BayHStA Staatsrat 1, Nr. 20 9 Seiten.

Anwesend: Kfst. Max Joseph; Hompesch, Montgelas, Hertling.

[MF] 1. Genehmigung einer Reise des Geheimen Referendärs Hartmann in die Rheinpfalz, um deren verwaltungstechnische Neuorganisation vorzubereiten.

2. Geldablöse der Naturalabgaben an die Kasten- und Zehntämter

Ablösung der Naturalabgaben der Untertanen an die Kasten- und Zehntämter durch Geldzahlungen mit der Ausnahme des Hafers dort, wo er per Schiff rasch abtransportiert werden könne.

{2v} 2. Wurde der Vorschlag gemacht, statt der Natural-Abgabe der Kasten- und Zehend-Getraider von den Unterthanen die Bezahlung in baarem Gelde nach dem Mittelpreiß einzuführen, davon aber den Haaber an jenen Orten auszunehmen, wo er auf Flüßen weiter transportiret werden könnte oder welche sonst zur Wegbringung gelegen sind. Als Termin zur Zahlung wären der 15. November und 15. December jeden Jahrs zur Abtragung des Quanti festzusezen und die laufende Mittelpreiße der einschlagenden Woche zum Normale anzunehmen.

Nach Antrag genehmiget.

3. Zugriff auf die Kapitalien geistlicher Stiftungen

Zur Deckung des akuten Finanzbedarfs des Staates wird die Möglichkeit eines teilweisen Zugriffs auf die in den kurfürstlichen Landgerichten angelegten geistlichen Stiftungs-Kapitalien angeregt. Die Möglichkeit zu diesem Vorgehen sei im Benehmen mit dem Geistlichen Ministerialdepartement zu klären.

3. Um dem Staate in der gegenwärtig dringenden Laage eine neue Hülfsquelle zu eröffnen, wurde angetragen, von denen den churfürstlichen Gerichten untergebenen Kirchen- und Bruderschaffts-Capitalien, welche zum Theil bey dem Adel und anderen gefreyten Personnen, dann bey Bürger und Bauern ausgelehnet sich befinden, den 10. Theil aufzukünden und dem Staate gegen 4 % als Anlehen gegen Sicherheit zu übergeben, und zu diesem Ende das bey dem Geistlichen Rathe vorhandene allgemeine Capital-Buch einzusehen, um zu wißen, wie hoch sich diese Capitalien belaufen?

Seine Churfürstliche Durchleucht sind für die Ausführung dieses Vorschlags geneigt, doch ist sich diesfalls mit dem Geistlichen Ministerial Departement vorher zu benehmen und dieser Gegenstand dann gemeinschafftlich zu bearbeiten.

4. Zugriff auf den Grundbesitz von Kirchen, Bruderschaften und Stiftungen

Zum selben Zweck soll Grundbesitz, den Kirchen, Bruderschaften und milde Stiftungen in den Landgerichten verwalten, zugunsten des Staates verkauft werden. Auch hierzu solle zunächst die Stellungnahme des Geistlichen Ministerialdepartements eingeholt werden.

4. Zu Erleichterung des Staates wurde ferner vorgeschlagen, die Réalitaeten an Grundstücken, Waldungen und Zehenden, welche die gerichtische Kirchen, Bruderschafften und milde Stiftungen in den hierobigen Landen besizen und {3r} von den Zechpröbsten schlecht und eigennüzig verwaltet werden, mittels öffentlicher Versteigung verkaufen zu laßen.

Ist dem Geistlichen Ministerial-Departement zuzustellen, um, wenn keine vorzügliche Anstände hiegegen eintretten, diesen Antrag in Ausführung zu bringen.

5. Anweisung an die General-Landesdirektion zum umgehenden Verkauf einiger Grundstücke und Immobilien in Neuburg/Donau (u.a. Hofgarten und Hofapotheke).

6. Anweisung an die General-Landesdirektion, die bisherigen Dienstwohnungen und -grundstücke der Vizedome, Kanzler, Rentmeister und Rentschreiber in den Rentämtern Landshut, Straubing u. Burghausen zum Verkauf zu bringen.

7. Belohnung der Dienste des Hofzahlmeisters Georg Christoph Ellerstorfer durch Anstellung seines Sohnes Philipp als Neben-Zahlmeister mit 400 fl. Gehalt80, aber ohne das Recht einer automatischen Nachfolge auf der Stelle.

8. Minderung der vom außerordentlichen Kommissar für die Rheinpfalz, Ignaz Freiherr von Reibeld, angesetzten Tagegelder für seinen Aufenthalt in Heidelberg.

9. Dringliche Anweisung an die General-Landesdirektion, immer noch fehlende Kleidungsstücke für die kurfürstliche Dienerschaft zu beschaffen.

10. Status quo des diplomatischen Personals des Außenministeriums

[MA] Vorlage einer Übersicht zum Stand des diplomatischen Personals des Ministerialdepartements des Auswärtigen, dessen Besoldung und die Gehaltskosten für das Personal des Departements und der geplanten Pflanzschule. Der Kurfürst erteilt eine Reihe von Einzelanweisungen zur Besetzung und Besoldungsausstattung diplomatischer Posten. Anträge auf eine eigene Kassenführung des Departements und die Einrichtung einer »Pflanz-Schule« für Kandidaten für den diplomatischen Dienst werden vorerst zurückgestellt. Eine generelle Regelung für die Ausstattung der Botschafter mit einem Antritts-Geld bei Übernahme eines neuen Postens wird vorerst nicht erlassen.

10. In einem ausführlichen Vortrage wurde eine Übersicht aller künftig an {4r} den auswärtigen Höfen bestehen sollender churfürstlichen Gesandschafften, derenselben Besoldungen, der Summe, welche zu Bestreitung der Gehälter für das Personale des Departements der auswärtigen Geschäfften und sonst dabey sich ergebender gewöhnlicher und geheimer Ausgaaben sowie auch zu Errichtung einer Pflanz-Schule bey diesem Departement erforderet wird, zur höchsten Wißenschafft und Bestättigung vorgeleget und dabey angetragen, den dazu nothwendigen Betrag dem Ministerial Departement der auswärtigen Geschäfften in Quartal Ratis zustellen zu laßen und zu erlauben, daß davon eine eigene Departements Casse errichtet werde, um daraus alle vorgenante Besoldungen und Ausgaaben berichtigen zu können. In einem Nachtrage wurde die Frage zur gnädigsten Entscheidung vorgetragen, ob einem neu angestellet werdenden churfürstlichen Gesandten ein gewißes Ausstattungs-Geld bewilliget werden wolle oder nicht?

Die hierin enthaltene Bestimmung der Gesandschafften an die auswärtigen Höfen sowie die für dieselbe und das Personale des Departements der auswärtigen Geschäfften ausgeworffene Besoldungen, auch sonstige Ausgaaben haben mit Ausnahme folgender Posten und Abänderungen die höchste Bestättigung erhalten: Das Gehalt des Geschäfftsträgers in London solle auf 6.000 fl. bestimmet und in Petersburg kein Legations Secretär angestellet, dem zum Gesandten am chur- und oberrheinischen Creiße ernant werdende tit. Cetto81 sein gegenwärtiges Gehalt, doch ohne Folge auf seinen Nachfolger belaßen {4v} werden. Wegen Rückberufung des Graffen von Schall82 von Dreßden haben Seine Churfürstliche Durchleucht übernohmen, noch zuvor an Dero Durchleuchtigste Frau Schwester83 alldort zu schreiben, um die Geßinnungen dieses Hofes hierüber zu erfahren, wovon der Erfolg abzuwarten. Auch haben Höchstdieselbe den Chevalier *De Brai84* [verbessert aus: Depré] als Gesandten nach Petersburg bestimt und wollen ihme ein Quartal der Besoldung als Gratification zu Bestreitung der ersten Einrichtung anweißen laßen. Desgleichen haben Höchstsie beschloßen, statt des zurückzuberufenden tit. Cornet85 in Venedig den tit. La Barthe86 mit Ansezung seines bisherigen Gehalts, seiner Beneficien, der Maltheser Commende, doch unter Abzug des vertrag-mäßigen 1/3 und der 800 fl. des tit. Cornet nach Italien zu senden. Der Gegenstand der Departements Casse und der Pflanz-Schule solle noch auf näheren Vortrag beruhen, und ebenso auch wegen dem Ausstattungs Gelde für die neu angestellet werdende churfürstliche Gesandten nichts festgesezet, sondern bey jedem eintrettenden Falle nach Umständen besonderer Vortrag erstattet werden.

11. Restitution der widerrechtlich entzogenen Professoren-Pension von 240 fl. für den Ex-Benediktiner P. Joachim Schubauer87.

12. Neubesetzungen am Hofrat und am Revisorium

[MJ] Neubesetzung von Stellen im Hofrat und im Revisorium: Hofrat Friedrich August v. Courtin wird zum Vizekanzler ernannt, sein Vorgänger in diesem Amt, Erasmus v. Werner, kehrt in das Revisorium zurück, der Revisionsrat Georg Gerard Schelf wird in den Ruhestand versetzt.

12. Auf ein vorgelegtes Gutachten wegen der durch Rücktritt des tit. Werner in das Revisorium erledigt werdenden Hofraths-Vice Canzlerstelle, worin angetragen wird, dem tit. Werner den Rücktritt zwar zu gestatten, dagegen aber den Revisions-Rathen von Schelf, der wegen hohem Alter Ruhe verdienet, dergestallt in die Ruhe zu sezen, daß ihme freygestellet bleibe, das Revisorium nach seinem Gefallen forthin zu besuchen, und in so lange, als die 13. Revisions Rathsstelle nicht wieder eingegangen, die Hofraths-Vice Canzlerstelle unbesezet zu laßen, wurde beschloßen,

dem Hofrathen von Courtin die Hofraths Vice Directorstelle88 mit dem statusmäßigen Gehalt zu übertragen, dem tit. Werner mit dem Revisionsgehalt den Rücktritt in das Revisorium zu gestatten und den tit. Schelf nach Antrag in die Ruhe zu sezen.

13. Ernennung von Joseph Freiherrn v. Leoprechting zum Rat an der Regierung in Neuburg anstelle des an die General-Landesdirektion versetzten Johann Friedrich Pflieger.

14. Festsetzung des Organisations- und Personalstandes der Kanzleien der Regierungen in Amberg und Neuburg.

15. Zulassung des von Dittmer zur Ableistung des Landsassen-Eides wegen im Herzogtum Neuburg erkaufter Güter.

16. Stellenbesetzung bei der Regierung Amberg: Johann Georg Nest ersetzt den an die Landesdirektion versetzten Johann Michael v. Lehner.

17. Verschiebung der Entscheidung über die Zulassung des Lizenziaten Matthias Schlutt als Advokat beim Hofgericht.

18. Abweisung des Gesuchs des Leopold Grafen v. Galler um Wiederanstellung als Vizepräsident bei der Regierung in Neuburg oder Verleihung des entsprechenden Gehalts.

19. Taxnachlaß für die Erteilung des Indigenats an die Freifrau von Flachslanden89.

Anmerkungen

80
Vgl. HStK 1800, S. 109.
81
Anton Freiherr von Cetto hatte nach seiner Abberufung Paris am 29. Juli 1799 verlassen (vgl. Neri, Cetto, S. 97; Rudschies, Die bayerischen Gesandten, S. 30f.).
82
Karl Graf von Schall (HStK 1800, S. 69).
83
Maria Amalie (1752-1828), Gemahlin des Kurfürsten Friedrich August von Sachsen (Haeutle, Genealogie, S. 200).
84
François Gabriel de Bray; vgl. Rudschies, Die bayerischen Gesandten, S. 112f.
85
Gabriel Cornet (HStK 1799, S. 104).
86
Philipp Waquier de la Barthe, Legationssekretär in Rom (Gigl, Zentralbehörden, S. 238).
87
Hinweise zur Rolle dieses radikalen Aufklärers und Ex-Illuminaten, der einer der wichtigsten publizistischen Kämpfer gegen den kulturpolitischen Restaurationskurs der Karl-Theodor-Zeit war und über gute Kontakte zu den führenden deutschen Aufklärungspublizisten Schlözer, Winkopp und Nicolai verfügte, bei Schaich, Staat, S. 115, 117, 137, 219f., 463. Schubauer war 1785 aus München ausgewiesen worden, kehrte aber nicht in sein Kloster Niederaltaich zurück, da er mittlerweile eine päpstliche Dispens vom Ordensstand erhalten hatte, und hielt sich im Gebiet des Hochstifts Passau auf. 1799 war Schubauer, ebenso wie Joseph Milbiller, wieder zur Rückkehr in die kurbayerischen Lande eingeladen worden.
88
Richtig ist die Nennung im Antrag, nicht jene der Resolution. Besetzt mit Courtin wurde 1800 die Stelle des Vizekanzlers, nicht jene des Vizepräsidenten; vgl. HStK 1800, S. 96f.
89
Formal ist dieser Beschluß bemerkenswert, denn er erfolgte nicht auf Antrag, sondern kam aufgrund einer direkten Anordnung des Kurfürsten in der Staatskonferenz zustande.