BayHStA Staatsrat 382 7 Seiten.
Datum der Genehmigung durch den Kurfürsten: 23. November 1802.
Anwesend: Morawitzky, Hertling; [MA:] Zentner, [MF:] Hartmann, Steiner, Schenk, [MJ:] Löwenthal, Stengel, Stichaner, [MGeistl:] Branca.
{1r} 1. Morawitzky teilt die Entschließungen des Kurfürsten auf die Anträge des Staatsrats vom 1. November 1802 mit.
Der Staatsrat hat keine Bedenken, dem jüdischen Kaufmann Westheimer einen Hauskauf in München zu erlauben, doch bleibt die Bewilligung dem Kurfürsten vorbehalten.
2. Auf das Gesuch des Negozianten Westheimers um Bewilligung ein Haus in alhiesiger Stadt unter christlichen Namen {1v} kaufen zu dürfen, äuserte Herr geheimer Justiz-Referendär v. Stichaner, daß aus mehreren, diese Bitte unterstützenden Gründen, vorzüglich die vom Wertheimer dem Staate geleistete Dienste, das Beispiel des Hofagenten Seeligmanns und Juden Bomeißel, und das Toleranzedikt379, das Ministerial Justizdepartement kein Bedenken finde, diesem niemanden nachtheiligen Gesuch des Negoziantens Westheimer zu willfahren, die Gewährung hievon jedoch der höchsteignen Entscheidung Seiner Churfürstlichen Durchlaucht zu überlassen.
Der Staatsrath stimmte dem Antrag des Ministerial Justizdepartements bei.
Kurfürstliche Entschließung dazu (23. November 1802):
{4r} Bey No 2 des Protocolls genehmige ich das Gesuch des Negotianten Westheimer […].
Gewerbepolitik
Der Staatsrat erklärt sich mit der von der Generallandesdirektion der Witwe Horneis erteilten Genehmigung einverstanden, in München einen Leinwandhandel zu betreiben. Der Grundsatzentscheidung des Kurfürsten über die »bürgerlichen Gewerbe« in der Stadt München soll jedoch nicht vorgegriffen werden.
3. In einem schriftlichen Vortrage setzte Herr geheimer Justiz-Referendär von Stichaner die Verhältniße auseinander, welche bei dem Handel mit Leinwand in alhiesiger Stadt obwalten und zeigte, daß die von der General Landesdirektion den 31. May dieses Jahrs der verwittibten Regierungsräthin Horneis ertheilte Bewilligung, mit Leinwand stück- und elenweiß, als einem in{2r}ländischen Fabrikate, in einem eignen Gewölbe oder Boutique hier zu handeln und die öfentlichen Märkte zu beziehen, so wie auch die Erweiterung dieser Handelsbewilligung auf gefärbte Leinwand, Gingang380, Federrith381, Zwirn etc. der dagegen von dem Magistrat, der Prichler382 und Käßkäuflerzunft angebrachten Beschwerden ohngeachtet, ganz wohl bestehen könne, indem der Leinwandhandel, als ein Zweig der Landes-Industrie, keiner Zunftbeschränkung unterworfen werden könne, auch seye die verwittibte Regierungsräthin Horneis eben so wenig ungeeignet, Leinwand zu verkaufen, als die von Stettin es ware, um eine Niederlage von Wäschestücken zu etablieren; nur seye es billig, daß sie sich derjenigen bürgerlichen Lasten unterziehen, welche mit dem Handel solcher Produkte verbunden seyen. Da jedoch die hiesige Leinwandhändler bürgerliche Gerechtigkeiten besitzen, besondere Versicherungen Seiner Churfürstlichen Durchlaucht angegeben werden, und überhaupt die Grundsätze über die hiesigen bürgerlichen Gewerbe noch von der churfürstlichen höchsten Entschließung abhiengen, so würde auch in diesem Falle derselben keineswegs vorzugreifen seyn.
Diesem Antrag stimmte{2v} der geheime Staatsrath nach gehaltener Umfrage bei.
Kurfürstliche Entschließung dazu (23. November 1802):
{4r} […] bey No 3 bestättige ich die der Wittwe Horneis von der General Landes Direction ertheilte Erlaubnüß zum Leinwandhandel mit dem Vorbehalte, daß sie sich jener bürgerlichen Lasten unterziehe, die mit dem Handel solcher Produkten verbunden sind.
Auf einem Vortrag Stengels gründend, wird die im Fall einer Wiederverehelichung unbefugt erlassene Entscheidung des rheinpfälzischen Ehegerichts scharf gerügt. Die Entscheidung bleibt gleichwohl in Kraft.
4. Herr geheimer Referendär Frhr. v. Stengel äuserte sich in schriftlichen Vortrage über die zwischen dem rheinpfälzischen General Landeskommissariat und dem dortigen Ehegericht entstandene Differenz wegen dem unbefugten Verfahren der letzteren Stelle, indem es dem puncto adulterii mit Untersagung einer Wiederverehlichung geschiedenen Jacob Weidler die Heurath der Adultera gestattete, und machte nach Auseinandersetzung der hiebei eintrettenden Umstände und Vorlegung der actenmäsigen Geschichte den Antrag: das von dem Ehegericht zwar incompetenter erlassene Erkenntnis vom 10. Juny 1801 zu genehmigen, dem Ehegerichte selbsten aber sein eigenmächtiges Verfahren schärfest zu verweisen, und künftig gleiche Eigenmacht durch Bedrohung der Suspension aller daran theilnehmender Mitglieder zu untersagen, und dabei rücksichtlich des bei dieser Sache erregt wordenen öfentlichen Aufsehens zu erkennen zu geben: Die Regierung habe einen formellen {3r} Beweiß des Ehebruchs nicht gefunden, wie dann auch die erstere Ehescheidung auf Uneinigkeiten und Mißhandlungen der ersten Ehefrau sowol, als auf den Verdacht aus indirecten Geständnissen gegründet gewesen seye.
Man sehe sich iedoch, bei den geminderten Zeitraum auf die Sittlichkeit dieser Eheleute, bewogen, dieselbe der besonderen Aufsicht der Polizeibehörde in der Maase zu untergeben, daß im Falle, wo sie sich neueren Gebrechen der Sittlichkeit zuschulden kommen lassen würden, solche unverzüglich angezeigt, und mit geschärftern Strafen geahndet werden sollen.
Wenn dies neue Ehepaar sich den sittlichen und bürgerlichen Gesetzen gemäs wohl betrage, so werde dadurch das einmal gegebene, und nicht durch sie, sondern durch einer Richterstelle selbst veranlaßte Scandal am beßten verlöscht werden können.
Übrigens wäre dem General Landeskommissariat aufzulegen, durch möglichste Sorge, und durch Anwendung aller rechtmäsigen Mittel, auf die judicatmäsige Befriedigung der unschuldigen vorhinnigen Ehefrau und ihrer Kinder den erforderlichen Bedacht zu nehmen.
Diese Anträge wurden {3v} von dem Staatsrathe genehmiget, dabei aber beschlossen, daß die Ausschreibung dieser Entschließungen ohnmittelbar an das Ehegericht gerichtet, und dem rheinpfälzischen General Landeskommissariat nur notificirt werden solle.
5. Gutachten Stengels zu der Frage des rheinpfälzischen Generallandeskommissariats, »ob die Wittwe des Cafféewirths Kisler die Caffeesieders-Gerechtigkeit fortzutreiben befugt seye«. Stengel beantwortet die Frage »nach der in der Rheinpfalz bisher bestandenen Observanz und nach den in diesem Special Falle eintrettenden Umständen, und machte nach Anführung mehrerer hier anzuwendenden Gründe den [vom Staatsrat genehmigten] Antrag: daß die Wittwe Kisler bei Übung der Cafféeschenk- und Billard-Gerechtigkeit so lange geschützet werden solle, bis sie nicht ihren Wittwenstand durch weitere Verehlichung ändern werde«.
Vorlage der Anträge und Entschließungen beim Kurfürsten und Genehmigung mit Ergänzungen zu TOP 2 und TOP 3.