theile der Hauptfideikommiß Stiftung selbst seien, entweder indem sie als Mittel zum Zwek (id est, der Erhaltung der Familie) anzusehen wären, als nämlich a) besondere Begünstigungen des jederzeitigen Fideikommiß-Besizers in Hinsicht auf diesen Zwek, b) Wittums-Versicherungen für die Ehefrauen des Fideikommiß-Besizers oder eines Nachfolgers oder aber indem sie mit der Erbfolgeordnung in unmittelbarer Verbindung stehen, als Appanagen, Aussteuern der weiblichen Angehörigen.

B) Nebenstiftungen, die von dem Zweke der Fideikommiß Erfolge unabhängig seien, als Stiftungen und Legate für Personen außer der Familie, oder für wohlthätige Zweke, wenn auch die Familien Angehörigen darunter begriffen wären, oder für den Staat, für Kirchen und andere pias causas

{12v} C) Nebenstiftungen vermischter Natur, wobei nämlich nur die Familien Angehörigen begünstiget seien, deren Zwek jedoch zugleich im allgemeinen Staats Zweke enthalten sei, als Stipendien, Benefizien, Kranken Stiftungen für Familien Angehörige.

Der königliche geheime Rath von Krenner las die auf diese 3 Punkte durch Stimmenmehrheit in der Sektions Sizung gefaßten Anträge ab. Freiherr von Montgelas war der Meinung des geheimen Raths von Krenner, derselbe glaubte, daß alle sub a) b) c) bemerkte Nebendisposizionen als bestehend erklärt werden könnten. Es wurde jedoch in Übereinstimmung mit den Sekzions Anträgen beschloßen

die sub a) bemerkte Nebenstiftungen als Theile der Hauptfideikommiß Stiftung selbst sollen mit dieser aufgehoben sein, die sub b) und c) erwähnten Nebenstiftungen aber, die von dem Zweke der Fideikommiß-Erbfolge unabhängig sind, oder die ihren Zwek im allgemeinen Staatszweke haben, wenn gleich dabei nur Familien Angehörige {13r} begünstiget werden sind unbedingt in ihren rechtlichen Wirkungen zu erhalten.

Die 9te Frage, welche der Referent der allerhöchsten Entscheidung vorlegte, betraf jene Fideikommiße, welche ein Testator zwar zum Besten seiner Deszendenz jedoch nicht ausschließlich zu Gunsten des Manns Stammes noch weniger zu seiner Erhaltung errichtet hat. Sollen diese nun ebenfalls für Geschlechts-Fideikommiße, welche der Aufhebung unterliegen, oder aber vielmehr für bloße fideicommissa vulgaria gehalten werden. Der über diese Frage gestellte Antrag der Sekzionen des geheimen Raths wurde genehmigt und beschlossen,

es solle alsbald durch ein Edict erklärt werden, daß da es nach früheren Beschlüßen in Betreff der fraglichen Fideikommisse nach den Bestimmungen des neuen (noch nicht promulgirten) Gesez-Buches gehalten werden solle, darnach aber alle fideikommißarische Substituzionen verboten seien, auch diese Fideikommisse erlöschen müßen.

Referent erinnerte ferner, {13v} daß ein wichtiger Anstand durch Entscheidung der 10ten Frage zu lösen sei, ob nämlich schon mit der Erscheinung des königlichen Edictes über den Adel durchgehends alle wahre adelige Geschlechts Fideikommiße erloschen seien, oder aber ob nicht wenigstens noch die der neueren Majorate susceptiblen Fideikommiße bis zum 14 Merz l. J. dergestalt fortbestanden haben1321, daß wenn noch innerhalb dieser Zeit der Fideikommiß Besizer starb, nicht schon dessen Allodialerbe, sondern vielmehr noch desselben Fideikommiß Folger in das Fideikommiß zu succediren hätte.

Der königliche geheime Rath von Krenner las aus seinem großen Vortrage einen inzwischen eingetretenen Fall mit dem Besizer mehrerer Fideikommiß-Güter Freiherrn von Stein zum Rechtenstein1322, der noch innerhalb der 6monatlichen Frist mit Tode abgieng, und wobei es darauf ankomme, ob die in Majorate umzuwandelnde Fideikommisse als {14r} schon mit der Erscheinung des Edictes aufgelößt anzusehen seien, oder ob selbe innerhalb der 6 monatlichen Frist ihre rechtliche Wirkungen noch nicht verloren haben.

Die Meinung der Sekzion gieng dahin, daß, nachdem in Gemäsheit des Edictes alle Familien-Fideikommiße aufgehoben seien, auch diese des neueren Majorats susceptible Fideikommiße mit der Promulgazion des Edictes aufgehoben sein würden. Da jedoch die Meinung des Edicts durch die gebrauchten Worte übergehen, behalten pp. wirklich Zweifeln unterworfen sei, und da bei den Berathungen darüber die Aufhebung dieser Fideikommisse auf den Nichterfolg der Erklärung bedungen zu sein scheine, so mögte eine nähere Bestimmung Seiner Majestät hierüber erholt werden.

Seine Majestät wollen, daß in der nächsten geheimen {14v} Raths Sizung diese Frage näher berathen, und der allerhöchsten Erklärung untergeben werde1323.

Genehmigung der Entschließungen durch den König.

Anmerkungen

1306

VO betr. die „Errichtung von Special-Gerichten“ vom 27. Juli 1809, RegBl. 1809, Sp. 1257-1280; vgl. Nr. 40 (Geheimer Rat vom 27. Juli 1809), TOP 1. Zum Spezialgericht in Innsbruck, auch zur Rechtsprechungspraxis, s. Schennach, Revolte, S. 607f.

1307

Nachdem die Justizräte des Spezialgerichts in Innsbruck am 18. August Anfragen an die Zentrale gerichtet hatten, die „theils authentische Interpretation des Gesezgebers, theils nachträglich Zusätze zu der Verordnung über die Spezialgerichte“ erforderlich machten, beauftragte der König Feuerbach, im Geheimen Rat einen diesbezüglichen Vortrag zu halten („Vortrag über verschiedene Erläuterungspunkte der Spezialgerichte“, 8 Bll., nicht gezählt, BayHStA Staatsrat 169, Zitat Bl. [1r]; weiteres Exemplar MA 99501).

1308

VO vom 27. Juli 1809, RegBl. 1809, Sp. 1259: „§ 2. Das Special-Gericht besteht aus sieben Richtern, unter denen einer den Vorsiz führt, und zwei aus dem Militär-Stande genommen werden […].“

1309

Hinsichtlich des „künstlichen“, also des auf Indizien gegründeteten Beweises ordnete § 30 der Verordnung vom 27. Juli 1809 (RegBl. 1809, Sp. 1270) folgendes an: „Doch kann auf den künstlichen Beweis durch Zusammentreffen der Anzeigungen die Strafe des Todes nur alsdann erkannt werden, wenn der Angeschuldigte durch Einhelligkeit aller Stimmen der That für überführt erklärt wird. Ist über die Frage: ob der Angeschuldigte aus Anzeigungen für überführt zu achten sey? nur Stimmen-Mehrheit vorhanden, so kann blos auf Zuchthaus-, Arbeitshaus-, Gefängniß- oder andere geringere Strafe wider denselben erkannt werden.“

1310

Im österreichischen „Gesetzbuch über Verbrechen“ von 1803 heißt es: „§ 446. Auch damals muß die Kundmachung und Vollziehung des Strafurtheiles verschoben bleiben, wann der Verurtheilte […] b) ein Mitglied des geistlichen Standes der christlichen Religion […] ist. In solchen Fällen ist das Urtheil dem Obergerichte, wenn es nicht ohnedieß durch dasselbe ergehen muß, sammt den Acten zuzusenden. Das Obergericht hat dann nach Verschiedenheit der Person die Anzeige von dem Verbrechen, und dem erfolgten Urtheile […] dem Bischofe oder geistlichen Oberhaupte in der Provinz […] zu machen, damit über Entsetzung des Verurtheilten von der Würde […] die angemessene Verfügung getroffen werden könne. Wenn das Obergericht die Nachricht von der erfolgten Verfügung binnen dreyßig Tagen von der Zeit der gemachten Anzeige nicht erhält, ist das Urtheil kund zu machen, und zu vollziehen“ (Gesetzbuch, S. 251f.).

1311

Dazu führte Feuerbach in seinem „Vortrag über verschiedene Erläuterungspunkte der Spezialgerichte“ (BayHStA Staatsrat 169, Bl. [7v]) u.a. näher aus: „[…] das Strafrecht des weltlichen Richters gründet sich nicht mehr auf beliebige indirekte Ueberlaßung des Verbrechers von Seite der geistlichen Behörde an die weltliche Obrigkeit; jenes Strafrecht fließt nunmehr unmittelbar aus den Gesezen des Staats, welchem jeder in weltlichen Dingen unterworfen ist, kann daher von einer Vergünstigung der geistlichen Obrigkeit nicht mehr abhängen.“

1312

Die Ordnung des Geistlichen Rates vom 16. August 1779 (MGS Bd. 2, Nr. VI.99, S. 1126-1145, hier § 14, S. 1134) verordnete, daß Geistliche in Ausübung ihres Kirchenamtes dem kanonischen (Straf-)Recht unterlagen. Gleichzeitig galt aber: „Wenn so eine Handlung auch die Wohlfahrt des Staats mit angeht, so steht der Landesherrschaft nicht minder zu, denselben, nachdem ihm der geistliche Obere die kanonische Buß vorher auferlegt hat, auch, civiliter, oder nach Schwere des Verbrechens, nach wirklich geschehener, oder doch für geschehen geachteter Degradation, a) und mit Beachtung der nämlichen Prozeßordnung, wie gegen adeliche und graduirte Uebelthäter, wohl auch crimminaliter zu bestrafen; massen durch die geistliche Strafe die weltliche nicht aufgehoben wird.“ In diesem Sinne setzte die Verordnung vom 7. Mai 1804 betreffend die „Verhältnisse zur geistlichen Gewalt“ (RegBl. 1804, Sp. 509-514, zit. Art. II, Sp. 512) in „peinlichen Fällen“ die Überordnung der staatlichen Gewalt schlicht voraus, sollten die Ordinariate doch „von dem Erfolge der Untersuchung“ lediglich in Kenntnis gesetzt werden, „um darnach auch von ihrer Seite gegen die Person des Verbrechers, in Beziehung auf seine geistlichen Verhältnisse, das Geeignete verfügen zu können“. Im Gegenzug erwartete der Kurfürst „von den Ordinariaten, daß sie den weltlichen Landesstellen die Disziplinar-Vergehen, und ihre Bestrafung anzeigen werden, um entweder bey Beförderungen solcher Geistlichen hierauf Rücksicht nehmen zu können, oder in Fällen, wo dergleichen Vergehen zugleich die Aufmerksamkeit der weltlichen Obrigkeit, in Beziehung auf die bürgerliche Ordnung, und auf die Handhabung und Aufrechterhaltung der Gesetze rege gemacht haben, gleichfalls das Erforderliche zu veranlassen“.

1313

Die gesetzliche Regelung sah insoweit folgendes vor: „Unter den Richtern gibt derjenige, welcher die Untersuchung geführt hat, zuerst seine Stimme, die übrigen nach dem Range des Dekrets von unten auf. Sind die Stimmen gleich, so entscheidet der Vorsizende, welcher nur Eine [!] Stimme, und zwar die lezte hat“ (VO vom 27. Juli 1809, RegBl. 1809, Sp. 1272, § 37).

1314

Feuerbach führte dazu in seinem Vortrag näher aus (BayHStA Staatsrat 169, Bl. [3r]): „Das erste System wurde, und wie man zeigen kann, aus blosser Bequemlichkeit von Kraitmair [d.i. Wiguläus Xaverius Aloysius Freiherr von Kreittmayr] in Altbaiern angenommen, der dadurch, wie von den Justizstellen bei vielfältigen Gelegenheiten erinnert worden ist, die gröste Willkühr und Ungerechtigkeit zum Geseze gemacht hat. Denn nach dem Prinzip jenen Systems ist es möglich, daß ein Mensch mit 2 Stimmen gegen sieben oder acht zum Tode verurtheilt werden kann“. – Zu dem von Kreittmayr eingeführten „System“ vgl. CJBC, Tl. 2, Kap. 10, § 12, S. 129: „Wo Vota paria vorhanden seynd, giebt der Praesident, oder der dessen Stelle vertritt, den Ausspruch […]“; Kommentar: Anmerckungen CJBC, S. 152. Im Zivilprozeß galt dasselbe Prinzip, CJBJ Kap. 14, § 6, Pkt. 4, S. 99, dazu der Kommentar: Anmerckungen CJBJ, S. 191f.

1315

Feuerbach gab in seinem Vortrag (ebd., Bl. [5v]) zu bedenken: „Die Verbrechen, welche zu der Errichtung der Spezialgerichte überhaupt, und der Spezialgerichte in Tirol und Vorarlberg insbesondere Veranlassung gegeben haben, sind überdies von der Art, das wenige Fälle seyn werden, wo nicht dem einen oder andern Richter die Bedenklichkeit auffallen sollte: ob auch dieser oder jener Zeuge wirklich testis omni exceptione major sey? zumal da auch Militärpersonen mitstimmen, welche in der Rechtslehre von dem Zeugenbeweis selten gehörig bewandert seyn mögen.“

1316

VO betr. die „Erläuterung verschiedener Punkte des specialgerichtlichen Verfahrens“ vom 29. August 1809, RegBl. 1809, Sp. 1393-1396; auch bei Winkopp (Hg.), Der Rheinische Bund 13 (1809), Nr. 10, S. 136-138. – Weitere Debatte über die Spezialgerichte: Nr. 44 (Geheimer Rat vom 31. August 1809), TOP 1.

1317

[Johann Nepomuk] von Krenner: „Allerunterthänigster Vortrag. Die nachgesuchte authentische Erklärung über den § 69 in dem königlichen Edikte über den Adel im Königreiche, und die aus der beschehenen Aufhebung der Fidei Kommisse hervorgehenden Wirkungen betreffend“ vom 20. Mai 1809, 175 S., lithographierter Text, BayHStA Staatsrat 8230 (Nr. 7), auch in Staatsrat 1939.

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Die langwierigen Auseinandersetzungen um die Gestaltung des Fideikommiß- bzw. Majoratsrechts setzten bald nach Inkrafttreten des „Edikt[s] über den Adel im Königreiche Baiern“ vom 28. Juli 1808 ein (RegBl. 1808, Sp. 2029-2044; vgl. oben Nr. 7 [Staatskonferenz vom 7. Juli 1808], TOP 3 und Nr. 9 [Staatskonferenz vom 28. Juli 1808], TOP [1]) und mündeten schließlich im Edikt betreffend „die bisherigen adelichen Fidei-Kommisse, und künftigen Majorate im Königreiche [Bayern]“ vom 22. Dezember 1811 (RegBl. 1812, Sp. 5-54; Kotulla, Verfassungsrecht Bd. 2, Nr. 337, S. 1056-1085; Auszug: Schimke, Regierungsakten, Nr. 22, S. 139-149). Auslöser waren Unklarheiten in der Auslegung von § 69 des Edikts über den Adel, der folgenden Inhalt hatte: „Die dermaligen Fideikommisse Unserer adelichen Familien sind in allen ihren dermaligen rechtlichen Wirkungen aufgehoben, wie sie auch in der Voraussezung anderer staatsrechtlichen Verhältnisse von Uns bereits bestätiget worden sind“ (ebd., Sp. 2043). Fraglich war, ob sich die Bestimmung auch auf die Fideikommisse Nichtadliger erstreckte. Die authentische Interpretation vom 5. Dezember 1808 bejahte diese Frage (RegBl. 1808, Sp. 2887). Nunmehr war klar, daß alle Fideikommisse aufgehoben waren, doch bestanden weiterhin Unstimmigkeiten hinsichtlich einzelner Rechtsfolgen. Die Geheimratssektionen des Inneren und der Justiz berieten darüber auf der Grundlage eines ausführlichen Vortrags Johann Nepomuk von Krenners vom 20. Mai, BayHStA Staatsrat 8230 (Nr. 7), in vier Sitzungen zwischen dem 12. und dem 18. August 1809. Ergebnis war ein Fragenkatalog, der am 24. und 31. August im Geheimen Rat diskutiert wurde. Das hinter den Beratungen stehende Grundproblem war, wie mit den fideikommissarisch gebundenen Vermögensmassen weiter verfahren werden sollte. Zwei Vorgehensweisen waren denkbar, sofern die in § 70 des Edikts über den Adel (RegBl. 1808, Sp. 2043f.) ausgesprochenen formalen Voraussetzungen erfüllt waren (u.a. ein jährlicher Reinertrag von 4.000 fl.; vgl. § 26, ebd., Sp. 2034): Zum einen konnten die aufgehobenen Fideikommisse unmittelbar in Majorate umgewandelt werden (das sog. „Transitionssystem“). Zum anderen konnten die Fideikommisse zunächst allodifiziert und schuldenfrei gestellt werden, um dann die Erbansprüche der Töchter und Kadetten zu befriedigen. Mit der verbliebenen Masse konnten schließlich neue Majorate gegründet werden (das sog. „Reviviszenzsystem“). Zur Reform des Majorats- und Fideikommißrechts vgl. Demel, Adelsstruktur, S. 219-221; Eckert, Kampf, S. 293-318; Ernst, Der bayerische Adel, S. 73-233 (S. 117-119: Paraphrase des vorliegenden TOP 2).

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Der als Ergebnis der Sektionssitzungen im August 1809 formulierte, im vorliegenden TOP diskutierte Fragenkatalog wurde lithographisch vervielfältigt (7 Seiten, nicht datiert): BayHStA Staatsrat 8230 (Nr. 8).

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„Edikt über den Adel im Königreiche Baiern“ vom 28. Juli 1808, RegBl. 1808, Sp. 2043f., § 70: „Sie [sc. die „dermaligen Fideikommisse Unserer adelichen Familien“, § 69] nehmen jedoch die Eigenschaft eines Majorats mit allen demselben durch die gegenwärtige Verordnung beigelegten rechtlichen Eigenschaften an, wenn sie a) von Adelichen errichtet sind, b) in liegenden Gütern bestehen, c) von Uns bestättiget und immatrikulirt sind, d) die Summe von 4000 fl. jährlicher reiner Einkünfte erreichen, und e) wenn sich die Besizer innerhalb 6 Monaten, von dem Tage der Kundmachung dieser Verordnung, schriftlich bei Uns mit der Erklärung melden, daß sie wünschen, ihre Fideikommisse mögen in ein Majorat übergehen.“

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Das Adelsedikt vom 28. Juli 1808 wurde im Königlich-Baierischen Regierungsblatt Nr. 51 vom 14. September 1808 promulgiert. Die Frist zur Anmeldung eines Majorats, nach § 70 e) sechs Monate (RegBl. 1808, Sp. 2044), lief mithin am 14. März 1809 ab.

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Karl Leopold Freiherr vom Stain zum Rechtenstein (geb. 1729), 1779 Erhebung in den Reichsgrafenstand, zuletzt österreichischer Feldzeugmeister, starb am 5. März 1809 noch vor Ablauf der Frist zur Anmeldung eines Majorats. Vgl. Cast, Adelsbuch, S. 335; Wurzbach, Lexicon Bd. 36, S. 92-94 s.v. Stain. Krenner bezeichnet ihn im Vortrag vom 20. Mai 1809 („Allerunterthänigster Vortrag“, BayHStA Staatsrat 8230 [Nr. 7], S. 73) als „hochbejahrte[n] oesterreichische[n] Feldmarschall Lieutenant“.

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Zum Fortgang: Nr. 44 (Geheimer Rat vom 31. August 1809), TOP 2.