BayHStA Staatsrat 382 10 Seiten.
Datum der Genehmigung durch den Kurfürsten: 11. Oktober 1802.
Anwesend: Montgelas, Morawitzky, Hertling; [MA:] Krenner sen., Zentner, Bayard, [MF:] Krenner jun., Hartmann, Steiner, Schenk, [MJ:] Löwenthal, Stengel, Stichaner, [MGeistl:] Branca.
Formulierung des Grundsatzes, daß eine in Diensten des Johanniterordens stehende Person nicht zugleich in kurfürstlichen Diensten stehen kann. Im vorliegenden Fall der Bewerbung Friedrich Ludwig Woschitkas um die Stelle eines Geistlichen Rates bleibt eine Entscheidung ausgesetzt, bis über den Geschäftskreis des Geistlichen Rates nähere Verfügungen getroffen werden.
{2r} 1. Herr geheimer Rath von Zentner erstattete über das Gesuch des geistlichen Raths Woschitka320 um Einruckung in die durch Beförderung des geistlichen Raths Prentner erledigte geistliche Rathsstelle321, schriftlichen Vortrag und äuserte: daß, da man sich bei dem geistlichen Ministerial Departement über einen bestimmten Antrag in dieser Sache nicht habe vereinigen können, er den Auftrag {2v} erhalten habe, diesen Gegenstand, der ohnehin verfaßungsmäsig zum Staatsrathe gehöre, actenmäsig vorzutragen. Infolge dieses Auftrages legte Herr geheimer Rath von Zentner vor, wie der Woschitka unterm 15. Juny 1799 als wirklicher und ordentlich frequentirender überzähliger Rath angestellt worden, welche Gründe derselbe in seiner zu Erhaltung der erledigten wirklichen statusmäsigen geistlichen Rathsstelle (um welche sich auch andere Kompetenten gemeldet) übergebenen Vorstellung angeführet, welche Meinung das geistliche Raths Kollegium und Direktorium über die Vorrückung des Woschitka abgegeben, und welche schriftliche Äußerungen des Herrn Ministers Grafen von Morawitzky Excell. und geheimer Referendär von Branca über die Verhältnisse des Woschitka zum Johanniterorden zu den Acten, welch erstere ganz abgelesen wurden, gegeben haben.
Nach Anführung mehrerer Gründe, welche dem Gesuche des Woschitka entgegen stehen, äuserte Herr geheimer Rath von Zentner, daß er bei den vorliegenden Verhältnissen der abgegebenen Meinung des Herrn geheimen {3r} Referendärs von Branca um so mehr beitretten müsse, als die Vortheile, welche den wirklichen Ordensgliedern in dem mit Seiner rußisch-kaiserlichen Majestät geschloßenen Vertrage bewilliget worden, den Dienern des Ordens nicht zu Statten kommen322. – Die Diener des Johanniterordens verhielten sich ungefehr eben so wie landständische, oder Diener von anderen Stiftern; diese könnten nicht zugleich churfürstliche Diener seyn, wenn schon ein landständischer Steuerer, oder Capitular eines Stifts, der Edelmann churfürstliche Dienste übernehmen könne.
Er glaube daher, daß die Frage, ob ein in wirklichen Diensten des Johanniterordens stehendes Individuum zugleich in churfürstliche Dienste aufgenommen werden könne, und ob dasselbe nicht auf einen oder den andern Dienst verzichten müsse? bestimmt dahin beantworten zu können, daß das letztere allzeit geschehen müsse.
Dadurch wäre nun gegen den Woschitka entschieden, und es müßte ihm aufgegeben werden, sich innerhalb einer gewißen Zeitfrist zu erklären, ob er auf seine verschiedene Agentien und Dienste des Johanniterordens verzichten wolle?
{3v} Dabei möchte es aber auch noch auf eine andere Vorfrage ankommen, nämlich: ob Seine Churfürstliche Durchlaucht die Absicht haben, in Beziehung auf die künftige politische Veränderungen den Geschäftskreis des geistlichen Raths auf eine andere Art zu organisiren, und verschiedene demselben dermal zugetheilte Gegenstände der Landesdirektion zu übertragen, oder eine sonstige andere Einrichtung damit zu trefen?
In diesem Falle möchte vielleicht die Besetzung dieser Stelle noch zu verschieben seyn, indem es leicht seyn könnte, daß entweder ein neuer Rath überflüssig würde, oder ein Subject von anderen Kenntnissen, als Woschitka besitze, alsdann ausgewählt werden müßte.
Nach dem Antrage des Referenten wurde in dem Staatsrathe beschloßen, als Grundsatz vest zusetzen, daß ein in wirklichen Diensten das Johanniterordens stehendes Individuum zugleich keinen churfürstlichen Dienst begleiten könne, sondern auf eine oder die andere Stelle ver{4r}zichten müsse. Die Anwendung dieses Grundsatzes auf den Woschitka aber solle in so lange ausgesetzt bleiben, bis Seine Churfürstliche Durchlaucht die Vorfrage gnädigst entschieden haben werden (welche Entscheidung bei diesem Veranlaße unterthänigst zu erbitten wäre) ob in Beziehung auf die künftige politische Verhältnisse, der geistliche Rath auf eine andere Art organisiret, und verschiedene demselben dermal zugetheilte Gegenstände der Landesdirektion übertragen, oder eine sonstige andere Einrichtung damit getrofen werden wolle?
Gemäß dem Auftrag des Staatsrats vom 14. Juli 1802 (vgl. Nr. 50 TOP 6) tragen die Referendäre Löwenthal und Stengel über die Frage der Ausstellung eines »Attestats« für Franz Xaver Freiherr v. Schleich vor. Es bleibt bei der kfstl. Entschließung vom 12. April 1802. Beschwerden dagegen werden nicht zugelassen.
2. Nach Entfernung des Herrn geheimen Referendärs von Stichaner aus dem Staatsrathe, erstattete Herr geheimer Justiz-Referendär Frhr. von Löwenthal über die Differenz der Präsidenten wegen des von der Regierung Landshut dem dortigen Regierungsrath Frhr. v. Schleich ausgestellten Attestats, schriftlichen Vortrag, {4v} und legte dem Staatsrathe jene Anträge vor, welche er nach eingesehenen Acten über die Fragen:
1.) ob das Reskript vom 12. April aufzuheben,
2.) ob die Beschwerde des Regierungs-Präsidenten Grafen von Lodron hiegegen, und die Einmischung der übrigen Präsidenten gegründet seye oder nicht?
3.) Was wegen dem von der Regierung Landshut dem Frhr. von Schleich ausgestellten Attestat rechtlich zu verfügen seye, und
4.) in wie weit die Perhorrescenz gegen den geheimen Raths-Referenten statt haben könne?
gefaßet habe.
Der als Correferent in dieser Sache angeordnete geheime Justiz-Referendär Frhr. v. Stengel äuserte sich in seinem schriftlichen Vortrage dahin, daß er mit dem Herrn Referenten darin vollkommen übereinstimme, von der Entschließung vom 12. April nicht abzugehen, und den Grafen von Lodron sowol als die übrigen in der Vorstellung vom 25. Juny l. J. unterzeichnete Präsidenten mit ihrer dagegen erhobenen Beschwerde abzuweisen, ersterem auch die zur Perhorrescirung gewagte Aeußerungen zu verweisen, {5r} und endlich das Gesuch der Entscheidung über die Erkenntnis der Regierung Landshut bei der höchsten Stelle nicht anzunehmen, sondern den Grafen v. Lodron, wenn er mit seiner Beschwerde gegen besagte Regierung ex Syndicatu ausreichen zu können glaube, an die geeignete höhere Richterstelle zu verweisen.
Nach gehaltener Umfrage wurde in dem Staatsrathe beschlossen:
1.) daß auf der höchsten Entschliessung an die Regierung Landshut vom 12. April, welche in Beziehung auf das dem Frhr. von Schleich auszustellende Attestat auf Antrag des churfürstlichen geheimen Ministerial Departements in Justiz-und Polizeisachen erlassen worden, unabänderlich bestanden, sofort
2.) sowol der landshutische Regierungs Präsident Graf v. Lodron als sämtliche hier angestellte Präsidenten mit ihren dagegen erhobenen Beschwerden abgewiesen, letzteren jedoch eröfnet werden sollte, wie der befragte Fall keineswegs {5v} geeignet gewesen seye, ihre Amtsgewalt zu kränken, und Seine Churfürstliche Durchlaucht übrigens stets bedacht seyn würden, sie hiebei zu schützen, und bei unerwartet gegründeten Anläßen wirksame Abhilfe eintretten zu lassen;
3.) halte man dafür daß sich das von der Regierung Landshut dem erwähnten Frhr. v. Schleich ausgestellte Attestat respec. das hierüber gefaßte Conclusum als ein bloser Gegenstand der bürgerlichen Rechtspflege zu einer höchsten Entscheidung nicht eigne, und es sohin bei dessen Inhalt zu bewenden habe, übrigens dem Grafen von Lodron freizustellen wäre, wenn er hierzu ein Recht zu haben glaube, sich an die geeignete höhere Justizstelle beschwerend dagegen zu wenden;
4.) solle Seiner Churfürstlichen Durchlaucht gehorsamst unterstellet werden, wie höchstdieselbe die Art der Perhorrescenz des geheimen Referendärs von Stichaner durch den Grafen von Lodron, welche {6r} der Staatsrath, obschon der geheime Referendär von Stichaner auf alle Genugthuung Verzicht thue, ahndungswürdig finde, ahnden wollen.
Freiherr von Castel erhält die Genehmigung, im Fürstentum Hirschfeld gelegene pfälzische Lehen gegen eine Summe von 11.000 fl. zu allodifizieren.
3. In einem schriftlichen Vortrage über die Allodification der pfälzischen Lehen Röhrda und Nätra in Niederheßischen Fürstenthume Hirschfeld gelegen, und welche Frhr. von Castel gegenwärtig besitzet, äuserte Herr geheimer Referendär v. Bayard sich über die zwei Fragen welche hiebei in Erwägung zu ziehen: a. ob die Allodification in Absicht auf ihre Räthlichkeit unter den gegenwärtigen Umständen, dann b. in welcher Art und Weise dieselbe vollzogen werden solle? und machte, nachdem er für die erste Frage bejahend gestimmet, rücksichtlich der zweiten den Antrag: dem Frhr. von Castel die Eigenmachung und den Verkauf dieser ganz extra Curtem entlegenen Lehen gegen Erlag der anerbottenen 11.000 fl. zu gestatten, wobei es sich aber von selbst verstehe, daß dem Frhr. v. Castel der vorgehenden Umänderung wegen Eviction geleistet werden müßte.
Nach gehaltener Umfrage in {6v} dem Staatsrathe wurde beschlossen: Seiner Churfürstlichen Durchlaucht vorzuschlagen, die Allodialisation dieser Lehen gegen Erlegung der von dem Frhr. v. Castel gebottenen 11.000 fl. dergestallt zu genehmigen, daß diese 11.000 fl. zum Vortheil der pfälzischen Kasse zwar erhoben, der baierischen aber eingeliefert, und von dieser der rheinpfälzischen mittels Abrechnung an ihrer Schuld gut gemacht werden solle.
Vorlage der Anträge und Entschließungen beim Kurfürsten und Genehmigung (Schreiberhand: Montgelas).