BayHStA Staatsrat 8

7 Blätter. Unterschriften der Minister und des Königs. Protokoll: Kobell.

Anwesend:

König Max Joseph.

Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Morawitzky; Hompesch.

Konstitution für das Königreich Bayern

Vortrag des Ministers Montgelas über die Stellung Bayerns im Rheinbund und daraus sich ergebende Konsequenzen. Auslöser des Vortrags sind während einer Unterredung in Mailand (Dezember 1807) geäußerte Pläne des Kaisers Napoleon, dem Rheinbund durch „organische Geseze“ eine Verfassungsstruktur zu geben. Im einzelnen hat der Kaiser hinsichtlich des Postwesens, des Handels, der Privilegien der Provinzen und der gefreiten Stände sowie der Einführung des Code Napoléon die Ausarbeitung von „General Bestimmungen“ gefordert. Montgelas erörtert vor der Diskussion entsprechender bayerischer Gesetzesentwürfe in einem ersten Schritt die Frage, ob Bayern Mitglied des Rheinbunds bleiben soll oder nicht. Er skizziert die Beziehungen zwischen Bayern und Frankreich seit 1789 vor allem im Hinblick auf die Annäherung der beiden Mächte sowie die gegenwärtige politische Lage. Der König bejaht den Verbleib im Rheinbund, so daß Montgelas den „Entwurf der organischen Geseze der Confederation“ vorträgt. Hieran schließt sich die Frage an, ob die entsprechenden Verfügungen im Entwurf eines Fundamentalstatuts für den Rheinbund oder in einer eigenen bayerischen Konstitution fixiert werden sollen. Der König beschließt, daß Napoleon ein Entwurf der organischen Gesetze des Rheinbunds vorgelegt werden soll. Davon abgesondert ist eine Konstitution für das Königreich Bayern auszuarbeiten. Zudem soll die Vereinbarkeit des in Bayern zu rezipierenden Code Napoléon mit den Landesgesetzen geprüft werden, um die neue Kodifikation alsbald publizieren zu können.

Druck: Doeberl, Rheinbundverfassung, S. 73-79; Teildruck bei Schimke, Regierungsakten, Nr. 6, S. 70-72.

[MA] {1r} Der königliche Geheime Staats und Conferenz Minister Freyherr von Montgelas eröffnete dem versammelten königlichen Ministerio, daß er Seine Königliche Majestaet gebetten, diese Staats Conferenz zu berufen, um über die Verhältnüße Seiner Königlichen Majestät als souveränen König {1v} von Baiern zur Rheinischen Confederation und die organische Geseze dieser Confederation, so wie über die wichtige Frage sich zu berathen: ob Seine Königliche Majestät nach nun vollzogenen Bedingungen des Friedens von Tilsit und hergestellter Ruhe1, es Allerhöchst Ihrem, Ihres Haußes und Landes Intereße angemeßener finden könten, sich von der Rheinischen Confederation zu trennen – oder dabey zu bleiben.

Die Veranlaßung zu diesen Berathungen und vorzüglich zu der lezten Frage liege in einer privat Unterredung, die er Freyherr von Montgelas mit Seiner Majestaet dem Kaiser Napoleon in Mayland bey dem lezten Aufenthalt Seiner Königlichen Majestaet2 über Teutschlands und Baierns Verhältnüße gehabt, und worin der Kaiser Napoleon sich geäüßert, er stelle es Seiner Majestät dem Könige ganz frey, aus der Federation auszutretten oder nicht; nur müße er darauf bestehen, daß die Krone Baiern die mit Franckreich eingegangene Verträge streng beobachte.

Seine Majestät der Kaiser hätten sich aber dabey sehr bestimt erkläret, daß in Teutschland nun etwas geschehen müße, um den unruhigen Zustand, der noch immer da hersche, zu entfernen, und Ruhe und Ordnung zurückzuführen; mit seinem Ruhme seye es unzertrenlich, dieses angefangene Werck ganz zu vollenden, und er erwarte, daß einige der ersten Grundlinien aufgezeichnet würden, worauf die organische Geseze der Confederation zu Vereinigung der Intereßen und Hebung aller Collisionen bestimt werden könten.

{2r} Seine Majestaet der Kaiser Napoleon habe auch einiger General Bestimmungen in den federirten Staaten wegen Einrichtung der Posten, wegen den Commerz Verhältnüßen, wegen den Privilegien der Provinzen und der Befreyten, und wegen Einführung des Code Napoleon auf eine Art erwehnet, daß man sich habe überzeugen konnen, es müße hierin etwas geschehen.

Ehe er Freyherr von Montgelas sich über diese zu treffende General Bestimmungen, und über die Grundlinien der organischen Geseze der Confederation, weswegen er sich mit dem französischen Minister der auswärtigen Geschäfften Champagne3 ebenfalls in Mayland schon benohmen, äüßere, müße er zuvor die aufgeworffene Frage zergliedern, ob Seine Königliche Majestät von Baiern von der Confederation austretten sollen oder nicht?

Nach seiner Überzeugung könne er Freyherr von Montgelas die von dem Kaiser Napoleon geschehene Äüßerung, daß es Seiner Königlichen Majestät von Baiern frey stehe, sich von der Confederation zu trennen, und eben so wie Schweden und Dänemarck ohne alle weitere Verbindungen als jene zu herschen, sich nie von der mit Franckreich geschloßenen offensiv- und defensiv Allianz zu entfernen, nie als aufrichtig und im Ernste gemacht, betrachten.

Es liege dem Kaiser zu viel daran, dieses mit so vieler Sorgfalt und Freiheit errichtete Gebäude der {2v} Federation, wodurch Franckreich einen starken Dam und eine Vormauer in dem kräfftig vereinigten Teutschland erworben, und wodurch es sich eine leichte, schnelle und directe Communication mit Italien bereitet, aufrecht zu erhalten, als daß er so leicht zu geben könne, daß eines der mächtigsten Glieder der Confederation sich loßreiße, und vielleicht mehreren izt verbündeten Fürsten zu einem ähnlichen Schritte den Muth einflöße.

Um die Richtigkeit dieser Ansicht zu begründen, habe er Freyherr von Montgelas einen ausführlichen Bericht über die verschiedene Epochen seit der französischen Revolution und die politische Verhältnüße Baierns in jeder Epoche, die den gegenwärtigen Zustand herbey geführet, für Seine Majestät den König und Seine Königliche Hoheit den Kronprinzen verfertiget4, allein da die Ableßung dieser Arbeit zu viele Zeit hinwegnehmen würde, so müße er sich beschräncken, die Hauptzüge derselben durch mündliche Erläüterungen einsweil zur Kentnüß Seiner Majestät des Königs und der königlichen Minister zu bringen.

Der königliche geheime Staats und Conferenz Minister Freyherr von Montgelas entwickelte nun eine geschichtliche Darstellung der Ursachen, welche die Veränderungen in dem politischen Sisteme Baierns, und die Annäherung an Franckreich erzeuget.

Er schilderte das Benehmen Österreichs {3r} gegen Baiern, die schwankende und unverläßige Unterstüzungen, die man nach den Äüßerungen Rußlands und Preusens von denselben erwarten konte, und zeigte, daß der einzige Ausweeg, der Baiern in seiner krittischen Lage, verlaßen von allen großen bedeutenden Mächten, bedroht von seinem mächtigen Nachbar übrig blieb, jener war, bey Franckreich Hülfe und Schuz zu suchen.

Freyherr von Montgelas stellte eine Übersicht der Laage von Europa auf, wie sie nach dem Luneviller Frieden war5, und führte an, aus welchen Gründen, und durch welche Umstände gedrängt, Baiern seinen ersten Allianz Tractat mit dem kaiserlichen französischen Hofe den 23. September 1805 in Würzburg abschloß6; derselbe laß jene Articel, die darin auf die Integritaet der baierischen Staaten Bezug haben, und die dabey sich befindende geheime Articel ab7, und zeigte daß Baiern mit Vorbedacht alles, was auf die Zertrümmerung der teutschen Constitution und Teutschlands Unabhängigkeit nachtheilig hätte würken können, absichtlich entfernet, und der Vertrag aus diesem Grunde so einfach, als es nach den Umständen möglich geweßen, wäre abgeschloßen worden, die Garantie von Italien8 hätte nicht können umgangen werden, indeme Franckreich ausdrücklich hierauf bestanden. Es wäre zu wünschen geweßen, daß Franckreich damals keinen anderen Alliirten als Baiern gesucht, oder daß die übrigen teutschen Fürsten {3v} mit Baiern gleiche Ansicht der Dinge getheilt hätten, allein Würtenberg, durch den Wunsch nach Vergrößerung geleitet, habe hierauf mit Franckreich einen anderen für Teutschlands Erhaltung schädlichen Tractat geschloßen und dießem Tractat allein müße man Teutschlands Auflößung, und vielleicht auch die ersten Ideen bey Franckreich zu dem erfolgten Federativ Sisteme zuschreiben9.

Freyherr von Montgelas zergliederte das Benehmen Wurtenbergs hiebey, und erwehnte des von dem Fürsten Primas gefasten Gedanckens die Absezung des teutschen Kaißers durch Vorlegung der Punckte, worin derselbe die teutsche Constitution verlezet, vorzubereiten10.

Der Gang des österreichisch-rusischen Krieges wurde nun bis zum Abschluße des Presburger Friedens verfolget, die Bedingungen deßelben auseinander gesezet und gezeiget, daß dieser Friedensschluß ein Meisterstück der französischen Diplomaticer und der gröste Gewinn für Franckreichs Intereße gewesen11.

Freyherr von Montgelas erwehnte hierauf der wichtigen Ordre du Jour, wodurch die Posten, die Güther des teutschen Ordens und der Ritterschafft in den Länder der drey alliirten Mächten Baiern Würtenberg und Baaden denenselben zugewießen wurden12, und fand hierin den ersten Keim der Uneinigkeit und des Mißverständnüßes, welches unter den alliirten teutschen Fürsten in der Folge so bedeutend als ernsthaft wurde; derselbe laß den Tractat, der zu Brün den 10. December und zu Schoenbrun den {4r} 16. Dezember 1805 zwischen Franckreich und Baiern abgeschloßen worden13, und jenen ab, der nach der Rückkunft des Kaisers Napoléon in München den 16. Jänner 1806 zu Beseitigung der Differenzien unter den alliirten teutschen Fürsten zwischen Franckreich, Baiern, Würtenberg und Baaden verabredet wurde und worin eine Mediations Commißion unter dem Vorsitze eines französischen Ministers zu Ausgleichung aller Differenzien angeordnet wurde14.

Freyherr von Montgelas zeigte in welcher Laage Baiern sich damals befunden und aus welchen Gründen man keinen Anstand genohmen, die in Folge dieses Tractats unter Vorsitz des französischen Staats Rathes und Ministers Otto15 hier geschloßene Übereinkunft anzunehmen. Allein Würtenberg habe diese Convention verworffen, und der französische Minister solche aus Mangel hinlänglicher Vollmacht, wie er glaubte, nicht unterzeichnet.

Hiedurch seyen in Teutschland die Unordnungen wieder auf das höchste gestiegen, und durch das Benehmen des Fürsten Primas, der um Regensburg sich zu erhalten, sich hineinführen ließ, den Cardinal Fesch sich zum Nachfolger zu erbitten16; so wie durch eine Hofintrigue bey dem kaißerlichen österreichischen Hofe, wodurch die Übergaabe der Mündungen von Cattaro in rußische Hände veranlaßet worden, auf das äüßerste gekommen, und für Franckreich der längst bearbeitete Zeitpunckt herbeygeführet worden, wo daßelbe mit der Federations Acte vom 12. July 180617 in Paries auftratt und Teutschlands Unabhängigkeit den lezten Stoß gab.

Würtenberg habe nun angefangen {4v} sich anderst zu benehmen, und habe in Paris und München alles angewandt, um der Ratification der Confederations Acte auszuweichen; da Baiern aber mit Würtenberg sich hierüber in nichts habe einlaßen wollen, auch von demselben keine Mittel und Anschläge um dieses zu erreichen angegeben worden; so seyen die Ratification der Confederations Acte von Baiern und den übrigen teutschen Fürsten ertheilet und der gegenwärtige Zustand der Dinge herbeygeführet worden18.

Seit diesem Zeitpunckte, und nach dem Tilsiter Frieden, so wie der Convention mit Österreich vom 11. October 180719 habe sich die Federation entwickelt und es komme nun darauf an, bey den derselben gegeben werdenden organischen Gesezen so viel einzuwürken, als es Baierns Intereße erfordere und die Umstände es gestatten.

Er Freyherr von Montgelas habe nach Benehmung mit dem französischen Minister Champagne einen Entwurf dieser organischen Gesezen verfaßet, den er der allerhöchsten Prüfung und Genehmigung untergeben werde, zuvor aber müße er von Seiner Königlichen Majestät die Entscheidung der Frage erhohlen: Ob Seine Königliche Majestät bey der Confederation des Rheinischen Bundes bleiben wollen oder nicht? Indeme auf den lezten Falle die Umständen sich änderten, und diesen Aufsaz nach Paris zu senden, unnöthig seye; nur müße er noch bemerken, daß in politischer Hinsicht Rußland sich für den Augenblick ganz mit Frankreichs Intereße vereiniget, Preußen durch die Ereichnüße {5r} des lezten Krieges geschwächet, und Baierns Verhältnüße mit Österreich noch sehr gespant seyen, da die Discusionen wegen dem Zillerthale, die zwar gegenwärtig durch das vereinbahrte Provisorium beruhen, zu sehr ernsthaften Auftritten führen können, und die teutsche Ordens Güther in Teutschland ebenfalls der Gegenstand heftiger Discusionen seyn werden.

Nachdeme Seine Königliche Majestät die Meynungen der beyden übrigen Minister über die vorliegende Frage erhohlet und diese sich für die Fortdauer des Verbandes des Königreiches Baiern mit der Federation des Rheinischen Bundes aus mehreren dargelegten Gründen ebenfalls geäüßeret; so erklärten Allerhöchstdieselbe bestimt, daß allerhöchstsie mit ihren gesamten Staaten der Confederation der teutschen Fürsten einverleibet bleiben wollen, und ertheilten Dero geheimen Staats und Conferenz Minister Freyherren von Montgelas den Befehl, den nach Paris zu sendenden Entwurf der organischen Geseze der Confederation vorzutragen.

In Folge dieses allerhöchsten Befehls laß der königliche geheime Staats und Conferenz Minister Freyherr von Montgelas seinen gefaßten Entwurf20 ab, der folgende Bestimmungen in sich begreifet:

I. Über die Versammlung der {5v} Federation und ihre Vorrechte.

II. Über die Organnisation und die Berathschlagungen bey der Versamlung der Fédération.

III. Über die gerichtliche Organnisation.

IV. Über die geistliche Verfaßung.

V. Über die Militär Verfaßung der Federation.

Die darin enthaltene General Bestimmungen beziehen sich

I. auf jene Urtheile, die von den Gerichtsstellen eines federirten Staates gefaßet werden, und in allen übrigen Staaten exequiret werden müsten; so wie auch die nöthige Pareatis Briefe niemahl verweigert werden könten, so bald sie in den gewöhnlichen Formen nachgesuchet würden.

II. Auf die Einrichtung der Posten und der Tariffe und

III. auf die Commerz Verhältnüße in den federirten Staaten.

Nachdeme der königliche geheime Staats und Conferenz Minister Freyherr von Montgelas diesen Entwurf zu den organischen Gesezen der Federation und die hierauf Bezug habende 3 General {6r} Bestimmungen abgeleßen hatte, ging derselbe zu den Verfügungen über, die nach dem bestimten Wunsche Seiner Majestät des Kaisers, dem schwehr auszuweichen seyn würde in Baiern rücksichtlich der Privilegien der Provinzen, und jener des Adels die nicht persönlich, so wie des Code Napoleon eingeführet werden sollen.

Er frage sich aber zuvor an, ob Seine Königliche Majestät diese Verfügungen in dem Entwurfe der organischen Geseze der Federation aufgenohmen wißen wolten, oder ob allerhöchstdieselbe abgesöndert von diesen eine Constitution für das ganze Königreich gleich und ohne vorheriges Benehmen mit dem französischen Ministerio der auswärtigen Geschäfften wollten entwerfen und proclamiren laßen, welche die Wünsche des Kaisers Napoleon in sich faße, und für alle Provinzen des Königreichs, die in einen Gesamtstaat umgeschmolzen werden müsten, gleich verbindlich seyn müße. Auf die erfolgte Entscheidung Seiner Königlichen Majestät hierüber werde er seine weitere Anträge diesfalls vorlegen, indeme er bereit seye, die Grundzüge dieser neuen Constitution, die er schon bearbeitet, gleich zu entwerffen und vorzutragen.

Sollten aber Seine Königliche Majestät diesen Gegenstand, der in alle Theile der Staats Administration eingreife, und der Allerhöchsdenenselben [!] nach seiner Meynung in seinem ganzen Umfange mit einmahl vorgetragen werden {6v} müste, um das ganze übersehen zu können, durch die einschlagende Ministerial Departements noch zuvor bearbeiten zu laßen, sich allergnädigst entschließen; so trage er Freyherr von Montgelas an, den einschlagenden Ministerial Departements die allerhöchste Weißung zu ertheilen, nach den Grundzügen der vorliegenden Constitution des Königreiches Westphalen21 eine alle Theile der Staats Administration in sich fassende Constitution für das Königreich Baiern, welches künftig mit allen seinen Provinzen nur einen Staats Cörper ausmachen darf, zu entwerffen und zur Allerhoechsten Prüfung und Genehmigung in einer Staats Conferenz vorzutragen; zugleich auch dem Königlichen Geheimen Justiz Ministerio den Befehl zu ertheilen, daß da Allerhöchsdieselbe [!] sich entschloßen, in dem Königreiche Baiern den Code Napoleon als Grundlaage einer allgemeinen Civilgesezgebung für das gesamte Reich anzunehmen, daßelbe durch eine anzuordnende Commißion die hiernach nöthige Vorarbeiten herstellen und prüfen laßen solle, auf welche Art derselbe mit den bisher bestandenen Grundsäzen und Landesgebräuchen in Übereinstimmung gesezet und zur allgemeinen Norme und Richtschnur im ganzen König-Reiche, so bald immer thunlich, publiciret werden könne. {7r} Die Resultate dieser Arbeiten wären alsdann von dem Justiz Ministerio Seiner Königlichen Majestät ebenfalls zur Prüfung und Genehmigung in einer Staats Conferenz vorzutragen22.

Seine Königliche Majestät von Baiern genehmigen, daß der von Dero Geheimen Staats und Conferenz Minister Freyherrn von Montgelas verfaste Entwurf der organischen Geseze für die Federation der Teutschen Staaten mit den schon getroffenen Änderungen nach Paris gesendet werde, wollen aber, daß in demselben von den Verfügungen, die in dem Königreiche Baiern getroffen werden, nichts aufgenohmen, sondern Baierns Constitution abgesöndert von diesem Entwurfe verfaßet und proclamiret werden solle.

In deßen Folge haben Seine Königliche Majestät die Antrage des Freyherrn von Montgelas, wegen Entwerffung einer Constitution für das gesamte Königreich nach den Grundlinien der vorliegenden Constitution des Königreiches Westphalen, und wegen Annahm des Code Napoleon in dem gesamten Königreiche allergnädigst genehmiget, und erwärtigen die Vorlaage der nun hiernach zu fertigenden {7v} Arbeiten zur allerhöchsten Prüfung und Genehmigung von den einschlagenden Ministerial Departements.

Bestätigung der „Beschlüße“ durch den König.

Anmerkungen

1

Im Kontext der Schaffung eines napoleonischen Hegemonialsystems markierte der Friede von Tilsit – am 7. Juli 1807 zwischen Frankreich und Rußland, am 9. Juli zwischen Frankreich und Preußen abgeschlossen – eine wichtige Etappe. Preußen trat alle Länder zwischen Rhein und Elbe zur freien Verfügung Napoleons ab; dies diente vornehmlich dazu, das Königreich Westphalen zu schaffen, einen Napoleonidenstaat unter Jérôme Bonaparte (Vertrag vom 9. Juli, Artt. 7 u. 8). Preußen trat auch die bis 1772 zum Königreich Polen gehörigen Provinzen ab, aus denen das vom König von Sachsen regierte Herzogtum Warschau gebildet wurde (ebd., Art. 15). Der König von Preußen gebot fortan noch in den Provinzen Neumark, Kurmark, Pommern, Ost- und Westpreußen, Schlesien und in dem rechtselbisch gelegenen Teil des Herzogtums Magdeburg (Art. 2); das Staatsgebiet war um etwa die Hälfte verkleinert worden. Belastend kamen in der Konvention von Königsberg vom 12. Juli 1807 erhebliche Kriegskontributionen hinzu. „Die einstige norddeutsche Großmacht war […] auf den Rang einer mittleren Macht reduziert worden“. Damit korrespondierte der Ausbau der französischen Vorherrschaft in Mitteleuropa, sei es durch den Rheinbund, sei es durch die Einsetzung von Verwandten Napoleons als Herrscher in etlichen Staaten, sei es durch die Errichtung der Kontinentalsperre, der sich nach und nach Spanien, Preußen, Österreich, Dänemark, Portugal, Schweden und der Kirchenstaat anschlossen. Das in Tilsit geschlossene Bündnis Napoleons mit dem russischen Zaren Alexander I. löste schließlich weitreichende Zielprojektionen aus, unter anderem die Beherrschung des europäischen Kontinents durch die beiden Flügelmächte. Druck der Vertragstexte bei Kerautret, Documents Bd. 2, Nr. 48, S. 278-290 bzw. Nr. 49, S. 291-300. Vgl. Fehrenbach, Vom Ancien Régime, S. 52; Erbe, Revolutionäre Erschütterung, S. 324-326 (Zitat S. 326); François, Hegemonialsystem, S. 74f.

2

Die Besprechungen in Mailand fanden im Dezember 1807 statt; dazu Weis, Montgelas Bd. 2, S. 363-365.

3

Jean-Baptiste de Nompère de Champagny (1756-1834), 1801-1804 französischer Gesandter in Wien, 1804-1807 Innen-, 1807-1811 Außenminister.

4

BayHStA MA 12, nicht foliiert. Der Bericht umfaßt 34 Blätter und ist mit Ausschluß des oben angesprochenen zeithistorischen Abschnitts (Bl. 12v-34v) teilweise ediert: Doeberl, Rheinbundverfassung, Nr. 6, S. 65-73.

5

Der Friede von Lunéville vom 9. Februar 1801 zwischen Frankreich, Österreich und dem Reich beendete den Zweiten Koalitionskrieg und bestätigte den Friedensvertrag zwischen Frankreich und Österreich von Campo Formio vom 17. Oktober 1797. Österreich mußte die Unabhängigkeit der von Frankreich geschaffenen Satellitenstaaten in Holland, der Schweiz und Italien gewährleisten und die habsburgische Sekundogenitur im Herzogtum Toskana preisgeben. Dazu kam der Verzicht des Kaisers auf Belgien und Lüttich, vor allem aber erhielt die französische Republik endgültig das gesamte linke Rheinufer. Die Fürsten, die linksrheinische Besitzungen verloren hatten, sollten auf rechtsrheinischem Reichsgebiet entschädigt werden: „[…] l’Empire sera tenu de donner aux princes héréditaires qui se trouvent dépossédés à la rive gauche du Rhin, un dédommagement qui sera pris dans le sein dudit Empire, suivant les arrangements qui, d’après ces bases, seront ultérieurement déterminés“ (Art. 7). Das durch Säkularisierungen und Mediatisierungen unter Aufsicht Frankreichs zu vollziehende Entschädigungsgeschäft leitete „eine vollkommene territoriale Umwälzung, darüber hinaus aber auch eine tiefgreifende Verfassungswandlung“ (Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 41) ein. Die geistlichen Fürstentümer verschwanden; gleichzeitig bildete sich ein „überschaubare[s] System potenter und auf die Zuerkennung der vollen Souveränität bedachter Mittelstaaten“ (Duchhardt, Verfassungsgeschichte, S. 248) heraus: „An Stelle eines unübersehbaren Gemenges autonomer politischer Parzellen entstand durch Zusammenlegung ein dem Wesen des modernen Flächenstaats stärker entsprechendes Territorialgefüge […]“ (Huber, S. 41). – Text des Friedensvertrages bei Kerautret, Documents, Bd. 1, Nr. 20, S. 163-171, Zitat S. 167. Weitere Drucke: Döllinger, Sammlung Bd. 1, S. 116-121 (mit weiteren Drucknachweisen); deutsche Übersetzung: MGS [N.F.] Bd. 2, Nachtrag Nr. 43, S. LVI-LX.

6

Der im Landhaus des Ministers Montgelas in Bogenhausen am 25. August 1805 von diesem und dem französischen Gesandten Otto in Gegenwart des Kurfürsten unterzeichnete Beistandsvertrag wurde zunächst auf den 24. August zurückdatiert, den Jahrestag des bayerisch-französischen Vertrags von 1801 (Drucke: RegBl. 1802, Sp. 32-37; MGS [N.F.] Bd. 2, Nr. VII.115, S. 336-338; dazu Weis, Montgelas Bd. 2, S. 59f.). Der zunächst geheimgehaltene, in Würzburg am 28. September 1805 ratifizierte Allianzvertrag wurde an diesem Tag auf den 23. September datiert, um den Eindruck zu erwecken, er sei die Reaktion auf den Einmarsch der österreichischen Armee in Bayern. Drucke: Gmeinwiser, Politik, S. 224-226; Kotulla, Verfassungsrecht Bd. 2, Nr. 260, S. 457-459 (gibt den Text nach dem Vertragsexemplar BayHStA Bayern Urkunden 1335), deutsche Übersetzung S. 460f.; Kerautret, Documents, Bd. 2, Nr. 14, S. 86-90. Zu Entstehung und Datierung des Vertrags: Weis, Montgelas Bd. 2, S. 270-278, 299; eingehend zum „Übergang zum Militärbündnis mit Frankreich 1804/05“ ebd. S. 259-330.

7

Frankreich garantierte Bayern „l’intégrité de toutes ses possessions“ gemäß den Bestimmungen des Reichsdeputationshauptschlusses vom 24. Februar 1803 (dazu eingehend Knecht, Reichsdeputationshauptschluß). Die Garantie erstreckte sich auf „tous les droits et prérogatives appartenant au territoire Bavarois“, namentlich im Hinblick auf den von der böhmischen Krone gelösten Teil der Oberpfalz, die Ansprüche gegen die Reichsritterschaft sowie auf den 1803 entgangenen Erwerb Eichstätts, die Zurückweisung des gegen die bayerischen Besitzungen in Schwaben angewendeten kaiserlichen Heimfallrechts, schließlich die Stimmen der säkularisierten geistlichen Territorien am Reichstag und in den Reichskreisen (Art. 1). Zudem versprach Frankreich Beistand, wenn Bayern bei der Durchsetzung seiner genannten Rechte und Ansprüche ernsthaft bedroht oder angegriffen würde. Das galt sowohl für den Fall, daß der Angreifer für sich selbst handelte als auch, wenn er Beschlüsse der Reichsinstitutionen („Tribunaux de l’Empire“) exekutierte (Art. 2). In einem gesonderten Artikel sagte Frankreich eine hinreichende Unterstützung („subside suffisant“) zur Versorgung und Besoldung der Armee für den Fall zu, daß der Kurfürst in einem möglichen Krieg vorübergehend seine Besitzungen verlöre. Zitate bzw. deutsche Paraphrase nach Kotulla, Verfassungsrecht Bd. 2, S. 457f., 459-461.

8

Frankreich forderte seit Beginn der Bündnisverhandlungen im November 1804 von Bayern die Unterstützung seiner Italienpolitik. Im Bogenhausener Vertrag wurde diesbezüglich folgendes vereinbart (Art. 3): „En considération des secours efficaces que S. M. I. et R. accordera à S. A. S. E. toutes les fois que les intérêts de la Bavière se trouveront lésés, l’Electeur contracte de son côté l’engagement formel d’unir tous ses efforts à ceux de S. M. pour maintenir l’intégrité des limites actuelles de l’Empire Français et du Royaume d’Italie, et pour repousser l’agression qui serait dirigée contre les Etats de S. M.“ Kotulla, Verfassungsrecht Bd. 2, Nr. 260, S. 458.

9

Anspielung auf den in Ludwigsburg am 5. Oktober 1805 zwischen Frankreich und Württemberg geschlossenen Allianzvertrag, in dem Napoleon Kurfürst Friedrich unter anderem „la souveraineté pleine et entière de ses États et des territoires qui y sont ou pourraient être enclavés“ (Art. 9) garantierte. Druck: Kerautret, Documents Bd. 2, Nr. 17, S. 98-102, Zitat S. 101. Überlegungen zur Einschätzung der Souveränitätsgarantie durch Montgelas bei Quint, Souveränitätsbegriff, S. 157-159.

10

Anfang November 1805 äußerte Dalberg, Kaiser Franz II. habe aufgrund seiner Verstöße gegen die Wahlkapitulation und die Reichsverfassung, wie sie insbesondere in der Besetzung Bayerns durch österreichische Truppen deutlich wurde, die Kaiserwürde verwirkt. Eine Restauration der kaiserlichen Würde glaubte er „von Napoleon als Nachfolger des Habsburgers im Kaisertum […] erwarten zu dürfen“. Vgl. Bitterauf, Geschichte, S. 211f.; Rob, Dalberg, S. 400; Zitat: Luttenberger, Dalberg, S. 70.

11

Der Friede von Preßburg vom 26. Dezember 1805 zwischen Österreich und Frankreich beendete den Dritten Koalitionskrieg und enthielt u.a. folgende Bestimmungen: Frankreich blieb weiterhin „im Besitz der vollkommenen Eigenthümlichkeit und Souveränität von allen jenseits der Alpen gelegenen Herzogthümern, Fürstenthümern, Herrschaften und Gebieten“, die es schon vor dem Friedensschluß besessen hatte oder die der französischen Verwaltung unterstanden hatten (Art. 2). Österreich verzichtete auf den kürzlich erworbenen Teil Venedigs und und erkannte die Besitzveränderungen an, die Napoleon in bezug auf die Fürstentümer Lucca und Piombino getroffen hatte (Artt. 3 u. 4). Der „Kaiser von Deutschland und Oesterreich“ akzeptierte Napoleon als König von Italien, doch sollten die Kronen von Italien und Frankreich nicht dauerhaft „auf dem nämlichen Haupte“ vereinigt bleiben. Im Gegenzug sagte Kaiser Franz zu, den von Napoleon ernannten Nachfolger im Königreich Italien anzuerkennen (Art. 5).

Im Hinblick auf Bayern hatte der Preßburger Frieden erhebliche territoriale Veränderungen zur Folge: Es erhielt von Österreich die Markgrafschaft Burgau, das Fürstentum Eichstätt, den salzburgischen Teil von Passau, die Grafschaft Tirol mit den Fürstentümern Brixen und Trient, „die sieben Herrschaften im Vorarlbergischen mit ihren Inklavirungen“, die Grafschaften Hohenems und Königsegg-Rothenfels, die Herrschaften Tettnang und Argen sowie die Stadt Lindau (Art. 8). Dazu kam die Reichsstadt Augsburg (Art. 13). Dagegen trat Bayern das Fürstentum Würzburg an den Großherzog von Toskana ab (Art. 11). Von weitreichender verfassungsrechtlicher und politischer Bedeutung wurde die Annahme des Königstitels durch die Kurfürsten von Bayern und Württemberg, auch wenn sie damit nicht aufhörten, „Glieder des deutschen Bundes [confédération germanique] zu sein“ (Art. 7). Zugleich garantierte Napoleon den Monarchen von Baden, Bayern und Württemberg die Ausübung der „vollständigste[n] Souveränität und alle[r] Gerechtsame“ über ihre alten und neuen Länder in der Weise, wie sie der Kaiser und der König von Preußen in ihren jeweiligen Staaten ausübten (Art. 14). Aufgrund der Veränderung der „bisherigen äußern und innern staatsrechtlichen Verhältnisse“ durch die Gebietsgewinne wurde der Friede von Preßburg, insofern er die „Souveränitäts-Rechte“ betraf, von König Maximilian Joseph am 31. Januar 1806 zum „pragmatische[n] Gesetz“ erklärt; es folgte die Veröffentlichung im Regierungsblatt vom 19. Februar. – Drucke: RegBl. 1806, S. 50-64 (Synopse des französischen Urtextes und einer deutschen Übersetzung, hieraus die Zitate; textidentisch gedruckt bei Kotulla, Verfassungsrecht Bd. 2, Nr. 263, S. 464-476); v. Oer, Friede, S. 271-279; Kerautret, Documents, Bd. 2, Nr. 24, S. 131-140. Vgl. zum Preßburger Frieden die diplomatiegeschichtliche Darstellung v. Oer, Friede.

12

Vermutlich Hinweis auf den „Ordre du Jour“ vom 19. Dezember 1805, mit dem Napoleon seine Truppen anwies, die Kurfürsten von Bayern, Württemberg und Baden bei der Inbesitznahme der Domänen der Reichsritter zu unterstützen. Legitimiert wurde dies mit der von Napoleon den Kurfürsten garantierten „souveraineté pleine et entière de leurs etats“, was die drei Monarchen zu souveränen Herrschern mache „comme l’Empereur d’Allemagne l’est dans ses possessions héréditaires d’Autriche, et le Roi de Prusse en Brandenbourg“. Zudem seien die Territorien der Reichsritter Rekrutierungsorte österreichischer Werbungen gewesen (Druck: Zwehl/Ritthaler, Politik, Nr. 50 Anlage 1, S. 249; Staats-Archiv Bd. 15, S. 108f.; vgl. Quint, Souveränitätsbegriff, S. 194). Am 16. November hatte Napoleon Kurfürst Friedrich von Württemberg mit Schreiben aus Schönbrunn empfohlen, die Güter des Deutschen Ordens in seinem Territorium zu beschlagnahmen und eine eigene Post einzurichten (Napoléon Bonaparte, Correspondance générale, Bd. 5, Nr. 11111, S. 855f., hier S. 855; vgl. Schneider, Württemberg, S. 407f.).

13

Der wenige Tage nach der für Napoleon siegreichen Dreikaiserschlacht von Austerlitz unterzeichnete Vertrag von Brünn zwischen Bayern und Frankreich (10. Dezember 1805) regelte detailliert die grundsätzlich bereits zugesagte Entschädigung, die Bayern für seinen militärischen Einsatz an der Seite Frankreichs erhalten sollte. Der Bogenhausener Vertrag wurde bestätigt (Art. 13). Napoleon sicherte Bayern die erbliche Königswürde zu (Art. 1). Gleichzeitig sollte Bayern Teil des „territoire de l’Empire d’Allemagne“ bzw. der „Confédération germanique“ bleiben (Art. 2). Erhebliche Gebietsgewinne wurden in Aussicht gestellt: Napoleon versprach, Bayern im künftigen Friedensvertrag mit dem Kaiser die Markgrafschaft Burgau, die Fürstentümer Eichstätt und den Rest von Passau, Vorarlberg, die schwäbischen Graf- bzw. Herrschaften Hohenems, Tettnang, Argen, Isny, Königsegg-Rothenfels, das Fürstentum Lindau sowie die Reichsstadt Augsburg zu verschaffen (Artt. 4 u. 5). Dazu paßte, daß der Kaiser „d’Allemagne et d’Autriche“ angehalten werden sollte, auf seine Souveränitäts- und Suzeränitätsrechte in den nunmehr bayerischen Besitzungen zu verzichten (Art. 6). In einer in Schönbrunn am 16. Dezember unterzeichneten geheimen Übereinkunft wurde zusätzlich als Ziel künftiger Verhandlungen bestimmt, daß Bayern die Markgrafschaft Ansbach erhalten sollte. Im Gegenzug stimmte Bayern zu, das Herzogtum Berg an einen von Napoleon bestimmten Fürsten „du Saint Empire Romain“ abzutreten. Druck der Vertragstexte bei Kerautret, Documents Bd. 2, Nr. 20a u. 20b, S. 112-117; Zwehl/Ritthaler, Politik, Nr. 42 Anlage, S. 232-234, Nr. 46 Anlage 1, S. 241f. Dazu Weis, Montgelas Bd. 2, S. 310-312; von Oer, Friede, S. 132-135.

14

Druck des geheimen Allianzvertrags zwischen Frankreich, Bayern, Württemberg und Baden vom 16. bzw. 21. Januar 1806 bei Obser, Politische Correspondenz Bd. 5, Nr. 524, S. 518-522. König Friedrich I. von Württemberg lehnte die Unterzeichnung des Vertrags „als unerträgliche Beschränkung seiner Souveränität ab“ (Weis, Montgelas Bd. 2, S. 334), wie sie insbesondere durch die Einrichtung einer Mediationskommission in Paris (Art. 2 des Allianzvertrages, Obser, S. 519) zu gewärtigen gewesen wäre. Vgl. Obser, Nr. 526, S. 523-525 (württembergische Randbemerkungen zum Allianzvertrag, 20. Januar 1806).

15

Louis Guillaume Otto (1754-1817) trat 1777 als Sekretär der französischen Gesandtschaft in München in den diplomatischen Dienst ein. Von Oktober 1803 bis Januar 1810 wirkte er als Gesandter in München, danach bis 1813 in Wien. Näheres zur Karriere bei Henri-Robert, Dictionnaire, S. 280-283; Tulard, Dictionnaire, S. 1276 s.v. O. (J. Tulard); Repertorium Bd. 3, S. 119, 127; Kerautret, Documents, Bd. 2, S. 515.

16

Im Frühjahr 1806 verdichteten sich Pläne, Kardinal Joseph Fesch (1763-1839), einen Stiefonkel Napoleons, als Koadjutor und somit Nachfolger Dalbergs zu installieren, nachdem andere Vorhaben sich zerschlagen hatten. Am 6. Mai 1806 wurde Fesch, seit 1802 Erzbischof von Lyon, seit 1803 Kardinal und französischer Gesandter am päpstlichen Hof, seit 1805 Großalmosenier des Kaiserreichs und Mitglied des Senats, von Dalberg vertraglich als Koadjutor akzeptiert. Der Koadjutorbestellung blieb sowohl die kaiserliche als auch die päpstliche Approbation versagt. Vgl. Färber, Kaiser, S. 81-92; Luttenberger, Dalberg, S. 72f.; Huber/Huber, Staat und Kirche, Nr. 12, S. 30 (Auszug aus dem Vertrag vom 6. Mai 1806).

17

Gemeint ist die Rheinbundakte, also der völkerrechtliche Vertrag vom 12. Juli 1806 zwischen dem „zum Protektor des Bundes“ (Art. 12) proklamierten Kaiser der Franzosen und 16 deutschen Königen und Fürsten. Die „Konföderations-Akte der rheinischen Bundes-Staaten“ begründete den Rheinbund als staatenbündische Vereinigung deutscher Staaten unter französischem Protektorat, dessen Inhalt allerdings weder rechtlich vorgegeben noch im Vertrag näher ausgeführt war: „Der Protektor mußte seine Stellung selbst erfinden“ (Steiger, Völkerrecht, S. 47). – Die Unterzeichnerstaaten verpflichteten sich, aus dem Reich auszutreten (Art. 3) und gewannen dadurch die „Rechte der Souverainität“ nach innen (Art. 26). Nach außen waren die Rheinbundstaaten durch eine Militärallianz an Frankreich gebunden (Art. 35). Ein (nie zusammengetretener) Bundestag sollte die Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse verhandeln (Art. 6) und Streitigkeiten beilegen (Art. 9). Dem Bundestag stand der ehemalige Reichsvizekanzler vor, der nun die Bezeichnung „Fürst Primas“ führte (Art. 4); er wurde vom Protektor ernannt (Art. 12). Zugleich oblag es dem Fürstprimas Dalberg, ein „Fundamentalgesetz“ zu entwerfen, das namentlich die Verhandlungsgegenstände, die Modalitäten der Beschlußfassung und den Vollzug der Beschlüsse des Bundestages regeln sollte (Art. 11). Ein am 4. August 1806 von Dalberg dem Protektor Napoleon übermittelter Entwurf eines Fundamentalstatuts wurde allerdings nicht akzeptiert, wie es auch später nicht zu einem weiteren institutionellen Ausbau des Rheinbunds kam.

Die Rheinbundakte ist (in unterschiedlichen Textfassungen) oftmals gedruckt worden, z.B.: RegBl. 1807, Sp. 97-134 (Synopse des französischen Urtextes und einer deutschen Übersetzung; hieraus die Zitate); Huber (Hg.), Dokumente, Nr. 2, S. 28-34; Boldt (Hg.), Reich und Länder, Nr. II.2, S. 62-72; Kerautret, Documents Bd. 2, Nr. 37a, S. 207-221; weitere Fundstellennachweise bei Brandt/Grothe (Hgg.), Rheinbündischer Konstitutionalismus, S. 135f. Vgl. insgesamt Weis, Napoleon; Schmidt, Rheinbund; Schuck, Rheinbundakte; Mussgnug, Rheinbund; Kotulla, Verfassungsgeschichte, S. 289-295.

18

Die Ratifikation erfolgte gemäß Art. 40 der Rheinbundakte am 25. Juli 1806 in München durch den Austausch der entsprechenden Urkunden.

19

Bezug auf die am 10. Oktober 1807 von Clemens Wenzeslaus Graf von Metternich als österreichischem Botschafter und Champagny als französischem Außenminister in Fontainebleau unterfertigte, am 9. November ratifizierte „Convention additionelle de paix et de limites entre l’Empereur des Français Roi d’Italie et l’Empereur d’Autriche“ (Drucke: Martens, Supplément Bd. 4, Nr. 101, S. 468-471; Neumann, Recueil Bd. 2, Nr. 166, S. 239-242). Die Konvention regelte Fragen im Zusammenhang mit dem Verlauf der österreichisch-italienischen Grenze, bestätigte französische Durchmarschrechte und sah vor, Braunau innerhalb eines Monats nach der Ratifikation von französischen Truppen zu räumen. Da die Durchführung des Vertrags gelang, waren damit aus österreichischer Sicht die in der Folge des Preßburger Friedens aufgetretenen Spannungen beigelegt. Zur Entstehung und zu den Ergebnissen der Konvention von Fontainebleau vgl. Botzenhart, Botschafterzeit, S. 127-144; knappe Wertung (die Konvention zog einen „Schlußstrich unter alle französisch-österreichischen Querelen“): ders., Von den preußischen Reformen, S. 505.

20

Der Entwurf liegt in zwei Fassungen vor: 1. Als Reinschrift mit Änderungen von der Hand Montgelas’ (BayHStA Staatsrat 8, 15 S., Vermerk von der Hand Kobells auf S. 1: „in der königlichen Geheimen Staats Conferenz abgeleßen – München den 20ten Jänner 1808“); 2. als Reinschrift (BayHStA MA 27) mit Kürzungen im letzten, „Dispositions générales“ überschriebenen Abschnitt. Diese kürzere Fassung ist gedruckt bei Doeberl, Rheinbundverfassung, Beilage 8 b, S. 80-88.

21

Drucke der am 15. November 1807 erlassenen Konstitution des Königreichs Westphalen: Rob (Bearb.), Regierungsakten Westphalen, Nr. 1, S. 41-57 (französisch/deutsch); Boldt (Hg.), Reich und Länder, Nr. II.3, S. 77-89. Weitere Fundstellennachweise bei Brandt/Grothe (Hgg.), Rheinbündischer Konstitutionalismus, S. 136f. Darstellungen: Rob, Regierungsakten Westphalen, S. 1-7; Ham, Constitution; Hecker, Napoleonischer Konstitutionalismus, S. 49-53; Grothe, Verfassung.

22

Im November 1807 verlangte Napoleon auf der Mailänder Konferenz von Bayern und anderen Rheinbundstaaten die Einführung des Code Napoléon (CN), um den Rheinbund weiter auszubauen und dessen Zivilrechtsordnung dem französischen Vorbild anzugleichen. In der Sitzung der Geheimen Staatskonferenz vom 20. Januar 1808 erging daher an das Justizministerium der Auftrag, mit Vorarbeiten zu einem Gesetzbuch auf der Grundlage des CN zu beginnen, dieses zu publizieren und zur Prüfung in der Staatskonferenzvorzulegen. Bis Mitte April 1808 erstellte Paul Johann Anselm Feuerbach, nach kurzer Tätigkeit an der Universität Landshut seit 1805 im Justizministerium wirkend und nunmehr Leiter der sog. Gesetzeskommission, eine nur wenig modifizierte Fassung des CN, die bis in den November hinein beraten wurde. Parallel dazu begannen im August 1808 die Beratungen in der Staatskonferenz (vgl. Nr. 10 [Staatskonferenz vom 8. August 1808], TOP 3), ab Februar 1809 gefolgt von Beratungen im Geheimen Rat (vgl. Nr. 26 [Geheimer Rat vom 16. Februar 1809]). Problematisch wurden schon bald Konflikte und Abstimmungsprobleme zwischen der Gesetzeskommission einerseits und der die Organischen Edikte ausarbeitenden Organisationskommission andererseits (dazu Nr. 7 [Staatskonferenz vom 7. Juli 1808]). Dahinter standen nicht zuletzt Interessen des grundbesitzenden Adels, die sich mit den gesellschaftspolitischen Implikationen des CN und dem rechtspolitischen Programm Feuerbachs (vgl. die Diskussionen um Feuerbachs „Einleitungsvortrag“ im Geheimen Rat vom 7. Dezember 1809 [Nr. 53, TOP 2] und 6. September 1810 [Nr. 63, TOP 2]) nicht vereinbaren ließen, was schließlich zum Scheitern des Kodifikationsprojekts führte. Die Reformansätze im Zivilrecht sind zuletzt skizziert bei Mauerer/Stauber, Verwaltung, S. 304-310; vgl. Fehrenbach, Traditionale Gesellschaft, S. 133-145; Dölemeyer, Kodifikationsbestrebungen, S. 140-152; Schubert, Französisches Recht, S. 162-192; Demel, Gesetzgebungspolitik, S. XLIII-LVI; Schubert, Entwurf, S. LVII-LXXXIX; zusammenfassend Dölemeyer, Kodifikationen, S. 1472f.; Schimke, Regierungsakten, S. 261-266; Weis, Montgelas Bd. 2, S. 563-569.