BayHStA Staatsrat 383 6 Seiten.

Datum der Genehmigung durch den Kurfürsten: 8. Juli 1803.

Anwesend: Montgelas, Morawitzky, Hertling; [MA:] Krenner sen., Zentner, Arco, [MF:] Krenner jun., Hartmann, Steiner, Schenk, [MJ:] Löwenthal, Stengel, Stichaner, [MGeistl:] Branca.

{1r} 1. Vortrag Löwenthal: Gegen die »Meynung der Ambergischen Landes Direction und des Wiederspruchs des Physici von Sulzbach Schleis688 ohngeachtet« wird mit dem Einverständnis des Ministerialjustizdepartements »dem mit den besten Zeugnüßen wegen seiner Geschicklichkeit und practischen Kentnüßen versehenen Doctor Meinsl der medicinische Praxis in Sulzbach und wo er ihn treiben könne, ungestöhrt belaßen«.

Besetzung von Ratsstellen beim Hofgericht München und beim Hofgericht Straubing.

2. Wegen Besezung der bey dem hiesigen Hofgerichte durch Beförderung des von Godin erledigten Rathsstelle, dann wegen jener, so durch gleiche Beförderung des Frhr. von Grießenbeck in Straubingen eröffnet worden, machte der churfürstliche Geheime Justiz Referendaire von Stichaner, nachdem er das berichtliche Gutachten des Hofgerichts Directorii wegen ersterer Stelle angeführet, im Nahmen des Ministerial Justiz-Departements den Antrag, die Hofgerichts Rathen Stelle allhier dem Hofgerichts Rathen von Amberg von Korb, jene zu Straubingen aber dem freißingischen Domstifts Syndico Stuber zu übertragen.

Nach gehaltener Umfrage faste der Staats Rath den Beschluß, die hier eröffnete Hofgerichts Rathen Stelle dem freyßingischen Syndico Stuber zu übertragen689, und die Besezung jener Raths Stelle in Straubingen noch ausgesezt zu laßen.

Personal des Hofgerichts Straubing

Stellenbesetzungen am Hofgericht Straubing. Die Personalauswahl soll nach Leistung erfolgen.

3. Herr geheimer Justiz-Referendaire von Stichaner unterrichtete den Staats Rath von dem berichtlichen Gutachten, welches das Straubingische Hofgerichts Directorium zu Besezung der, durch den Austritt des von Fischer erledigten Hofgerichts Rathen Stelle690 alldort für den Accesisten {2r} von Spruner erstattet.

Herr von Stichaner bemerkte hierauf, wie der Accessist Linder selbst nach der Äußerung des Directorii alle bey dem Spruner angerühmte Eigenschafften noch in einem vorzüglicheren Grade besize, und ihme nichts im Wege stehe zur offenen Rathsstelle begutachtet zu werden, als weil er den Acces erst zwey Monathe genohmen indeß ersterer schon zwey Jahre denselben begleite; da aber bey Anstellung der Staatsdiener die Auswahl nur nach dem Grade der Fähig- und Geschicklichkeit geschehen solle, und diesem Grundsaze alle übrige Rücksichten und Beweggründe weichen müßen, die Zeit des Accesses auch keinen Anspruch begründe; so trage auch das geheime Ministerial-Justiz-Département an, die durch Austritt des tit. Fischer erledigte Hofgerichts Rathen Stelle dem gesickteren [!] und mit einem vorzüglichen Universitaets Zeugnüß versehenen Accessisten Linder wegen deßen erprobter Würdigkeit zu übertragen.

Der Staats Rath genehmigte die Anstellung des Accesisten Linder an die Stelle des ausgetrettenen Hofgerichts Rathen Fischer, faste aber zugleich den Beschluß, die durch Beförderung des Frhr. von Griessenboeck noch weiter eröffnete Hofgerichts Rathen Stelle dem von dem Directorio begutachteten Accessisten Spruner zu übertragen691, und den dortigen Accessisten Baumiller zu dem hiesigen Hofgericht als Accessist an die Stelle des beförderten Hölz zu versezen.

Aus Anlaß jesuitischer Werbungen in Augsburg werden Verfügungen gegen die Priesterweihen und das Studieren im Ausland erlassen bzw. erneuert.

{2v} 4. Herr geheimer Referendaire von Branca machte den Staats Rath auf einen Bericht des General Schuldirectorii aufmerksam, wodurch angezeiget wird, wie die Jesuiten in Augsburg, unter den, gegen das Verbott noch immer in den Schulen zu Augsburg studierenden Landes Kinder der älteren und neueren Staaten, Candidaten für ihre Gesellschafft zu werben suchen und solche sodann nach Rußland von Zeit zu Zeit absenden, wie den würklich der Fall vorhanden, wie mit einem solchen nächstens abgehenden Transporte ein gebohrner Baier Caspar Stiebel von Langenmooßen, ein vorzügliches Subject in Hinsicht auf Talente und Sittlichkeit, in seinem 19. Jahre verleitet durch allerley Verführungskünste, dahin abgehe.

Der Pfarrer von Hohenwarth, der den Anzeigs Bericht des Schuldirectorii veranlaßet, schlage vor, sich der Person des Stiebel zu bemächtigten, allein da dieses Benehmen weder durch die Emigrations Verordnungen692 noch sonst gerechtfertiget werden könte, so glaube das geistliche Ministerial Departement in dem vorliegenden Falle nichts verfügen zu können, für die Zukunft aber könten die schon bestehende Verordnungen gegen das Studieren im Auslande693 mit der geschärfften Bedrohung erneueret werden, daß ein solcher im Auslande studierender, wenn er nicht alle Schulen in den churfürstlichen Staaten nachhohle, von allen Anstellungen in churfürstlichen Diensten ausgeschloßen bleiben solle.

Nachdeme Herr Geheimer Referendaire von {3r} Branca diesen Vortrag geendiget hatte, erinnerte Herr Geheimer Rath von Zentner wie ein, mit dem vorgetragenen in Verbindung stehender Gegenstand von dem Geistlichen Ministerial Departement ebenfalls zum Staats Rathe verwießen worden, derselbe betreffe die berichtliche Anzeige samtlich hierobiger Landes Directionen und eine Note des Ministerial Departement der Auswärtigen Geschäfften wegen den Auswanderungen der inländischen Candidaten und ihre Ausweihung im Auslande;

Das Geistliche Ministerial Département glaube wie diesen Auswanderungen durch folgende Verfügungen Schrancken gesezet werden könten: 1. Solle die Weih-Annahme im Auslande gänzlich verbotten, 2. den Consistorien untersaget werden, Dimissoriales ins Ausland ohne das landesfürstliche Placet zu ertheilen, daß 3. diejenige, welche dieses Verbottes ungeachtet ohne höchste Erlaubnüß sich im Auslande ausweihen laßen, als Emigranten behandlet und 4. diese Verordnung an allen Schulhäüßer bekant gemacht werden solle, 5. dieses Mandat könne jedoch nicht retro würken.

Der Staats Rath genehmigte die Anträge des Geistlichen Ministerial Départements gegen die Ausweihung der Candidaten im Auslande und eben so jene, wegen dem Studenten Stiebel, und dem Studieren der Landeskinder im Auslande, leztere doch mit den Zusäzen, daß alle in das Ausland zum Studieren sich begebende Inländer {3v} die Freyheiten der Studierenden, besonders in Absicht auf Militär Pflichtigkeit verlieren sollen; auch wäre an den Magistrat zu Augsburg ein Schreiben zu erlaßen, worin derselbe aufgeforderet wird den Verführungs Künsten der Jesuiten in Rücksicht auf die Söhne churfürstlicher Unterthanen Schrancken zu sezen.

Kurfürstliche Entschließung dazu (8. Juli 1803):

Der Kurfürst verordnet, {3v} »daß in dem […] an den Magistrat zu Augsburg zu erlaßenden Schreiben von den Jesuiten selbst Umgang genohmen, und nur überhaupt von den Verführungs Künsten gegen die Jugend Erwehnung gemacht werden solle«.

5. Zentners Vortrag »wegen Verbeßerung der Landes Directions Organnisation und Instruction«694 kann »wegen vorgeruckter Mittagszeit« nicht beendet werden. Vorlage der Beschlüsse beim Kurfürsten und Genehmigung mit Zusatz zu TOP 4.

Anmerkungen

688
Christoph Raphael Schleis von Löwenfeld (1772 – 1852) war seit 1801 Physikus des Stadt- und Landgerichts Sulzbach. Vgl. HStK 1802, S. 197; Protokolle Bd. 1 Nr. 92, S. 360 (Staatskonferenz vom 19. Juni 1801), TOP 8; Locher, Schleis, S. 263 – 265.
689
Vgl. RegBl. 1803, Sp. 496 (kfstl. Entschließung vom 8. Juli 1803).
690
Fischer war mit kfstl. Entschließung vom 23. April 1803 an das Hofgericht nach Bamberg versetzt worden (RegBl. 1803, Sp. 278); vgl. Nr. 102 (Staatskonferenz vom 23. April 1803), TOP 4.
691
Vgl. RegBl. 1803, Sp. 506 (23. Juli 1803).
692
Drucknachweise der zahlreichen Auswanderungsverbote, v.a. aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, bei Schilling/Schuck (Hg.), Repertorium Bd. 3.2, Sachregister S. 1903 s. v. ›Auswanderung BAY‹ (mit Verweisen auf Bd. 3.1); ferner Döllinger, Repertorium, S. 35 – 37. Vgl. Protokolle Bd. 1 Nr. 132, S. 465 (Staatsrat vom 11. November 1801), TOP 3: Beschluß, ein Generalmandat mit einem Auswanderungsverbot zu erlassen.
693
Vgl. dazu die Verordnungen vom 30. Oktober 1780 (MGS Bd. 2, Nr. V.158, S. 957), 16. April 1785 (MGS Bd. 4 Nr. V.180, S. 697 f.), 26. September 1786 (MGS Bd. 4, Nr. V.180, S. 697), 17. Oktober 1792 (MGS Bd. 5, Nr. V.89, S. 263), und 25. Juni 1796 (MGS Bd. 5, Nr. VIII.149, S. 861).
694
Vgl. Nr. 108 (Staatsrat vom 1. Juni 1803), TOP 2.