BayHStA Staatsrat 382 8 Seiten.

Datum der Genehmigung durch den Kurfürsten: 27. November 1802.

Anwesend: Montgelas, Morawitzky, Hertling; [MA:] Zentner, [MF:] Hartmann, Steiner, Schenk, [MJ:] Löwenthal, Stengel, Stichaner, [MGeistl:] Branca.

{1r} 1. Montgelas teilt die Entschließungen des Kurfürsten zu den Anträgen des Staatsrats vom 11. November 1802 mit.

Bestimmung des Bierpreises

Der Preis für Sommer- und Winterbier wird, unterschieden nach dem Ober- und Unterland, verbindlich festgesetzt. Die Generallandesdirektion soll prüfen, ob erlaubt werden soll, neben dem preisregulierten Bier weitere Sorten zu brauen. Das Ministerialfinanzdepartement soll sich zu den Beschwerden der Brauer äußern, die erst ab Michaeli einsieden dürfen.

2. Nach einem umständlich-mündlichen Vortrage über die bei Regulirung des Biersatzes383 zu befolgende Grundsätze, und über {1v} die von der General Landesdirektion dabei zum Grunde gelegte Calculation, dann mit Rücksicht auf die deßfalls mit dem geheimen Ministerial Finanzdepartement gepflogenen Korrespondenz, den Bericht der General Landesdirektion vom 3. laufenden Monats und das besonders abgegebene Präsidial-Votum, machte Herr geheimer Justiz-Referendär von Stichaner den Antrag:

Den Satz des Winterbiers auf 4 kr. 2 *Pfennig* [aufgelöst aus graphischem Abkürzungssymbol] zu bestimmen, den Satz des Sommerbiers aber, wenn die Materialien in den Preisen bleiben, um 2 *Pfennig* [aufgelöst aus graphischem Abkürzungssymbol] höher zu fixiren, und denselben, nach Maasgabe der inzwischen eintrettenden Höherung oder Minderung der Preise, noch zu erhöhen oder herabzusetzen.

Der Unterschied des Ober- und Unterlandes bei dem Biersatze wäre beizubehalten, doch aber die Scheidung der beiden Distrikte nicht nach den politischen Gränzen, sondern nach jenen zu treffen, welche der Gerstenkauf selbst determinirt; übrigens werde die General Landesdirektion anzuweisen seyn, daß sie die Calculation noch immer mehr zu vervollkommen trachte und sie so herstelle, daß sie in jedem künftigen Jahre zur Grundlage der {2r} Bestimmung des Biersatzes gebraucht werden könne.

Ferner würde der näheren Prüfung der General Landesdirektion zu untergeben seyn, ob nicht den Bräuern erlaubt werden könne, nebst dem gewöhnlichen satzmäsigen Biere noch bessere Gattungen nach unbestimmten Preisen zu bräuen.

Endlich würden die verschiedentlich geäusserten Beschwerden der hiesigen Bräuer, daß sie nicht früher als um Michaelis384 einsieden därfen, aus dem Grunde an das geheime Ministerial Finanzdepartement zu verweisen seyn, weil dieser Gewerbszwang größtentheils zum Beßten des weißen Bier-Regals bestehe.

Sämmtliche diese Anträge wurden nach geschehener Umfrage von dem geheimen Staatsrathe genehmiget385.

Ausweitung der staatlichen Kontrolle über den Magistrat der Stadt München

Dem Magistrat der Haupt- und Residenzstadt München wird ein Regierungskommissar mit Kontroll- und Bestätigungsbefugnissen zugewiesen. Im Kompetenzbereich des Magistrats soll neben den »allgemeinen städtischen Angelegenheiten« nur die Kameralverwaltung bleiben. Die »Bürger-Repräsentation« ist neu zu organisieren. Über Stichaners Antrag hinausgehend beschließt der Staatsrat, die neuen Maßregeln auch auf die übrigen »Haupt- und Regierungs-Städte« auszudehnen.

3. Herr geheimer Justiz-Referendär v. Stichaner386 entwickelte aus der älteren und neueren Geschichte den Ursprung und die heutige Verfassung des hiesigen Stadtmagistrats, zeigte das Mangelhafte und Nachtheilige der ganzen Einrichtung desselben vorzüglich der, durch den Wahlbrief von 1795, noch {2v} neuerdings bestättigten Bürger-Repräsentation in dem Ausschuße der 36387; er schloß mit dem Antrage:

Daß dem Magistrate ein Regierungskommissär zur Seite gesetzt werde, welcher von allen Handlungen desselben Einsicht nehme, und derselbe bestättige oder verhindere, je nachdem sie den Gesetzen und den allgemeinen Regierungszwecken gemäß oder zuwider seyen; daß die Polizei-Angelegenheiten mit der bestehenden Polizei-Direktion vereiniget, und letzterer zu dem Ende ein oder zwei Kommissarien des Magistrats beigegeben werden; die Justiz aber nur durch solche Glieder verwaltet werde, welche der Rechte kundig, geprüft, und verpflichtet seyen, so daß der Magistrat, neben den allgemeinen städtischen Angelegenheiten blos die Kameral-Verwaltung zu besorgen behalte, worüber er jährlich der General Landesdirektion Rechnung ablegen müsse. Die nähere Würdigung der inneren Verfassung des Magistrats, könne noch Gegenstand weiterer Überlegung werden; was hingegen die Bürger-Repräsentation betreffe, wenn {3r} dieselbe überall noch fortbestehen soll, so dürfe dies nur unter den Bedingnißen einer Verminderung ihrer Anzahl, einer wesentlichen Beschränkung ihres Wirkungskreises, und einer veränderten Wahl-Art, nicht nach Zünften, sondern nach Bürger-Klassen, geschehen.

Diese Anträge erhielten nach vorgenommener Umfrage die Sanction des geheimen Staatsrathes mit dem Zusatze, daß die darin vorgeschlagene Maasregeln auch auf die übrige Haupt- und Regierungs-Städte ausgedehnt werden sollen388.

4. Die Landrichterstelle zu Mindelheim, die durch die Beförderung [Wilhelm] Freiherrn von Hertlings frei geworden ist, wird auf Antrag Stichaners, der unter verschiedenen von der Generallandesdirektion vorgeschlagenen Kandidaten auswählt, provisorisch mit dem bisherigen Landrichter zu Wemding [Ferdinand] Freiherr von Andriani besetzt.

{3v} 5. Der Staatsrat bewilligt das von Zentner vorgebrachte Gesuch des Archivkanzlisten [Franz] Bube, der eine Gratifikation von 12 Louis d’or wünscht. Bube erhält »für dießmal« die Summe »als Gratification für das ganze Jahr, und nicht vom 1. Jan. bis zum Junius«. Das Gesuch war über Bayard an Zentner gelangt.

Zentner stellt fest, daß in der Entschädigungsforderung der »Salz-Admodiatorn« Schmalz und Seeligmann der rheinpfälzische Kameralfiskus als damaliger Eigentümer der »Haupt-Salinen« der Vertragspartner der Gläubiger bzw. Schuldner ist.

6. Herr geheimer Rath von Zentner erstattete über einen Bericht des rheinpfälzischen General Landeskommissariats, die Entschädigungsfoderung der Salz-Admodiatorn Schmalz und Seeligmann betr. seinen mündlichen Vortrag dahin, daß dieser Bericht dem churfürstlichen Kommissär in Mannheim Frhr. von Reibeld mit dem Auftrage zu übersenden sey: solchen dem rheinpfälzischen General Landeskommissariat mit der Bemerkung zu remittiren, der rheinpfälzische Kameral-Fiskus seye der eigentliche Kontrahent der Schuldner und respee. der Gläubiger; gegen diesen seye jene Foderung gerichtet, daher müsse auch besagter Fiskus, oder dasjenige Kollegium, {4r} welches ihn repräsentire, die Liquidation übernehmen. Es komme hier nicht auf den Ort an, wo die Haupt-Salinen gelegen, sondern wer der Eigenthümer derselben zu jener Zeit gewesen sey, oder dafür habe angesehen werden müssen, von welchem die Foderungen und Gegenfoderungen sich datiren; dieser sey nun offenbar der Fiscus Cameralis in Mannheim gewesen, mit diesem müsse daher auch das ganze Geschäft zu seinem Vortheile oder Nachtheile, nach den erlassenen Vorschriften verhandelt, und entweder im Wege eines Vergleichs, oder durch richterliche Entscheidung berichtiget werden.

In dem ersten hätten sich die Salz-Kontrahenten schon, und zwar unter solchen Bedingungen erbotten, daß man erwarten könne, daß sie von ihren überspannten Foderungen wieder abstehen würden, wenn man sie gleichfalls von aller Nachfoderung und weiteren Verbindlichkeit befreie. Welche Wege dermalen eingeschlagen werden wollen, werde übrigens den weiteren Anträgen des General Landeskommissariats bei desselben geeigneten Behörden überlassen.

Ita conclusum.

{4v} 7. Der Staatsrat stimmt dem Antrag Stichaners zu, der – ausgehend von einem Bericht der Generallandesdirektion – fordert, die »durch die Quiescenz« [Wilhelm] Freiherrn von Frankens erledigte Landrichterstelle zu Kötzting »bis zur definitiven Landes-Organisation noch durch den dortigen Gerichtschreiber« zu verwalten.

Vorlage der Anträge und Entschließungen beim Kurfürsten und Bestätigung.

Anmerkungen

383
Vgl. VO betr. den »braunen Biersatz« vom 14. Dezember 1801, RegBl. 1802, Sp. 17f.; VO betr. den »Biersatz« vom 22. März 1802, ebd. Sp. 233; VO betr. die »Erhöhung des Winter-Biersatzes« vom 10. September 1802, ebd. Sp. 650; VO betr. den »Winterbiersatz« vom 27. September 1802, ebd. Sp. 683.
384
29. September.
385
VO betr. den »Biersatz« vom 30. November 1802, RegBl. 1802, Sp. 839.
386
Stichaner hatte seine Gedanken zuvor in einem Votum vom 31. August 1802 zu einem Vortrag des Rates der Generallandesdirektion Hellersberg entfaltet. Dieser hatte seinerseits – wohl im Juni 1802 – die »Umstaltung des hiesigen Magistrats« behandelt (BayHStA MInn 26613/I, fol. 8 – 13v und Nachtrag, fol. 6). Stichaners Votum: ebd., fol. 15 – 18v; im Auszug bei Schimke, Regierungsakten, Nr. 82, S. 433 – 435.
387
Der Neue Wahlbrief vom 1. Dezember 1795 schrieb den dominierenden Einfluß der Zünfte auf die »kommunalen Aufsichts- und Verwaltungsorgane« (Bauer, Stadt, S. 260) fest. Die neu eingeteilten 72 Zünfte wählten ebenso viele Wahlmänner, die wiederum 36 »bürgerliche Ausschüßer oder Gemeinde-Vertreter« erkoren. Sie waren damit der Zahl nach den Magistratspersonen gleichgestellt. Nach dem Urteil Bauers war mit »diesem Wahlbrief […] der Magistrat erneut dem Wohlwollen der Bürgergemeinde beziehungsweise der Zünfte unterworfen« (ebd.). Druck des Wahlbriefes: MGS Bd. 5, Nr. VIII.114, S. 815 – 822, Zitat S. 816 Art. I.
388
Vgl. die Fortsetzung: Nr. 76 (Staatsrat vom 1. Dezember 1802), TOP 2.