BayHStA Staatsrat 1, Nr. 28 9 Seiten.

Anwesend: Kfst. Max Joseph; Hompesch, Montgelas, Morawitzky, Hertling.

1.-4. Zusatzvereinbarungen zum Neuburger Deputationsabschied

[MF] Zusatzregelung zum Neuburger Deputationsabschied vom 5. Oktober 1799 betr. die Möglichkeit zur Geldablösung der Zehnten: Auf Bitten des Sprechers des Neuburger Prälatenstandes wird den Klöstern und Stiftungen erlaubt, von den eingenommenen Zehnt-Kapitalien Grundbesitz zu erwerben. Dies bedeutet eine Ausnahme vom Amortisationsgesetz (unter Aufsicht der General-Landesdirektion).

1. Wurde auf die Erinnerungen des P. Anton Scheppich, Superior im Kloster {2v} Pielenhofen als Deputirter des neuburgischen Prälatenstandes wegen der im Deputations Abschiede vom 5. October bedungenen Geld Ablößung der Zehenden ein Erläuterungs Rescript an das Landmarschall-Amt in Neuburg vorgeleget, wodurch den Klöstern und geistlichen Verbrüderungen im Herzogthume Neuburg, des Amortizations Gesezes ohngeachtet, erlaubet werden solle, so vielle liegende Güther und Gründe sich anzukaufen, als denselben nach Inhalt des besagten Deputations Abschiedes Zehend-Capitalien von zehentpflichtigen Unterthanen heimbezahlet werden.

Dieses Rescript wurde genehmiget, doch solle beygesezet werden: nach vorläüfiger Anzeige und Bewilligung Unßerer General-Landes Direction

2. Auftrag an die Landesdirektion Neuburg im Hinblick auf die vorgesehene Steuer-Rektifikation im Neuburgischen: Lehensleute des Kurfürsten dürfen keine Ablösung von Grundeigentum ohne Konsens und Entschädigung des Landesherrn vornehmen.

2. Nach einem vorgelegten Rescript an die Neuburgische Landes Direction wurde derselben aufgegeben, bey der im Neuburgischen festgesezten Steuer Rectification auf die churfürstliche Lehen Güther Bedacht zu nehmen und dafür zu sorgen, daß der Lehenvasall das Grund Eigenthum nicht zu seinem Privat-Vortheile ablößen laße, sondern es solle im Steuer Rectifications Protocoll vorgemerket werden, damit die Ablößung nur mit churfürstlichem Consens und gegen Herstellung eines hinlänglichen Surrogats geschehen könne.

Genehmiget.

3. Bestätigung von Friedrich Graf v. Thürheim und Philipp Freiherr v. Giese als neu gewählte Verordnete der Neuburger Landschaft140.

3. Zu Bestättigung des Friederich Graffen von Thürheim und Freiherrn von Gise als Neuburger landschafftlich neu gewählte Verordnete wurde ein Rescripts-Entwurf an das Landmarschall-Amt in Neuburg vorgetragen und zur gnädigsten Genehmigung vorgeleget,

die auch erfolgte.

4. Zahlung von 4.000 fl., die für Kauf und Reparatur eines Nebengebäudes zum Landschaftshaus Neuburg verwendet worden waren, durch die Neuburger Landschafts-Verordnung an den Landmarschall Bernard Freiherr v. Hornstein angeordnet.

4. Zu Rückbezahlung der von dem Landmarschall in Neuburg zu Erkaufung eines Neben-Haußes zu dem dortigen Landschafftshauß und zu nothwendigen Réparationen verwendete 3.300 fl. und weiteren 700 fl. wurde ein Rescripts {3r} Aufsatz vorgeleget, wodurch der landschafftlichen Verordnung in Neuburg aufgetragen wird, diesen Betrag in zwey Fristen, die Hälfte noch im laufenden und die andere Hälfte im künftigen Jahre, zu berichtigen.

Wurde genehmiget.

5. Gespräche Ministerium – Ständevertretung

Vorbereitung des anstehenden Gesprächs mit der Landschaftsverordnung in München durch eine »Ministerial-Conferenz« mit einer landschaftlichen Deputation in der Residenz am 17. Oktober.

5. Wegen Abordnung des gesamten Ministerii auf das Landhauß wurde in einem vorgelegten Vortrage gezeiget, daß es zur Zeit räthlicher scheine, in einer anzusezenden Ministerial-Conferenz in der Residenz, wozu eine doppelte landschafftliche Deputation beruffen werden könnte, die mit der Landschafft noch zu vereinbahrende Punckten vorzubereiten, um sich nicht auszusezen, das Landhauß ohnverrichteter Dinge verlaßen zu müßen. Sollte aber mit dieser Deputation nichts auszurichten und die Gegenstände nicht zum Abschluße gebracht werden können, auch von der persönlichen Erscheinung des Ministerii auf dem Landhauße ein entsprechender Ausgang vorzusehen seyn, so könnte alsdann diese eintretten. Infolge dieses Antrages wurden die Punckten, die in der Ministerial-Conferenz vorzunehmen, und das Rescript an die landschafftliche Verordnung, wodurch derselben der Tag hiezu auf den 17. dieses Monats bestimmet und solche Punckten mitgetheilet werden, abgeleßen,

welche beyde auch die höchste Genehmigung erhielten.

6. Das Gesuch der Tuchmacher und Weber des bisherigen Militär-Arbeitshauses, wenigstens dessen Wollmanufaktur zu erhalten, wird abgewiesen, gleichzeitig die Genehmigung für die Gründung eines eigenen Gewerbebetriebs in Aussicht gestellt.

[MA] 7. Abweisung des Gesuchs des Marquis de Chamboraut, sein zweibrückisches Indigenat auch auf Kurbayern auszudehnen.

8. Regelung von Hinterlassenschaftsfragen der Kurfürstin Elisabeth Maria

Fragen der Hinterlassenschaft der Kurfürstin Elisabeth Maria Aloysia Auguste (1721-1794), der ersten Gemahlin von Kurfürst Karl Theodor, v.a. Versorgung der Angehörigen ihres Hofstaats, ihrer Dienerschaft sowie Bezahlung der im Testament festgesetzten Legate.

8. Rücksichtlich der Verlaßenschafft der höchstseeligen Frauen Churfürstin Maria Elisabetha Augusta Durchleucht und der wegen den noch nicht berichtigten Legaten nach Inhalt des Testaments entstandenen Ansprüchen wurde in einem hierüber gefasten ausführlichen Vortrage die Geschichte dieser Verlaßenschafft zergliederet, die Ansprüche, die hierauf gemacht werden, auseinander gesezet und folgende Fragen aufgestellet: Wer ist der eigentliche Schuldner dieser Legaten? Was können die verschiedene Legatarien ex testamento defunctae forderen? Müßen die wieder angestellt Werdende ihr ausgesprochenes Gehalt von den ihnen zugedachten Legaten sich abrechnen laßen? Durch welche Mittel können die Legatarien in Ansehung ihrer liquiden Forderungen befriediget werden? Nachdeme diese Fragen beanthworthet, wurde das Gutachten dahin abgegeben, daß des verstorbenen Churfürsten Carl Theodor Allodial Masse die Masse der verstorbenen Frauen Churfürstin in sich faße, folglich diese für Berichtigung der Legaten haften müße und die Legatarien das noch vorhandene Vermögen in subsidium in Anspruch nehmen könten, daß den Legatarien, denen die lebenslängliche Fortbezahlung ihrer Gages, welche sie beym Tode der Frauen {4r} Churfürstin bezogen, vermachet worden, nicht nur die Besoldung an Geld, sondern auch die Naturalien als Frühstück, Tafel, Holz, Licht etc. vergütet werden müste, wogegen dasjenige, was sie als besondere Accidentien oder Gratificationen erhalten, hinwegfalle; sämtlich- angestellten Legatarien pro praeterito die bey dem Ableben der Frauen Churfürstin genoßene Geld-Besoldung per modum eines Vergleichs anbieten zu laßen, für die Zukunft aber mit demjenigen, welchen man im Dienste behaltet, einen neuen Dienst-Contract mit Rücksicht auf ihr Legat zu schließen, wollten sie aber diese Vergleichs Vorschläge nicht annehmen, solche mit ihren Ansprüchen zu dem geeigneten Justiz Collegio zu verweißen; zu Bezahlung dieser Legaten das Vermögen der Defunctae anzugreifen oder aus der General-Casse auf Rechnung der Allodial Masse aushelfen zu laßen, die Mannheimer Legatarien könten mit den Staats-Obligationen, welche Herr von Lamezan noch in Händen hat, zufrieden gestellet werden. Die aus diesen Anträgen fließende Beschlüße wären daher folgende: 1) denjenigen Legatarien, welche um eine Abschrift des Testaments der verlebten Frauen Churfürstin Maria Elisabetha Augusta angestanden haben, daßelbe quoad passum concernentem auf eine legale Art mitzutheilen, 2) von churpfälzischer Hofkammer einen vollständigen Statum der beym Ableben der Frauen Churfürstin vorhanden geweßenen Dienerschafft sowie ihre damahls bezogene Geld- und Natural Besoldung einzuforderen und ihr aufzugeben, sich diesfalls mit dem Herrn von Rodenhausen141 als geweßenen Obersthofmeister und Herrn von Lamezan142 als Cabinets-Cassier zu benehmen, 3) von Herrn von Lamezan Bericht zu erforderen, ob die in Handen habende Staats-Obligationen zu Deckung der liquiden Rückstände der Mannheimer Legatarien hinreichen und ob sie solche wohl nach ihrem Nominal-Werthe annehmen würden, 4) sobald der geforderte Status eingekommen, den vorgeschlagenen Vergleich in Ansehung der angestellten Legatarien zu versuchen und zu Ausfindigmachung eines Fonds, aus welchem die Legaten bezahlt werden könnte, sich mit dem Ministerial Finanz Departement zu benehmen.

Vorstehende Anträge wurden gnädigst genehmiget, dabey jedoch vorbehalten, daß unter dem Worte Gages diejenige {4v} Naturalien, welche die Legatarien während ihren Dienst-Anstellungen bey der Verlebten genoßen, nicht begrieffen, sondern dieser Ausdruck sich auf die eigentliche Geld-Besoldung erstrecken solle.

[MGeistl] 9. Der Universität Heidelberg wird die Aufnahme eines neuen Darlehens von 14.000 fl. nicht gestattet.

10. Sofortige Abweisung (ohne, wie im Antrag vorgesehen, eine Anhörung der Landesdirektion Amberg) der Forderung der Simultanischen Kirchen- und Religionsdeputation in Sulzbach, aus der Hinterlassenschaft eines katholischen Pfarrers (Hözendorf von Neukirch) einen Zwangsbeitrag zum Zuchthaus in Amberg abzuführen (wie dies bei evangelischen Geistlichen üblich war, die ledig und ohne Kinder verstarben).

11. Das Eintreiben von Zwangsbeiträgen für ein Amt zum Namenstag des Kurfürsten im Kloster St. Mang hat zu unterbleiben; gegebenenfalls solle gar kein Gottesdienst gehalten werden.

[MJ] 12. Die Veräußerung des Ritterlehens Fischbach durch Graf v. Thürheim, unter Inkorporierung der allodialen Hofmark Hof in der Oberpfalz, wird genehmigt.

13. Besetzung des Amts Neumarkt[- St. Veit] nach unterschiedlichen Vorschlägen des Ministerialdepartements für Finanzen und der General-Landesdirektion143. Landrichter und Kastner zu Neumarkt wird Joseph v. Gröller, bisher in Kranzberg144.

14. Ablehnung des Gesuchs der Ehefrau des Jakob Oberhofer um das Recht, im Haus ihres Schwiegervaters in Heidelsheim kostenlos wohnen zu dürfen.

15. Verbleib Stephan v. Stengels in München

Stephan Freiherr von Stengel, bisheriger Staats-Referendär und nunmehr ernannt zum Vizepräsidenten der pfälzischen Regierung145, bittet um die Genehmigung, sich bis über den Winter weiterhin in München aufhalten zu dürfen, wo er bei der Allodial-Hofkommission mitarbeiten wolle. Wird bis Frühjahr 1800 genehmigt.

15. Churpfälzischer Regierungs Vice Praesident Herr von Stengel bittet in Rücksicht des herannahenden Winters und der dermahligen Kriegs-Operationen in der Rheinpfalz, ihme eine unbestimte Abweßenheits-Erlaubnüß zu ertheilen, wobey er sich bereit erkläret, indeßen bey der Allodial-Hofcommission zu arbeiten, {6r} um dem Staate in der Zwischenzeit nüzlich zu seyn.

Bis künftiges Frühjahr genehmiget, doch hat Herr von Stengel sich bis dahin bey der Allodial-Hofcommission gebrauchen zu laßen.

16. Bewilligung von Tax- und Siegelfreiheit für die Verleihung des Charakters eines Geheimen Rats an Franz Nikola Freiherrn v. Spon.

17. Dem Sekretär und Geheimen Kanzlisten Joseph Jakob Mayers wird ein Posten als Sekretär bei der verwaltungsmäßigen Neuorganisation der Rheinpfalz zugesagt.

18. Abweisung des Gesuchs der Advokaten beim Hofgericht München, eine Uniform tragen zu dürfen.

19. Aufenthaltsgenehmigung für den Abbé de Boulignez und seine Verwandten.

Anmerkungen

140
Thürheim, später einer der wichtigsten Mitarbeiter Montgelas’ und 1817 dessen Nachfolger als Innenminister, wurde wenig später Vizepräsident, Giese Rat der neuen Neuburger Landesdirektion (HStK 1800, S. 208). Auch deren Präsident Maximilian Graf v. Tassis war an den Verhandlungen zum Deputationsabschied beteiligt gewesen. Zur (ungewöhnlichen) Strategie Montgelas’, eine staatliche Behörde mit profilierten Ständevertretern zu besetzen, vgl. Weis, Montgelas, Bd. 2, S. 244-246.
141
Carl Ludwig Freiherr von Rodenhausen, Obersthofmeister der verstorbenen Kurfürstin (HStK 1799, S. 86).
142
Ferdinand Freiherr von Lamezan, Rat der Regierung, des Oberappellationsgerichts und der Hofkammer der Kurpfalz und Kabinettszahlmeister der verstorbenen Kurfürstin (HStK 1799, S. 120, 155).
143
Vgl. Protokoll der Staatskonferenz vom 10. September 1799, TOP 20).
144
HStK 1800, S. 146. Der vom Ministerium für Neumarkt in Vorschlag gebrachte Lizenziat Johann Georg Karpfinger, Justizbeamter in der Herrschaft Valley der Grafen von Tattenbach, wurde nicht, wie in Aussicht genommen, auf die freie Stelle in Kranzberg, sondern nach Wolfratshausen gesetzt (ebd., S. 142).
145
Stephan Freiherr von Stengel (1750-1822), ein natürlicher Sohn Karl Theodors, war seit 1773 als Kabinettssekretär in landesfürstlichen Diensten tätig und von seiner Ernennung zum Geheimen Finanzreferendär 1789 bis zu seiner Entlassung als Kabinettssekretär 1797 (worauf er die Vizekanzlerschaft der Oberen Landesregierung übernahm) eine der Schlüsselfiguren in der Innenpolitik der späten Karl-Theodor-Zeit. Von der neuen Administration wurde er zunächst am 27. Februar 1799 als »Geheimer Staatsreferendaer über die Finanzen der sämtlichen Churfürstlichen Staaten« in eine wichtige Position berufen und in den frühen Staatsrats-Protokollen immer in entsprechend hervorgehobener Position erwähnt. Die ihm dann mit Dekret vom 29. September 1799 provisorisch übertragene Stelle als Vizepräsident der Regierung der Kurpfalz (BayHStA MA 8292) hat er nie angetreten, sondern blieb aufgrund einer Reihe von kurfürstlichen Anordnungen der Jahre 1799/1800 in München zur Weiterarbeit in der Allodial- und Fideikommiss-Kommission des Kabinetts, der er seit Juni 1799 angehörte (BayHStA HR I Fasz. 252 Nr. 552); diese Kommission leistete die Vorarbeiten für die »Domanial-Fideikommißpragmatik des Churhauses Pfalzbaiern« vom 23. Oktober 1804, die das kurfürstliche Kammergut mit dem Staatseigentum vereinigte (Weis, Montgelas, Bd. 2, S. 147f.). 1803 wurde Stephan v. Stengel Vizepräsident der Landesdirektion im säkularisierten Fürstbistum Bamberg, 1808 ebendort Generalkommissar des Mainkreises, der er bis zu seiner Pensionierung 1810 blieb. Zu seiner Person und Karriere vgl. nun, neben dem »Personalakt« BayHStA MF 37452, die Monographie von Groening, Revolution, daneben auch die zahlreichen Erwähnungen bei Gigl, Zentralbehörden, v.a. S. 134f.