BayHStA Staatsrat 197

11 Blätter. Unterschriften des Königs und der Minister. Protokoll: Kobell.

Anwesend:

Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Reigersberg.

Geheime Räte: Graf v. Preysing; Ignaz Graf v. Arco; Graf v. Toerring-Gutenzell; v. Zentner; Johann Nepomuk v. Krenner; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; v. Schenk; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach

Einführung neuer Mitglieder in den Geheimen Rat

Montgelas vollzieht die Einführung von Maximilian Graf von Thurn und Taxis sowie Johann Nepomuk Graf von Welsberg in den Geheimen Rat. Thurn und Taxis nimmt den Platz nach Johann Nepomuk von Krenner ein, Welsberg erhält den letzten Platz.

{1r} [1.1] Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas eröfneten dem versammelten geheimen Rathe, daß Seine Majestät der König allergnädigst geruhet, die beide gewesene General Commißaire der Altmühl und Etsch-Kreise Grafen von Tassis und Grafen von Welsberg zu wirklichen geheimen Räthen für das Dienstjahr 1810/11 zu ernennen, und Ihme Graf von Montgelas deren Einführung und Beeidigung allergnädigst aufzutragen.

{1v} Um diesen allerhöchsten Auftrag zu befolgen, verfügten Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas die Einführung und Beeidigung der beiden genannten Grafen von Tassis und Welsberg nach dem beiliegenden Program1762, und dieselbe legten mit den gewöhnlichen Förmlichkeiten folgenden Eid, der ihnen von dem General Secretaire des geheimen Rathes vorgelesen wurde, ab. „Ich schwöre Gehorsam der Konstituzion und den Gesezen des Reichs und Treue Seiner Majestät dem Könige, so wahr mir Gott helfe und sein heiliges Evangelium.“

Nachdem auf Begehren des Herrn Grafen von Tassis demselben der Plaz nach seinem Eintritt in den königlichen Staatsdienst als königlicher [!] Commißaire bei der Landschaft in Neuburg vom Jahre 1782 nach Herrn geheimen Rath von Krenner dem älteren angewiesen war, indem derselbe auf den, ihme durch die bei der ersten Eröfnung des geheimen Rathes beobachtete Ordnung, als Kammerherrn vom Jahre 1763 gebührenden Rang nach Seiner Excellenz dem Herrn Grafen von Arco dem älteren freiwillig und aus eigener Ansicht Verzicht leistete1763.

Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas nahmen diese Verzichtleistung mit dem Vorbehalte an, {2r} daß solches im Protokoll bemerkt und hieraus kein Praejudiz für künftige Ernennungen in dem königlichen geheimen Rathe gezogen werde.

Dem königlichen geheimen Rathe Herrn Grafen von Welsberg wurde nach seinem Eintritt in den königlichen Staatsdienst der lezte Plaz im geheimen Rathe angewiesen1764.

Gerichtsverfahren gegen Landrichter und Landgerichtsassessor

Effner diskutiert die Frage, ob Landrichter Karl Christoph Schnitzlein und Landgerichtsassessor Andreas Wilhelm Heinrich Langenfaß, Landgericht Altdorf, wegen eines Amtsdelikts vor Gericht gestellt werden sollen. Er bejaht die Frage; Reigersberg stimmt dem zu, ebenso alle Geheimen Räte. Es ergeht ein entsprechender Antrag an den König.

[1.2] Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz-Minister Herr Graf von Montgelas forderten hierauf den Herrn geheimen Rath von Effner auf, den Vortrag über die Frage: Soll der Landrichter Schnizlein1765 und der Landgerichts Aßeßor Langenfas1766 zu Altdorf im Pegniz-Kreise wegen sträflicher Insubordination, dann wegen einem zum Druke eines Unterthanen und zu unerlaubter Gewaltthätigkeit und Gesundheits-Verlezung sich zu Schuld gelegten Amtsmißbrauch vor Gericht gestellt werden.

Herr geheimer Rath von Effner leistete dieser Aufforderung Folge, indem er dem versammelten geheimen Rathe die Geschichte dieses Amtsmißbrauches in einem ausführlichen schriftlichen, dem Protokoll beiliegenden Vortrage vorlegte1767, sein Gutachten hierüber ausführte, und hierauf seinen Antrag begründete, daß dem Appellations-Gerichte die Akten mit dem Auftrage zurükzusenden, den Landrichter Schnizlein zu Altdorf {2v} sowohl als den Aßeßor Langenfas wegen absichtlicher Verlezung ihrer geschworner Amtspflichten und wegen schweren Mißbräuchen ihres Amtes vor Gericht stellen zu laßen1768.

Sollten aber Seine Majestät aus allerhöchster Gnade diese vor Gericht Stellung der beiden Beamten in Hinsicht auf ihre bisherige unsträfliche Dienstverwaltung noch nachzusehen geruhen, so wäre dem Appellazions Gericht aufzutragen, obiger Handlungen wegen eine korrectionelle und Disziplinar Strafe gegen gedachte beide Individuen zu erkennen, und vor dem Vollzuge zur allerhöchsten Stelle zur Bestätigung zu berichten.

Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas verfügten über diesen Antrag die Abstimmung.

Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg gaben die beiliegende schriftliche Abstimmung ab1769, und äußerten sich für die Stellung dieser Beamten vor Gericht. Auch alle übrige Herrn geheimen Räthe waren dieser Meinung, und so wurde per unanimia

beschloßen, an Seine Majestät den König den allerunterthänigsten Antrag zu machen, durch das königliche Ministerium der {3r} Justiz diese zwei Beamten vor Gericht stellen zu laßen.

Gerichtliche Untersuchung gegen Landgerichtsassessor

Vortrag Asbecks zur Frage, ob gegen den Assessor Daffenreuter, Landgericht Ottobeuren, eine gerichtliche Untersuchung einzuleiten ist. Nach Prüfung des Sachverhalts beantragt Asbeck, von einem gerichtlichen Verfahren abzusehen. Daffenreuter soll einem Verwaltungsverfahren unterworfen werden. Reigersberg unterstützt den Antrag und betont, daß der Landgerichtsassessor versetzt werden muß. Sechs Geheime Räte schließen sich Reigersberg an. Johann Nepomuk v. Krenner ist andererer Ansicht und fordert, Daffenreuter vor Gericht zu stellen. Sechs Geheime Räte folgen dieser Ansicht. Zudem ergeht ein Antrag an den König, eine gesetzliche Lücke zu schließen: Gerichtliche Verfahren gegen Staatsdiener sollen nicht nur bei kriminellen Vergehen, sondern auch bei geringeren Dienstvergehen eingeleitet werden können. Montgelas regt an, eine Regelung zu schaffen, wonach in diesen Fällen die Dienstentsetzung auch vom Geheimen Rat verfügt werden kann. Während der Abstimmung ändert Reigersberg seine Meinung; so ergibt sich eine Mehrheit für den Antrag, Daffenreuter vor Gericht zu stellen. Der König möge verfügen, die Regelungslücke zu schließen.

2. Nach der Aufforderung Seiner Excellenz des königlichen geheimen Staats- und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Montgelas erstattete der königliche wirkliche geheime Rath Freiherr von Asbek über die von dem königlichen geheimen Rathe zu lösende Frage schriftlichen dem Protokoll beiliegenden Vortrag1770. Ist der Landgerichts Aßeßor Daffenreuter zu Ottobeuern wegen der ihm zu Last gelegter und untersuchter willkührlicher und Insubordinations widriger Handlungen zur gerichtlichen Untersuchung zu ziehen.

Freiherr von Asbek führte an, durch welche Ursachen diese Untersuchung gegen den Aßeßor Daffenreuter von dem General Commißariate des Lechkreises veranlaßt, und aus welchen Gründen dieselbe auf den von dem erwähnten Daffenreuter zur höchsten Stelle ergriffenen Rekurs, von dem Ministerium des Innern nach genommener Akten-Kenntniß bestätiget, und dabei befohlen worden, auf die zum Theile noch unerörterte Beschwerden zu erheben; wie dieser Befehl durch das General Commißariat vollzogen, und welche Resultate sich daraus ergeben, zeigte Freiherr von Asbek durch seinen Vortrag.

12 Hauptpuncte, die Herr Referent anführte, liegen dem Aßeßor Daffenreuter nach den Akten zur Last, welche von dem Referenten der Ministerial {3v} Polizei Section in seinem vorzüglich gut ausgearbeiteten Vortrage in 3 Klaßen getheilt und die Bemerkung beigefügt worden, mit der auch Freiherr von Asbek sich vereinigte, daß so sehr auch alle diese Puncte den Aßeßor Daffenreuter als einen Mann bezeichnen, der um sich kurz auszudrüken, nie auf einem solchen Plaze hätte stehen sollen, und der, wie auch das Resultat der Untersuchung ausfallen möge, nie auf demselben wird bleiben können, so könnte es doch nicht dem leisesten Zweifel unterliegen, daß die ersten 9 Puncte keineswegs zu einer eigentlichen gerichtlichen Untersuchung der Natur des Gegenstandes nach, und wie deren Erkenntniß zur Kompetenz des geheimen Rathes gehöre, geeignet sein können. In wie weit die drei lezten Puncte hiezu geeignet, seie die hier zu untersuchende Frage1771.

Freiherr von Asbek legte auch diese 3 lezte Anklage Punkte vor, führte an, was Aßeßor Daffenreuter zu seiner Verantwortung angegeben habe, und äußerte, daß er in den hier vorkommenden Handlungen wohl Exceße, Gebrechen im Dienste, aber keine Gebrechen gegen den Dienst, gegen aufhabende Pflichten wahrnehme, aber zu einer gerichtlichen Untersuchung geeignet, könnten sie doch schwerlich gestempelt werden.

Auf Gründe, die Freiherr von Asbek vortrug, gestüzt, machte er {4r} den Antrag, den Aßeßor Daffenreuter wegen den ihme zu Last liegenden Exceßen und Dienstgebrechen nicht zu einer gerichtlichen Untersuchung zu ziehen, wohl aber durch das einschlägige Ministerium, wenn es die vorliegenden Umstände hiezu geeignet finde, eine weitere administrative Untersuchung verfügen zu laßen, und nach dem sich hieraus ergebenden Resultate das weitere den Dienst Förderliche zu verfügen.

Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz-Minister Herr Graf von Montgelas verfügten über diesen Antrag die Umfrage.

Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg stimmten nach einem dem Protokoll beiliegenden Voto1772 mit dem Herrn Referenten, daß eine Stellung vor Gericht zur Zeit nicht eintreten könne, wohl aber die dem Aßeßor Daffenreuter zu Last liegende Gebrechen von Seiten des einschlagenden Ministeriums durch eine Commißion untersucht und bestraft werden müße, wobei Herr Graf von Reigersberg bemerkte, daß auf keinen Fall der Aßeßor in seinem gegenwärtigen Amte bleiben könne, sondern auf ein anderes auch geringeres zu versezen wäre.

Mit dieser Meinung des Herrn Justiz Ministers Excellenz und des Herrn Referenten übereinstimmend, äußerten {4v} sich die königliche geheimen Räthe Graf von Preising, Graf von Arco der ältere, Graf von Törring, von Zentner, Graf von Tassis, von Krenner der jüngere.

Geheimer Rath von Krenner der ältere war einer entgegen gesezten Meinung, und fand in den drei lezten Thatsachen und vorzüglich den, wegen persönlicher Mißhandlung des Unterthanen Koch einen offenbaren Mißbrauch der dem Aßeßor Daffenreuter anvertrauten Amtsgewalt, welche nach den gegenwärtigen und künftigen Gesezen zur gerichtlichen Untersuchung und Bestrafung sich eigne. Er stimme dafür, den Aßeßor Daffenreuter vor Gericht stellen zu laßen.

Diese Meinung des Herrn geheimen Rath von Krenner des älteren theilten die königliche Herrn geheimen Räthe Graf Carl von Arco, Freiherr von Aretin, von Effner, von Schenk, von Feuerbach und Graf von Welsberg, und trugen ebenfalls darauf an, den Aßeßor Daffenreuter vor Gericht stellen zu laßen.

Die Herrn geheimen Räthe Graf Carl von Arco, Freiherr von Aretin und von Effner fügten ihren Abstimmungen die Bemerkung bei, daß sie durch den ersten Fall und den gegenwärtigen auf eine Lüke aufmerksam gemacht worden, die in der sonst so vorzüglichen, und die Sicherheit des Staatsdienstes gründenden Dienst-Pragmatik1773 enthalten; daß nämlich nachläßige oder unfähige administrativ Beamten nur wegen {5r} kriminellen Verbrechen vor Gericht gestellt und nicht auch bei offenbarer Nachläßigkeit in ihren Amts Verrichtungen, Unfähigkeit oder geringeren Vergehen auf ein Gutachten des Geheimen Rathes in die gerichtliche Untersuchung gezogen werden könnten.

An Seine Majestät den König wäre nach ihrer Meinung ein allerunterthänigster Antrag zu stellen, durch die einschlägige Sectionen des geheimen Rathes die Frage prüfen und zur allerhöchsten Entscheidung vorbereiten zu laßen, auf welche Art diese Lüke zum Besten des Staatsdienstes ersezt werden könne.

Für diesen Antrag an Seine Majestät den König waren alle Herrn geheimen Räthe, nur bemerkten mehrere derselben, daß es nöthig sein werde, bei derlei verfügt werdenden gerichtlichen Untersuchungen, wo kein Verbrechen zum Grunde liegt, auf die Ehre des Individuums und auf die für sie und ihre Familien nöthige Alimentazion Rüksicht zu nehmen.

Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas erinnerten aus Veranlaß des an Seine Majestät den König zu stellenden Antrages wegen den Administrativ Beamten denen kein kriminelles Verbrechen zur Last liegt, die aber dennoch {5v} wegen offenbarer Vernachläßigung Unfähigkeit oder geringeren Dienst-Gebrechen sich zu Verwaltung eines mit so heiligen Pflichten gegen den Monarchen und Unterthanen verbundenen Amtes unwürdig zeigen, daß nach seiner Ansicht die doppelte Absicht, die Sicherheit des Staatsdienstes und die Schonung der Ehre eines solchen mit keinem Verbrechen belasteten Individuums am zwekmäsigsten erreicht werden könne, wenn Seine Majestät der König durch die geheime Raths Sectionen die Frage zu Ausfüllung der in der Dienst Pragmatik gefundene Lüke in der Art prüfen und zur allerhöchsten Entscheidung vorbereiten ließen, ob nicht ein solcher Administrativ-Beamter, deßen schon mehrmal gerügte Nachläßigkeit im königlichen Dienste, Unfähigkeit oder die Begehung mehrerer geringerer Gebrechen durch eine vorläufige administrative Untersuchung hergestellt ist, auf einen ausführlichen schriftlichen Vortrag und Gutachten des geheimen Rathes, mit einer für sie und ihre Familien hinreichenden Alimentazion von ihren Stellen entfernt werden können1774.

Auf Justiz Beamte würden Seine Excellenz die Erläuterung dieser Pragmatik nicht ausdehnen, sondern diese nach dem strengen Sinne der Dienst-Pragmatik behandeln, und folglich nur auf ein richterliches Erkenntniß amoviren laßen1775.

{6r} Durch die über den Aßeßor Daffenreuter erfolgte Abstimmung ergab sich eine Mehrheit von 8 gegen 7 Stimmen, denselben nicht vor Gericht stellen sondern im administrativen Wege weiter untersuchen und bestrafen zu laßen. Da aber Seine Excellenz der Herr Justiz Minister in ihrer Abstimmung sich änderten und zu den sieben Stimmen, welche für die Stellung vor Gericht waren, übergiengen, so war die Mehrheit von 8 gegen 7, den Aßeßor Daffenreuter vor Gericht stellen zu laßen, und in Folge derselben

wurde beschloßen, an Seine Majestät den König den allerunterthänigsten Antrag zu stellen, den Aßeßor Daffenreuter wegen den ihm zu Last liegenden Mißbrauch der Amtsgewalt und andern Dienstvergehen vor Gericht stellen zu laßen, und Allerhöchstdero Justiz Ministerium hiernach zu beauftragen.

Auch wäre Seiner Majestät dem Könige vorzuschlagen, ob Allerhöchstdieselbe nicht geruhen wollten, die in der Dienstpragmatik aufgefundene Lüke wegen der gerichtlichen Untersuchung der administrativ Beamten auf die von dem geheimen Rathe angetragene Art zum Besten des Staatsdienstes ersezen zu laßen, und die einschlägige Sectionen des geheimen Rathes zu Bearbeitung und Prüfung dieser Frage allergnädigst zu beauftragen.

Gerichtsstand des Fiskus

Asbeck diskutiert die Frage, ob dem Fiskus, wenn er als Kläger auftritt, ein privilegierter Gerichtsstand eingeräumt werden soll. Er lehnt dies ab. In der Umfrage folgen die Geheimen Räte mehrheitlich Asbecks Antrag, den Fiskus im Klageverfahren an die Untergerichte zu verweisen

{6v} 3. Über die zweifelhafte Frage, ob dem königlichen Fiscus in Fällen, wo er als Kläger auftritt, der privilegirte Gerichts Stand gehöre, welche zum geheimen Rathe zur Entscheidung verwiesen worden, erstattete der königliche geheime Rath Freiherr von Asbek schriftlichen Vortrag, der dem Protokoll beiliegt1776.

Freiherr von Asbek bemerkte, daß seit dem organischen Edicte über die Gerichtsverfassung1777 zwischen einigen Appellazions Gerichten und den dabei angeordneten Kronfiskalen verschiedene Ansichten entstanden, und da diese sich auch bei dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten und der Justiz erhielten, und sich über den dabei anzunehmenden Grundsaz nicht vereinigen könnten, so seie von Seiner Majestät dem Könige auf Antrag des ersteren diese den zweifelhaften Sinn eines Gesezes betreffende Frage an den geheimen Rath gegeben, und er Freiherr von Asbek zum Referenten ernannt worden.

Derselbe führte die Gründe an, welche das Ministerium der auswärtigen Verhältniße für die Ausdehnung des privilegirten Gerichts-Standes des Fiscus mit Ausnahme der Konkurse und das Justiz Ministerium dagegen angegeben.

Die leztere scheinen ihme Referenten {7r} überwiegend1778, und hätten bei ihme die Überzeugung herbei geführt, seinen Antrag dahin zu stellen „daß wenn der § 5 des 5ten Titels der Konstituzion1779 einen zweifelhaften Sinn haben sollte, er dahin zu erläutern wäre, daß der in dieser Gesez-Stelle dem Fiscus eingeräumte privilegirte Gerichts Stand sich nur auf jene Fälle erstreke, wo der Fiscus als Beklagter vor Gericht belangt werde, in allen Fällen hingegen, wo derselbe als Kläger, Intervenient oder Litis denuntiat1780 erscheint, der Fiscus auch von den königlichen Untergerichten Recht zu nehmen habe“.

Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas ließen hierüber abstimmen.

Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg äußerte, Sie seien überzeugt, daß man im Königreiche Baiern nicht gegen das so allgemein geltende Rechts Axiom acta sequitus [!] forum rei1781 anstoßen, ferner daß der Fiscus nicht oben an als abweichende Stelle von den Vorschriften der Konstituzion des Reiches, welche mit dem privilegirten Gerichts Stande im offenen Widerspruche stehen, ein schädliches Beispiel geben wolle, die Gründe seien übrigens in {7v} jeder Hinsicht erschöpfend vom Herrn Referenten vorgetragen, und er halte deßwegen jede weitere Ausführung für zeitverderblich.

Mit dem Antrage des Herrn Referenten verstanden stimmten alle Herrn geheimen Räthe, die Herrn von Krenner den älteren und Freiherrn von Aretin ausgenommen, indem ersterer es der Konstituzion nicht entgegen und sehr thunlich fand, dem Fisco auch als Kläger mit Ausnahme der bezeichneten Fälle den privilegirten Gerichtsstand einzuräumen und lezterer die Gründe des auswärtigen Ministeriums für überwiegend hielt, und diese in Ausübung sezen würde.

Herr geheimer Rath von Zentner bemerkte, er würde die Verbindlichkeit des Fiscus als Kläger vor den Landgerichten Recht zu nehmen, nicht als eine Erläuterung der Konstituzion ausschreiben, denn es liege schon darin.

Nach der Mehrheit wurde beschloßen

an Seine Majestät den König den allerunterthänigsten Antrag zu machen, daß der Fiscus in allen Fällen, wo derselbe als Kläger, Intervenient, oder litis denuntiat erscheint, auch vor den königlichen Untergerichten Recht zu nehmen habe1782.

Alleinzuständigkeit des königlichen Gerichts

Asbeck prüft, ob die Entscheidungskompetenz in Landeskulturstreitigkeiten ausschließlich beim Staat liegen sollte. Auslöser der Untersuchung ist der Streit des Bauern Thomas Schels mit seinem Patrimonialgericht. Der Referent kommt zu dem Ergebnis, daß allein die königlichen Gerichte zuständig sind. In der Umfrage bestätigen alle Geheimen Räte diese Ansicht.

4. Über die Rekurs Sache des Bauern Schels von Oberberghofen im Landgerichte Riedenburg und die dabei zu berüksichtigende Frage, ob alle streitige {8r} Kulturs Sachen ausschließend den königlichen Gerichten zur Untersuchung und Entscheidung zugewiesen werden sollen, erstattete der königliche wirkliche geheime Rath Freiherr von Asbek schriftlichen Vortrag1783, und äußerte, daß der vorliegende Kulturs Fall, wobei es darauf ankomme, ob das Patrimonial Gericht oder das Landgericht in erster Instanz zu sprechen habe keinem Anstande unterliegen könne, und die Kompetenz des Landgerichts sowohl nach den Bestimmungen des organischen Edictes vom 28en Juli [1808]1784 als jenes vom 8en 7bris 18081785 um so mehr begründet seie, als das Intereße der Patrimonial Herrschaft bei dieser Gründe Vertheilung offenbar vorliege.

Referent trage daher in dem vorliegenden Falle darauf an, daß derselbe einzig zur Entscheidung des königlichen Landgerichts Riedenburg gehöre, und durch das einschlägige königliche Ministerium dahin zu verweisen sei.

Wichtiger aber seie die Frage, ob den Patrimonial Gerichten überhaupt die Behandlung streitiger Kulturs Fälle in erster Instanz nach dem früheren Edicte ohngeachtet des späteren auch künftig noch einzuräumen sei.

Aus Gründen, die in dem Vortrage enthalten, seie er Referent eben so bestimmt der Meinung „daß der § 34 des organischen Edictes über die grundherrlichen Rechte in Bezug auf die streitige {8v} Kulturs Sachen auf die allgemeine Grundsäze des organischen Edictes über die Patrimonial Gerichtsbarkeit zurükgeführt und alle streitige Kulturs Sachen ausschließend den königlichen Gerichten zur Untersuchung und Entscheidung zugewiesen werden“.

Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas verfügten die Umfrage.

Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg stimmten für den Antrag des Herrn Referenten, indem derselbe keinem Zweifel unterliegen könne, da Kulturs Sachen zu den administrativ kontentiosen Gegenständen gehörten, und da alle strittige Civil Gerichtsbarkeit den königlichen Behörden übertragen.

Alle Herrn geheimen Räthe stimmten in dem vorliegenden Falle der Kultur des Bauern Schels zu Oberberghofen mit dem Herrn Referenten, vorbehaltlich deßen, was über die Hauptfrage bei der Revision des Edictes über die Patrimonial Gerichtsbarkeit vorgeschlagen und entschieden werden wird.

Nach dem einstimmigen Schluße

des geheimen Rathes, solle an Seine Majestät den König der allerunterthänigste Antrag gemacht werden, den vorligenden Fall durch das {9r} einschlägige königliche Ministerium einzig zur Entscheidung des Landgerichts Riedenburg verweißen zu laßen.

Wucher

Vortrag Effners in der Streitsache zwischen Michael Bengladen und Hirsch Pappenheimer. Im Zentrum steht der Vorwurf des Wuchers. Der Referent schildert die getätigten Verfahrensschritte und beantragt, die Entscheidung des Generalkommissariats des Isarkreises zu bestätigen. Der abweichende Antrag Reigersbergs, der Entscheidung der Polizeidirektion zu folgen, findet keine Mehrheit. Daran schließt sich die Folgefrage Effners an, ob neue Gesetze gegen Wucher notwendig sind. Er verneint die Frage. Die Geheimen Räte folgen dem Antrag Effners, bis zur Publikation des neuen Strafrechts an den bestehenden Bestimmungen gegen den Wucher festzuhalten.

5. Nach Aufforderung Seiner Excellenz des königlichen geheimen Staats- und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Montgelas erstattete Herr geheimer Rath von Effner über den Rekurs des Michael Bengladen, Bierwirth und Hauß-Inhaber dahier gegen Hirsch Pappenheimer und Cons. wegen wucherischer Handlungen ausführlichen schriftlichen Vortrag, der dem Protokoll beiliegt, und bemerkte, daß auch hiebei die Frage zu entscheiden komme, ob über Wucher, dann deßen Bestimmung und Bestrafung, wie auch über die Kompetenz in Wucher Fällen neue gesezliche Bestimmungen erlaßen werden sollen1786.

Herr von Effner legte den Veranlaß dieser Klage, die Klage selbst, die Exception der Beklagten die Replik und Duplik vor, führte an, welche Entscheidung die Polizei Direction und das General-Commißariat allhier nach ergriffenem Rekurs an denselben erlaßen habe. Bengladen habe gegen leztere Erkenntniß den Rekurs an den geheimen Rath ergriffen, und gebeten, die Sentenz der Polizei Direction zu bestätigen.

Als ernannter Referent bei dem geheimen Rathe finde er rüksichtlich der Förmlichkeiten bei diesem Streite keine Erinnerung, und gehe zu seinem {9v} Gutachten in der Hauptsache über. In Folge deßen und aus den angegebenen Gründen trage er auf Bestätigung der Entscheidung des königlichen General Commißariats [des Isarkreises] an, zu welchem Ende er den Entwurf einer zu erlaßenden allerhöchsten Entschließung vorlegte und ablas.

Als man überein kam, über diesen einzelnen Fall abstimmen zu laßen, ehe man die Hauptfrage über den Wucher selbst zur Berathung bringen wolle, so verfügten Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas die Umfrage.

Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg waren nach einer dem Protokoll beiliegenden schriftlichen Abstimmung1787 der Meinung, aus den angeführten Gründen das Straferkenntniß der königlichen Polizei Direction zu bestätigen. Mit dieser Meinung des Herrn Justiz Ministers vereinigten sich die Herrn geheimen Räthe Graf von Törring und Freiherr von Asbek, die übrigen Herrn geheimen Räthe stimmten aber mit dem Herrn Referenten, und so wurde nach der Mehrheit beschloßen

an Seine Majestät den König den allerunterthänigsten Antrag zu stellen, das Erkenntniß des General-Kommißariats des Isar Kreises in der vorliegenden Sache {10r} zu bestätigen und den hiernach abgefaßten Reskripts Entwurf zu genehmigen.

Die weitere zwei Fragen, die bei Gelegenheit dieses Rekurses noch zu erwägen, und zu entscheiden kommen, 1) soll über den Wucher und deßen rechtlichen Begriff, dann Bestimmung der unerlaubten oder gesezlichen Zinsen ein neues Gesez erlaßen werden, und wie? 2) Sollen über die Kompetenz in Wucher Fällen andere Bestimmungen ausgesprochen werden, als welche dermalen bestehen, und welche? beantwortete Herr geheimer Rath von Effner in seinem schriftlichen Vortrage, und stellte aus den darin enthaltenen Gründen den Antrag, es bei den bisherigen Bestimmungen gegen den Wucher, wenigstens in so lange zu belaßen, bis die neue Gesezgebung über Verbrechen, Vergehen und Polizei-Übertretungen dann deren Kompetenz und Behandlung ausführlich und bestimmend entschieden haben wird.

Nachdem über diesen Antrag und deßen Gegenstand, den Wucher diskutirt, und darin die Schwierigkeit {10v} auseinander gesezt war, über das Zinsen Maaß und Wucher etwas zwekmäsiges zu bestimmen, da in den gegenwärtigen Zeitverhältnißen Geld als Waare betrachtet und auch so gekauft werden müße ließen Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz-Minister Herr Graf von Montgelas hierüber abstimmen.

Seine Excellenz der Herr geheime Staats und Konferenz Minister Graf von Reigersberg und alle Herrn geheimen Räthe vereinigten sich mit dem Antrage des Herrn Referenten, nur bemerkten Seine Excellenz der Herr Graf von Reigersberg, daß Geld als Waare allerdings behandelt werde, allein ebenso, wie der Staat den Privaten gegen Übernahme bei dem Ankaufe der Waare bisher sowohl in der bürgerlichen als polizeilichen Gesezgebung schüzet, eben so sehr müße er denselben bei einer Waare oder Münze sichern, der der Staat einen bestimmten, einen dem Staats Verbande anpaßenden Werth beilegte.

Einstimmig wurde

der allerunterthänigste Antrag an Seine Majestät den König beschloßen, es bei den bisherigen Bestimmungen gegen den Wucher, wenigsten in so lange {11r} zu belaßen, bis die neue Gesezgebung über Verbrechen, Vergehen und Polizei-Übertretungen, dann deren Kompetenz und Behandlung ausführlich und bestimmend entschieden haben wird1788.

Entschließung des Königs dazu (11. November 1810):

Wir genehmigen die von Unserem Geheimen Rathe an Uns nach dem gegenwärtigen Protocoll gestellte Anträge, und ernennen Unseren Geheimen Rathen von Krenner den jüngeren, um die Frage wie die in der Dienstpragmatic aufgefundene Lüke wegen den Administrativ Beamten ersezet werden kann? zu bearbeiten, dieselbe in einer Sizung der vereinigten Geheimen Raths Sectionen vorzutragen und zu einer Plenar Sizung des versammelten Geheimen Rathes vorzubereiten, wobey auch die Bemerkung Unseres Geheimen Staats und Conferenz Ministers Grafen von Montgelas über diese Frage gewürdiget werden solle.

Anmerkungen

1762

„Program [!] zur Einführung in den königlichen geheimen Rath, und Verpflichtung der zu königlichen wirklichen geheimen Räthen für das Dienstjahr 1810/11 ernannten Grafen von Tassis und Grafen von Welsberg“, 7. November 1810, 3 Seiten, BayHStA Staatsrat 197.

1763

Ignaz Graf von Arco war Kammerherr des Jahres 1759; so HStK 1799, S. 53 sowie eine undatierte Liste der Geheimen Räte nach dem Dienstalter, BayHStA Staatsrat 1726 (anders Gigl, Zentralbehörden, S. 113 Nr. 138: Ernennung 1760). Arco ging insoweit im Rang Maximilian Graf von Thurn und Taxis voraus, der 1763 Kämmerer wurde (Gigl, S. 96 Nr. 87; HStK 1799, S. 53).

1764

Das Regierungsblatt meldete die Beförderungen unter dem Datum vom 18. Dezember 1810 (RegBl. 1810, Sp. 1486).

1765

Biogramm: Protokoll Nr. 20 (Staatskonferenz vom 19. November 1808), TOP 1.

1766

Andreas Wilhelm Heinrich Langenfaß, Regierungsreferendär in Ansbach, Assessor am Landgericht Altdorf, 1824 als Assessor am Landgericht Uffenheim in den Ruhestand versetzt (RegBl. 1808, Sp. 1763; RegBl. 1824, Sp. 1040). Er veröffentlichte: Aktenmäßiger Beleg zu der Behauptung daß auch in Deutschland giftige Nattern existiren, mit einer genauen Beschreibung derselben und Angabe eines von mehrern Gebissenen mit gutem Erfolg angewendeten Heilmittels […], Nürnberg o.J. [1815?].

1767

Effner, „Vortrag in dem k. geheimen Rathe Uiber die Frage: Soll der Landrichter Schnitzlein und der Landgerichts-Assessor Langenfaß zu Altdorf im Pegnitzkreise wegen sträflicher Insubordination, dann wegen einem zum Druck eines Unterthanens und zu unerlaubter Gewaltthätigkeit, und Gesundheits-Verletzung sich zu Schuld gelegter Amtsmißbrauch vor Gericht gestellt werden?“, lithographierter Text, 39 Seiten, BayHStA Staatsrat 197.

1768

Die dem Landrichter und dem Landgerichtsassessor vorgeworfenen Amtsdelikte waren in einem Verfahren aktenkundig geworden, das sich über mehrere Jahre hinzog. Auslöser des Gerichts- bzw. Verwaltungsverfahrens waren Ehekonflikte zwischen dem Branntweinbrenner Paul Christoph Hörl und seiner Frau Anna Katharina, die 1804 zu einem ersten, dann wieder zurückgezogenen Scheidungsgesuch der Ehefrau beim Stadtgericht Nürnberg geführt hatten. Den in wechselnder Intensität ausgetragenen Streit sah das 1808 angerufene Appellationsgericht des Pegnitzkreises als nicht geeignet, um daraus einen Ehetrennungsgrund abzuleiten. Es verfügte, daß die Eheleute wieder in häuslicher Gemeinschaft zusammenzuleben hatten und beauftragte das Landgericht Altdorf mit der Durchsetzung der Entscheidung. Das Landgericht wendete fortan allerlei Zwangsmittel an, um Hörl in die Ehewohnung zurückzuführen. Hörl lehnte es jedoch mit Nachdruck ab, mit seiner Frau jemals wieder eine häusliche Gemeinschaft einzugehen. Damit waren die Positionen der Parteien markiert. Die vom Landgericht angewendeten Zwangsmittel riefen zunehmend den Widerspruch des Appellationsgerichts hervor, das schließlich „allerhöchste Verhaltungsbefehle“ hinsichtlich der Frage erbat, ob Schnitzlein und Langenfaß mit einer Disziplinarstrafe belegt werden sollten oder ob eine „förmliche Kriminal-Untersuchung“ eingeleitet werden sollte. Die hier in den Grundzüge referierte Streitgeschichte ist ausführlich wiedergegeben in Effners Vortrag, ebd., S. 1-26, die Zitate S. 26 (S. 26-39: Rechtsgutachten Effners).

1769

Reigersberg, „[Votum z]ur Frage: Soll der Landrichter Schnitzlein, und der Landgerichts-Aßeßor Langenfaß zu Altdorf im Pegnitzkreise wegen sträflicher Insubordination, dann wegen einem zum Druk eines Unterthans, und zu unerlaubter Gewaltthätigkeit und Gesundheitsverlezung sich zu Schuld gelegten Amtsmißbrauch vor Gericht gestellt werden?, 3 Seiten, BayHStA Staatsrat 197. Reigersberg betonte, daß das Landgericht Altdorf nicht nur einen „Disciplinarfehler“ begangen habe, sondern ein „grobes Amtsvergehen, und ein Mißbrauch der richterlichen Gewalt, und zwar in einem hohen Grade hier vorliege“ (S. 1).

1770

Asbeck, „Vortrag. [D]ie hier zu lösende Frage ist: ist der Landgerichts Assessor Daffenreuter von Ottobeuren zur gerichtlichen Untersuchung zu ziehen?“, lithographierter Text, 16 S., BayHStA Staatsrat 197.

1771

Asbeck faßte in seinem Vortrag die drei Anklagepunkte folgendermaßen zusammen (ebd., S. 6-8). Anklagepunkt 10: „Der Assessor läßt im Nov. 1809 den Bauersknecht Leinseler, der mit einem vierspännigen Wagen ihm zu Pferde nicht ausweichen will, durch den Kordonisten auf die Frohnsfeste sezen, ohne indessen ein Protokoll darüber aufzunehmen, wird er nach einigen Stunden wieder entlaßen. Der Assessor gesteht das Factum, behauptet aber, er habe ihm zugerufen, dieser aber lächelnd seie Schritt vor Schritt gefahren und seie nicht auf dem beschränkten Wege ausgewichen, da er doch eilende Kommissions Geschäfte gehabt habe. Der Landrichter weis von keinen Kommissions-Geschäften, und bemerkt der Plaz seie der geräumigsten einer.“

Im elften Anklagepunkt ging es um eine von einem gewissen Michael Koch vorgebrachte Beleidigung, die der Assessor auf sich bezog. Eindeutige Zeugenaussagen oder Beweise lagen nicht vor. „Der Assessor verurtheilt hierauf den verheurateten Koch zu 10 Prügel, läßt sie ohne Wissen des Landrichters vollziehen. Bei dem 9ten Streich tritt der Landrichter hinzu und läßt einhalten. Koch beschwert sich; der Landrichter läßt einen weitern Zeugen abhören, welcher die angeschuldigte Worte gehört, solche aber auf dessen Schwager nicht auf das Landgericht gedeutet hat. […] Der Assessor rechtfertiget sich damit, es habe sich bei dem Vorfall nicht um eine persönliche sondern eine Beleidigung des öffentlichen Ansehens gehandelt. Polizei-Strafen eigneten sich nicht zur kollegialen Behandlung, er habe geglaubt, sie für sich exequiren zu dürfen.“

Der zwölfte Anklagepunkt bündelte fünf Fälle, in denen der Assessor Daffenreuter jeweils überhöhte Gebühren für Amtshandlungen eingenommen hatte.

1772

Reigersberg, „[Votum] [z]ur Frage: Ist der Landgerichts Aßeßor Daffenreuter von Ottobeuren zur gerichtlichen Untersuchung zu ziehen“, nicht paginiert, 4 S., BayHStA Staatsrat 197.

1773

VO betr. die „Verhältnisse der Staatsdiener, vorzüglich in Beziehung auf ihren Stand und Gehalt“ vom 1. Januar 1805, RegBl. 1805, Sp. 225-241.

1774

Vgl. das pointierte Urteil Seydels, Bayerisches Staatsrecht Bd. 3/2, S. 485, wonach die Staatdienerpragmatik vom 1. Januar 1805 (s. folgende Anm.) die Wirkung hatte, „daß, wenn früher der Diener gegenüber der Willkür des Herrn keinen Schutz besessen hatte, nunmehr der Herr gegenüber dem Diener wehrlos dastand“.

1775

Vgl. VO betr. die „Verhältnisse der Staatsdiener, vorzüglich in Beziehung auf ihren Stand und Gehalt“ vom 1. Januar 1805 (RegBl. 1805, Sp. 225-241): „Der Verlust des dienerschaftlichen Standes (Kassation) kann nur nach vorhergegangener richterlicher Untersuchung, und aus der Kraft des Urtheilsspruches eines Justiz Kollegiums erfolgen […]“ (Art. VIII, Sp. 228); Konstitution für das Königreich Bayern vom 1. Mai 1808, Tit. V § 3: „Die Glieder der Justizkollegien werden von dem König auf Lebenszeit ernannt, und können nur durch einen förmlichen Spruch ihre Stellen verlieren“ (RegBl. 1808, Sp. 998; AK Bayerns Anfänge, S. 329).

1776

Asbeck, „Vortrag den privilegirten Gerichtsstand des Fiskus betr[effend], lithographierter Text, 6 S., BayHStA Staatsrat 197, auch in Staatsrat 8221.

1777

OE betr. die „Gerichts-Verfassung“ vom 24. Juli 1808, RegBl. 1808, Sp. 1785-1800.

1778

Asbecks Kernargument lautete: „In dem Geist der Konstituzion liegt Gleichheit vor den Gesezen. Dieser Staats-Grundsaz stört jene Ausnahme [das heißt die Einrichtung eines speziellen Fiskalgerichts] – noch mehr, sie legt auch der Einführung des neuen Gesezbuchs, welches von gleichem Geiste ausgeht, kein Privilegium als Ausnahme von den bürgerlichen Gesezen anerkennt, nur mehrere Hindernisse im Wege“ (Vortrag Asbeck, BayHStA Staatsrat 197, S. 4).

1779

Konstitution für das Königreich Baiern vom 1. Mai 1808, Tit. V § 5 (RegBl. 1808, Sp. 998; AK Bayerns Anfänge, S. 329): „Der königliche Fiskus wird in allen streitigen Privat-Rechts-Verhältnissen bei den königlichen Gerichts-Höfen Recht nehmen.“

1780

Litisdenunziat ist in einem Prozeß diejenige Person, an die eine Litisdenunziation ergeht, das heißt die „Streitverkündung an einen Dritten, der von dem Ausgang eines Prozesses betroffen sein kann“; vgl. DRW Bd. 8, Sp. 1346 s.v. Litisdenunziat bzw. Litisdenunziation.

1781

Der prozeßrechtliche Grundsatz actor sequitur forum rei besagt, daß für Klagen das Gericht am Wohnort des Beklagten zuständig ist: der Kläger folgt dem Gerichtsstand des Beklagten.

1782

VO betr. den „Gerichtsstand des königlichen Fiskus“ vom 17. Januar 1811, RegBl. 1811, Sp. 193.

1783

[Asbeck], „Vortrag die Cultur des Bauer Schels von Oberberghofen im Landgerichte Riedenburg betreffend“, 8 lithographierte Seiten, BayHStA Staatsrat 197, auch in Staatsrat 8235 (Nr. 20). Ausgangspunkt des Streits war die beim Landgericht Riedenburg vorgetragene Forderung Thomas Schels’, seinen Anteil an den Gemeindegründen ausmessen und seine Brachfläche anbauen zu dürfen. Die Frage nach der Kompetenz entstand, da Oberberghofen (vermutlich Oberhofen, heute Ortsteil von Riedenburg, Landkreis Kelheim, Regierungsbezirk Niederbayern) der Hofmark Eggersberg zugehörte.

1784

Gemäß dem Organischen Edikt „über die gutsherrlichen Rechte“ vom 28. Juli 1808 (RegBl. 1808, Sp. 1833-1852) war die Vollziehung der „Anordnungen in Absicht auf allgemeine Landes-Kultur […] wie auch die erste Instanz in Kultur-Streitigkeiten, in so ferne der Gutsherr nicht selbst dabei betheiliget ist, […] den gutsherrlichen Patrimonial-Gerichten überlassen“ (Tit. III § 34, Sp. 1840).

1785

Das Organische Edikt „über die Patrimonial-Gerichtsbarkeit“ vom 8. September 1808 (RegBl. 1808, Sp. 2245-2257) bestimmte: „In allen streitigen Zivil- oder Polizei-Sachen, diese mögen den Guts-Herrn und dessen Gerichts-Insassen, oder die Gerichts-Insassen unter sich betreffen, sind die königlichen Gerichte die allein zuständige Behörde“ (Tit. II § 22, Sp. 2252).

1786

Effner, „Vortrag in dem königl. geheimen Rathe. Ueber den Rekurs des Michael Bengladen, Bierwirth und Hausinhaber dahier, gegen Hirsch Pappenheimer und Cons. wegen wucherischer Handlung“, 40 lithographierte Seiten, BayHStA Staatsrat 197, auch in Staatsrat 8235 (Nr. 25). – Effner schildert in seinem umfänglichen Vortrag die Ausgangskonstellation der Streitsache folgendermaßen: „Der hiesige Bierwirth und Hausinhaber Michael Bengladen suchte im Jahre 1803 ein Geldanlehen von 4.000 fl. Der hiesige Bierwirth Sing führte ihn zu dem Hirsch Pappenheimer und Abraham Uhlfelder. Hirsch Pappenheimer erklärte sich daß er ihm 5.300 fl. an baarem Gelde geben wolle, wenn er ihm ein Ewiggeld Kapital [Ewiggeld war „eine bestimmte jährliche Geldleistung (Gilt), die als dingliche Last auf einer unbeweglichen Sache ruht[e]“. Wurde das dingliche Recht auf eine solche Gilt im Rahmen eines Kaufvertrages erworben, war ein Ewiggeld im engeren Sinne vorhanden. Der Kaufpreis bildete das Ewiggeldkapital. Riedl, Ewiggeld-Institut, S. 95f. ] von gleicher Summe auf seinem Hause verschreibe und 15 pro Cent Provision bezahle. Bengladen mußte daher einen Ewiggeldbrief zu 5.300 fl. ausstellen, empfing aber an dieser Summe über Abzug der Provision per 795 fl. nur 4505 fl. Die Verschreibung geschah für den nichtständischen Klosterfond, weil Uhlfelder zu gleicher Zeit für die nicht ständischen Klöster ungefähr 60.000 fl. österreichische Papiere umzusetzen hatte, und die damalige Kommission der nicht ständischen Klöster einen Fond erhalten wollte, der die Bettelmönche nähren, und nach deren Absterben zum Schulfond gegeben werden sollte. Da nach dem Stadtgebrauche von Ewiggeld Kapitalien damals nur 4 pCt. genommen wurden, so hatte auch Bengladen nach dem Kontrakte anfangs nur 4 Prozent für dieses Kapital entrichtet. Allein nachdem der nichtständische Klosterfond aufgehoben und mit der Staatskasse vereinigt worden ist, so wurden nach dem Beispiele der Zentralstiftungsadministration von allen Ewiggeldern 5 pro Cent erhoben, und Bengladen mußte auch diese bezahlen. Dagegen erhob Bengladen einen Streit bei dem hiesigen Stadtgerichte gegen Pappenheimer und Uhlfelder […]“ (S. 1f.). Während die Polizeidirektion zugunsten Bengladens entschied (S. 12f.), sah das Generalkommissariat des Isarkreises Pappenheimer im Recht (S. 17-19).

1787

Reigersberg, „[Votum] [z]um Vortrag ueber den Rekurs des Michael Bengladen, Bierwirth und Hausinhaber dahier, gegen Hirsch Pappenheimer, et Cons. wegen wucherischer Handlung“, nicht paginiert, 3 S., BayHStA Staatsrat 197.

1788

Bekanntmachung der in dieser Sitzung erledigten Rekurssachen (TOP 4 u. 5): RegBl. 1810, Sp. 1249, 1341.