BayHStA Staatsrat 381, Nr. 24 17 Seiten. Unterschriften der Minister Montgelas, Morawitzky, Hertling. Datum der Genehmigung durch den Kfst. (mit einer halben Seite Nachtrag Kobells): 26. September 1801.

Anwesend: Montgelas, Morawitzky, Hertling; [MA:] Zentner, Bayard, [MF:] Krenner jun., Hartmann, Steiner, Schenk [MJ:] Löwenthal, Stengel, Stichaner, [MGeistl:] Branca.

1. Montgelas legt die kurfürstlichen Resolutionen zu den Entscheidungen des Staatsrats vom 16. September 1801 vor. Außerdem unterbreitet Zentner seinen Entwurf für eine Verordnung zur neuen Titulatur des Kurfürsten419, der bei den Ministerialdepartements zur Stellungnahme in Umlauf gesetzt wird.

2. Vortrag Krenner jun.: Weiterleitung des Gratifikationsgesuchs des Sekretärs Brugger zur Begutachtung durch die Kriegsdeputation.

3. Vortrag Krenner jun.: Die Kriegsdeputation äußert Bedenken, dem im Staatsrat bereits mehrfach behandelten Gesuch des Bräuverwalters Kropf aus Haag um einen Vorschuß auf die Rückzahlung der Einquartierungskosten420 zu entsprechen. Krenner schließt sich dieser Meinung an und gibt zu bedenken, zunächst müsse eine allgemeine Entscheidung, »wie den durch Quartier fremder Truppen beschädigten Beamten ein Ersatz geleistet werden könne«, getroffen werden.

4. Vortrag Krenner jun.: Der Bericht der Kriegsdeputation über die Vergütungen für Mehlkäufe, den der Kurfürst mit Kabinettsordre vom 31. Juli 1801 angefordert hatte421, wird an das kurfürstliche Kabinett weitergeleitet.

5. Vortrag Branca: Beibringung von entbehrlichem Kirchensilber aus den Garnisonen Amberg und Rothenberg (Krs. Nürnberger Land).

6. Vortrag Löwenthal: Besetzung des Landrichteramts Höchstädt (Krs. Dillingen) mit Franz Xaver Binner und des dadurch freiwerdenden Landgerichts Neuburg mit Martin Kappaun, bisher Landrichter von Burgheim (Krs. Neuburg-Schrobenhausen). Die Landgerichte Neuburg und Burgheim sollen bis zur endgültigen Organisation der Verwaltung des Herzogtums Neuburg gemeinsam versehen werden. Christoph von Gropper, Rat der Landesdirektion zu Amberg, der sich ebenfalls um das Amt Höchstädt beworben hatte, aber wegen seiner Kenntnis »in den oberpfälzischen Gränz-Differenzen« für die dortige Landesdirektion unverzichtbar sei, bekomme eine Sonder-Gratifikation von 600 fl. zuerkannt.

7. Vortrag Schenk: Die Frage der Besetzung einer offenen Präbende am Kanonikerstift [St. Martin] zu Emmerich (Krs. Rees) wird dem Kurfürsten vorgelegt.

Kurfürstliche Entschließung dazu 26. September 1801: Verleihung der Präbende an den Pfälzer Spielberger.

8. Die Niederlassungsfreiheit für nichtkatholische Bürger wird vorerst nicht auf die jüdische Bevölkerung ausgedehnt

Zentner legt, nach einer entsprechenden Anfrage der GLD zur Verordnung vom 26. August 1801 über die allgemeine Niederlassungsfreiheit für nichtkatholische Bürger in Altbayern422, in einem Reskriptsentwurf fest, dieses Edikt gelte bis auf weiteres nur für »die christliche[n] Confessionen«, nicht für die jüdische Bevölkerung423.

{4v} 8. Herr Geheimer Rath von Zentner legte einen Reskripts-Entwurf vor, den er zu Beantwortung einer Frage der General Landesdirektion, ob nach den letzten Religions-Edict auch die Juden in den heroberen Staaten sich ansässig machen dürften, gefertiget und wodurch der General Landesdirektion eröfnet wird, daß dieses Edict sich noch zur Zeit nur auf die christliche Confessionen und nicht auf die Juden im Allgemeinen erstrecke, indem ihre bürgerliche Verhältniße erst nach Erhaltung des von den verschiedenen Landesstellen erfoderten Gutachtens {5r} eine besondere Bestimmung erhalten würden. Der Fall wegen dem Piosasquischen Hauskauf, welcher diese Frage veranlaßt zu haben scheine, werde keine Entscheidung erfodern, da nicht actenmäsig bekannt seye, daß derselbe auf einen Juden abgeschlossen worden.

Dieser Aufsatz wurde genehmiget.

9. Maßnahmen zur Hebung der inneren Sicherheit und Erneuerung der Bettelordnung

Stichaner legt, in Erledigung eines Auftrags des Staatrats424, für das MJ nach Abstimmung mit dem General-Quartiermeister, Generalmajor Johann Nepomuk von Triva, einen Plan für die Neuverteilung der in Bayern, Oberpfalz und Neuburg garnisonierenden Regimenter auf die größeren Orte vor, um die Sicherheitslage auf dem Land zu verbessern. In diese Richtung zielt auch der Entwurf eines neuen Generalmandats wegen des Bettelwesens, das im Staatsrat vorgelegt und eingehend besprochen wird425, eine Instruktion an die Militärbehörden und eine Unterrichtung des MA, das die Herrscher der Nachbargebiete zu informieren hat, daß bayerische Militärpatrouillen in Zukunft ermächtigt seien, bei der Verfolgung von Verdächtigen für kurze Zeit auch fremdes Gebiet zu betreten. Alle Landrichter sollten künftig jährlich die Zahl der Armen in ihrem Bezirk tabellarisch an die GLD melden. Eigene Maßnahmen, um »liederliche[s] Gesindel« von bayerischem Gebiet fernzuhalten, werden noch im Hinblick auf die Reichsstadt Regensburg und die Salzburger Exklave Mühldorf getroffen. In seiner Entschließung vom 26. September 1801 ordnet der Kfst. die Einbeziehung der »vacirende[n] Jäger« als von der Landesverweisung betroffene Gruppe an und verlangt Bericht über den »Handel der Tyroller nach Baiern« und ggf. dagegen zu treffende Maßnahmen.

9. Herr Geheimer Justiz-Referendär von Stichaner eröfnete dem Staatsrathe, daß nach dem Conferenzschluße vom 10. August dieses Jahres das Geheime Ministerial Justizdepartement sich mit dem Generalquartiermeister von Triva wegen der Landessicherheit und den deswegen von seiten des Militärs zu trefenden Anstalten benommen und eine Trouppen-Dislocation so wie auch die Instruction für die Civil- und Militärstellen entworfen habe, welche er zur Prüf- und Genehmigung des Staatsrathes ablas.

Bei der hierüber gehaltenen Umfrage wurden bei dem entworfenen General Mandat wegen dem Bettelwesen folgende Abänderungen und Zusätze beschlossen:

§ 2 Statt: mit 10 bis 20 Karbatschstreichen gezüchtiget solle gesetzt werden: mit {5v} einer körperlichen Züchtigung beleget.

§ 5 Solle am Ende beigesezt werden: Diese Verfügung ist insbesondere durch die inn- und ausländische Zeitungen bekannt zu machen, damit fremde Reisende sich nach Verfluß von 4 Wochen nicht durch Unwissenheit derselben entschuldigen können.

§ 23 Nach den Worten: Commandirenden Officier zu benehmen solle gesetzt werden: von der demselben besonders ertheilten und mit dieser Verordnung übereinstimmenden Instruction Einsicht zu nehmen, sofort mit ihm etc.

§ 27 Nach den Worten: dem dahin bestimmten Militär Commando solle beigefüget werden: wo selbes nicht in die bestehende Cordonshäuser verlegt werden und gemeinschaftliche Menage pflegen kann, bei den Wirthen, Bräuern oder andern öffentlichen Gasthäusern.

Mit diesen Zusätzen und Abänderungen wurde der Entwurf des General Mandats wegen dem Bettelwesen genehmiget.

{6r} Bei der Instruction für die Militärstellen wurde beschlossen, den Antrag zu machen, daß das Militär angewiesen werde, die Fourage zu quittiren und für den Empfang der Fourage gedruckte Fourage Billeten auszustellen, worauf der Werth einer Ration von 6 Pfund Haber und 10 Pfund guten Heues auf 20 kr. bemerkt seyn solle, damit die Billeten anstatt baaren Geldes bei allen öffentlichen Kassen angenommen werden können.

Dann wo von Besuchung der Wirthshäuser durch die commandirte Mannschaft die Rede ist, den Beisatz zu machen: wo sie nicht einquartieret sind.

Ferner daß die Militärbehören angewiesen werden, ihre Instruction den Civilbeamten zur Kenntnis mitzutheilen.

Auch wurde in dem Staatsrathe beschlossen, daß das Ministerial Justiz-Departement an jenes der Auswärtigen Geschäften ein Communicat in Rücksicht auf die Streifen, wodurch fremdes Territorium betretten {6v} werden könnte, gebe, damit dieses an die mächtigste Nachbarn ein allgemeines Schreiben erlasse, sie von dieser Maasregel, welche man zur allgemeinen Sicherheit ergreife, unterrichte, und sie wegen allenfallsiger Betrettung eines fremden Territorii durch diesseitige Militär Patrouillen beruhige, sie auch zu ähnlichen Anstalten auffodere, und sich zu Entfernung alles Praejudizes zu Ausstellung von Reverse, im Falle es gefodert würde, erbiete.

Zugleich solle auch der General Landesdirektion aufgetragen werden, durch ein Circulare allen Stellen und Landbeamten zu befehlen, über alle in ihrem District sich befindende Arme nach ihren verschiedenen Classen und Eigenschaften eine vollständige Tabelle (wovon ein Formular zu entwerfen und ihnen mitzutheilen) jährlich einzusenden.

Herr Geheimer Referendär von Stichaner fügte noch bei, daß die schlechte Polizei in der Reichsstadt Regensburg in Rücksicht auf die Vaganten und Bettler so {7r} wie die Aufrechthaltung der Landeshoheit gegen Mühldorf einige Verfügungen nothwendig machten, und er deswegen in einem Reskript, welches er ablas, der General Landesdirektion auftragen wolle:

1) den Magistrat zu Regensburg zu erinnern, auf das dort sich gleichsam lagerende lüderliche Gesindel bessere Aufsicht zu tragen und bessere Polizei-Anstalten zu trefen.

2) die Landgerichter Neumarkt, Kreiburg und Neuötting anzuweisen, den Patrouillen Anleitung zu geben, öfter den Burgfrieden in Mühldorf durchzustreifen, und, wo sie verdächtige Leute, welche sich nicht ausweisen können, antrefen, sie zu der nächsten churfürstlichen oder ständischen Gerichtsbehörde nach ihrer Instruction zu liefern.

Dieser Reskripts-Aufsatz wurde genehmiget.

Kurfürstliche Entschließung dazu 26. September 1801:

{10r} Nr. 9) genehmige ich mit dem bey dem 1. § der Verordnung des Bettelweeßens zu machenden Beysatze vacirende Jäger. Zugleich ertheile ich aber auch meinem Staatsrathe den Auftrag, untersuchen zu laßen, welche Beschaffenheit es mit dem Handel der Tyroller nach Baiern habe, in welchem Verhältnüß die dadurch sich ergebende Einfuhr fremder Handels Articel mit der Ausfuhr der Landes Erzeugnüße stehe, ob und welchen Vortheil Baiern dadurch ziehe, welche Verordnungen diesfalls schon erlaßen worden und was für die Zukunft per modum leuterationis hierüber festzusezen seye? Die Resultate dieser Untersuchung sind mir in der Geheimen Staats Conferenz vorzulegen.

10. Vortrag Stichaner: Der Kurfürst wolle dem unverschuldet in Not geratenen Michael Ignaz Werndl, der die für ihn vorgesehene Stelle bei der Regierung in Landshut aus familiären Gründen nicht habe antreten können und deshalb seinen Lebensunterhalt verloren habe, helfen. Werndl wird daraufhin zum Sekretär des Wechselgerichts erster Instanz in München ernannt, die ihm zustehenden Pensionszahlungen durch das MF wieder aufgenommen.

11. Erhebung Johann Gottfried Herders in den Adelsstand

Bayard trägt vor, wie sich der preußische Gesandte beim Regensburger Reichstag, Johann Eustach Graf von Schlitz gen. Görtz, für ein Gesuch von Johann Gottfried Herder, Präsident des Oberkonsistoriums in Weimar, verwendet habe. Herders Söhne hätten Grundbesitz in den Landen des Kurfürsten angekauft; die Familie bitte nun um Verleihung des bayerischen Indigenats und Erhebung in den Adelsstand. Dies wird bewilligt426; gleichzeitig verlangt der Staatsrat von der GLD und der Landesdirektion Amberg ausführliche Gutachten zum adeligen »Einstands[Vorkaufs-]recht«.

{8r} 11. Auf eine Vorstellung des königlich preusischen Comitialgesandtens am Reichstage, Herrn Grafen von Görz, der für den Präsidenten des Ober-Consistorii zu Weimar Herder, dessen Söhne in den churfürstlichen Landen Güter angekaufet haben und noch ankaufen wollen, das baierische Indignat und die Erhebung in den Adelstand für ihn und seine Famille nachsuchet, um sie dadurch nach ihrer Meinung gegen das Einstandsrecht des Landadels zu sichern, machte Herr Geheimer Referendär von Bayard den Antrag, dem zweifachen Gesuche des Präsidenten Herder zu willfahren.

Nach gehaltener Umfrage wurde des

Referenten Antrag genehmiget und zugleich beschlossen, von der hiesigen General Landesdirektion und jener zu Amberg ein ausführliches Gutachten mit Anlegung der vorhandenen Acten über den Ursprung, die Beschaffenheit und sämtlich rechtliche Verhältnisse dieses Einstandrechtes zu erfodern und ihnen aufzutragen, sich auch zu äusern, in wie weit es in Übung seye, und ob, dann welche Dispositionen hiebei schon eingetretten.

12. Vortrag Zentner: Die Rats- und Referendarsstellen beim Hofrat von Jülich-Berg sollen bis zur Umorganisation der Justizverwaltung der Herzogtümer nicht neu besetzt werden.

13. Vortrag Steiner: Vorlage von Plänen für die Nutzung des Gebäudes des vormaligen Theatiner-Klosters durch die Ministerialdepartements und das Revisorium. Das Ministerialdepartement für geistliche Angelegenheiten solle anordnen, daß die noch verbliebenen vier Patres das Gebäude zu verlassen hätten.

14. Vortrag Schenk: Die Einrichtung einer Brandversicherungs-Anstalt im Herzogtum Berg wird genehmigt.

15. Vortrag Zentner: Erteilung des landesherrlichen Konsenses zur hypothekarischen Belastung des Ritterlehens Gern (Krs. Rottal-Inn).

Vorlage der Beschlüsse beim Kurfürsten zur Genehmigung.

Anmerkungen

419
Vgl. Protokoll des Staatsrats vom 16. September 1801, TOP 6), mit der kfstl. Entschließung dazu vom 18. September 1801.
420
Vgl. Protokoll des Staatsrats vom 13. Mai 1801, TOP 3), vom 3. Juni 1801, TOP 11), und vom 2. September 1801, TOP 5).
421
Vgl. Protokoll des Staatsrats vom 19. August 1801, TOP 3).
422
Abdruck: Schimke, Regierungsakten, Nr. 96, S. 502-504.
423
Dieses Reskript »Die nähere Erläuterung des Religionsediktes betreffend«, datierend vom 21. September 1801, abgedruckt bei Mayr, Sammlung, Bd. 2, Nr. VIII.37, S. 369.
424
Vgl. Protokoll des Staatsrats vom 29. Juli 1801, TOP 6).
425
Das Mandat über »Die Errichtung einer Dislocation der Truppen zur Herstellung der innern Landes-Sicherheit und Erneuerung der Bettel-Ordnung« erging unter dem Datum des 5. Oktober 1801; Mayr, Sammlung, Bd. 2, Nr. VII.103, S. 340-347.
426
Johann Gottfried Herder (1744-1803), der amtlichen Stellung nach seit 1789 Vizepräsident, seit Juni 1801 Präsident des Oberkonsistoriums des Herzogtums Sachsen-Weimar, wurde aufgrund des Erwerbs der Hofmark Stachesried (Krs. Cham) durch seinen Sohn Karl Adalbert am 8. Oktober 1801 in den kurpfalzbayerischen Adelsstand erhoben ( ADB 12, S. 98f.; Piendl, Kötzting, S. 52f.).