BayHStA Staatsrat 161

20 Blätter. Unterschriften des Königs, des Kronprinzen und der Minister. Protokoll: Kobell.

Anwesend:

Kronprinz Ludwig.

Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Morawitzky; Hompesch.

Geheime Räte: Graf v. Preysing; Ignaz Graf v. Arco; Graf v. Toerring-Gutenzell; v. Zentner; Johann Nepomuk v. Krenner; Freiherr v. Stengel; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Johann Adam Freiherr v. Aretin; v. Effner; v. Schenk; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach.

Rechtsverhältnisse der Untertanen in Bezug auf Religion und Kirchen

Zentner setzt den am 16. März begonnenen Vortrag fort, indem er zunächst die Grundzüge des Religionsedikts und die bislang diskutierten Abschnitte in Erinnerung ruft. Sodann verliest er die Paragraphen 58 bis 122 (Verhältnisse der Kirchengesellschaften zur Staatsgewalt und untereinander). Zu zehn Paragraphen ergehen nach der Diskussion im Geheimen Rat Änderungsbeschlüsse. Der König genehmigt das Edikt, das damit Rechtskraft erlangt.

{1r} 1. Seine Königliche Hoheit der {1v} Kronprinz, Höchstwelche die auf heute angeordnete Sizung des geheimen Raths bei der fortdauernden Verhinderung Seiner Majestät des Königs praesidirten, forderten den geheimen Rath von Zentner auf, den Vortrag des 3ten Abschnittes des Edictes über die äußere Rechtsverhältniße des Königreichs Baiern in Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften, bei welchem der geheime Rath in der lezten Sizung vom 16ten d. M. stehen geblieben1099, fortzusezen.

Zu gehorsamster Befolgung dieses Auftrages wiederholte geheimer Rath von Zentner in gedrängter Kürze die Grundzüge, nach welchen dieses Edict bearbeitet und den Inhalt der in der lezten Sizung vorgetragenen Abschnitte und Kapitel, und las den 3ten Abschnitt des Edictes Von den Verhältnißen der im Staate aufgenommenen Kirchen Gesellschaften zur Staatsgewalt und den 4ten Abschnitt Von den Verhältnißen verschiedener Religions Gesellschaften gegeneinander {2r} nebst dem Schlusse des Edictes, welche die §§ 58 bis 122 inclus. in sich fassen, zur Beurtheilung vor.

In dem 1ten Capitel des 3ten Abschnittes Religions- und Kirchen Sachen § 58 bis 74 wurde § 631100 die Erinnerung gemacht, daß der Ausdruk zu gewißen Gottesdiensten nicht erschöpfend genug sein dürfte, weil einem Seelsorger auch außer den gottesdienstlichen Handlungen auch andere kirchliche Verbindlichkeiten auferlegt seien, deren Unterlaßung Beschwerden veranlaßen könnte. Um diese näher zu bezeichnen, wurde vorgeschlagen zu sezen „zu gewißen Kirchendiensten“.

Der geheime Rath nahm diese Aenderung des Ausdrukes zu gewißen Kirchendiensten statt „zu gewißen Gottesdiensten“ im § 63 an.

Bei dem § 681101 bemerkte geheimer Rath von Zentner, daß er die Stelle dieses §: nachdem sie unsere Bestätigung darüber erhalten haben anders als sie bei der {2v} ersten in der geheimen Raths Section des Innern vorgetragenen Faßung gewesen, und auf folgende Art: „nachdem sie Unsere Genehmigung zur Publication (Placet) erhalten haben“, gesezt, weil er durch seine Geschäftserfahrung sich überzeuget, daß die geistliche Stellen, wegen dem Ausdruke Bestätigung öfters schon Beschwerden angebracht, und solchen als einen zu großen Eingrif in die Kirchen Gewalt angesehen, gegen den Beisaz aber: landesfürstliche Genehmigung zur Publication (Placet) nie einen Anstand erhoben haben.

Wenn diese Aenderung von dem geheimen Rathe genehmiget würde, so müßte dieselbe auch in dem § 701102 und 741103 getroffen werden.

Der § 731104 habe auch in der geheimen Raths Section des Innern einigen Anstand gefunden, und einige Mitglieder hätten auf die gänzliche Weglassung gestimmt, allein aus mehreren dagegen angeführten Gründen und nach gehaltener {3r} Umfrage habe sich die Section zu dem Beisaze wobei jedoch auf die in Unserem Reiche bereits bestehende Kirchen-Sisteme und Verträge geeignete Rüksicht genommen werden solle und zu seiner gegenwärtigen Faßung vereiniget.

Der geheime Rath vereinigte sich, diese von dem geheimen Rathe von Zentner vorgeschlagene Aenderung in den §§ 68, 70 und 74 anzunehmen, und in dem ersteren statt Bestätigung sezen zu laßen „Genehmigung zur Publication (Placet)“, in dem zweiten statt Bestätigung „Genehmigung“ und in dem dritten „Genehmigungen und Bestätigungen“.

Bei Lit. C des § 771105 2ten Capitel des 3ten Abschnittes Von ihren bürgerlichen Handlungen und Beziehungen machte geheimer Rath v. Feuerbach die Erinnerung, daß ihme diese Faßung nicht erschöpfend scheine, um alle Zweifel {3v} zu heben, die sich in mehreren Fällen dagegen aufwerfen würden.

Die Enumeration der Gegenstände, die der weltlichen Gewalt untergeben sein sollen, habe zum Zweke, alle Fälle genau zu bestimmen, damit die Grenzen der Kirchen Gewalt nicht überschritten werden könne.

Dieser Zwek scheine ihm durch die abgelesene Faßung über Verbrechen und Strafen der Geistlichen welche auf ihre bürgerliche Rechte einen Einfluß haben nicht erreicht, weil der Saz zu unbestimmt ausgedrükt, und mehrere Verbrechen von Geistlichen begangen werden könnten, die unter diesen Begriff nicht zu bringen wären.

Er schlage vor zu sezen C. Verordnung und Erkenntniße über gemeine Verbrechen der Geistlichen und ihre Strafe.

Diese Ansicht des von Feuerbach wurde von mehreren geheimen Räthen bestritten und da über diese {4r} Verschiedenheit der Meinungen Discussionen sich ergaben, so sahen Seine Königliche Hoheit der Kronprinz sich veranlaßt, hierüber die Abstimmungen der geheimen Staats- und Konferenz-Minister und der wirklichen geheimen Räthe zu erholen.

Die Mehrheit der abgegebenen Stimmen entschied für die von dem geheimen Rathe von Zentner abgelesene Fassung des Litt. C § 77.

Auch gegen die Faßung des § 821106 des nämlichen Kapitels erhob geheimer Rath von Feuerbach Anstände, und bemerkte, daß nach den bestehenden oesterreichischen Gesezen, die in einigen Provinzen des Königreichs noch Kraft hätten, mehrere zum Theil auch große Verbrechen unter die Polizei Vergehen und nicht zu den Kriminal Verbrechen gerechnet würden.

Würde nun hier nichts von den Polizei Vergehen angeführt, so seie zu erwarten, daß die Geistlichen vorzüglich in {4v} den ehemals oesterreichischen Provinzen, wenn sie derlei Verbrechen begiengen, ganz ungestraft durchkommen, und die geistliche Stellen jede Einmischung der weltlichen Gewalt aus dem Grunde zu umgehen suchen würden, weil das Gesez nur von der Kriminal-Gerichtsbarkeit spreche.

Er schlage vor zu sezen „die Gerichtsbarkeit über Kriminal Verbrechen und Polizei Vergehen“.

Die gegen diese Bemerkungen des geheimen Rath von Feuerbach von mehreren Mitgliedern aufgestellte Einwendungen und die Rüksicht, daß man die Würde eines Geistlichen nicht der willkührlichen und oft unpaßenden Behandlung eines oder des andern Polizei Kommissärs preis geben könne, gaben Seiner Königlichen Hoheit dem Kronprinzen den Veranlaß, hierüber abstimmen zu laßen.

Der Erfolg hievon war,

daß nach der Mehrheit der Stimmen der geheime Rath {5r} die Faßung des § 82 ganz nach dem Antrage des geheimen Rath von Zentner annahm.

In dem § 891107 deßelben Kapitels wurde auf Erinnerung des geheimen Staats- und Konferenz Ministers Freiherrn von Montgelas

von dem geheimen Rathe nach den Worten nach besondern Orts-Verhältnißen der Zusaz beschlossen „zum Besten der Seelsorger“.

Bei dem § 1131108 des 2ten Kapitels von simultanen Gebräuchen der Kirche bemerkte geheimer Rath von Feuerbach, daß der hierin ausgesprochene Grundsaz ein vieljähriger Mitgebrauch könne für sich allein die Erwerbung eines wirklichen Rechtes durch Verjährung in der Regel nicht begründen zu häufigen Prozessen und unangenehmen Folgen unter den verschiedenen Religionen Anlaß geben {5v} würde, weil derselbe sehr wahrscheinlich von mehreren Gemeinden auch auf das Vergangene angewendet, und gegen den gemeinschaftlichen Besiz, wenn er auch längere Jahre ausgeübt worden, gestritten werden würde. Der Saz, daß ein Gesez nicht rükwirken könne, bestehe zwar und werde bei Promulgation des neuen Gesezbuches wieder bestätiget, aber die Gerichts Stellen würden sich durch mehrere Fälle veranlaßt finden, Anfragen zu stellen, ob dieses Gesez der Nichtrükwirkung bei derlei Verjährungen anzuwenden sei oder nicht. Zu Vorbeugung dieser Anstände trage er an, einen Zusaz zuzufügen, wodurch bestimmt werde, daß dieses Gesez nur für künftige Fälle Kraft habe – auch würde er die Worte in der Regel weglaßen, weil diese den Grundsaz zu unbestimmt machten.

{6r} Mehrere Mitglieder des geheimen Raths theilten diese Ansicht des geheimen Raths von Feuerbach, und machten den Vorschlag, beizufügen „künftig nicht begründen“. Seine Königliche Hoheit der Kronprinz ließen über diesen Vorschlag abstimmen

und der geheime Rath beschloß nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen, daß die Worte in der Regel in dem § 113 weggelassen werden. Wegen dem Beisaze künftig nicht begründen war die Mehrheit anfänglich dafür, daß die Faßung des geheimen Rath von Zentner beibehalten werde, da aber mehrere Stimmenden und der Referent selbst nachher zu der entgegen gesezten Meinung übergiengen; so wurde der Zusaz „künftig nicht begründen“ von dem geheimen Rathe angenommen.

Wegen dem § 1161109 erinnerte der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Freiherr von Montgelas, daß er diese Bestimmung {6v} nicht aussprechen, sondern den ganzen § weglaßen würde, weil dieselbe einen Zwang enthalte, der dem Geiste der Regierung und dieses Edictes widerstrebe. Er glaube, daß es zwekmäsiger sein würde, diese wechselseitige Überlaßung der Kirchen in den angegebenen Fällen dem freien Willen der protestantischen Kirchen Gesellschaften zu überlaßen.

Seine Königliche Hoheit der Kronprinz ließen über diesen Antrag abstimmen,

und der geheime Rath bestimmte sich einstimmig für die Weglaßung des § 116 nach der Meinung des geheimen Staats- und Konferenz Ministers Freiherrn von Montgelas.

Auf die Bemerkung des geheimen Staats- und Konferenz Ministers Freiherrn von Montgelas wurde in dem Schlusse dieses Edictes

oder dem Sinne auszulaßen sich vereiniget1110, und der geheime Rath faßte den Beschluß, {7r} das vorgetragene Edict mit den darin gemachten Aenderungen und Zusäzen Seiner Majestät dem Könige zur allerhöchsten Genehmigung allerunterthänigst vorzulegen.

Genehmigung durch den König (27. März 1809):

{19v} Wir genehmigen das Organische Edict über die Rechtsverhältnüße der {20r} Religions- und Kirchen Gesellschaften nach der Faßung, die in den Sizungen Unßeres Geheimen Rathes angenohmen worden1111.

Pensionsforderung des Friedrich von Ehrne

Hompesch leitet einen Vortrag Franz v. Krenners ein. Gegenstand ist die Pensionsforderung des vormaligen Freisinger Kanonikers Friedrich v. Ehrne, der mittlerweile Protestant geworden ist und geheiratet hat. Gegen die vom Finanzministerium aufgrund des Personenstandswechsels verfügte Einziehung der Pension haben Ehrne und sein Bruder Klage beim Appellationsgericht eingereicht. In der rechtlichen Wertung sind das Finanzministerium und das Justizministerium unterschiedlicher Auffassung, so daß die Entscheidung des Geheimen Rates gesucht wird. Hompesch führt in den Vortrag ein und betont, daß die Gerichte in derlei Fällen keine Entscheidungskompetenz haben sollten. Er verweist insbesondere auf die finanziellen Folgelasten für den Staat, wenn vormalige Geistliche auf Fortbezug ihrer Pensionen klagen könnten. Krenners Vortrag führt diese Argumentation weiter. Er schildert die Vorgeschichte des Verfahrens, diskutiert die rechtlichen Streitfragen und kommt zu dem Ergebnis, daß mit den niederen Weihen versehene katholische Geistliche durch die Verehelichung ihre Versorgungsansprüche verlieren. Indes ist es Ehrne unbenommen, aus anderen Rechten erwachsene Ansprüche vorzutragen. In der folgenden namentlichen Abstimmung schließen sich acht Stimmen dem Antrag Krenners an, während sieben Stimmen sich dagegen aussprechen. Beim König wird daher angetragen, gesetzlich zu erklären, daß infolge des Reichsdeputationshauptschlusses pensionierte katholische Geistliche beim Übergang zum Protestantismus ihre Pensionen verlieren. Ferner sei zu erklären, daß die Justizstellen in derlei Fällen nicht kompetent sind. Ehrne solle seine Pension bis zur Verkündung des Gesetzes behalten und dann der Großmut des Königs empfohlen werden.

2. Der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Freiherr von Hompesch unterrichtete Seine Königliche Hoheit den Kronprinzen, daß von dem Finanz Ministerio ein Vortrag für den geheimen Rath bearbeitet, und von Seiner Majestät dem Könige dahin gewiesen worden, der für das Finanz Vermögen und für die ganze Administrazion des Königreichs von der höchsten Wichtigkeit sei. Derselbe betreffe die Canonical-Pensions Forderung des ehemaligen Priester und Canonici zu Freisingen Friedrich von Ehrne1112, der nach der Auflösung des Kollegiat Stiftes zu St. Andrae in Freisingen, eine Advokatie in Memmingen übernommen, zur protestantischen Religion übergegangen {7v} und sich in Memmingen verehelicht habe.

So wie das Finanz Ministerium von diesen Handlungen eines ehemaligen Canonici legale Kenntniß erhalten, habe daßelbe auf Einziehung der Pension bei Seiner Majestät dem Könige angetragen, und als diese erfolgt und ausgeschrieben worden, habe hierüber sowohl der Friedrich von Ehrne als sein Bruder Georg von Ehrne1113, der diese Pension zu Bezalung einer Schuld einige Jahre bezogen bei dem königlichen Appellazions Gerichte hier gegen den Fiscum klagbar aufzutreten [!].

Das Finanz Ministerium habe diese Klage durch das auswärtige Ministerium erhalten, und sei mit dem Justiz Ministerium in schriftliches Benehmen vorzüglich über die Frage getreten, „ob das königliche Hofgericht es als eine entschiedene Sache ansehen könne, daß in einem vor und nach dem westphälischen {8r} Frieden katholisch gebliebenen Chorstifte auch Augsburgische Konfessions Verwandte Mitglieder desselben Stiftes bleiben und Pfründe desselben beziehen könne? oder aber ob das Appellazions Gericht sich das Recht der Entscheidung über diese Frage, die offenbar nur der höchsten Staatsgewalt zustehe, anmaßen wolle“.

Die von dem Justiz Ministerium hierauf erfolgte Aeußerungen seien ganz den Ansichten des Finanz Ministeriums widersprechend, und da hieraus eine Verschiedenheit der Meinungen, unter den Ministerien aber eine in ihren Folgen so wichtige Sache entstanden, die nach der Konstituzion und nach der Instruction des geheimen Rathes zur Kompetenz desselben sich eigne1114.

Herr geheimer Rath von Krenner der jüngere habe den Vortrag im {8v} Namen der Finanz Section bearbeitet, und werde, wenn Seine Königliche Hoheit es erlaubten, denselben dem geheimen Rathe vorlegen.

Er Freiherr von Hompesch habe den darin aufgestellten Säzen und Anträgen nur beizufügen, welch bedenkliche Folgen es für die Staats Administrazion haben würde, wenn den Gerichts Stellen die Kompetenz über derlei Fälle und über Gegenstände zugegeben werde, die nur für die höchste Staats Gewalt sich eignen und rein administrativ seien, auch würde es für die Finanz Kräfte des Königreichs eine neue sehr bedeutende Last sein, wenn mehrere pensionirte Domherrn, Canonici und Geistliche ihre Religion und ihren Stand verändern und auf Fortbezug ihrer Pension die sie mit der Bedingung, sich zu gerichtlichen Diensten der katholischen Religion noch ferner gebrauchen zu lassen, erhalten, bei den {9r} Justiz Stellen klagen könnten. Diese Fälle würden nicht selten sein, wenn der Fiscus die Kompetenz der Gerichts-Stellen hierin anerkennen müßte.

Auf die erfolgte Bewilligung Seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen las geheimer Rath von Krenner der jüngere seinen über die Kanonikals-Pensions-Forderung des zur protestantischen Religion und in den Ehestand übergetretenen ehemaligen Priesters und Canonicus zu Freisingen Friedrich von Ehrne und die deßwegen zwischen den Justiz und administrativen Behörden entstandene Kompetenz Strittigkeit ab1115.

Derselbe stellte zuerst das Factum auf, führte das Verfahren des hiesigen Appellazions-Gerichtes auf die an daßelbe gekommene Spolien-Klage1116, die Aeußerungen des Ministeriums der auswärtigen Geschäfte über den vorliegenden Fall, die {9v} Ansichten des Finanz Ministeriums und die Gegenäußerungen des Justiz Ministeriums aus, erwähnte eines Special Falles, der sich in Bamberg ebenfalls wegen der Kompetenz der Justiz Stellen über Säkularisazions Pensionen ergeben, und las das königliche Reskript ab, wodurch derselbe im Jahre 1807 auf Antrag des Justiz Ministeriums entschieden worden.

Geheimer Rath von Krenner der jüngere legte die Grundsäze vor, nach welchen das Finanz Ministerium sowohl die Frage über die Kompetenz der Gerichts Stellen als den Thesin selbst beurtheile, und trug im Namen des Finanz Ministeriums darauf an, daß der geheime Rath folgenden Reskripts Entwurf an das hiesige Appellazions Gericht Seiner Königlichen Majestät zur Genehmigung vorlegen möge.

Allerhöchstdieselben hätten vernommen, daß auf die unterm 2ten November {10r} 1807 verordnete Einziehung der Kanonikal Pension des zur Augsburgschen Konfeßion und in den Ehestand übergetretenen ehemaligen Canonicus zu Freising Friedrich von Ehrne derselbe eine Spolien Klage, und sein Bruder Georg von Ehrne als sein Kreditor eine Real-Klage1117 bei dem königlichen Appellazions Gerichte überreicht hätten.

Allerhöchstdieselbe hätten ersehen, daß in diesen beiden Klagschriften folgende zwei Thesen unzertrennlich verwebt seien: 1) Die Frage, ob einem katholischen Kanoniker der säkularisirten Stifter oder einem Religiosen der aufgehobenen Klöster auch nach dem Übertritte zu einer andern Religion die Benefizial Sustentazion für seine katholische Praebende gebühre, dann 2) ob der Genuß einer Kanonikal-Pension mit der Stelle eines Advokaten in einer Person katholischer Religion {10v} so unvereinbarlich sei, daß die Bewilligung des Fortbezugs der Kanonikal Pension als katholischer Advokat ipso jure auch die Bewilligung des Genußes dieser Pension im katholischen Stande involvire.

Seine königliche Majestät hätten nach Vernehmung Allerhöchstdero geheimen Rathes erkannt, daß die Discußion und die Aburtheilung dieser beiden Vorfragen nicht zur Kompetenz ihrer Justiz-Stellen gehöre, sondern daß die Entscheidung derselben einzig und allein in dem Gebiete der obersten Staats Gewalt liege.

Allerhöchstdieselben entschieden sogleich sowohl die erstere schon in dem Augsburger Religions Frieden1118 und in dem westphälischen Frieden1119 ausgemachte Frage, als auch die zweite gewißermaßen in die Gratialien1120 einschlägige Frage verneinend, und dehnten auch zu Vermeidung aller künftigen Zweifel die Entscheidung der ersten Frage aus der Analogie {11r} des Prinzips dahin aus, daß diejenige katholische geistliche Personen, welche blos in den untern Weihen stehen, auch schon durch den die Ansprüche ihres ehemaligen Standes gänzlich auflösenden Übergang aus dem ehelosen zu dem Ehestande ohne weiters ihre Benefizial Sustentazionen verlieren.

Wenn aber die beiden Brüder von Ehrne aus andern privatrechtlichen durch diese Entscheidung nicht niedergeschlagenen und zur Kompetenz des königlichen Hofgerichts gehörigen Gründen einen Anspruch zu haben vermeinen, so werde der königliche Fiscus auf mutirte Libelle gebührende Red und Antwort geben.

Übrigens werde dem königlichen Appellazions Gerichte zur künftigen Vermeidung dergleichen Kompetenz-Konflicte, und um solche zu den Justiz-Stellen nicht gehörige Klagen in Sachen, welche in den Reichs-Deputazions Rezeß vom Jahre 1803 einschlagen, sogleich a limine judicii abweisen zu können, die ersten 4 allgemeine {11v} Instructions Puncte des unterm 8ten Jänner 1807 an das königliche Hofgericht in Bamberg ergangenen Reskriptes zur Wissenschaft und allerunterthänigsten Darnachachtung mitgetheilt.

Seine Königliche Hoheit der Kronprinz ließen über diesen Antrag des Finanz-Ministeriums abstimmen, woraus sich folgende Resultate ergaben.

Der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Freiherr von Montgelas stimmte für den Antrag des Referenten da die Entscheidung der Thesis außer den Grenzen der bürgerlichen Geseze liege. Sie müßten aus Friedens-Schlüßen, Staatsverträgen, völkerrechtlichen Bestimmungen abgeleitet, sie müßten nach publizistischen Gründen festgesezt, und da wo Lüken wahrgenommen werden, legislatorisch von der obersten Staatsgewalt bestimmt werden.

Diese Voraussezungen könnten nicht in der Sphäre einer zivilrichterlichen Behörde liegen, das Appellazions {12r} Gericht könne nicht erkennen, ob gegenwärtig der Religions Friede, der westphälische Friede, oder auch selbst, in wie ferne der Deputazions Rezeß hierinfalls noch eine Anwendung finde. – Das Appellazions Gericht könne nicht authentisch interpretiren, es könne nicht auf eine legislative Art suppliren, und folglich könne die Kompetenz hierin niemal den Gerichts Stellen überlaßen werden, sondern sie müße der obersten Staats Gewalt vorbehalten sein.

Wegen dem speziellen Falle des von Ehrne trete er um so mehr dem Antrage des Referenten bei, da vorzüglich in Baiern den geistlichen Pensionirten die Verbindlichkeit zu ferneren Kirchendiensten, wenn man sie fodern würde, ausdrüklich auferlegt worden, wodurch diese Pensionen die Natur der Pfründen angenommen und analogisch wie diese behandelt werden müßten.

Die Folge nun, daß ein katholischer Bepfründeter {12v} wenn er seinen Stand und die Religion verläßt, auch seine Pfründe oder deren Surrogat verliere, ergebe sich von selbst, doch finde er für billig, daß der Fiscus auf die weitere aus andern privatrechtlichen zur Kompetenz des Appellations Gerichts gehörigen Gründen entstehende Klage der v. Ehrne Rede und Antwort gebe.

Der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Graf von Morawizky äußerte, daß er von der Meinung des Justiz Ministeriums, welche nach dem Schlusse einer Ministerial Seßion gefaßt, nicht abgehen könne, und dabei stehen bleiben müße.

Der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Freiherr von Hompesch stimmte für den im Namen des Finanz Ministeriums gemachten Antrag des Referenten, unter Beziehung auf die schon angeführte Folgen welche die Einräumung einer Kompetenz der Gerichts Stellen über derlei Gegenstände {13r} auf die ganze Staats Administrazion haben müßten.

Der königliche wirkliche geheime Rath Graf von Preising stimmte wie der königliche Justiz Minister Graf von Morawizky diese Sache des von Ehrne der Entscheidung der Justiz Stellen zu überlaßen.

Der königliche wirkliche geheime Rath Graf Ignaz von Arco stimmte dafür, daß die Entscheidung der Frage in Thesi, ob einem Canonicus, wenn er die Religion ändere und sich verheirathe, noch die geistliche Pension belaßen werden solle, nicht zur Kompetenz der Justiz Stellen gehöre, daß es ihme aber bedenklich scheine, die vorliegende Sache des von Ehrne, welche schon bei der Justizstelle anhängig, derselben zu entziehen; er glaube also, daß die Entscheidung dieser Sache den Justiz Stellen überlassen bleiben müße.

Der königliche wirkliche geheime Rath Graf von Törring Guttenzell {13v} stimmte für den Antrag des Referenten, weil er sich überzeugt halte, daß die Entscheidung der vorgetragenen Thesis, so wie der darauf sich gründenden von Ehrnischen Sache nicht zur Kompetenz der Justiz-Stellen sich eignen könne, und diese Entscheidung nur von der obersten Staats-Gewalt ertheilt werden könnte.

Der königliche wirkliche geheime Rath von Zentner gab folgende Abstimmung. Er theile die in dem Vortrage angegebene Ansicht des auswärtigen Ministerial Departements über die von Ehrneische Sache, in so weit daß keiner Justiz Behörde über die Thesis auszusprechen eine Kompetenz zukommen könne, sondern diese einzig der legislativen Staats-Gewalt zustehe, folglich der Fiskal mit Recht angewiesen werden könne, darüber bei dem Appellazions Gerichte sich nicht einzulaßen.

Eine andere Frage seie, ob nicht Ehrne und respec. sein Bruder wegen der factischen Entziehung der Pension {14r} sich habe bei einer Justiz Stelle beschweren können, da noch kein Gesez zeither bestanden und öffentlich publizirt worden sei, welches einem katholischen Canonicus seine Pension ipso facto entzieht, der die Religion ändert, oder in einen mit dem geistlichen unvereinbarlichen Stand übertritt.

Es laße sich Manches dafür und dagegen anführen; der Religions- und Westphälische Friede könnten als heute noch gültige Geseze nicht mehr angeführt werden; durch die Säkularisazion seien andere Verhältniße eingetreten. Was der Canonicus beziehe habe nicht mehr die Natur eines Benefiziums, sondern mehr einer Alimentazions Pension. Diese veränderten Verhältniße erforderten über die Thesis eine neue gesezliche Bestimmung, die er zwar glaube, daß sie dahin zu erlassen sei, daß jeder katholische Canonicus oder Religios, welcher eine Pension bezieht, dieselbe verliere, wenn er in einen mit dem geistlichen unvereinbarlichen Stand übertritt, {14v} weil er in jedem Falle diese Pension als katholischer Geistlicher beziehe, und weil bei der Säkularisazion und der Bestimmung der Pensionen noch immer auf die ehemalige Statuten, auf ihren ehemaligen Stand sei Rüksicht genommen worden, wodurch, wenn derselbe gänzlich verlaßen worden, auch alle weitere Titel zu einer Pension verloren giengen.

Allein, da kein Gesez zurükwirke, und zuvor die Thesis noch zweifelhaft habe scheinen können, so mögte dem von Ehrne seine entzogene Pension bis zur Bekanntmachung des Gesezes nachzubezalen, von dann aber einzuziehen sein, wenn Seine Königliche Majestät ihm nicht aus besonderer Gnade einen Theil derselben als Alimentazions Beitrag bis zu einer Anstellung im Staatsdienste belassen wollten.

Dadurch seie die Spolien Klage gehoben, und der Kompetenz-Streit höre auf. In dem zu entwerfenden Geseze {15r} mögte sich aber weder auf den Religions und westphälischen Frieden, noch auf das in dem Vortrage angeführte nach Bamberg erlaßene Reskript zu beziehen sein, sondern es mögte darin einzig von der wesentlichen Verbindung auszugehen sein, in welcher die Pension eines Kanonikus oder Religiosen mit seinem ursprünglichen Stande stehe, und von den Bestimmungen, welche in dieser Hinsicht bei den Säkularisazionen der Stifter und Klöster gemacht worden seien.

Der königliche wirkliche geheime Rath von Krenner der ältere stimmte auf folgende Art. Nachdem einmal das königliche Reskript an das Hofgericht in Bamberg vom 8ten Jänner 1807 in Mitte liege, so glaube er ebenfalls, daß von diesem nicht wohl mehr abgewichen werden könne. Was aber die aufgeworfene staatsrechtliche Frage anbelange: „ob ein reichsschlußmäsig pensionirter Domherr, Canonicus und Religios bei seinem Übertritte zur evangelischen Kirche {15v} seine Pension verliere?“ so habe Votant hierüber eine von dem Referenten verschiedene Rechts-Ansicht.

Der Religions- und westphälische Friede spreche nicht von Pensionen, sondern von geistlichen noch wirklich bestehenden Benefizien, die wegen der Obliegenheit einer kirchlichen Function genoßen werden. Diese Benefizien seien durch das deutsche Indemnisazions Geschäft vollkommen unterdrükt, und die damit verbundene Revenüen in der Regel zu einem weltlichen Zwek verwendet worden. Der säkularisirte Canonicus genieße die Pension nicht deswegen, (als nämlich der westphälische Friden hiebei voraussetzt) daß er eine kirchliche Amtsverrichtung bekleide, sondern deßwegen, weil er sich habe gefallen lassen müßen, dieses seines geistlichen Amtes ohne Verschulden entsezt zu werden, und dadurch auch seine politische Existenz zu verlieren.

Er besize die Pension aus einem blos weltlichen Titel einer Art von Entschädigung {16r} und eigentlich einer bloßen Alimentazion, wie denn die Pensionen ausdrüklich in den ersten französischen Entschädigungs Entwürfen deutlich: Pensions Alimentaires du Clergé Supprimiée und in dem Reichs Deputazions Schluß § 66 privilegirte Alimentazions Gelder genannt worden1121.

Daß sie der Reichs Deputazions Schluß auf 9/10 der vorigen Erträgniße angesezt, ändere ihre Natur nicht ab, und verändere eben so wenig den Titel ihres dermaligen bloßen *Pensions* [Lesung nicht eindeutig] Genußes, weil sie von der Reichs-Deputazion bei dem Altem [!] nur immer Alimenten Gelder genannt würden. Nur da, wo sich etwa Mitglieder der Dom oder Stifts Kapitel bei ihrer Auflösung solche Vortheile bedungen haben, welche ihnen der Reichs Deputazions Rezeß nicht zuschreibt, und wenn hieraus hervorgeht daß sie bei ihren, der eigentlichen Pension vielmehr, ein Surrogat ihres Pfründe Einkommens haben unterstellet wissen wollen mögte es zweifelhafter werden, ob nicht in obstehendem Falle gegen dieselbe entschieden {16v} werden könnte.

Der königliche wirkliche geheime Rath Freiherr von Stengel gab folgende Abstimmung. Da die dermalige Hauptfrage wohl über die Kompetenz der Justiz Stellen in dieser Sache sei, so unterscheide er die Kompetenz für die angestellte Spolien Klage in Hinsicht auf die speziellen Fundamente dieser Klage von der Kompetenz über die Pensions Ansprüche in Thesi. Die Spolien Klage seie nicht auf ein in Thesi beruhendes Recht gegründet, sondern auf die besondere factische Umstände, daß seine Religions Aenderung der Antritt der Antritt [!] der Advokatur seine Verehelichung und seine Ceßion an seinen Bruder der Finanz Behörde bekannt gewesen, und dessen ohngeachtet seine Pension ausbezalt worden, bis er in der Folge blos factisch aus derselben Bezug gesezt wurde. Es frage sich hiebei also nur um die Beschaffenheit dieser Thatsachen, und ob {17r} der Fiscus mit Ausnahme von etwaigen rechtlichen Befugnißen dem Ehrne die Pension stillschweigend zugestanden hatte. Darüber habe die Justiz Stelle zu erkennen, und in dieser Hinsicht besonders aber auch im Betrachte, daß die Frage in Thesi sehr zweifelhaft seie, müßten die Justiz Stellen die Spolien Klage in so weit gerechtfertiget halten, daß darauf eine Citation erkannt werden müßte.

Die Kompetenz über die Frage in Thesi, ob einem Canonicus, wenn er die Religion ändere und sich verheirathe, noch die reichsschlußmäsige Pension gehöre, stehe seines Ermessens der Justiz Stelle nicht zu. Dies sei eine Frage, worüber die Justiz Stellen aus den bisherigen Gesezen ihre Entscheidung nicht erholen könnten, die ältere Reichs Geseze seien hierauf nicht anwendbar. Der Reichs Deputazions Schluß enthalte weder eine ausdrükliche noch analoge Entscheidung, selbst eine authentische Interpretazion werde aus ihm schwer zu ziehen sein und die Bestimmung über diese Frage müße aus den neuesten {17v} Staats- und Religions Verhältnißen geschöpft werden.

Nach dieser Betrachtung stehe also die Kompetenz über die Frage in Thesi der gesezgebenden Gewalt allein zu, in so weit stimme diese Ansicht auch mit dem an die Bamberger Justizstelle erlaßenen Reskript überein, da dieses Reskript aber damals mehr nach speziellen Verhältnißen der strittigen Pensions Ansprüchen bemessen war, so würde es als eine allgemeine Vorschrift nicht wohl angenommen werden können, sohin dessen Ausschreiben in dieser Absicht nicht räthlich sei[n].

Wenn nun auch über die Frage in Thesi gestimmt werden sollte, so trete er der Meinung des geheimen Rath von Krenner senior bei, daß nämlich die Pension der vorhinnigen Chorherrn als eine Alimentazion anzusehen sei, wie auch der Reichs Deputazions Schluß in § 66 sie Alimentazions Gelder nenne, in dieser Eigenschaft würde sie also den Canonici wegen {18r} Religions-Aenderung und wegen Verehelichung nicht zu entziehen sein.

Der königliche wirkliche geheime Rath Carl Graf von Arco stimmte, wie in einem dem Protokolle hier beigefügten schriftlichen Voto ausführlich ausführlich [!] auseinander gesezt ist, für die Kompetenz der Justiz Stellen in der von Ehrnischen Klag Sache1122.

Der königliche wirkliche geheime Rath Freiherr von Aretin stimmte, wie in seinem dem Protokoll beiliegenden schriftlichen Voto ausgeführt1123, dafür, daß a) durch eine authentische Erklärung die Nichtkompetenz der Justiz Stellen in den dem vorliegenden Falle ähnlichen Gegenständen ausgesprochen, b) durch ein zu erlassendes Gesez der Verlust der Canonical- und Beneficial-Pensionen für diejenige pensionirte katholische Geistliche festgesezt werden solle, welche zur protestantischen Religion übertreten, {18v} c) dem Canonicus von Ehrne die verfallene Pension bei dem Rentamte angewiesen, und d) derselbe der Großmuth Seiner Königlichen Majestät zu einem künftigen Alimentazions Beitrag empfohlen werden möge.

Der königliche wirkliche geheime Rath von Effner stimmte für die Kompetenz der Justiz Stellen in der von Ehrnischen Sache aus den Gründen die in dem dem Protokoll beiliegenden schriftlichen Voto angeführt1124. Der königliche wirkliche geheime Rath von Schenk vereinigte sich mit der Meinung des geheimen Rath Freiherrn von Aretin. Der königliche wirkliche geheime Rath Freiherr von Asbek stimmte ebenfalls wie Freiherr von Aretin. Der königliche wirkliche geheime Rath von Feuerbach stimmte für die Meinung des Ministerial Justiz Departements, folglich für die Kompetenz der Justiz Stellen {19r} in der von Ehrnischen Klag-Sache.

Da aus diesen Abstimmungen sich ergeben, daß die geheimen Räthe von Zentner, Freiherr von Aretin, von Schenk und Freiherr v. Asbek in der Haupt-Sache eine Meinung äußerten, und mit dieser die königliche geheime Staats und Konferenz Minister Freiherr von Montgelas und Freiherr von Hompesch, so wie die geheimen Räthe Graf von Törring Guttenzell und von Krenner der jüngere sich vereinigten, die übrige Mitglieder aber in ihren Abstimmungen verschieden waren; so beschloß der geheime Rath nach der durch 8 Stimmen sich ergebenen Mehrheit Seiner Königlichen Majestät folgenden allerunterthänigsten Antrag zur allerhöchsten Genehmigung vorzulegen:

Durch eine gesezliche Erklärung Seiner Majestät des Königs solle festgesezt werden, daß jeder katholische nach dem Reichs Deputazions Schluß pensionirte Geistliche den Genuß seiner Pension verliere, der zu einer der protestantischen Religionen {19v} übergehet, oder in einen mit dem geistlichen unvereinbarlichen Stand übertritt. Eine authentische Erklärung an die Justiz Stellen über ihre Nicht-Kompetenz in derlei Fällen solle von den Ministerien des Innern, der Justiz und der Finanzen gemeinschaftlich bearbeitet, und dann in dem versammelten geheimen Rathe vorgetragen werden. Bis zum Tage dieses Gesezes solle dem von Ehrne durch das einschlägige Rentamt seine ihm als ehemaligen Canonicus ausgeworfene Pension fortbezalt, und derselbe zu einem ferneren Alimentazions Beitrage der Großmuth Seiner Majestät des Königs empfohlen werden.

Genehmigung durch den König (27. März 1809):

{20r} Die verschiedenen Anträge Unßeres Geheimen Rathes in der von Ehrnischen Klagsache genehmigen Wir, und erwarten über die Bestimmung eines Alimentations Beytrages für den Friederich von Ehrne den Vortrag Unßeres Finanz Ministers1125.

Anmerkungen

1099

Nr. 31 (Geheimer Rat vom 16. März 1809), TOP 3.

1100

Entwurf (BayHStA MA 99501): „§ 63. Beschwerden, welche über die Verbindlichkeiten der Seelsorger zu gewissen Gottesdiensten [korrigiert zu: Kirchendiensten] sich ergeben, sollen nach den älteren Verordnungen ohne Gestattung eines Prozesses, nachdem dieselbe darüber gehört worden, durch die einschlägige Polizei Behörde gehoben werden.“

1101

Ebd.: „§ 68. Hiernach dürfen keine Geseze, Verordnungen oder sonstige Anordnungen der Kirchengewalt, nach den hierüber in unseren Landen schon längst bestehenden General Mandaten, ohne Unsere Einsicht und Genehmigung publizirt und vollzogen werden. Die geistlichen Obrigkeiten sind gehalten, nachdem sie Unsere Bestätigung darüber [korrigiert zu: Genehmigung zur Publication (Placet)] erhalten haben, im Eingange der Ausschreibungen ihrer Verordnungen von derselben jederzeit ausdrükliche Erwähnung zu thun.“

1102

Ebd.: „§ 70. Sollten diese [sc. die Generalkreiskommissariate] in solchen Weisungen und Verfügungen der geistlichen Oberen Einmischungen wahrnehmen, welche von den von Uns bestätigten Gesezen und Anordnungen abweichen oder gar gegen Unsere Geseze wären, so sollen sie sogleich ihre Vollziehung sistiren, und an Unser Ministerium des Innern Anzeige davon zu [!] machen; finden sie aber dieselbe Unseren früheren Bestätigungen [korrigiert zu: Genehmigungen] und Unseren Gesezen gemäß, so haben sie sich nicht weiter einzumischen.“

1103

Ebd.: „§ 74. Die vorgeschriebenen [Einschub: Genehmigungen und] Bestätigungen können nur von Uns selbst mittels Unseres Ministeriums des Inneren ertheilt werden, an welches die zu publizirende kirchliche Geseze und Verordnungen eingesendet, und sonstige Anordnungen ausführlich angezeigt werden müssen.“

1104

Ebd.: „§ 73. Was in Betreff der ausländischen Gerichtsbarkeit in der Konstituzion Tit. I § VIII festgesezt ist, hat auch in Beziehung auf die ausländische geistliche Gerichtsbarkeit seine Anwendung; wobei jedoch auf die in Unserem Reiche bereits bestehende Kirchensysteme und Verträge die geeignete Rüksicht genommen werden soll.“

1105

Ebd.: „§ 77. Zur Beseitigung aller künftigen Anstände werden nach solchen Beziehungen als weltliche Gegenstände erklärt: […] c) Verordnungen und Erkenntnisse über Verbrechen und Strafen der Geistlichen, welche auf ihre bürgerliche Rechte einen Einfluß haben.“

1106

Ebd.: „§ 82. Die Kriminalgerichtsbarkeit auch über Geistliche kömmt nur Unseren einschlägigen Gerichten zu.“ – Die durchgestrichene Marginalie von Montgelas’ Hand ist nicht lesbar.

1107

Ebd.: „§ 89. Dabei ertheilen Wir die Versicherung daß die bestehenden Pfarr-Oekonomien zu keiner Zeit aufgehoben oder durch blose Geldbesoldungen vergütet, oder weiter beschränkt werden sollen, als es in einzelnen Fällen nach besondern Ortsverhältnissen [Ergänzung: zum Besten der Seelsorger] notwendig werden wird.“

1108

Ebd.: „§ 113. Selbst ein vieljähriger Mitgebrauch kann, für sich allein die Erwerbung eines wirklichen Rechtes durch Verjährung in der Regel [korrigiert zu: künftig] nicht begründen.

1109

Ebd.: „§ 116. Protestantische Kirchengesellschaften sollen ihren Mitgliedern wechselseitig die Theilnahme an ihren eigenthümlichen Religions-Handlungen nicht versagen, wenn dieselbe keine Kirchen-Anstalt ihrer eigenen Religions-Parthei, deren sie sich bedienen können, in der Nähe haben.“

1110

Ebd., nach § 122: „Alle Geseze und Herkommen, welche gegen die Bestimmungen oder den Sinn dieses Ediktes zeither eingeführt waren, werden für ungiltig und aufgehoben erklärt, und nur diejenigen kirchlichen Staats-Polizei-Geseze, welche entweder darin ausdrüklich bestätiget worden sind, oder mit desselben Grundsäzen übereinstimmen, sollen eine fernere verbindliche Kraft behalten.“

1111

Publiziert am 14. Juni 1809 als „Edikt über die äusseren Rechts-Verhältnisse der Einwohner des Königreiches Baiern, in Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften, zur näheren Bestimmung der §§ VI und VII des ersten Titels der Konstitution“ vom 24. März 1809, RegBl. 1809, Sp. 897-920; auch bei Kotulla, Verfassungsrecht Bd. 2, Nr. 317, S. 958-973; Auszug bei Schimke, Regierungsakten, Nr. 105, S. 527-541. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde das Edikt durch die Veröffentlichung in der von Peter Adolph Winkopp herausgegebenen Zeitschrift „Der Rheinische Bund“ 12 (1809), Nr. 13, S. 161-181, bekannt. – Mit dem Religionsedikt von 1809 normierte „die monarchische Regierung einseitig die Kirchenverhältnisse in Bayern“ (Kotulla, S. 103). Das Edikt bestätigte im wesentlichen die seit dem Regierungsantritt Max Josephs geschaffene Rechtslage, faßte die Einzelbestimmungen systematisch zusammen und intensivierte im Ergebnis den „Zugriff auf das tradierte System des bayerischen Staatskirchentums“ (Körner, Konstitution, S. 332). Ausgehend von „vollkommene[r] Gewissensfreiheit“, die jedem „Einwohner“ des Königreichs (nicht nur jedem „Staats Bürger“ wie in Tit. I § VII Abs. 1 der Konstitution normiert; RegBl. 1808, Sp. 988) garantiert war (§ 1) und dem Recht zu freier Wahl der Glaubensgemeinschaft (§ 7) bestätigte das Edikt – mit Bezug auf das Religionsedikt vom 10. Januar 1803 (RegBl. 1803, Sp. 25-28) – die Parität der „drei christlichen Glaubens-Konfessionen“ (§ 28). Neben den als „öffentliche Kirchengesellschaften (§ 28) bzw. „öffentlich[e] Korporationen“ (§ 32) anerkannten Kirchen gab es staatlicher Genehmigung unterliegende „Privat-Kirchen-Gesellschaften“, denen die freie Ausübung privater Andachten gestattet war (§§ 36-39). Jeder genehmigten privaten oder öffentlichen „Kirchen-Gesellschaft“ war es erlaubt, „alle inneren Kirchen-Angelegenheiten anzuordnen“, das heißt Fragen der Glaubenslehre, des Gottesdienstes, des Kultus autonom zu regeln (§ 42). Dies paßte zu dem Grundsatz, „daß die geistliche Gewalt in ihrem eigentlichen Wirkungskreise nie gehemmt werden, und Unsere [sc. des Königs] weltliche Regierung in reingeistliche Gegenstände, des Gewissens und der Religionslehre, sich nicht einmischen solle“. Gleichzeitig waren staatliche Interventionen in Ausübung des „oberste[n] Schuz- oder Aufsichts-Recht“ des Königs ausdrücklich vorgesehen (§ 55). Auch beanspruchte der Staat die Entscheidungsbefugnis in Fällen, in denen die Angehörigen einer Kirche „durch Handlungen der geistlichen Gewalt gegen die festgesezte Ordnung beschwert“ wurden (§ 57). In allen Angelegenheiten, welche die „Religions- und Kirchen-Gesellschaften […] mit anderen bürgerlichen Gesellschaften gemein“ hatten, galten die staatlichen Gesetze. Schließlich hatte der Staat weitreichende, durchaus auslegungsfähige Eingriffsrechte im Bereich der Gegenstände gemischter Natur (res mixtae). Das waren solche, die „zwar geistlich sind, aber die Religion nicht wesentlich betreffen, und zugleich irgend eine Beziehung auf den Staat und das weltliche Wohl der Einwohner desselben haben“ (§ 87). – Darstellung unterschiedlicher Aspekte des Religionsedikts von 1809: Doeberl, Entwicklungsgeschichte, S. 494-497; Demel, Staatsabsolutismus, S. 319-321, 367f.; Körner, Konstitution, S. 330-333. Montgelas’ Sicht der Dinge: Laubmann/Doeberl, Denkwürdigkeiten, S. 124. Zur Bedeutung des Edikts für die Entwicklung der evangelischen Kirche in Bayern s. Henke, Anfänge, S. 196f.: „Einerseits bot es mit seiner verfassungsmäßigen Garantie der Parität der Konfessionen das sichere Fundament ihrer Existenz. […] Andererseits […] war durch die Festlegung des territorialistischen Prinzips im Religionsedikt auch die grundlegende Entscheidung für die Gestaltung ihrer Verfassung und des Aufbaus ihrer kirchenleitenden Organe gefallen. Sie waren nur denkbar als vollkommen in die allgemeine Staatsverwaltung integrierte Behörden“ (S. 196).

1112

Friedrich Ehrne v. Melchthal (geb. 1776) trat nach dem Empfang der Priesterweihe in das Kapitel des Kollegiatstifts St. Andrä zu Freising ein. 1802 nahm er ein Studium der Rechte in Landshut auf und wurde nach der Säkularisation Advokat in Memmingen. 1825 wurde er Wechselnotar beim Wechselgericht des Oberdonaukreises in Memmingen. Vgl. HKK Freising 1802, S. 46; RegBl. 1825, Sp. 796; Karrer, Adreß- und Taschenbuch, S. 7, 63; Müller, Kundebuch, S. 18, 109; Keil, Ende, S. 308f.; Schwaiger, Ende, S. 557.

1113

Georg Ludwig Ehrne v. Melchthal (gest. 1834), kurpfalzbayerischer Regierungsadvokat (1797) und Konsulent bzw. Syndikus des Kollegiatstifts in Landshut, wurde am 7. August 1801 zum wirklich frequentierenden Hofrat in Freising ernannt. Im Zuge der Evaluation des Personals der 1802 aufgelösten Regierung Landshut fand Ehrne eine Verwendung als Landadvokat. 1831 Abgeordneter zum Landtag. Vgl. HKK Freising 1802, S. 31; HStK 1802, S. 132, Protokolle Bd. 2, Nr. 76 (Staatsrat vom 1. Dezember 1802), S. 382f., TOP 3; Keil, Ende, S. 172; Leeb, Wahlrecht Tl. 2, S. 715.

1114

OE betr. die „Bildung des geheimen Raths“ vom 4. Juni 1808, RegBl. 1808, Sp. 1329-1335, hier Tit. II, Art. 7 a (Sp. 1332): „Er [sc. der Geheime Rat] beurtheilt: a) die Kompetenz-Streitigkeiten zwischen den Gerichts- und Verwaltungs-Stellen […].“

1115

Krenners vervielfältigter Vortrag (32 S.; Datierung: 20. März 1809) ist dem Protokoll beigebunden (BayHStA Staatsrat 161); weitere Exemplare in Staatsrat 8235 (Nr. 22), Staatsrat 8221 und MA 99501.

1116

Eine Spolienklage ist eine Besitzklage, die „Wiedererlangung verlorenen Besitzes“ bezweckt (Dernburg, Pandekten Bd. 1, § 184, S. 419).

1117

Realklagen sind dingliche Klagen, insbesondere Eigentumsklagen.

1118

Der Augsburger Reichsabschied vom 25. September 1555 (RTA 1555, Teilbd. 4, Nr. 390, S. 3102-3158) verfügte u.a.: „[…] wo ain erzbischoff, bischoff, prelat oder ain anderer gaistliches stands von unser alten religion abtretten wurd, daß derselbig sein erzbistumb, bistumb, prelatur oder andere beneficia, auch damit alle frucht und einkhomen, so er davon gehabt, alsbaldt one ainiche verwiderung und verzug, yedoch seinnen eeren onenachtaillig, verlassen […]“ (§ 18, S. 3109f.).

1119

IPO Art. V § 15 (Übersetzung): „Wenn ein katholischer Erzbischof, Bischof, Prälat […] allein oder mit einigen oder gar allen Angehörigen des Domkapitels, oder wenn andere Geistliche künftig das Bekenntnis wechseln sollten, sollen sie sogleich unbeschadet ihrer Würde und ihrer Ehre ihres Rechtes verlustig gehen sowie ihre Nutzungen und Einkünfte unverzüglich und ohne Einrede abtreten […]“. Druck der Westfälischen Friedensverträge vom 24. Oktober 1648 bei Buschmann, Kaiser und Reich, S. 289-402, hier S. 313; Urtext bei Oschmann, Friedensverträge, S. 114. Beide Texte sind online verfügbar: Die Westfälischen Friedensverträge vom 24. Oktober 1648. Texte und Übersetzungen (Acta Pacis Westphalicae. Supplementa electronica, 1). URL: http://www.pax-westphalica.de/ [5.7.2012].

1120

Gratialien: Dankgeschenke, Erkenntlichkeiten, Belohnungen (Grimm/Grimm, Deutsches Wörterbuch Bd. 4 I 5, Sp. 2052f. s.v. Gratial; Online: URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=gratial [5.7.2012]).

1121

RDH § 66: „Um nun auch den Unterhalt dieser großen Menge höherer, und anderer unschuldiger Personen auf die möglichste Art sicher zu stellen, haben die neuen Landesherrn alle solche Sustentationsgelder auf ihre nächsten Rezepturen anzuweisen, und als solche, welche das privilegirteste Unterpfand auf die Landeseinkünfte haben, jederzeit vierteljährig in guten Münzsorten nach dem 24 Gulden Fuß unverzüglich abführen zu lassen, daher auch ihren Gerichten keine Arrestanlegungen auf diese Alimentationsgelder zu gestatten“ (Protokoll der ausserordentlichen Reichsdeputation zu Regensburg, Bd. 2, S. 922; Huber [Hg.], Dokumente Bd. 1, Nr. 1, S. 21).

1122

Beilage zum Protoll des Geheimen Rates vom 23. März 1809 (BayHStA Staatsrat 161, 9 S.)

1123

Ebd. (8 S.).

1124

Ebd. (4 Seiten).

1125

Zum Fortgang: Nr. 33 (Geheimer Rat vom 29. März 1809), TOP 1.