BayHStA Staatsrat 383 9 Seiten.
Datum der Genehmigung durch den Kurfürsten: 22. Juli 1803.
Anwesend: Montgelas, Morawitzky, Hertling; [MA:] Krenner sen., Zentner, Arco, [MF:] Krenner jun., Hartmann, Steiner, Schenk, Schwerin, [MJ:] Löwenthal, Stengel, Stichaner, [MGeistl:] Branca.
{2r} 1. Mitteilung der »Entschließungen« des Kurfürsten vom 11. Juli 1803 zu den Anträgen des Staatsrats vom 15. und 22. Juni sowie vom 6. Juli 1803.
Besetzung der zweiten Registratorstelle bei dem Hofgericht in Neuburg durch den Kanzlisten Egner. Erörterung weiterer Personalfragen.
2. Herr Geheimer Rath Frhr. von Löwenthal erstattete wegen Besezung der zwoten Registrators Stelle bey dem churfürstlichen Hofgerichte in Neuburg schriftlichen Vortrag, und machte nach Anführung des Hofgerichts Gutachten den Antrag: diese Stelle dem schon vorhin als Registrator angestellt geweßenen, und wegen dem Sisteme unter die Canzlisten {2v} ruckgetrettenen Egner als dem würdigsten zu übertragen, sohin die dadurch eröffnet werdende Canzlisten Stelle dem Martin Anton Göttlinger, der ihme unter allen Suplicanten der würdigste scheine, zu verleyhen, den weiteren Antrag des Hofgerichts einen 7. Canzlisten in Person des Joseph Carl von Tein und nebst diesem einen Diurnisten anzustellen, aber zu umgehen.
Der Staats Rath genehmigte die Beförderung des Canzlisten Egner auf die zweyte Registrators Stelle, und daß die Besezung der siebenten Canzlisten Stelle und die Anstellung eines Diurnisten bey dem neuburgischen Hofgerichte umgangen werde; wegen der erledigt werdenden sechsten Canzlisten Stelle solle aber noch näher in den Acten nachgesehen werden, ob der als Quiescent in dem Staats Calender bemerkte Joseph Carl von Tein in würklich churfürstlichen Diensten gestanden713, und deswegen nicht einiges Recht auf die eröffnete Canzlisten Stelle habe?
3. Genehmigung eines von Schenck vorgelegten »Rescripts Aufsaz[es]«, »welchen derselbe auf einen Bericht der Direction des topographischen Bureau an die General Landes Direction wegen dem auf königlich preusischem Gebiete längst der bayreuthischen Gränze zu nehmenden Standpunckt für das Vermeßungs Geschäfft, entworffen«.
Entschädigung eines suspendierten Staatsdieners
Der Staatsrat erkennt die Entschädigungsansprüche des unter der Regierung des Kurfürsten Karl Theodor in einem juristisch nicht korrekten Verfahren suspendierten Justizrates zu Neuburg Johann Nepomuck Dellagera an. Die Landesdirektion Neuburg hat die Ansprüche näher zu prüfen.
4. Über das Entschädigungs Gesuch des churfürstlichen Hofgerichts Rathen Dellagera714 in Neuburg erstattete Herr Geheimer Justiz-Referendaire von Stichaner ausführlich schriftlichen Vortrag; worin er in die frühere Jahre des tit. Delagera und die Ursachen, so diese Entschädigungs Klage herbeygeführet, zuruck gieng, die erste Anstellung des Dellagera in churfürstlichen Diensten, und sein Benehmen als Beamter von Reichertshofen schilderte, welches er bey der Cultur des Donau Mooßes beobachtete, und wodurch er sich im Jahre 1790 seine Versezung nach Neuburg in {3r} den dortigen Justiz Senat zuzog.
Wegen mehreren gegen ihn über Aufhezung der Unterthanen gegen die Cultur des Donaumooßes, angebrachten Beschwehrden seye unter dem Referate des Herrn Geheimen Rathen Frhr. von Stengel dem neuburgischen Landvogten Frhr. von Staader die Untersuchung dieser angezettelten Aufwieglungen und Versezungen aufgetragen worden, wodurch sich, da dieselbe nicht mit dem kalten und partheyloßen Gemühte, wie es dem Richter gebühre, geführet worden, mehrere dem tit. Dellagera nachtheilige Resultate ergeben, die zur Folge hatten, daß derselbe in München, wo er sich während der Untersuchung hinbegeben hatte, den 23. May 1794 im Gasthofe arretiret, in den Neuen Thurme gelieferet und 3 Tage nachher ohne Verhör durch Chevauxlegers nach Amberg gebracht, wo er unter großem Zulaufe der Leuthe abgeladen und in den Fuchssteiner Thurme gesperrt wurde.
Der Regierung Amberg seye zugleich unter Mittheilung der Staderischen Untersuchungs Acten aufgetragen worden, den pto perduellionis et laesae majestatis verhafteten Dellagera der Special Inquisition zu unterwerffen und nach den peinlichen Gesezen zu verfahren.
Gleich bey der ersten Durchgehung der Acten habe die Regierung Amberg das Verfahren gegen tit. Dellagera viel zu hart gefunden und sowohl deswegen, als dem leidenschafftlichen Benehmen des Untersuchungs Commissär, dann mehrerer hiebey unterloffener Unförmlichkeiten, Nullitäten und Mängel mit umständiger Bemerkung derselben Bericht an den Hof erstattet, hierin die Unmöglichkeit eines zu gründenden peinlichen Prozeßes vorgestellet, und inzwischen den Dellagera aus dem Fuchssteiner Thurme in einen anständigeren Arrest in einem Bürgerhauße übersezen laßen; die höchste Stelle seye aber darauf bestanden, daß Dellagera über die in {3v} actis vorkommende Beschuldigungen vernohmen und das Urtheil über ihn eingeschickt werden solle, worauf die Regierung deßen Vernehmung verfüget.
Herr von Stichaner führte die Veranthwortung an, so Dellagera bey dieser Vernehmung abgegeben und welches Urtheil von der höchsten Stelle auf Gutachten der Regierung Amberg in dieser Sache erfolget; auf dieses Urtheil habe Dellagera ein zweyfaches Begehren hinreichender Genugthuung und Entschädigung eingeleitet, und zwar zuerst wegen seiner Dienst Amotion zu Reichertshofen, und dann wegen der gegen ihn eingeleiteten Untersuchung, prostituirlichen Verfahren und Mißhandlung. Herr von Stichaner entwickelte die Bestandtheile dieser Entschädigungs Forderungen, zeigte was hierauf unter der vorigen Regierung geschehen, und welche neuere Gesuche tit. Dellagera übergeben.
Nach Prüfung der von tit. Dellagera gestellten Entschädigungsforderungen machte Herr von Stichaner den Antrag: daß da die Versezung des tit. Dellagera mit würklichen Beschädigungen verbunden geweßen, welche nicht durch überwießene Verbrechen oder Amtsvergehen veranlaßet worden, der Staat schuldig seye, demselben zu ersezen, was er an Melioration der Dienstgründe, durch den Verkauf der Fahrnüße, den zu gering bemeßenen Gehalt und durch die Umzugs Kösten verlohren habe, noch mehr seye aber die Entschädigungs Forderung des Dellagera in Rücksicht der erlittenen Verfolgung gegründet, und es laße sich nicht leicht wiedersprechen, daß hier die Entschädigungs Ansprüche vorzüglich gegen die höchste Stelle gerichtet seyn können, weil alle Verfügungen von ihr ausgegangen.
Es bleibe daher nur das alternativ übrig, daß man den Dellagera auf irgend eine Art befriedige oder ihme freystelle, seine Genug{4r}thuung im Rechtsweege gegen wem immer, geltend zu machen.
Im Falle, daß der Staat eine Entschädigung zu leisten habe, werde die Forderung aus den bey der Hillesheimischen Forderung715 schon angenohmenen Grundsäzen an die Carl Theodorische Allodial Masse hinzuweißen seyn.
Herr Geheimer Justiz Referendair Frhr. von Stengel716 entfernte sich bey der über diesen Vortrag gehaltenen Umfrage, weil tit. Dellagera auch seinen Bruder den geweßenen Geheimen Finanz Referendaire717 angegriefen und so
wurde von dem Staats Rathe beschloßen, der neuburgischen Landes Direction den Auftrag zu ertheilen, sie habe den ersten Punckt der Entschädigungs Forderungen des tit. Dellagera wegen seiner Dienst Amotion von Reichertshofen mit Zuhandenehmung der von ihme in früheren Jahren selbst abgegebenen Dienst Fassion näher instruiren und herstellen zu laßen, ob derselbe durch die Versezung nach Neuburg würklich verkürzet worden oder nicht? Wegen dem zweyten Punckte habe die Landes Direction mit dem tit. Dellagera einen Vergleich zu versuchen und zu unterhandlen, sohin über die Befolgung dieser beiden Aufträge und ihrer Resultate umständlichen Bericht zu erstatten.
Abweisung des Entschädigungsgesuchs eines dienstenthobenen Staatsdieners
Der Staatsrat folgt dem Antrag des Ministerialjustizdepartements, das Entschädigungsgesuch des in der Regierungszeit des Kurfürsten Karl Theodor aufgrund mehrerer Verfehlungen suspendierten Salzmaiers zu Reichenhall und Traunstein Wilhelm Konrad Freiherr v. Pechmann abzuweisen.
5. In einem ausführlich schriftlichen Vortrage durchging Herr Geheimer Justiz-Referendair von Stichaner nochmahl die actenmäßige Geschichte, welche die vorige Regierung veranlaste, den ehemahligen Salzmaier zu Reichenhall und Trauenstein Frhr. von Pechmann nach vorheriger Untersuchung von seinen Dienststellen mit Pension zu amoviren718.
Derselbe führte den im Jahre 1784 sich ereigneten Vorfall an, der eine weitschichtige Untersuchung gegen den Frhr. von Pechmann zur Folge hatte, entwickelte den Gang der Untersuchung und die Resultate hievon {4v} und zeigte, wie diese unter der vorigen Regierung ganz beendigte Sache unter der gegenwärtigen wieder zur Sprache gekommen, und welcher Befehl von seiner izt regierenden Churfürstlichen Durchleucht erlaßen worden, um die neuere Reclamationen des Frhr. von Pechmann gegen die in seiner Untersuchungssache erlaßene Beschlüße und von ihme weiter gemachte Entschädigungs Forderungen zu prüfen und wiederhohlten Vortrag deswegen zu erstatten.
In Befolgung dieses höchsten Auftrages habe das Ministerial Finanz Departement jenem in Justiz Sachen sämtliche Acten mitgetheilet und lezteres die Amtsgebrechen, so dem Frhr. von Pechmann zu Last geleget worden genau untersuchet und gefunden, daß sie hauptsächlich von dreyerley Gattung seyen:
Entweder sie enthalten, daß derselbe sein Amt zu verschiedenen Eigenüzigkeiten mißbrauchet und überhaupt so vielen Privat Vortheil davon zu ziehen suchte, als möglich ware, oder sie betreffen verschiedene Unterthans Bedruckungen besonders in Forstsachen, oder sie sind Wirkungen seines hizzigen Caracters, wovon die veranlaßende Ursache der ganzen Untersuchung ein Beyspiel giebt;
Viele Beschwehrden seyen ganz unwahr und grundloß befunden worden, viele habe Frhr. von Pechmann entschuldigen können, viele konte er nur scheinbar rechtfertigen bey vielen seye großer Verdacht auf ihme ruhen geblieben, und bey einigen seye seine Schuld gar nicht zu verkennen.
Da es aber zu weit führen würde, alle Beschwehrden in dieser Ordnung durchzugehen, es auch bey dem churfürstlichen Staats Rathe nur darauf ankomme, diejenige zu berühren, welche würklich ganz oder zum Theile gegründet befunden worden, {5r} und von Erheblichkeit sind, um ermeßen zu können, welchen Grad der Schuld Frhr. von Pechmann auf sich geladen;
So hob Herr von Stichaner von jeder Gattung der Beschwehrden die wichtigste aus, welche er nebst der Meynung des angeordnet geweßenen Judicii mixti und der churfürstlichen Hofcammer, dann der Vertheidigung des Frhr. von Pechmann dem Staats Rathe vorlegte, und in Bezug auf die Frage: ob dem Frhr. von Pechmann wegen der verhängten Untersuchung und ihren Folgen eine Entschädigung gebühre folgende Schlußfolge kurz zusammenfaste:
Wenn auch schon sehr viele Punckte nicht bewießen oder von dem Frhr. von Pechmann abgelehnt werden könten, so ergebe sich doch immer so viel aus dem Ganzen, daß bey seiner Amtsführung das höchste Aerarium und das Wohl der Unterthanen auf mancherley Art gefärdet, daß er sein Amt als eine Quelle unerlaubter Eigennüzigkeiten ansah und mehr auf seinen Vortheil als den Nuzen des Staates bedacht ware. Verschiedene Handlungen seyen auch von der Art, daß sie wohl auch einer strengeren und gerichtlichen Beurtheilung hätten können unterworffen werden.
Frhr. von Pechmann könne weder aus materiellen noch aus formellen Ursachen Anspruch auf Entschädigung machen. Nicht aus materiellen, weil sein Amts Betragen von der Art ware, daß keine Gerichts und keine Polizey Stelle der Regierung hätte zumuthen können, denselben ferner in seiner vielbedeutenden Stelle zu belaßen. Nicht aus formellen Gründen, weil vorhin das Erkentnüß über die Amovibilitaet von den Dienststellen mit oder ohne Sold ganz in den Händen der höchsten Stelle lag, und weil selbst die Entlaßung des Frhr. von Pechmann nicht einmal wegen seinen Dienstge{5v}brechen, sondern wegen der Organnisation der Haupt Salz Ämter verfügt wurde.
Daß Frhr. von Pechmann nach Trauenstein angewießen, daß ihme sogar der Hauß Arrest bedeutet wurde, müße er seinem eigenen Caracter und seinem Betragen selbst noch während der Commission zuschreiben.
Diese zur Untersuchung nothwendige Maaßregel kenne [!] keine Entschädigung begründen, so wenig, als der Verlust der Vortheile, welche er ohne dem dadurch gestörten Wirthschafftsbetrieb hätte erlangen können.
Dem Frhr. von Pechmann seye auch nach seiner Entfernung noch immer eine ansehnliche Dienststelle, die er nicht einmahl angetretten, und ein Gehalt geblieben, welcher ehe noch die für seinen Stand und Famille gehabte Rücksichten als eine begangene Unbilligkeit beweiße.
Endlich seye unbegreiflich, wie die churfürstliche Hofkammer die Rechtfertigung eines solchen Beamten auf sich nehmen konte, nachdeme aber dieser Cameral Bericht bereits die für den Frhr. von Pechmann günstige Wirkung hatte, daß demselben von höchster Stelle alle seine Begehren bewilliget und in Rücksicht seiner Ehre eine ganz genügende Erklärung gegeben wurde, so dürfte ihme zwar diese Gnade nicht wieder entzogen werden, doch aber scheinen alle Gründe dafür zu sprechen, diese Gnade nicht weiter auszudehnen und den Frhr. von Pechmann mit seinem weiteren Verlangen ein für allemahl ab- und zu Ruhe zu verweißen, worauf auch das Ministerial Justiz-Département antrage.
Nach gehaltener Umfrage vereinigte sich der Staats Rath mit diesem Antrage des Ministerial Justiz Departements.
Kurfürstliche Entschließung dazu (22. Juli 1803):
{6r} Den Antrag des Staats Rathes No 5 genehmige Ich mit dem Zusaze, daß wenn Frhr. von Pechmann sich mit der wegen ihme gefasten Entschließung nicht begnügen wollte, ihme die Ergreifung des Rechtsweeges ohnbenohmen seyn solle.
Vorlage der Beschlüsse beim Kurfürsten und Genehmigung mit Zusatz zu TOP 5.