BayHStA Staatsrat 381, Nr. 25 21 Seiten. Unterschriften der Minister Montgelas, Hertling. Datum der Genehmigung durch den Kfst. (mit einem kurzen Nachtrag Kobells): 26. September 1801.

Anwesend: Montgelas, Hertling; [MA:] Zentner, Bayard, [MF:] Krenner jun., Hartmann, Steiner, Schenk [MJ:] Löwenthal, Stengel, Stichaner, [MGeistl:] Branca.

1. Organisation der Militärverwaltung und Probleme ihrer Integration in den Geschäftsgang der Landesbehörden

Aufgrund des Beschlusses vom 16. September427 berät der Staatsrat unter Zuziehung der Direktoren der beiden neuen Ratsgremien des Militärdepartements, Friedrich Hansen (Kriegs-Justizrat) und Johann Heinrich Kraus (Kriegs-Ökonomierat), nochmals über die Organisationsordnung der beiden »Militär-Räthe« und ihre Integration in den Geschäftsgang der zivilen und militärischen Verwaltungsbehörden. Zentner stellt die Änderungsvorschläge für die Geschäftsordnung des Justizrats vor, die er im Auftrag des Staatsrats vorab zusammen mit Hansen und Stichaner (MJ) besprochen hatte. Diese Ordnung solle dem Kurfürsten aber erst zur Genehmigung vorgelegt werden, nachdem Hansen sie in eine auf »alle Erbstaaten« anwendbare Fassung gebracht habe.

Hansen weist auf die Probleme im Geschäftsgang hin, die wegen der Anordnung entstünden, alle Berichte in militärischen Angelegenheiten, auch von den Außenbehörden, sollten zunächst an den Kurfürsten persönlich gehen428. Der Staatsrat glaubt sich einerseits »nicht befugt«, diese grundsätzliche Anordnung zu ändern, unterbreitet dem Kurfürsten aber, um das Prinzip der »Subordination« nicht zu schwächen, die Empfehlung, die GLD solle in seinem Namen und im Benehmen mit dem Militärdepartement die eingehenden Berichte bearbeiten und entweder selbst verbescheiden oder an das kurfürstliche Kabinett weiterleiten.

{2r} 1. Mit Zuziehung der Directoren der beiden Militär Justiz- und Ökonomie-Räthen von Hansen und Kraus wurde in dem heutigen Staatsrathe nach dem Konferenzschluße vom 18. dieses Monats über die Benehmungsart zwischen den Civil- und Militärstellen und den Instructionen für die beiden Militär-Räthe das gemeinschaftliche Benehmen gepflogen und rücksichtlich des ersteren sich vereinbahret, daß zwischen den Civil- und Militärstellen in ihrer Correspondenz gar keine Courtoisie angenommen, sondern nur durch wechselseitige Communicate {2v} mit Beziehung auf die verschiedene Grade und der darnach gebührenden stuffenweisen Achtung die Geschäfte, welche eine Benehmung unter sich erfodern, geführet werden.

Da hiedurch der erste Gegenstand des heutigen Zusammentritts mit vollkommener Beistimmung der beiden Militär Directorn erlediget worden, so eröfneten des Herrn Geheimen Staats- und Konferenz-Ministers Freiherrn von Montgelas Excellenz den versammelten Mitgliedern, daß bei der Instruction des Militär Justizraths sich verschiedene Anstände aufgeworfen, deren Hebung um so nothwendiger seye, als sonst häufige Collisionen entstehen und den beiderseitigen Geschäftsgang zum Nachtheile des Landesfürsten und der Unterthanen hemmen würden. Herr Geheimer Rath von Zentner würde die Instruction und die Anstände vortragen und man erwarte die Äußerungen des Herrn Direktors von Hansen und seine allenfallsige Bemerkungen, um alsdann einen gemeinschaftlichen Antrag an Seine Churfürstliche Durchlaucht machen zu können.

Herr Geheimer Rath von Zentner las hierauf die Instruction und die hiebei gemachte Bemerkungen ab und äuserte, daß solche dem Herrn Direktor von Hansen in einer mit Herrn Geheimen Referendär von Stichaner gehaltenen {3r} Sitzung schon vorgeleget worden und er hiegegen keine Einwendungen zu machen gefunden habe. Da Herr von Hansen auch in dem Staatsrathe hiegegen nichts erinnerte, so wurde beschlossen,

bei Seiner Churfürstlichen Durchlaucht den unterthänigsten Antrag zu machen, diese Bemerkungen der Instruction des Militär Justizrathes einzuverleiben und solche darnach abzuändern, zugleich aber Seiner Churfürstlichen Durchlaucht den Wunsch des Staatsrathes vorzulegen, daß Höchstsie dem Militär Justiz-Direktor von Hansen den Auftrag geben mögten, eine neue Satz- und Ordnung, anwendbar auf alle Erbstaaten, zu entwerfen und diesen Entwurf dem Staatsrathe zur Prüfung und Seiner Churfürstlichen Durchlaucht zur Entscheidung vortragen zu lassen, bis zu dessen Vollendung aber die Instruction nicht ausschreiben zu lassen.

Herr Director des Militär Justiz-Raths von Hansen machte noch die Erinnerungen, daß in Gegenständen wegen dem Land-Capitulantenwesen und anderen Militärsachen von den Beamten ohnmittelbar {3v} ihre Berichte und Anzeigen an Seine Churfürstliche Durchlaucht gerichtet würden, wo doch die Befehle nicht ohnmittelbar an sie, sondern durch die Ministerial Departements und die General Landesdirektion ausgeschrieben werden. Dadurch würden die Schreibereien bei dem Militär Justizrath unendlich vermehrt, und er bitte deswegen die Verfügungen zu trefen, daß die Beamten angewiesen werden, ihre Berichte und Anzeigen an die General Landesdirektion, durch welche sie die Befehle erhalten, zu schicken, von wo aus sie dann zur höchsten Stelle weiter befördert werden könnten, wenn sie nicht selbst die Gegenstände verbescheiden könne.

Da die Beamten durch höchste Cabinetsweisung angewiesen worden, alle Militär-Gegenstände ohnmittelbar zur höchsten Entsieglung einzusenden, so fand sich der Staatsrath nicht befugt, eine diese Verordnung widerrufende Entschließung zu fassen, glaubte iedoch, daß durch diese ohnmittelbahre Berichts-Erstattung an den Landesfürsten die Subordination geschwächet und das Ansehen der Landes-Collegien gemindert werde, und beschloß deswegen,

Seiner Churfürstlichen Durchlaucht den unterthänigsten Antrag zu machen, durch eine churfürstliche Entschließung zu erklären, daß die erlassene Cabinetsweisung keinen andern Verstand {4r} gehabt habe, als daß die Ämter verfassungsmäsig ihre Berichte und Anzeigen, auch in Militärsachen, an die Landesdirektion einzusenden hätten, welche dann die Gegenstände, welche eine Erläuterung erfoderten, nach vorherigem Benehmen mit den beiden Militärräthen, wenn sie es nöthig finde, entweder zu verbescheiden oder aber ihre hierüber zu erstattende Berichte zur höchsten Entsieglung einzubefödern habe.

2. Vortrag Stichaner: GLD und Kriegsdeputation werden mit der Untersuchung der Amtsführung des Landrichters von Starnberg [Joseph Anton Weltin] beauftragt, der im Verdacht steht, Geld hinterzogen zu haben.

3. Vortrag Krenner jun.: Das Finanzministerium schaltet sich ein in die zwischen dem Magistrat der Stadt München und dem Militärkommandanten Joseph Graf von Nogarola geführten Verhandlungen über eine Minderung der Militärservis-Leistungen der Stadt. Die GLD wird mit einer Untersuchung der Servisrechnungen der letzten 20 Jahre beauftragt.

4. Durchsetzung des neuen Systems zur Vergabe der Pflegen gegen kurfürstliche Kabinettsordres

Krenner jun. empfiehlt unter Verweis auf das neue, vom Kurfürsten »cum plena causae cognitione« erlassene »Pflegs-Organisations-System«, das von Max Joseph in einer »Cabinets-Signatur« unterstützte Anliegen der Freifrau von Jungwirth, die ihr auf die Pflege Velburg (Krs. Neumarkt/Opf.) angewiesene Pension auf ihre Tochter übertragen zu dürfen, abzuweisen.

{5v} 4. Herr Geheimer Finanz-Referendär von Krenner zeigte dem Staatsrathe an, daß das Ministerial Finanzdepartement sich veranlasset sehe, gegen Willfahrung der Bitte der Frau von Jungwirth, ihre von der Pflege Velburg geniesende Pension ihrer Tochter, der Gräfin von Verri, abtretten zu dürfen, wozu Seine Churfürstliche Durchlaucht nach einer Cabinets-Signatur vom 5. vorigen Monats sich geneigt erkläret, unterthänigste Vorstellungen {6r} zu machen.

Der Gewährung dieser Bitte stehe entgegen: das ganze angenommene Systeme, der Plan der Pflegs-Organisation, gewißermaßen der Anspacher Hausvertrag und die zwei von Seiner itzt regierenden Churfürstlichen Durchlaucht cum plena causa cognitione unterzeichnete Rescripte.

Diese Anstände wolle das Ministerial Finanzdepartement dem Staatsrathe vorlegen, und, wenn sie von gleicher Wichtigkeit erachtet werden, ihn aufrufen, Seiner Churfürstlichen Durchlaucht gemeinschaftlich um die Abwendung dieses äuserst praejudicirlichen und das ganze Pflegs-Organisations-System vernichtenden Schrittes zu bitten.

Der Staatsrath beschloß nach Erwägung der vorgebrachten Gründe, den Antrag des Ministerial Finanzdepartements Seiner Churfürstlichen Durchlaucht gehorsamst vorzutragen und nachdrücklich zu unterstützen.

5. Vortrag Krenner: Als »ausserordentliche Aufopferung« für die aktive Dienste leistenden Staatsdiener solle ihnen zu Michaeli [29. September] ein Zuschuß in Höhe eines Viertels der von ihnen zu tragenden Hausmiete gewährt werden. Als Höhe des Zuschusses werden, je nach Funktionsgruppe, von 75 fl. (für Referendäre oder Direktoren) bis zu 10 fl. (für Boten) vorgeschlagen. Der Staatsrat modifiziert die Höhe des vorgeschlagenen Zuschusses auf 4 % der Dienstbezüge; außerdem solle die oberste Besoldungsgruppe nicht bedacht werden.

Die kurfürstliche Entschließung dazu vom 26. September 1801 schließt auch die zweithöchste Beamtenkategorie (Räte) vom Empfang des Mietzuschusses aus und begrenzt dessen Gesamtvolumen auf 10.000 fl.

6. Vortrag Stichaner: Der Hofrat habe ein Untersuchungsverfahren gegen Franz Johann von Kirmeyr, Rat der Regierung Burghausen, wegen Erpressung von Geldern in einem Kriminalverfahren geführt. Der Hofrat erkenne auf Verlust der Stelle und Ersatz der Untersuchungskosten, empfehle dem Kurfürsten aber, Kirmeyr mit Berechtigung zum Pensionsbezug zu entlassen, was auch Stichaner befürwortet.

7. Vortrag Stichaner: Gallus Alois Kleinschrod, Professor für Strafrecht an der Universität Würzburg, habe nach Einarbeitung der Monita der im Juni 1800 benannten Münchner Experten429 seinen Entwurf für ein bayerisches Strafgesetzbuch neu vorgelegt. Der Staatsrat beschließt, das Werk samt den Anmerkungen auf Staatskosten in einer Auflage von mindestens 2.000 Stück drucken zu lassen, um innerhalb eines Jahres weitere Beurteilungen von Experten einzuholen (wofür als Anreiz zwei Geldpreise ausgesetzt werden)430. Kleinschrod erhält als Belohnung eine goldene Tabaksdose mit dem Portrait des Kurfürsten sowie 300 Dukaten; die Gutachter Johann Bapt. Schieber, Rat am Revisorium, und Joseph Socher, Professor für Philosophie an der landesfürstlichen Universität, bekommen ebenfalls eine Geldbelohnung. Die nach Druck des Entwurfs eingehenden Beurteilungen sollten von einer neuen »Gesetzgebungskommission« geprüft werden.

Vorlage der Beschlüsse beim Kurfürsten zur Genehmigung.

Anmerkungen

427
Vgl. Protokoll des Staatsrats vom 16. September 1801, TOP 5).
428
Vgl. Protokoll des Staatsrats vom 12. August 1801, TOP 6).
429
Vgl. Protokoll der Staatskonferenz vom 14. Juni 1800, TOP 13).
430
Der Entwurf wurde gedruckt als: Gallus Aloys Kaspar Kleinschrod, Entwurf eines peinlichen Gesetzbuches für die kurpfalz-bairischen Staaten, München 1802. Mit Kleinschrods Entwurf begann die in der Verordnung »Die Justiz und Gesetzverbesserung betreffend« vom 24. Januar 1800 (Schimke, Regierungsakten, Nr. 58, S. 297-300; vgl. Protokoll der Staatskonferenz vom 24. Januar 1800, TOP 16)) angekündigte Revision des bayerischen Strafrechts. Kleinschrods Werk wurde nicht nur von Schieber in einer noch 1802 publizierten Stellungnahme, sondern auch vom 1803 an die bayerische Landesuniversität berufenen Strafrechtler Anselm Feuerbach (1775-1833) in einem 1804 herauskommenden zweibändigen Werk negativ bewertet. Daraufhin erhielt Feuerbach den Auftrag, einen neuen Strafrechtsentwurf auszuarbeiten, der ab April 1808 von der neu gegründeten Gesetzgebungskommission vorberaten und im November 1808 in der Geheimen Staatskonferenz von König Max Joseph genehmigt wurde. Vgl. Schimke, Regierungsakten, S. 293-295.