BayHStA Staatsrat 1, Nr. 26 8 Seiten.

Anwesend: Kfst. Max Joseph; Hompesch, Montgelas, Morawitzky, Hertling.

[1.] Neueinrichtung des höheren Schulwesens

Vortrag des Geheimen Referendärs von Branca (Ministerialdepartement für Geistliche Angelegenheiten) über die Neueinrichtung des höheren Schulwesens in Bayern129. Schlägt starke Einschnitte vor: Aufhebung der lateinischen Schulen in Burghausen und Landsberg, des Akademischen Gymnasiums in Ingolstadt, der Seminare und Schulen bei den Prälatenklöstern (statt dessen seien Realschulen einzurichten), der Lyzeen in Landshut, Ingolstadt und Neuburg. Verbot des Besuchs landfremder Schulen; Absolvierung bayerischer Schulen als Voraussetzung für die Aufnahme in Staatsdienst. Lyzeen und Gymnasien sollten nur noch in München und Amberg bestehen; Nominierung des entsprechenden Lehrpersonals. Die Lehrkräfte sollten zu drei Vierteln aus dem Prälatenstand genommen werden. Unterordnung des General-Studien-Direktoriums unter die Schuldeputation des Geistlichen Rats. Künftig sollten vermehrt Kanonikats-Praebenden zur Finanzierung der Professoren an den höheren Schulen eingesetzt werden.

[1.] Seine Churfürstliche Durchleucht erlaubten auf Anfrage des Churfürstlichen Geheimen Staats und Conferenz Ministers Graffen von Morawizky, daß der Churfürstliche Geheime Referendaire von Branca der auf heute früh festgesezten Geheimen Staats-Conferenz beywohne, um sein über die künftige Einrichtung des lateinischen Schulweßens in Baiern130 gefastes Gutachten {2v} zur höchsten Beurtheilung und Entscheidung vorzutragen.

Nebst einer Übersicht des Verfalls der Schulen seit den 1780[er] Jahren faßet dieses Gutachten folgende Vorschläge in sich: 1) die lateinische Schulen zu Burghaußen und Landsberg aufzuheben, 2) das academische Gymnasium in Ingolstadt einzustellen, 3) die in verschiedenen Prälaten Klöster bestehende Seminarien und Schulen eingehen zu laßen und statt derselben Réal-Schulen einzuführen, worin die allen Ständen nöthige Elementar Kentnüße und nur die allerersten Anfangs-Gründe der lateinischen Sprache gelehret werden, auch in der Music Unterricht zu geben wäre, 4) das Studieren auf den Schulen der benachbarten Reichsstände, besonders aber der umliegenden Hochstifter, in Zukunft zu verbieten, 5) keinem Schüler, der anderstwo als auf einem churfürstlichen Schulhauße studieret, solle der Zugang hiezu auf eine andere Art gestattet werden, als wenn er die erste gramatische Claße wieder antretten will, 6) keinem Candidat irgend eines Standes einen Staatsdienst zu übertragen, der nicht beweißen kann, daß er planmäßig auf churfürstlichen Schulhäüßern studieret oder wenigstens seine Studien daselbst fortgesezet und vollendet zu haben. 7) die Lyzäen zu Landshut, Neuburg und Straubingen sollen aufhören und die sogenanten höhere Schulen neben der Universitaet Ingolstadt nur noch in München und Amberg bestehen.

Durch Anwendung dieser Vorschläge, glaubt der Referent, könnte erreichet werden, daß die Menge der Studenten verminderet und die zu häüfige Gelegenheiten zu einem gelehrten Unterricht abgestellet würden. Um die Verbeßerung dieser Schulen und eine zweckmäßigere Bildung der Schüler zu erzielen, wurde ferner angetragen, 8) daß Seine Churfürstliche Durchleucht künftig die Lehrer ohne Unterschied des Standes {3r} auswählen und zu den verschiedenen Lehrstellen beruffen, davon jedoch noch 3/4 aus dem Prälaten oder landständischen Mönchsstande und nur 1/4 aus den übrig- weltlich- und geistlichen Ständen genohmen werden, 9) das unter der vorigen Regierung den 20. September 1794 erlaßene Rescript, wornach kein dimitirter Professor zu Kloster Ämtern mehr zugelaßen werden solle, zurückzunehmen und zu erklären, daß alle ohne Verschulden entlaßene Professoren aus dem Religiosenstande zu Lehrerstellen wieder fähig seyn sollen, 10) für die Universitaet in Ingolstadt und die Lyzäen allhier und Amberg die brauchbarsten Männer auszuwählen, ohne Rücksicht, ob ein Schulhauß grade von Männern verschiedenen Standes versehen würde oder nicht, 11) für die Theologie und Philosophie in hiesigem Schulhauße zußammen 6 Professoren aufzustellen, die Chemie und Naturgeschichte von einem Mitgliede der churfürstlichen Academie lehren zu laßen, in Amberg zwey philosophische und zwey theologische Professoren zu ernennen.

12) In der Theologie für allhiesiges Schulhauß131 sollen als Professoren angestellet werden: Maria Dobmaier, Benedictiener von Weißenohr [Weissenohe], Schulinspector Nömmer und Pfarrer Mutschelle zu Berg; in der Philosophie der Augustiner Prior Maximus Imhof, Weltpriester Schmid, Weltpriester Weiler, in der Rhetoric Weltpriester Lechner, in der Poesie Priester Wanckerl, in der Grammatic Priester Weinzierl, Professor Badhauser und Instructor Mayer; für das Schulhauß Amberg132 in der Theologie Pfarrer Michl und Gollowiz, für Physic und Mathematic Repetitor Prandl, für die pracktische Philosophie Schneid, Benedictiener von Oberalteich. Der Vorschlag der Lehrer für die übrigen vier Gymnasien könnte dem Praelaten {3v} Directorium überlaßen werden.

13) [Weiter wird vorgeschlagen,] die Versammlung des General-Studien Directoriums auf eine einzige am Ende jeden Schuljahres zu beschräncken, demselben nur die Hälfte der bisherigen Reiß Deputaten und anderer Gebühren zu gestatten, den hiesigen Local-Schul-Commissär133 demselben beyzuordnen und besagtes Directorium durchgehends der Geistlichen Raths Schul-Deputation zu unterwerffen, 14) den Gehalt der Professoren für die Weltlichen und Weltpriester auf 600 fl., der übrigen, wenn sie in keiner Communitaet leben, auf 500 fl. und die Religiosen in einer Communitaet auf 400 fl. zu bestimmen, für Repetitoren an Schulhäüßer künftig nichts mehr zu paßiren, 15) zu verordnen, daß die gegenwärtige Schulbeyträge als ein beständiger Schulfond angesehen und die dabey gemacht werdende Ersparung nicht den Contribuenten, sondern dem Fond zugehen solle, 16) zu erklären, daß denen Professoren nach Absterben der gegenwärtigen Canonici eine Anzahl Canonicat-Praebenden zu ihrer Verbeßerung gegen Rückfall ihres Gehalts, welches zu Anstellung anderer Professoren zu verwenden, würde ertheilet werden.

Seine Churfürstliche Durchleucht haben den vorliegenden Plan zu Einrichtung des lateinischen Schulweeßens und die vorgeschlagenen Subjecten zu Besezung der Lehrstühle gnädigst genehmiget.

2. Verhandlungen mit einer Delegation der Ständevertretung von Pfalz-Neuburg über die künftige Verwaltung des Herzogtums

[MF] Beginn von Verhandlungen mit der in München anwesenden Deputation der Neuburger Landschaft über den Geschäftskreis der Regierung in Neuburg, die Zukunft des Landschaftskommissariates, die Einrichtung einer Bank, ein Darlehen von einer Million Gulden u.a.134.

Als der Geheime Referendaire von Branca hierauf abgetretten ware, trug 2. der Geheime Staats und Conferenz Minister Freiherr von Hompesch in einem {4r} Rescripts Entwurf die Grundsäze vor, wornach durch das Geheime Ministerial Finanz Departement mit der hier anweßenden landschafftlichen Deputation von Neuburg über den für die Regierung Neuburg zu bestimmenden Geschäffts-Creiß, die Instruction zur Steuer Ratification, die innere Organisation des Landschaffts Commissariat in Neuburg, die Einrichtung einer Hypothequen Banck und die Zeit, Mittel und Kösten, das angebottene Anlehen von einer Million Gulden aufzubringen, zu unterhandlen wäre.

Hat die höchste Genehmigung erhalten.

3. Neueinrichtung des Armenwesens nach der Aufhebung des Militär-Arbeitshauses: Einsetzung einer Leitungskommission mit Wilhelm van Douwe als Kommissar an der Spitze135. Die Fortführung der öffentlichen Armenspeisungen wird eigens angeordnet.

4. Das künftige Verfahren bei der Zusammenstellung der Hof- und Staatskalender solle auf der Basis verschiedener Vorschläge des Hoffouriers Johann Nepomuk v. Reichel in einer eigenen »Ministerial Zußammenkunft« festgelegt werden.

5. Anforderung von Erläuterungen durch Anton Schindelar, Administrator der bayerischen Herrschaften in Böhmen, über noch zu leistende Zahlungen aufgrund der Wieder-Übernahme der Güter des Prinzen Christian August von Waldeck in Böhmen.

6. Genehmigung verminderter Kriegsbeiträge von einigen Ritterlehen.

7. Provisorische Versorgung zweier langgedienter Land-Dragoner in Jülich durch Aufnahme in die Garnisonskompanie von Düsseldorf.

[MGeistl] 8. Geschäftsordnung und Besetzung der Kirchen-Deputationen bei den Regierungen in Amberg, Neuburg, Landshut, Burghausen und Straubing.

9. Finanzierung einer Pension für Andreas Kefer, Professor an der Militär-Akademie.

[MJ] 10. Quieszierung des Regierungsrats Wolff in Amberg.

11. Ernennung des Joseph Reinewald zum Stadtschreiber in Kaub/Pfalz.

12. Alimentierung der Witwe des vormaligen Prokurators Renner aus der Stadtkasse in Straubing.

Anmerkungen

129
Vgl. zu den Bildungsreformen dieses Jahres Müller, Akademische Ausbildung, Bd. 1, S. 91-101; die maßgebliche Verordnung, die ebenfalls das Datum des 24. September 1799 trägt, ist nachgedruckt ebda., Bd. 2, Nr. 17, S. 448-454.
130
Zu Bestand und Organisation des höheren Schulwesens in Bayern 1799/1800 siehe HStK 1800, S. 121-125.
131
Lyzeum und Gymnasium zu München: HStK 1800, S. 122.
132
Lyzeum und Gymnasium zu Amberg: HStK 1800, S. 121f.
133
Lorenz Westenrieder (HStK 1800, S. 122).
134
Damit begannen, nach einigen vorbereitenden Beschlüssen, die von der Kritik der neuburgischen Ständevertreter an einer Verwaltung ihres Herzogtums durch die im April 1799 eingerichtete General-Landesdirektion ihren Ausgangspunkt genommen hatten (vgl. Protokoll der Staatskonferenz vom 30. August 1799, TOP 2) u. 20)), die Verhandlungen, die zum »Pfalzneuburgischen Deputationsabschied« vom 5. Oktober 1799 mit seinen »erstaunliche[n] Reformzusagen« führen sollten. Vgl. Protokoll der Staatskonferenz vom 5. Oktober 1799, TOP 1); Weis, Montgelas, Bd. 2, S. 244 (Zitat).
135
Vgl. HStK 1800, S. 107: »Armen Instituts-Kommission«, der General-Landesdirektion unterstellt.