BayHStA Staatsrat 382 19 Seiten.

Datum der Genehmigung durch den Kurfürsten: 12. Februar 1802.

Anwesend: Montgelas, Morawitzky, Hertling; [MA:] Krenner sen., Zentner, Bayard, [MF:] Krenner jun., Hartmann, Steiner, Schenk, [MJ:] Löwenthal, Stengel, Stichaner, [MGeistl:] Branca.

1. Montgelas teilt die Entschließungen des Kurfürsten auf die Anträge des Staatsrats vom 3. Januar 1802 mit.

Zur Frage der Fortgeltung von Privilegien aus der Zeit Karl Theodors

Vortrag Krenners über die Beschwerde des Hofagenten Aron Elias Seligmann, durch die neue Zoll- und Mautordnung seien seinem 1779 privilegierten Tabakunternehmen in Leimen bei Heidelberg verschiedenartige finanzielle Nachteile entstanden. Krenner erkennt in seinem Votum die Beschwerde teilweise an. Der Staatsrat fordert demgegenüber eine grundsätzliche Untersuchung der Frage, ob Kurfürst Max Joseph an ein Privileg seines Vorgängers gebunden sei.

2. In einem über das Entschädigungs-Gesuch des Hofagenten Seeligmann für den Verlust der ihm durch die neue Maut-Ordnung51 bei seiner Tobackfabrik zu Laim zugehe, erstatteten umständlichen {1v} Vortrag52, führte Herr geheimer Finanz-Referendär von Krenner aus den gesammelten Acten an: wie das wegen dieser Tobacksfabrik dem Hofagenten Seeligmann unter der vorigen Regierung und in vorderen Jahren ertheilte Privilegium53 entstanden, welche Vergünstigungen ihm bewilliget, und welche Versicherungen ihm ertheilet worden, daß wehrend dem Laufe der 30 Privilegienjahre die baierische Mauten und Accise nicht vermindert werden sollen.

Herr von Krenner zeigte, welche wiederholte Vorstellungen anfänglich von den pfälzischen, und nachher auch von den baierischen Cameral- und Commerzstellen gegen diese dem Hofagenten Seeligmann zugestandene Vergünstigung gemacht worden, wie wenig solche aber gefruchtet, und daß Seeligmann in dem ruhigen Besitze aller ihm durch dieses Privilegium ertheilten Vortheile geblieben, bis durch die neue provisorische Maut-Ordnung vom 7. Dezember 1799 nicht nur die Mautfreiheit der eingeführt werdenden pfälzischen Güter, oder der Commerzial-Verband vollkommen aufgehoben, sondern auch die Consumo-Mauth des Tobacks von den bisherigen 13 fl. per Centen auf 2 fl. 30 kr. herabgesetzt54, mithin das Seeligmannische Privilegium auf zwey Seiten verletzet worden.

Nach Anführung der von dem Hofagenten Seeligmann gegen diese Ver{2r}letzung seines Privilegii in mehreren Vorstellungen und Promemorien erhobenen Beschwerden und von ihm gemachten Entschädigungs-Vorschlägen, legte Herr geheimer Finanz-Referendär von Krenner sein Votum über diesen Gegenstand vor, und äuserte: daß rücksichtlich der verlohrnen Mautfreiheit dem Seeligmann seit dem Jahre 1800 2/3tel an der neuen Consumo-Accise der 2 fl. 30 kr. nachgelassen, oder um die Maut-Ordnung nicht zu stören, auf die nämliche Art, wie es bei den Gesandten geschieht, alle Jahre durch die Hauptkasse rückvergütet werden sollen; diese Vergütung aber nicht den heroberen, sondern den rheinpfälzischen Staatskassen zu Last fallen müsse, weil der Grund des Privilegii einzig und allein in dem Vortheile der Rheinpfalz liege und den heroberen Staaten gar kein Nutzen hievon zufließe.

Rücksichtlich der dem Seeligmann gegebenen Versicherung, daß die baierische Mauten und Accise wehrend den 30 Privilegien-Jahren nicht gemindert werden sollen, glaube er aber, daß der Hofagent Seeligmann keine Entschädigung fodern könne, sondern hiemit ganz abzuweisen seye, weil Churfürst Carl Theodor die Unveränderlichkeit einer solchen Verfügung, die nun aus staatswirthschaftlichen Gründen abgeändert worden, zu zusichern nie ermächtiget gewesen. Sollte Seeligmann {2v} dennoch ein Recht deswegen zu haben vermeinen, so seye er an die Allodial Masse des verlebten Herrn Churfürsten anzuweisen, weil eine Handlung, worin ein Regent seine Gewalt überschreitet oder seine Pflicht verletzet, aus der Cathegorie einer landesfürstlichen Handlung austritt und in jene einer persönlichen übergehe.

Herr von Krenner erinnerte noch, daß bei der Ministerial Finanz-Session, wo dieser Gegenstand vorgetragen worden, sich alle Stimmen wegen dem zweiten Antrag vereiniget, wegen dem ersten aber die Meinungen getheilt gewesen, und sich vorbehalten worden, in dem Staatsrat individualiter zu votiren.

Nach hierüber in dem Staatsrathe gehaltener Umfrage und erholten Meinungen, wurde beschloßen: vor endlichen Entscheidung des vorgetragenen Gegenstandes, sämtliche Acten dem Ministerial Justizdepartement zu zustellen, damit dasselbe die rechtliche Frage: in wie weit Seine itzt regierende Churfürstliche Durchlaucht an das von Ihrem letzten Regierungs-Vorfahrer wegen der Tobackfabrik zu Laim ertheilte Privilegium, und dadurch {3r} dem Hofagenten Seeligmann zugestandene Vergünstigungen gebunden oder nicht? untersuche und in einem motivirten Gutachten dem Staatsrathe seine Meinung vorlege, wobei dasselbe auch die Erinnerungen des geheimen Referendärs Frhrn. von Hartmann über die nützliche oder schädliche Wirkungen, welche dieses Privilegium auf die Rheinpfalz schon in seiner Entstehung und in seinen Folgen gehabt, in Erwägung ziehen und benutzen solle55.

Der Antrag des französischen Adjutanten Decker, seine in Burghausen zurückgelassenen Gewehre zu versteigern, wird abgelehnt.

3. Wegen den von dem französischen Adjutanten Decker seiner ehemaligen Hauswirthin in Burghausen zurück gelassenen fünf Kisten mit Feuergewehren, legte Herr geheimer Rath von Zentner einen Bericht vor, den die General Landesdirektion in dieser Sache erstattet und worin sie nebst der Anzeige, daß ernannter Decker nun seiner ehemaligen Hauswirthin geschrieben, sie möge diese Feuergewehre öfentlich versteigern lassen und ihm das hieraus erlößte Geld überschicken, um höchste Entscheidung bittet.

Herr geheimer Rath v. Zentner äuserte: {3v} wie er kein Bedenken fände, diese Versteigerung, als privat Eigenthum eines Dritten, vor sich gehen, und dem Decker das daraus erlößende Geld zuschicken zu lassen, insoferne ohnzweifelhaft hergestellt, daß der Brief des Deckers an die Hausfrau ächt seye, und er ihr den Auftrag zum Verkauf dieser seiner Gewehre wirklich ertheilet habe. Zu mehrerer Vorsicht könnte das Versteigerungs-Protokoll bei dem Magistrat hinterlegt, und eine Abschrift hievon anher gesendet werden um bei der französischen Gesandtschaft allenfalls hievon Gebrauch zu machen.

Der Staatsrath stimmte nach gehaltener Umfrage dieser Meinung nicht bei, sondern beschloß der General Landesdirektion zu erwiedern, sie habe dem Adjutanten Decker durch seine ehemalige Hausfrau eröfnen zu lassen, wie sie nach geschehener Anfrage bei ihrer Obrigkeit vernommen, daß es nicht üblich, und der bestehenden Ordnung zuwider seye, solche Militärgewehre öfentlich zu versteigern. Aus diesem Grunde könne die von ihm begehrte Versteigerung nicht vor sich gehen, und sie müsse demselben über{4r}lassen, welch anderweite Verfügung er mit diesen zu seiner Disposition bereit stehenden 5 Kisten treffen wolle.

Behördenkorrespondenz

Anweisungen zu Form und Stil der Behördenkorrespondenz.

4. Herr geheimer Rath von Zentner legte dem Staatsrathe verschiedene Anstände vor, welche die General Landesdirektion

a.) wegen den Unterschriften der an sie berichtenden Unter-Behörden, b.) wegen der Correspondenzart der Unter-Behörden unter sich, c.) wegen Signaturen und Amtsschreiben an die Partheien, und d.) wegen den privat Signeten der Beamten in den Amts-Ausfertigungen, einberichtet habe.

Herr von Zentner äuserte, daß sämtlich diese Anstände dadurch gehoben werden könnten:

ad a.) in den Unterschriften der berichtgebenden Unter-Behörden die sonst beobachtete Submission ferner beibehalten, und die von der General Landesdirektion entworfene Formeln genehmiget werde, ad b.) nach der Analogie der höheren Collegien auch die Korrespondenzart der Unter-Behörden unter sich und an die Partheyen eingerichtet, folglich alle Titulaturen, Anreden pp. {4v} weggelassen werden, ohne jedoch bei der Einkleidung des Styls die verhältnißmäsige Achtung zu vernachläßigen, ad c.) statt der bisherigen gradeweisen Signaturen und Amtsschreiben an die Partheyen, nur einerlei Ausfertigung nach gewießen zu ertheilenden Vorschriften eingeführt und ad d.) allen Ämtern, nach geschehener Organisation, gleichförmige Amtssignate mit dem kleineren Wappen, den 3 Feldern und der Umschrift des Amtes zum Gebrauch gestattet werden.

Sämtliche diese Anträge wurden in dem Staatsrathe genehmiget.

5. Auf einen Bericht der Regierung Straubing, der mit dem ebenvorgelegten Gegenstande in Verbindung stehet, und worin dieselbe um eine Entscheidung bittet, welche Courtoisie sie in ihren an die höheren Landesstellen zu erstattende Berichte gebrauchen solle, da sie wegen der angenommenen Form und dem gebrauchten Ausdruck: geziemenden Ersuchen, von der General Landesdirektion einen Verweiß erhalten habe, machte Herr {5r} geheimer Rath von Zentner den Antrag: der Regierung Straubing und allen äußeren Regierungen in Baiern zu rescribiren: daß in allen Gegenständen, wo sie als untergeordnete Stellen an ein höheres Landeskollegium Berichte erstatten, sie die zuvor bestandene Submissionsformel beibehalten, und in ihren Berichten am Schluße setzen sollen: unterthänigst gehorsamste zur churfürstlichen Regierung N. N. bestellte p. p., diese Berichte auch von dem Präsidenten, dem Referenten und einem Sekretär unterzeichnet werden sollen.

Nach Antrag56.

Eine je nach Rang unterschiedliche Uniformierung der Hofmusiker wird entworfen.

6. Wegen Uniformirung der churfürstlichen Hofmusik las Herr geheimer Rath von Zentner den Vorschlag ab, den die churfürstliche Hofmusik-Intendance Seiner Churfürstlichen Durchlaucht deswegen gehorsamst überreichet, und machte bei den vorgeschlagenen Classen folgende Erinnerungen:

Die 1. Classe, nämlich Intendant und Vice Intendant, könnten den Präsidenten und Vice Präsidenten gleichgestellet werden, wornach die Stickereyen auf den Seiten und Batten des Kleides wegfallen müsse.

Die 2. Classe könnte sich mit einer einzigen breiten Borte am Kragen {5v} und Aufschlägen nebst Bouillon an Portepée und Hutquasten, und

die 3. Classe mit einer etwas schmaleren Borte, dann Porte-Epée und Hutquasten ohne Bouillon, so wie

die 4. Klasse mit einer noch schmäleren Borte und den weiters angetragenen Auszeichnungen begnügen,

sohin auf diese Art die vorgeschlagene Uniforme aus einem Rocke von dunkelgrünen Tuche, stehenden Kragen und Aufschläge an den Ermeln von Cramaisin Tuch, einer Reihe einfacher gelb metallener Knöpfe und grünen Unterfutter, dann weisen West und Beinkleidern bewilliget werden.

Nach gehaltener Umfrage wurde in dem Staatsrathe die von der Hofmusik-Intendance in Vorschlag gebrachte Farben der Uniforme und Aufschläge, so wie die Erinnerung des Herrn geheimen Rath von Zentner wegen der 1. Classe genehmiget, wegen den weiteren aber beschloßen: daß die 2. Classe zur Auszeichnung nur auf dem Kragen eine goldene Borte, dann ein Porte-Epée ohne Bouillon am Degen haben; die übrigen Classen aber gar keine Borten und den Degen ohne {6r} Porte-Epée tragen, und der Unterschied zwischen den wirklichen Hofmusici und den Accessisten nur darin bestehen solle, daß die Accessisten die Aufschläge von dem nämlichen grünen Tuch, wie das Kleid, haben, wo übrigens der Staabs-Sekretär, der von seinem Hauptamte dem Secretariat des Oberststallmeisters-Staab die Uniforme schon hat, die Uniforme der Hofmusik zu tragen nicht ermächtiget, und für die Kalkanten nur ein dunkelgrüner Rock ohne andere Aufschläge und Kragen als von nämlichem Tuch, bestimmt werden solle.

Kurfürstliche Entschließung dazu (12. Februar 1802):

{10r} *Die churfürstliche Hofmusici dörfen auch goldene Portepéen wie die Canzellisten auch tragen.* [eigenhändige Ergänzung des Kurfürsten]

Das Gesuch des Grafen von Seefeld, Braunbier maßweise ausschenken zu dürfen, wird abgewiesen. Er wird vielmehr auf die bestehenden Vorschriften verwiesen.

7. In einem durch Herrn geheimen Rath von Krenner vorgelegten Bericht der General Landesdirektion wurde angezeiget, daß der Graf von Seefeld sich erkläret, wie er für die aufgehobene weise Gerstenbiers-Gerechtigkeit mit jener zum Bräuen des braunen Biers für ihn, seine Erben und Nachkommen, zufrieden seyn wolle, wenn ihm erlaubet werde, solches auch gleich dem {6v} weisen Gerstenbier nicht blos in grösseren Quantitäten, sondern auch maasweiß für jeden, der es begehre, ausschenken zu dörfen, in demselben Bericht aber zugleich die Gründe angeführet, welche gegen diesen Vorbehalt streiten und deswegen von der General Landesdirektion angetragen, zu erklären: daß sich der Graf von Seefeld mit der braunen Bier-Gerechtigkeit nach der bestehenden Polizei-Verfassung begnügen solle.

Herr geheimer Rath von Krenner äuserte: wie er mit diesem Antrage der General Landesdirektion sich vollkommen vereinige, da die Gründe dafür vollkommen richtig seyen.

Auch der Staatsrath genehmigte den Antrag der General Landesdirektion nach gehaltener Umfrage.

Kurfürstliche Entschließung dazu (12. Februar 1802):

{10r} […] aus Veranlaß des Antrages Nr. 7 zu Vollendung der wegen Aufhebung des Bierzwanges getroffenen Verfügung57 durch die Ministerial Départements in Finanz und Justiz Sachen [sollen] die Fragen gemeinschafftlich untersuchet werden: 1. Welche Verbeßerungen müßen als nothwendige Folgen des aufgehobenen Bierzwanges bey dem Aufschlage eintretten, dann auf welche Art und nach welchem Maaßstabe solle die Verlegung des Aufschlages von den Bräühäüsern auf die Wirthe geschehen? 2. In wie weit kann noch der Zwang der Städte gegen das Land in Rücksicht auf die Bier Abnahm bestehen, und ist solcher nicht bey den ganz geänderten Verhältnüßen ebenfalls aufzuheben?

Die Resultate dieser wichtigen Untersuchungen sind dem Staats Rathe zur Prüfung und mir in der Staats Conferenz zur Entscheidung vorzutragen.

8. Antrag Krenners, dem beim Hausarchiv angestellten Offizianten Joseph Anton Rupprecht »zu einiger Erleichterung seiner dürftigen Umstände, eine Gehalts-Zulage von 100 fl. zu bewilligen, weil er mit Weib und Kinder mit {7r} seiner Besoldung von 300 fl. nicht leben könne«. Der Staatsrat beschließt, Rupprecht vorzumerken, um ihn bei der Neuorganisation der Generallandesdirektion als Kanzlisten anzustellen.

Steuerstreit mit der Reichsstadt Nürnberg

Die Beschwerden der Reichsstadt Nürnberg wegen der Steuerveranschlagung ihrer auf neuburgischem Gebiet lebenden Untertanen durch bayerische Behörden werden zurückgewiesen.

9. Auf einen Bericht der neuburgischen Landesdirektion wegen den Beschwerden der Reichsstadt Nürnberg über die gegen die bestehenden Verträge laufende Revenüen-Fassionirung ihrer im neuburgischen Gebiete entlegenen Unterthanen, zeigte Herr geheimer Rath von Krenner in mündlichem Vortrage, wie die bestehenden Verträge in diesem Geschäfte keinen Aufenthalt verursachen könnten, und daß des eingelegten Widerspruches ohngeachtet damit fortzufahren und die daraus erhaltende Resultate sowol bei der Steuer-Rectification als der Erhebung der Vermögenssteuer zu benutzen wären.

Aus diesen Gründen machte Herr von Krenner den Antrag: die Reichsstadt Nürnberg mit ihren Einsprüchen abschläglich zu verbescheiden und seiner Zeit bei Restitution der sequestrirten Gefällen Rücksicht nehmen zu lassen, daß der Betrag der noch nicht {7v} entrichteten Vermögenssteuer ruckbehalten werde.

Nach Antrag.

Die reformierte geistliche Administration in der Rheinpfalz erhält die Erlaubnis, 25.000 Livres von der Kontributionszahlung abzuziehen.

10. Herr geheimer Rath von Zentner las einen Reskripts-Aufsatz an das General Landeskommissariat der Rheinpfalz ab, wodurch demselben eröfnet wird, daß Seine Churfürstliche Durchlaucht die rechtlichen Ansprüche der reformirten geistlichen Administration zum Abzug der ihr durch besondere Negotiation bei dem französischen Obergeneral Moreau (obschon solche getrennte Unterhandlungen derselben verwiesen worden) erlassenen 25.000 Livres nicht mißkennen und dadurch bewogen worden ihr zu erlauben, diese 25.000 Livres von der ihr zugetheilten Rate der der ganzen Rheinpfalz auferlegten Kontribution abzuziehen, wenn das General Landeskommissariat nicht neuere gültige Gründe hiegegen vorzubringen habe.

Dieser Reskripts-Aufsatz wurde genehmigt.

Wirtschaftspolitik

Maßnahmen gegen den Abfluß von Geldern in österreichische Lotterien.

11. Infolge des von Seiner Churfürstlichen Durchlaucht wegen der k. k. Anlehens-Lotterie und der Auswanderung des baaren Geldes unterm 29. vorigen Monats gefaßten höchsten Conferenz-{8r}Schlußes58, erstattete das churfürstliche geheime Ministerial Finanzdepartement über diesen Gegenstand Vortrag und äuserte (nachdem es die an das Ministerial Departement der auswärtigen Geschäften den 25. v. M. erlassene Note nach seinem ganzen Inhalte abgelesen) daß es sich von den darin enthaltenen Grundsätzen um so weniger entfernen könne, als solche auf den reinsten staatswirthschaftlichen Gründen beruhen und durch die Erfahrung bestättiget worden, jede andere Verfügung, welche als Mittel dienen sollte, die augenblicklichen Geldausflüße in die k. k. Anlehens-Lotterie zu hindern, müßten von dem Polizeidepartement getrofen werden, dem man die weitere Einleitung hiezu ganz überlasse.

Nach genauer Prüfung des vorgetragenen Gegenstandes und nach gehaltener Umfrage billigte zwar der Staatsrath die Grundsätze des Ministerial Finanzdepartements im allgemeinen, glaubte aber dennoch, daß gegen die Geld-Auswanderungen in die k. k. Anlehens-Lotterie folgende Maasregeln eintretten könnten, die derselbe zur höchsten Entscheidung vorlege:

1.) Sollen alle zweckmäsige Polizei-Verfügungen eintretten, {8v} damit keine fremde Collecteurs Loose dieser Lotterie in den churfürstlichen Landen absetzen, oder die Unterthanen unter Vorspieglung von Vortheilen dazu aufmuntern;

2.) sollen die schon bestehenden Verbote, in fremde Lotterien zu setzen, erneuert werden59;

3.) solle in dem Intelligenzblatte in Form einer Erläuterung des gegenwärtigen Wechselcourses ein zweckmäsiger populärer Unterricht über die mit solchen Lotterien, wenn sie bei zerrütteten Finanz-Umständen gemacht werden, verbundene Nachtheile und die Gefahr, welche das zu leichtgläubige Publikum dabei laufet, eingerücket, und so die churfürstliche Unterthanen im allgemeinen gewarnet werden60;

4.) sollen von den einschlagenden Ministerial Departements Vorschläge über die Verbesserung des Credit- und Hypothekenwesens gemacht und vorgelegt werden, um die tote Capitalien im Lande in Umlauf zu bringen und für Cultur und Industrie flüßig zu machen.

{9r} 12. Vortrag Krenners über den Antrag des oberpfälzischen Direktionsrates Clemens Freiherr von Burgau, ihm eine Gratifikation von 900 fl. vornehmlich aus dem Grund zu gewähren, weil der Landesdirektionsrat Christoph von Gropper seinerseits 600 fl. als Gratifikation erhalten hat. Krenner beantragt eine Gratifikation von 300 fl. Der Staatsrat beschließt, das Gesuch »bis zur Organisation der oberpfälzischen Landesdirektion beruhen zu lassen«.

Die Verordnung des rheinpfälzischen Generallandeskomissariats betreffend die Anlage von Personenstandsregistern wird gegen den Protest geistlicher Stellen sanktioniert. Die Kompetenzüberschreitung des Generallandeskommissariats in dieser Sache wird gerügt.

13. Herr geheimer Rath von Zentner legt einen Reskripts-Entwurf an den reformirten Kirchenrath in Heidelberg und das lutherische Consistorium vor, wodurch diesen beiden Stellen eröfnet wird, daß Seine Churfürstliche Durchlaucht die Gründe, welche die General Verordnung des rheinpfälzischen General Landeskommissariats vom 28. März vorigen Jahres wegen Aufzeichnung der Geburts- Verehelichungs- und Sterbfälle veranlaßet haben, und die dagegen von {9v} dem reformirten Kirchenrath gemachte Beschwerden in genaue Erwägung gezogen, und infolge dessen beschloßen haben, diese General Verordnung wegen dem wichtigen Einfluß, den derlei Aufzeichnungen auf die bürgerlichen Verhältniße im Staate haben, zu sanctioniren.

Höchstdieselben erwarteten deswegen die genaue Befolgung dieser Verordnung, hätten aber ad Nr. 3 beschloßen, daß die Mitbezeugung der Ortsobrigkeit der vom Pfarrer ertheilten Bescheinigungen unterbleiben könne, indem der Hauptzweck schon dadurch erreichet werde, daß die von den Polizei-Behörden geführte Register alle Halbjahre mit den Kirchenbüchern verglichen, und diese wechselseitig beglaubiget werden.

Von dieser Entschließung solle dem rheinpfälzischen General Landeskommissariat zur Wissenschaft und Nachachtung Nachricht ertheilt, und demselben verwiesen werden, daß solches über einen Gegenstand, der in die höhere Gesetzgebung einschlaget, ohne die churfürstliche Genehmigung erholt zu haben, ein Generale erlassen, und dadurch auf eine verfassungswidrige Art die Gränzen ihrer Gewalt überschritten habe.

Dieser Reskripts-Entwurf wurde genehmiget.

Vorlage der Beschlüsse beim Kurfürsten und Genehmigung mit Ergänzungen zu TOP 6 und TOP 7.

Anmerkungen

51
»Provisorische Zoll- und Mautordnung« für die altbayerischen Länder vom 7. Dezember 1799, MGS [N. F.] Bd. 1, Nr. IV.15, S. 201 – 212; im Auszug gedruckt bei Schimke, Regierungsakten, Nr. 126, S. 626 – 632.
52
Vgl. dazu Krenners Vortrag in der Sitzung des Ministerialfinanzdepartements vom 8. Februar 1802, BayHStA MInn 16038 Nr. 47 (mit Verweis Kobells auf vorliegenden TOP 2).
53
Druck des Privilegs vom 1. April 1779 bei Schnee, Hoffinanz, Bd. 4, S. 239 f., sowie bei dems., Familie, S. 199 f.
54
Gemäß Dekret vom 6. Oktober 1778 waren »von jedem in Baiern einführenden Zentner auswärtigen Schnupftabacks« 13 fl. Zoll (»Konsumo-Accis«) zu erheben (MGS Bd. 1, Nr. IV.122, S. 696). Die vorläufige Zoll- und Mautordnung von 1799 verfügte: »Von jedem Zenten Sporco-Gewicht aller von aussen in Unsere herobern Staaten eingehenden Consumo-Güter und Waaren […] müssen ohne Widerrede 2 fl. 30 kr. bey der Eintritts-Station entrichtet werden« (MGS [N. F.] Bd. 1, Nr. IV.15, S. 203).
55
Zum Fortgang: Nr. 41 (Staatsrat vom 19. Mai 1802), TOP 7.
56
Vgl. VO betr. den »Geschäftsstyl und die Korrepondenzart der churfürstlichen Stellen« vom 15. Februar 1802, RegBl. 1802, Sp. 125 – 128.
57
Der Kurfürst hob mit der Verordnung betr. die »Aufhebung des Bierzwangs in Baiern« vom 20. Dezember 1799 »alle Art vom Abnahmszwang bey allen Gattungen Biers in Baiern […] für ewige Zeiten förmlich auf; – und [Wir] gestatten allen Wirthen sowohl in Städten und Märkten, als auf dem Lande sich ihr Bier, aus welch immer einem inländischen Bräuhause beyzulegen, und Verleit zu geben; – so wie auch alle Unterthanen zu Beylegung ihres Haustrunks an keine Braustätte und Wirthshaus gebunden seyn sollen.« Drucke: MGS [N. F.] Bd. 1, Nr. V.47, S. 246 f., Zitat S. 246; RegIntBl. 1800, Sp. 5 – 8; Teildruck bei Schimke, Regierungsakten, Nr. 118, S. 597 – 599. Vgl. Protokolle Bd. 1 Nr. 45, S. 199 (Staatskonferenz vom 20. Dezember 1799), TOP 7; Nr. 120, S. 435 f. (Staatsrat vom 30. September 1801), TOP 3.
58
Nr. 10 (Staatskonferenz vom 29. Januar 1802), TOP 2.
59
Vgl. die Mandate vom 1. Oktober 1769 (MGS Bd. 1, Nr. II.44, S. 305), 12. März 1773 (ebd., Nr. II.54, S. 340 – 342), 26. Mai 1778 (ebd., Nr. II.75, S. 378 – 379), 24. Dezember 1779 (ebd., Nr. II.85, S. 427), 20. Juli 1801 (MGS [N. F.] Bd. 2, Nr. II.75, S. 87).
60
Ein entsprechender mit »Philoteknos« gezeichneter Artikel erschien am 20. März 1802 im Churfürstlich Pfalzbaierischen Intelligenzblatt: »Ueber das Lotteriewesen. Einige Betrachtungen über dasselbe politischen und moralischen Inhalts; veranlaßt durch die Lotterie in Silber- und Goldmaterial«, IntBl. 1802, Sp. 186 – 200. Vgl. ebd., Sp. 781 – 784 u. Sp. 790 – 794 den Aufsatz: »Ueber den schädlichen Einfluß des Spiels auf unsre moralische Natur« (gezeichnet: »Kraker«).