BayHStA Staatsrat 380, Nr. 1 7 Seiten.

Anwesend: Minister Hompesch, Montgelas, Hertling; Referendäre Stephan Stengel, Franz Krenner, Steiner; Deputierte aus Mannheim: Nikolaus v. Stengel; Carl Rupprecht1. Protokoll: Kobell.

[1.] Militärische Lage in der Pfalz

Beratungen über die militärisch kritische Lage der Rheinpfalz, insbesondere der Stadt Mannheim. Entsendung eines speziell in dieser Angelegenheit bevollmächtigten Gesandten nach Paris. Stephan v. Stengel schlägt, unter Warnung vor Ausbreitung des »Geists der Revolution« in der Pfalz, vor, eine Soforthilfe für die notleidende Bevölkerung und die Staatsdiener aus der Hinterlassenschaft Karl Theodors in Höhe von insgesamt 220.000 fl. zur Verfügung zu stellen. Stengel mahnt auch an, die Entscheidungsgewalt der Präsidialkonferenz der Mannheimer Regierung bis auf weiteres auf nur einen einzigen Entscheidungsträger zu übertragen.

[1.] Des Herrn Geheimen Staats und Conferenz Ministers sine pleno titulo Freyherrn von Hompeschs [Excellenz] eröffneten sämtlichen Anweßenden die Ursache gegenwärtiger Versamlung, nemlich die bedenklich- und {1v} traurige Laage der Rheinpfalz und vorzüglich der Stadt Mannheim, verlaßen sodann die Praesidialverhandlungs-Berichte vom 3. und 4. dieses Monats, worin dringend um Unterstüzung und eine Beyhülfe von 200,000 fl. entweder in Geld oder in Credit gebetten wird. Des Freiherrn von Hompesch Exzellenz erklärten, daß die Verhältnüße Mannheims eine Berathung über folgende drey Puncten und einen hierauf zu nehmenden Entschluß erforderten.

Erstens: Ist die Absendung eines Deputirten aus Mannheim nach Pariß politisch räthlich und thunlich?

Zweytens: Ist der Rheinpfalz unter den mißlichen Umständen, worin sich Baiern schon befindet, und die bey ausbrechendem Kriege sich noch mehr verschlimmern können, von hier aus mit baarem Gelde oder durch Credits Verschaffung eine Unterstüzung zu leisten?

Drittens: Auf welche Art kann dieselbe geleistet werden?

Ad 1: Die Absendung eines Deputirten im Nahmen der churpfälzischen Regierung nach Pariß wurde einstimmig für ohnanstößig und vielleicht auch für würcksam erachtet, nur seye dieser Deputirte anzuweißen, in allen seinen Schritten die dortig- churfürstliche Gesandschafft zu Rathe zu ziehen und gemeinschafftlich mit ihr zu unterhandlen, sich auch in nichts als die Erleichterung der Stadt Mannheim und der Rheinpfalz einzulaßen.

Ad 2: Die Unterstüzung der Rheinpfälzer und vorzüglich der darbenden Dienerschafft wurde bey den dringenden und ohnverschieblichen Verhältnüßen {2r} als billig und nothwendig ebenfalls erkant, und

ad 3: die Stimmen der anweßenden Herren Referendarien über die dritte Frage zu vernehmen für gut gefunden.

Herr Geheimer Staats Referendär Herr von Stengel schilderte hierauf mit lebhaften Farben die Laage der unglücklichen, schleunige Hülfe bedarfenden Pfälzer, sezte die Nothwendigkeit und die landesfürstliche Pflicht zu derselben Unterstüzung auseinander und glaubte, daß es politisch erforderlich seye, den Geist der Revolution, der izt gewiß nur noch bey wenig Übelgesinten herschte, durch Noth und Elend aber bald allgemeiner werden könnte, mittels landesfürstlicher Unterstüzung und Hülfe zu ersticken.

In der Voraussezung, daß Seine izt regierende Churfürstliche Durchleucht gewiß gesinnet und entschloßen seyen, dero treuen Pfälzer, unter denen sie jahre lang zugebracht, nicht zu verlaßen, und dero sämtlichen Unterthanen einen öffentlichen Beweiß zu geben, daß in der Noth bey Höchstihnen man Hülfe und Theilnahme finde, machte ernanter Herr von Stengel den Antrag, von den Seiner Churfürstlichen Durchleucht aus der Verlaßenschafft des höchstseelig verlebten Carl Theodor Churfürstlichen Durchleucht zugefallenen Wiener Banknoten und sonstigen Staatspapieren, die gröstentheils aus rheinpfälzischen Staats Gelder angeleget worden, einen Theil in Baar Geld umzusezen, um davon 20,000 fl. zu Bezahlung der darbenden Dienerschafft sogleich zu verwenden, die Summe von 200,000 fl. {2v} aber bey einem Banquier in Augsburg, Nürnberg oder sonst wo zu hinterlegen, und die Praesidialversamlung2 oder Regierung in Mannheim in der Stille zu ermächtigen, die zu Bestreitung der französischen Requisitionen nöthige Gelder darauf zu ziehen.

Schlüßlich hielt Herr von Stengel für nothwendig, in dem gegenwärtigen Augenblick einen Mann von Kopf und Muth an die Spize der rheinpfälzischen Geschäffte zu stellen, indeme drey Vorstände in solchen Zeiten nicht leicht einig genug seyen, um mit Nuzen zu würken.

Herr Geheimer Referendär von Krenner, von der Nothwendig- und Billigkeit, die Rheinpfälzer zu unterstüzen, überzeuget, stimte der Meynung des Herrn von Stengel in der Hauptsache bey, nur glaubte er, daß einsweilen durch umsetzung von 50,000 fl. Papiere, welches der Lifferant Strasburger und Westheimer am schnelsten und besten zu bewürken im stande seye, der Rheinpfalz für den Anfang geholfen werden könnte, wenn hievon 20,000 fl. zu Bezahlung der ausständigen Pensionen und Besoldungen, die übrige 30,000 fl. aber zu Beybringung der französischen Requisitionen verwendet würden.

Auch Herr Geheimer Referendär Steiner tratt dieser lezten Meynung bey, nur fügte er hinzu, daß es räthlich seyn würde, der Obersten Stelle in Mannheim unter der Hand die Hofnung zu geben, wie sie auf weitere Unterstüzung in nöthigen Fällen rechnen könnte.

Von Seiten des Hohen Ministerii wurde hierauf {3r} beschloßen, Seiner Churfürstlichen Durchleucht sowohl die ad 1. und 2. genohmmene Entschließungen zur gnädigsten Bestättigung vorzutragen und Höchstihnen unter Vorlag der dringend- und traurigen Umständen, worin sich die Rheinpfalz befindet, gehorsamst zu überlaßen, ob durch Abgebung einiger der Höchstihnen zugefallenen Papieren dieselbe unterstüzet, fort welcher Antrag diesfalls genehmiget werden wolle.

Die beyden Mannheimer Abgeordnete entfernten sich hierauf, und es wurde mit Vornahm einiger dringender Landes-Geschäfften fürgefahren.

[2.] Vortrag Stephan v. Stengel: Wegen der Gefährdung der bayerischen Salzämter Lindau und Buchhorn3 empfiehlt der Salinen-Oberkommissar Johann Sebastian v. Claiss den Abzug aller dort lagernden Gelder. Die Möglichkeiten zur Fortsetzung des Salzhandels in der Region werden erörtert.

[3.] Stand der Durchführung der Zwangsabgabe von den geistlichen Gütern

Vortrag Franz v. Krenner: Stand der Erhebung der Zwangs-Kontribution von den geistlichen Gütern (»15-Millionen-Projekt«). Der Kurfürst solle über die Weiterführung dieser Maßnahme entscheiden. Die einschlägigen Akten werden »auf Begehren« Montgelas übergeben.

[3.] {3v} Herr Geheimer Referendär von Krenner erstattete über die Laage der auf die hierobige Geistlichkeit ausgeschriebenen Contribution mündlichen Vortrag und legte dem versammelten Ministerio die Fragen geziemend vor, ob Seine izt regierende Churfürstliche Durchleucht die hiezue erhaltene päbstliche Bulle zur Ausübung bringen laßen wollten, wovon die Verbescheidung der übrigen, aus der ersten fließende Punkten abhange.

Hierüber wird Seiner Churfürstlichen Durchleucht unterthänigster Vortrag zu erstatten und dero höchste Entschließung einzuhohlen seyn. Inzwischen ward Seiner Excellenz, dem Herrn Minister Herrn von Monjellaz der Bericht der Geistlichen Güther Contribution4 mit den dazu gehörigen 6 Referaten auf Begehren zugestellet.

[4.] Finanzierung von Hoftheater und Hofmusik

Vortrag Steiner: Empfiehlt angesichts der Anforderungen des Intendanten Graf Seeau für Hofmusik und Hoftheater, künftige Zuschüsse auf 20.000 fl. pro Jahr zu begrenzen. Mit Seeau sei zu klären, ob er das Amt unter diesen Umständen weiterführen oder an eine neue Direktion abtreten wolle. Eine neue Direktion habe auf jeden Fall jährlich genau über Einnahmen und Ausgaben abzurechnen. Seeau solle außerdem Angaben zum Verbleib des ihm überlassenen Theaterfundus machen.

[4.] Herr Geheimer Referendär Steiner verlaß ein schriftliches Referat über die Anforderungen des Theater und Music Intendanten Graffen von Seeau, wenn er nach dem höchsten Willen Seiner Churfürstlichen Durchleucht den 26. dises Monats in dem großen Hoftheater spielen laßen sollte. Darin wurde die beträchtlich- jährliche Unterstüzung, die er aus dem Aerario an Geld- und durch sonstig- beträchtliche Vortheile, der freyen Hof-Music, Ballet, Garderobe und Decorationen erhalten, auseinandergesezet und angetragen, künftig an Geld mehr nicht als jährlich 20,000 fl. aus der Casse beyzutragen, welche, wenn Ordnung in der Einnahm und Ausgabe eingeführet würde, mit der jährlichen Erträgnüß aus dem Abonnement und Einnahme {4r} sicher hinreichen würde, fort den Graffen von Seeau per Rescriptum zu vernehmen, ob er es dagegen fortführen wolle oder nicht? Auf den Falle der Weigerung wäre sohin die Theater Entreprise, und was dazu gehöret, einer aufzustellenden anderen Direction unter den angetragenen Begünstigungen, yedoch unter der weiteren Verbindlichkeit, jährlich über alle Einnahm und Ausgabe genaue Rechnung abzulegen, zu überlaßen, Herrn Graffen von Seeau aber zur Auszeigung, wo er die churfürstliche, in Verwahr gehabte Opera und Theater Garderobe und Decorationen hingebracht, durch churfürstliche Hof Cammer anhalten zu laßen. Ob die zu diesem Fond bestimte 20,000 fl. aus der Cameral oder Cabinets-Casse angewießen werden wollten, henge von der höchsten Bestimmung [Seiner] Churfürstlichen Durchleucht ab.

Seiner [Churfürstlichen] Durchleucht ist der Verhalt dieser Umständen vorzulegen und dero höchste Entschließung hierüber zu erbitten.

Anmerkungen

1
Rupprecht war Stadtdirektor in Mannheim und in dieser Funktion Vorsteher sowohl des Stadtrats wie des Stadtgerichts (HStK 1799, S. 145f.)
2
Zu dieser Institution, dem dreiköpfigen Leitungsgremium der pfälzischen Regierung, vgl. Gigl, Zentralbehörden, S. 31.
3
Heute Friedrichshafen.
4
Das hier genannte Dokument ist aller Wahrscheinlichkeit nach das ausführliche Gutachten (»Haupt-Bericht«) der Kontributions-Kommission über die Durchführung des »15-Millionen-Projekts« vom 17. November 1798 (BayHSta MF 11540/I, Nr. 10). Zu diesem Versuch aus der letzten Regierungsphase Karl Theodors, auf der Grundlage einer päpstlichen Ermächtigung in den pfalzbayerischen Staaten befindliche geistliche Güter im Wert von 15 Millionen Gulden zu verkaufen, vgl. Stauber, Finanznot, S. 111-125.