BayHStA Staatsrat 8
17 Seiten. Unterschriften des Königs und der Minister. Protokoll: Kobell.
Anwesend:
König Max Joseph.
Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Morawitzky; Hompesch.
Justizreferendär v. Feuerbach.
Bildung der Zentralstaatskasse
Finanzminister Hompesch präsentiert das von seinem Ministerialdepartement erarbeitete Organische Edikt über die Zentralstaatskasse. Der Vorschlag der Organisationskommission, alle Schulden des Königreichs Bayern zu zentralisieren, wird von Hompesch abgelehnt, vor allem wegen der negativen Auswirkungen auf den Staatskredit. Der König folgt dem Antrag des Finanzministers.
[MF] {1r} 1. Der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Freiherr von Hompesch legte in der auf heute von Seiner Königlichen Majestät angeordneten geheimen Staats-Konferenz das organische Edict vor, {1v} welches von dem Ministerial Finanz Departement über die künftige Formazion der königlichen Central Staats- und ihrer Filial Kassen bearbeitet, und der Kommißion in Organisazions Sachen zur Erinnerung mitgetheilt worden.
Freiherr von Hompesch äußerte hiebei, daß dieses Edict nur die innere Einrichtungen des Kaßenwesens behandle, und aus diesem Grunde eigentlich nur das Finanz Ministerium allein betreffe, allein da diese Umwandlung des Kaßenwesens mit den übrigen organischen Verordnungen in einiger Verbindung stehe, und auf die allgemeine Einrichtungen Bezug habe, so habe das Finanz Ministerium daßelbe in der Organisazions Kommißion vortragen laßen, und werde Seiner Königlichen Majestät die von der Mehrheit dieser Kommißion wegen dem Schuldenwesen gemachte Erinnerung, welche mit dem Protocoll vom 1ten d. M. bei dem Ministerio bereis [!] zirkuliret, zur allerhöchsten Entscheidung vorlegen, da wegen dem Formellen {2r} dieser Verordnung und der Kaße-Einrichtungen selbst keine weitere Bemerkungen gemacht worden.
Freiherr von Hompesch zergliederte nun in mündlichem Vortrage die Art, wie die Kaßen künftig eingerichtet werden solten, und führte die Erinnerung der Organisazions Kommißion an, welche dieselbe rüksichtlich des Schuldenwesens und der Schuldentilgungs-Kaßen vorgeleget, und darin bestehet, daß von der Mehrzahl der Glieder dieser Kommißion der Wunsch geäußert worden, auf Centralisirung aller Schulden des Königreichs und Errichtung von 15 Schulden Tilgungs-Kaßen nach dem Beispiel von Westphalen den Bedacht zu nehmen.
Alle Gründe, die der Ausführung dieses Vorschlages nach Ansicht des Finanz Ministerii entgegen stehen, und worunter die Erhaltung des Staats-Kredits als einer der vorzüglichsten ausgehoben wurde, trug der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Freiherr von Hompesch vor, und erbat sich die allerhöchste Entscheidung Seiner Königlichen Majestät, {2v} ob nach der Erinnerung der Commißion in dem Aufsaze etwas geändert, oder aber derselbe nach seiner ersten Faßung ausgefertiget werden solle.
Seine Königliche Majestät haben auf diese Erinnerung der Mehrzahl der Glieder der Organisazions Commißion, und nachdem Allerhöchstihnen der Inhalt dieser Verordnung über die künftige Einrichtung des Kaßenwesens und die Bedenken, die der Centralisirung des Schuldenwesens entgegen stehen, vorgetragen worden, allergnädigst beschloßen, daß daßelbe nach seiner ersten Faßung angenommen und ausgefertiget werden solle175.
Bildung der Kreisfinanzdirektionen
Hompesch trägt das von seinem Ministerialdepartement entworfene, von der Organisationskommission kommentierte Edikt über die Kreisfinanzdirektionen vor. Der König verfügt einige Änderungen und Zusätze.
2. Wegen dem organischen Edict über die Anordnung der Kreis-Finanz-Direkzionen, welches auf gleiche Art von dem Ministerial Finanz Departement bearbeitet und der Kommißion in Organisazions Sachen zu Abgebung ihres Gutachtens zugestellt worden, erinnerte der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Freiherr von Hompesch, daß rüksichtlich dieser Verordnungen {3r} mehrere Bemerkungen in dem Protocoll der Kommißion vom 3ten dieses enthalten. Er werde deßwegen und um Seine Königliche Majestät von der ganzen künftigen Verwaltung der Finanzen in den Kreisen in Kenntniß zu sezen, das Edict ablesen, die Erinnerungen der Kommißion bei jeder Stelle, wo einige gemacht worden, beifügen, und seine Meinung hierüber abgeben.
In Folge dieser Aeußerung las der königliche geheime Staats und Konferenz-Minister Freiherr von Hompesch das Edict ab, und erbat sich von Seiner Königlichen Majestät die allerhöchste Entscheidung auf die bei verschiedenen §§ deßelben gemachte Bemerkungen, nachdem er seine Gegengründe angeführet, oder aber sich mit denselben und den daraus folgenden Aenderungen vereiniget hatte.
Seine Königliche Majestät haben das Allerhöchstihnen vorgelesene Edict über die Anordnung der königlichen Finanz-Direkzionen allergnädigst genehmiget, dabei aber auf den Vortrag Dero geheimen Staats- und Konferenz Ministers Freiherrn von Hompesch {3v} verordnet, daß folgende Aenderungen und Zusäze in demselben getroffen werden sollen.
In dem § 4 und dem ganzen Edicte solle die Benennung Domainen Räthe abgeändert, und dafür jene von Finanz Räthen angenommen werden.
Im § 5 solle der nach den finanziellen und juridischen Kenntnißen ausgesprochene Unterschied im Gehalte umgangen, und dagegen dem Aeltesten im Dienste der höhere Besoldungs-Grad zugetheilt werden.
Im § 7 solle die Benennung Actuar in jene Secretaire umgeändert werden.
Im § 18 bei Lit. K solle nach den Worten: die Dienstgebrechen derselben, folgender Beisaz gemacht werden. „mit Rü[ck]sicht auf die in der Konstituzion Tit. 3 § 2 enthaltene Bestimmung und mit Vorbehalt des geeigneten Rekurses an die einschlägige Justiz-Stellen. Das Urtheil der Finanz Direkzionen erhält jedoch nicht eher seine Rechtskraft als bis es von Unserm Finanz Ministerio bestätiget worden.“
Bei Litt. L des nämlichen § solle {4r} nach den Worten: des Aufschlags und Siegelwesens, Folgendes beigefügt werden: „übersteigt der konfiszirte Betrag die Summe von 400 fl., so stehet dem Verurtheilten der Rekurs zu Unserem geheimen Rathe in einem praeclusiven Termin von 20 Tagen offen.“
Im § 28 solle der am Ende deßelben sich befindende Zusaz: Ist die Veranlaßung dieser Zusammentritte finanziel pp. umgangen und dieser § sich nach den Worten berathschlagen zu laßen, endigen176.
Entwurf des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches
Auf Weisung des Justizministers Morawitzky legt Justizreferendär Feuerbach den Entwurf des ersten Buchs des neuen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern vor. Er trägt (in der Reihenfolge von seinem Plan abweichend) zunächst die grundsätzlichen Rechtslehren vor, sodann Einzelprobleme, schließlich Abschnitte, die konstitutionelle Auswirkungen haben. Schwerpunkt des ersten Buches ist das Personenstandsrecht. Im einzelnen erörtert Feuerbach die Regelungen hinsichtlich der Zivilehe, der Ehescheidung, der unehelichen Kinder, der Beurkundung des Zivilstands. Der König genehmigt die Anträge mit einigen Änderungen vornehmlich redaktioneller Art.
[MJ] 3. Der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Graf von Morawizky eröfnete Seiner Königlichen Majestät und dem versammelten Ministerio, daß er in der heute angeordneten geheimen Staats-Konferenz mit allerhöchster Bewilligung durch den geheimen Justiz-Referendär von Feyerbach das erste Buch des von der Gesez-Commißion bearbeitet werdenden neuen bürgerlichen Gesezbuches zur allerhöchsten Sanction werde vorlegen lassen, wozu, wenn Seine Königliche Majestät {4v} es allergnädigst genehmigten, folgender Gang des Vortrages gewählt worden: I. Würden die Grundsäze der Rechtslehren selbst, welche das erste Buch enthält, in einer vollständigen Übersicht vorgetragen werden, und II. diejenige Kapitel, welche sich auf konstituzionelle Verhältniße beziehen, abzulesen, und endlich III. noch einzelne Puncte, welche nicht aus der allgemeinen Übersicht klar sein können, hervorzuheben, und der allerhöchsten Entscheidung besonders zu unterwerfen sein.
Seine Königliche Majestät genehmigten diese Art des Vortrages zu Beurtheilung des ersten Buches des neuen bürgerlichen Gesezbuches, und ertheilten dem geheimen Justiz-Referendär von Feyerbach den Auftrag, solchen anzufangen.
In Folge dieses allerhöchsten Auftrages began der geheime Justiz-Referendär v. Feyerbach eine Darstellung des Geistes und Inhaltes des ersten Buches vorzutragen und äußerte, daß das vorzulegende erste Buch der bürgerlichen Gesezgebung {5r} den Bürger nach seinem persönlichen Stande betrachte, und seine Rechte und Pflichten als Famillen-Glied, als Ehegatte, als Vatter, als Kind, als Waise bestimme.
Zuerst handle das Gesezbuch von der Famille. Diese Verbindung von Verwandten seie nach der bisherigen Gesezgebung fast ein gehalt- und bedeutungsloser Name geworden. Beinahe der einzige Punct, wo das verwandtschaftliche Verhältniß mit rechtlicher Wirksamkeit bedeutend hervortrete, seie das Erbrecht der Verwandten und allenfalls die gesezliche Vormundschaft gewesen; durch das neue Gesezbuch werden die Personen, welche durch Verwandtschaft und Schwägerschaft unter sich natürlich vereiniget sind, für gewiße Zweke zu einer Gesellschaft juridisch verbunden und als häußliche Magistraturen mit einer Art öffentlicher Notorietät bekleidet.
Herr von Feyerbach führte nun an, wie der Famillen Rath in dem neuen Gesezbuche zusammen gesezt sei, und welche Geschäfte ihme übertragen177, dann ging derselbe zu den Bestimmungen über, welche nach dem Code Napoléon {5v} in dem neuen baierischen Gesezbuche wegen der elterlichen und vormundschaftlichen Gewalt, wegen dem Ende aller elterlichen und vormundschaftlichen Gewalt und den Pflichten gegen die Ascendenten überhaupt getroffen178, und hob zum Beweise, wie richtig diese Anordnungen mit dem Bande der Natur, und den Verhältnißen der Kinder und Eltern übereinstimmen, folgende in das Gesezbuch aufgenommene Stellen aus.
Mit dem Alter der Volljährigkeit endige zwar die väterliche wie jede andere vormundschaftliche Gewalt179. Aber der Mensch trete mit dem Alter der Vernunft und bürgerlichen Selbstständigkeit nicht auch aus dem Verhältniß ehrfurchtsvoller Ergebenheit gegen seine Ascendenten heraus. Das Gesez verlange von ihm sein ganzes Leben hindurch das thätige Bekenntniß, daß er dieses Leben und das Lebens-Glük nur von ihnen trage. Ohne Rü[ck]sicht des Alters müße daher jeder Sohn und jede Tochter von den Eltern, und wenn diese nicht mehr am Leben sind, von den Großeltern oder andern Ascendenten, {6r} vor Eingehung einer Ehe sich durch ein ehrerbietiges Gesuch (acte respectuex [!]) ihren Rath und Beifall erbitten, nicht, als wenn hier die verweigerte Einwilligung die Ehe verhindern könte, sondern als Mittel den raschen Schritt der Leidenschaft wenigstens zu hemmen, und als Symbol der schuldigen ehrfurchtsvollen Ergebenheit180.
Aus gleichen Ursachen hätten Ascendenten das Recht, die Vollziehung der Ehe ihrer volljährigen Kinder jeden Alters, selbst ohne Anführung von Gründen, durch Einspruch wo nicht zu verhindern, doch aufzuhalten. Die sehr richtige Beobachtung, daß der Mensch in einer für das ganze Leben einflußreichen Angelegenheit, wobei gewöhnlich mehr die Leidenschaft als Überlegung entscheide, der Richtschnur eines kalt verständigen Willens länger als für andere Geschäfte des bürgerlichen Lebens bedürfe, habe selbst das Gesez gegründet, nach welchem der volljährige Sohn, wenn er nur noch nicht das 25te Jahr zurükgelegt habe, der Einwilligung seiner Eltern oder andern Ascendenten zur Eingehung einer gültigen Ehe bedarf181. Die Pflicht, {6v} den dürftigen Ascendenten den Unterhalt zu reichen, seie in allen Gesezgebungen an keine Zeit und kein Verhältniß gebunden. Diese Pflicht seie in dem vorgelegten Entwurfe selbst auf diejenigen Personen übertragen, welche durch Schwägerschaft in einem blos analogischen elterlichen und kindlichen Verhältniße stehen.
Herr von Feyerbach äußerte sich nun über die in das Gesezbuch aufgenommene Verordnungen: Von der Gewalt des Ehemannes über die Ehefrau182. Von der Interdiction183 und Prodigialitaets Erklärung184 und der Abwesenheit und Verschollenheit185. Dann trug er die Bestimmungen des Gesezbuches über die Arten der Verwandtschaft, über die Ehe als blos bürgerliches Institut186, über die Ehescheidung187, über die unehelichen Kinder188, über die Aufhebung der Klagen wegen unehelicher Schwängerung189, und über das Institut der Adoption190, über die {7r} Dispensationen bei den Graden der Verwandschaft mit Ausnahme der Ascendenten und Descendenten und in der Seiten Linie zwischen Bruder und Schwester die unbedingt verboten, welche erstere zu ertheilen aber künftig dem Landesherrn nicht der geistlichen Obrigkeit zustehen191, vor.
Rüksichtlich der Ehe als bloßes bürgerliches Institut führte Herr von Feyerbach Folgendes an192.
Die Ehe war seither ihrem inneren Wesen nach ein kirchliches Institut, äußerlich verbunden mit dem Staate durch ihre Folgen und Wirkungen. In so ferne gehörte sie dem Staate an, aber die Macht über sie hatte eine von ihr getrennte Gewalt, die Kirche.
Daher seie oft ein gefährlicher Widerspruch zwischen den Bürgerlichen und Kirchlichen, zwischen den Pflichten der Religion und den Foderungen des Rechts oder dem Interesse der Politik entstanden.
Das Interesse des Staats mit den Gesezen aller Kirchen auf immer zu versöhnen, seie die Ehe als bloßes bürgerliches Institut {7v} hergestellt worden, gleichwohl in so ferne nach der Ansicht der Individuen als auch kirchliches Institut und von geistiger Kraft angesehen werden wolle, seie dieses dem Gewißen eines jeden überlassen.
Um dieses durchzuführen seie vor allem die Schließung der bürgerlichen Ehe gleich jedem andern Rechtsgeschäfte einer rein bürgerlichen juridischen Förmlichkeit unterworfen worden.
Die Ehe, soferne sie rechtliche Wirkungen in Ansehung der Ehegatten selbst oder der Kinder hervorbringen soll, werde daher künftig nicht vor den Altären sondern in dem Amthause, nicht vor dem Priester, vor dem Unterrichter, nicht unter Gebeten, sondern nach Vorlesung der bürgerlichen Pflichten und Rechte der Ehegatten, nicht durch geistliche Einsegnung sondern in Gegenwart von Zeugen durch die Worte des Civilstands-Beamten: „So erkläre ich hiemit im Namen des Gesezes {8r} dich zur Ehefrau dieses Mannes, und dich zum Ehemann dieses Weibes p.“ mit bürgerlicher Feierlichkeit geschloßen. Die kirchlichen Gebräuche werden dadurch nicht aufgehoben noch verboten, nur werde den Geistlichen aller Religionen bei Strafe untersagt, die religiösen Feierlichkeiten früher vorzunehmen, als die Heirath von den Untergerichten geschloßen, und sie hievon durch ein Zeugniß der Untergerichte in Kenntniß gesezt sind. Im Gegentheile habe die Gesez-Commißion geglaubt, daß da in dem Code Napoleon in der Lehre von der Ehe der religiösen Feierlichkeit nirgends und in keiner Beziehung gedacht werde, dieses Stillschweigen leicht dazu mißbraucht werden könnte, um bei dem Volke die unangenehme Meinung zu verbreiten, als wenn die priesterliche Trauung durch das neue Gesezbuch ganz abgeschaft und indirect verboten seie, da es doch nur die Intenzion habe, derselben keine rechtliche Wirkung beizulegen.
Diese Inkonvenienz zu vermeiden {8v} nach dem Art. 76 folgender Additional Artikel einzuschalten wäre: [„]Art. b: Die Kirchen Gebräuche, zu deren Beobachtung jeder Ehegatte durch seine Religion verpflichtet ist, dürfen von den Geistlichen nicht eher als nach bürgerlich geschloßener Ehe und auf das Ihnen hierüber einzuhändigende Zeugniß des Civilstandes Beamten vollzogen werden. Geistliche, welche früher oder ohne das vorhin gedachte Attestat des Civilstands Beamten eine Trauung vorgenommen haben, sind in eine Geldstrafe von hundert Gulden verfallen, vorbehaltlich der allenfalls noch verwirkteren härtern Strafen[“].
Da indessen dieser Saz in das Ressort des Ministerii des Innern als geistlichen Departements einschlage, so glaube die Gesezkommißion, daß dieser Additional Artikel zur besondern Entscheidung ausgesezt werden müße.
Seine Königliche Majestät haben nachdem sie die Meinung ihres Ministers des Innern vernommen hatten, die Aufnahme dieses {9r} von der Gesezkommißion vorgeschlagenen Additional Artikels in das Gesezbuch allergnädigst genehmigt193.
Rüksichtlich der Ehescheidung äußerte Herr von Feyerbach Folgendes: In Folge dieser Ansicht der Ehe, wo sie künftig als ein bloßes bürgerliches Institut betrachtet werden müße, und der daraus sich ergebenden Folgen, könne das Recht der Ehescheidung, welches der neue Codex allen Unterthanen unter gewißen Voraussezungen gestattet, nicht anders als konsequent, gerecht und als eine große Wohlthat angesehen werden.
Die Ehescheidungen können nämlich nach den Verordnungen in dem Gesezbuche blos zugelaßen werden. 1. Wegen Ehebruch von Seite des Ehemanns oder der Frau. 2. Wegen schwerer Mißhandlungen, Excessen und Injurien. 3. Wenn ein Ehegatte zu einer langwierigen der Ehre nachtheiligen Kriminal Strafe verurtheilt worden ist194.
Außer diesen Gründen {9v} werde zwar auch die Ehre geschieden aus wechselseitiger Einwilligung, aber nur dann, wenn die beharrliche Erklärung der Ehegatten nach überstandenen Proben den unumstößlichen Beweis liefere, daß ihnen das Zusammenleben unerträglich und der Zwek der Ehe nicht mehr erreichbar seie. Das Gesetz fordere daher in diesem Falle von dem Ehegatten so schwere Bedingungen und schreibt einen so langsamen bedächtlichen Gang des Verfahrens vor, lege ihnen wiederholt so lästige Proben auf, verknüpfe mit dieser Scheidung so schwere Opfer selbst in Ansehung des Vermögens, daß dem Leichtsinn oder dem Aufbrausen der Leidenschaft schlechterdings die Macht und aller Einfluß benommen sei195.
In Beziehung auf die Bestimmungen des neuen bürgerlichen Gesezbuches wegen den unehelichen Kindern zeigte Herr geheimer Referendär von Feyerbach, daß dieselbe rüksichtlich ihrer Rechte Ansprüche gegen ihre {10r} natürliche Eltern theils vortheilhafter theils nachtheiliger als in der bisherigen Legislation bedacht sind, auch begegne man darin dem bisher unbekannten Unterschied von anerkannten und nichtanerkannten natürlichen Kinder, der in seinen Folgen wesentlich sei.
Diese Anerkennung eines natürlichen Kindes seie aber von Seite des Vaters, einen einzigen Fall ausgenommen, fast immer freiwillig, und alle Klagen der Mutter und des unehelichen Kindes gegen den angeblichen Schwängerer und Vater hören auf. So befremdend und beinahe abschrekend dieser Saz im Anfange auch scheine, so bestehe er bei näherer Betrachtung dennoch die Probe der Wahrheit, und gründe sich darauf, daß die Vatterschaft überhaupt niemals bewiesen sondern nur vermuthet werden könne, und selbst die gegenwärtige Geseze hierin schwankend, ohne Erfolg und für einen Gewißenlosen leicht zu vereiteln seien.
{10v} Der Antrag der Gesez-Commißion an Seine Königliche Majestät ginge deßwegen dahin, die in das Gesezbuch wegen den unehelichen Kinder aufgenommene Kapitel und Artikel allergnädigst zu genehmigen, alle Strafen wegen unehelicher Schwängerung aufzuheben und die allergnädigste Befehle zu ertheilen, daß von Seite des Staates sich der unehelichen Kinder auf das thätigste angenommen, und daß derselbe im Allgemeinen wohl organisirte Einrichtungen treffe, wo die hülflose Geschwängerte gegen Noth und Verzweiflung gesichert und die Gefallene für ihre Niederkunft einen Zufluchts-Ort finden, in dem sie ihre Entehrung vor der Welt verbergen könne, ohne dazu des Mordes zu bedürfen.
Die Gesezkommißion stelle daher aus besonderm Vertrauen auf die große und liberale Gesinnungen der Regierung die Bitte um baldige Herstellung der deßwegen auch unter jeder andern Voraussezung höchst nothwendigen Anstalten.
{11r} Nach erholten Meinungen der geheimen Staats- und Konferenz Minister haben Seine königliche Majestät die Stellen des neuen Gesezbuches wegen Ehescheidungen und den unehelichen Kinder in der Faßung, wie solche die Gesezkommißion vorgeschlagen, allergnädigst genehmiget, und wollen, daß alle Strafen wegen unehelicher Schwängerung aufhören, auch werden Allerhöchstdieselben durch ihren Minister des Innern die nöthige Einleitungen treffen laßen, daß die erforderliche Anstalten zur Errichtung und Vermehrung der Gebähr- und Findelhäußer nach Möglichkeit und nach dem Verhältniß der hiezu erforderlichen Zeit besorget und beschleuniget werden.
Wegen den Civilstands Urkunden (Actes de l'Etat civil) erstattete Herr geheimer Justiz-Referendär von Feyerbach folgenden Vortrag.
Der ganze bürgerliche Zustand eines Menschen in seinen Privat Verhältnißen hänge zuletzt von seinem {11v} Familien Stande ab. Dieser Familien Stand werde aber begründet oder verändert durch Thatsachen, nämlich durch die zwei Natur-Ereigniße Geburt und Tod und durch zwei bürgerliche Ehe und Adopzion. Sollen daher nicht die bürgerlichen Verhältniße in Verwirrung und der ganze Rechtszustand in Ungewißheit gestürzt werden, so müße eine Anstalt im Staate gegründet sein, wodurch jene Thatsachen juridisch konstatirt und gegen Ungewißheit gesichert werden.
Der bisherigen bürgerlichen Gesezgebung seie diese Ansicht fremd gewesen. Die neue Gesezgebung habe auch hier die Bahn zuerst gebrochen, und aus den umständlicheren Gesezen über die Civilstands-Urkunden und Civilstands Register gehe ein neues bürgerliches Amt, das Amt der Civilstands-Beamten (Officier de l'Etat civil) hervor. Welchen Personen diese {12r} Amts-Functionen zu übertragen seien, könne das Gesezbuch nicht bestimmen. Dieses seie ein Gegenstand bloßer Reglementar Verfügungen.
In Frankreich seien sie den Maires übertragen. In Baiern werde es nöthig sein, wenigstens was die Civilstands Register auf dem platten Lande betreffe, eine Trennung vorzunehmen, die Register über Aufgebot, Trauung und Ehescheidungen würden den Untergerichten, die Register über Geburt und Tod aber nach eingetretener Organisazion der Gemeinde Verfaßung den Schulzen zu übertragen sein.
Seine Königliche Majestät haben hierauf allergnädigst beschloßen, daß mit Ausnahme der Aufgebote Trauungen und Ehescheidungen welche den Untergerichten zu übertragen sind, die Geburts- und Sterb-Register von den Pfarrern oder auf dem Lande von den Schullehrern nach den ihnen in einer Reglementar Verordnung {12v} vorzuschreibenden Formularen provisorisch besorget und nur rüksichtlich des Sterbe-Aktes die Verfügung getroffen werden solle, daß denselben in Städten eine Polizei Person und auf dem Lande der Gemeinde Vorsteher zugegeben werde196.
Seine Königliche Majestät erwarten einen Entwurf der dießfalls zu erlaßenden Reglementar Verordnung.
Herr geheimer Justiz Referendär von Feyerbach erwähnte noch einige Punkte, die außer den bereits vorgetragenen aus den einzelnen Lehren besonders auszuheben, und zur königlichen allerhöchsten Entscheidung vorzulegen wären.
Itens Nach Titl 2 Ch IV Art. 77 kann niemand eher beerdigt werden, ehe der Officier de l'Etat civil die schriftliche Erlaubniß dazu ertheilt hat, diese Erlaubniß soll aber zugleich sur papier libre et sans frais auf ungestempeltem Papier und ohne Kosten ertheilt werden197. Dieser Saz {13r} welcher ebenfalls von der Gesez-Kommißion angenommen worden, schlägt in das Ressort des Finanz Ministerii ein.
Die Gründe dieser Verordnung seien 1) der französische Gesezgeber betrachtet es als eine inhumane gehäßige Abgabe, die Erlaubniß begraben zu werden erst noch dem Staat mit Geld bezalen zu müßen. 2) Da der Fall begraben werden zu müßen, den Reichen wie den Aermsten trift, so würde eine solche Abgabe so gering sie auch sein mag, den letzteren oft sehr drükend sein, zumal es unmöglich ist, zwischen Reichen und Armen eine bestimmte Grenz-Linie zu ziehen.
Nach vernommener Meinung des Finanz Ministers haben Seine Königliche Majestät gestattet, daß die Todtenscheine auf ungestempeltes Papier geschrieben werden198.
II. Von Vormundschafts-Rechnungen werde Tit. X Ch. II Sect. IX Art. 470 verordnet les etats de situation seront rédiges et remis sans frais, sur papier non {13v} timbré et sans aucune formalité 199.
Dieser Artikel widerspreche dem bisher geltenden. Gleichwohl seie seine Beibehaltung nothwendig.
Bisher waren die Vormundschaften unter der Leitung der Obrigkeit. Dieser bürgerlichen Obrigkeit wurden auch die Rechnungen abgelegt, und der Gebrauch des Stempel-Papiers war jezt, wenn gleich oft drükend, doch zu entschuldigen. Nach dem neuen System aber falle die obrigkeitliche Obervormundschaft hinweg, die vormundschaftliche Angelegenheiten übeschreiten nie die Grenze der Familien. Die Rechnungen des Vormundes werden blos dem Nebenvormunde unter Aufsicht des Familien Raths abgelegt. Es würde daher der Zwang zum Stempelpapier dem ganzen veränderten Verhältniße nicht mehr angemeßen sein. Zudem finde die französische Gesezgebung diese Abgabe schädlich und inhuman.
Nach dem Antrage des königlichen Finanz Ministers, dessen Meinung Seine Königliche {14r} Majestät erfordert, haben Allerhöchstdieselbe auf diese Anfrage verordnet, daß die Vormundschafts Rechnungen zwar auf ungestempeltes Papier geschrieben und so lange sie in den Händen der Privaten und des Familien Rathes bleiben, von dieser Abgabe befreit sein können, daß aber, wenn diese Rechnungen bei Gericht produziret und die Eigenschaft bei Gericht übergebener Aktenstüke annehmen, der Stempel nachgeholt und entrichtet werden solle200.
Der königliche geheime Justiz Referendär von Feyerbach erbat von Seiner Königlichen Majestät die Erlaubniß, nun, wo die Hauptabweichungen von dem bisherigen Gesezbuche und die Hauptgrundsäze des ersten Buches des neuen Gesezbuches in einer vollständigen Übersicht dargestellt, und die allerunterthänigste Anfragen der Gesez-Kommißion vorgetragen, einige Kapitel des ersten Buches des neuen Gesezbuches, welche wegen ihren konstituzionellen Beziehungen {14v} die Aufmerksamkeit Seiner Königlichen Majestät in Anspruch nehmen, abzulesen, nämlich die Einleitung von der Verkündigung, den Wirkungen und der Anwendung der Geseze im allgemeinen. Von dem 1ten Titel das 1te Kapitel und der 1te Abschnitt des 2ten Kapitels, welcher das Indigenat betreffe201.
Nachdem Seine Königliche Majestät die allerhöchste Bewilligung zu Ablesung dieser Theile des Gesezbuches ertheilt hatten, las der von Feyerbach dieselbe ab.
Seine Königliche Majestät haben, nachdem Allerhöchstsie Dero geheimen Staats und Konferenz Minister mit ihren Meinungen vernommen, dem ersten Buche des von der Gesezkommißion bearbeiteten Gesezbuches, wovon Allerhöchstdenselben eine vollständige Übersicht vorgetragen worden, so wie auf der abgelesenen Einleitung und dem 1ten Kapitel des 1ten Titels dann dem 1ten Abschnitte des 2ten Kapitels mit folgenden darin zu treffenden Aenderungen ihre allerhöchste Genehmigung {15r} und Bestätigung ertheilt.
In der Einleitung im 1ten Art. solle der Termin von 4 Tagen nach dem Tage, wo das Regierungs Blatt in der Residenz und den Hauptstädten der Kreise erscheint, auf 8 Tage gesezt werden202.
In dem Art. 4 solle der Schluß „außer wo das Gegentheil durch das Gesez selbsten ausdrüklich erkläret ist“ weggelassen werden203.
In dem Art. 5 solle statt den Worten Fähigkeit, Eigenschaft und statt Gültigkeit, Form gesezt werden204.
In dem Art. 23 solle der Schluß nach errichten, auf folgende Art gefaßt werden: „und auf jede dem vorigen Artikel No 1 und 2 widersprechende Eigenschaft Verzicht leisten zu wollen205.“
In dem Art. 26 solle der Ausdruck „der in eine fremde Militär Korporazion tritt“ ausgelassen werden206.
Patrimonialgerichtsbarkeit
Feuerbach verliest eine Stellungnahme der Gesetzeskommission zur Vereinbarkeit der Patrimonialgerichtsbarkeit mit dem neuen Zivilgesetzbuch. Er schlägt eine genau definierte Kompetenzverteilung vor. Der Wirkungskreis der Patrimonialgerichte würde dadurch nicht eingeschränkt, sondern vielmehr erweitert. Vor allem würden sich die Gebühreneinnahmen der Patrimonialgerichtsherren erhöhen. Der König sieht von einer Entscheidung ab und verlangt zunächst einen Gesetzentwurf über die Bildung der Untergerichte und Stadtgerichte,
4. Der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Graf von Morawizky legte einen Bericht der konstituirten Gesezgebungs Commißion vor, wozu sich dieselbe durch den ihr bekannt gewordenen {15v} lezten Konferenz-Schluß wegen der Patrimonial-Gerichte veranlaßet gefunden207, und gab denselben mit allerhöchster Bewilligung dem geheimen Justiz Referendär von Feyerbach, um ihn abzulesen208.
Geheimer Referendär von Feyerbach las denselben vor209 und begleitete folgenden Antrag der Gesezkommißion mit den Bemerkungen, die dieselbe wegen den Verhältnißen der gegenwärtigen Verwaltungs Art der Patrimonial Gerichtsbarkeit zu der künftigen Gesezgebung zu machen sich aufgerufen fühlet.
Die Gesezkommißion glaube nämlich, daß wenn ihre in dem Berichte vorgelegte Bedenken gegen den Fortbestand der gegenwärtigen Verfaßung der Patrimonial Gerichtsbarkeit nicht eine Aenderung in dem gefaßten Konferenz Schluß veranlaßen, oder die Umstände nicht gestatten sollten, eine gleiche Gerichts Verfaßung in dem Königreiche einzuführen, doch wenigstens folgender Antrag angenommen werden möchte: „daß bei Patrimonial Gerichten welche die Form der königlichen {16r} Untergerichte nicht selbst annehmen wollen, diejenige Akte der nicht streitigen Gerichtsbarkeit, welche in dem Code Napoléon den Friedens Richtern, und in dem neuen baierischen Projekt den Besizern des Untergerichts übertragen sind, den Patrimonial Richtern belaßen, hingegen diejenigen Functionen, welche in denselben Fällen der nicht streitigen Jurisdiction in dem Code Napoleon dem Procureur imperial oder dem Tribunal de premiere instance zukommen, und in der baierischen Redaction dem kollegialisch berathschlagenden Untergerichte oder dem Landrichter als Gerichts Vorstand übertragen sind, auch in Ansehung der Patrimonial Gerichts-Bezirke, dem königlichen Landgericht übergeben werden möchten.“
Es wird nach diesem Antrage zum Beispiel der Patrimonial-Richter in dem Familien-Rathe praesidiren, in den Fällen aber, wo der Beschluß des Familien-Rathes von dem Untergericht bestätiget werden muß, diesen Beschluß des Familien-Raths dem {16v} Landgerichte zur Konfirmazion und Entscheidung einsenden müßen, worüber alsdann eine sehr umständliche Reglementar-Verfügung wird erlaßen werden müßen. Dieses Auskunfts-Mittel wäre nach dem Dafürhalten der Gesez Kommißion noch der einzige Weg, um die Grundsäze der neuen Gesezgebung wenigstens einigermaßen in den Bezirken nicht organisirter Patrimonial Gerichte in unvollkommene Anwendung zu bringen. Die Gerichts-Herrn hätten wegen dieser Maaßregel um so weniger Ursache, sich über Kränkung ihrer Gerichtsbarkeit zu beschweren, da alle im obigen Antrage enthaltene Funkzionen erst durch die neue Gesezgebung eingeführt werden, ihnen also dadurch wenigstens ihr bisheriger Wirkungskreis nicht geschmälert wird. Dieser Wirkungskreis wird vielmehr in anderer Rüksicht durch die neue Gesezgebung um das Doppelte erweitert, und das Einkommen der Gerichtsherrn an Gebühren und Jurisdictions Gefällen in noch weit höherer Progreßion {17r} vermehrt, da künftig alle einigermaßen bedeutende Kontrakte und andere Rechts-Geschäfte vor Gericht geschloßen werden müßen, wodurch unter Beibehaltung der Patrimonial-Gerichtsbarkeit dem Aerarium eben so viel an Gefällen entzogen als dem Einkommen des Gerichtsherrn zugelegt wird.
Ehe Seine Königliche Majestät auf diesen berichtlichen Antrag der konstituirten Gesezgebungs Commißion eine allerhöchste Entscheidung faßen, wollen Allerhöchstdieselbe, daß die Gesezkommißion eine Reglementar Verordnung nach ihrem Vorschlage fertigen und zugleich mit einem Entwurf über die Formazion der künftigen Untergerichte und Stadt Gerichte zur weiteren allerhöchsten Beurtheilung vorlege210.
Genehmigung der Entschließungen durch den König.
Anmerkungen
VO betr. die „künftige Formation der königlichen Zentral-Staats-Kasse und ihrer Filial-Kassen“ vom 8. August 1808, RegBl. 1808, Sp. 1737-1752; auch bei Kotulla, Verfassungsrecht Bd. 2, Nr. 298, S. 810-816. – Die VO hob einleitend auf die von der Konstitution bezweckte „Erzielung der Einheit im Ganzen“ ab und bestimmte in § 1 u.a.: „In der Zentral-Staats-Kasse fliessen alle, wie immer Namen habenden Staats-Einnahmen des ganzen Reichs zusammen, und alle Staats-Ausgaben werden nur aus derselben geleistet […]“ (Sp. 1737). – Näheres zur Neustrukturierung der Finanzinstitutionen und zur Schuldenverwaltung bei Ullmann, Staatsschulden, S. 132-138, 446f.; Mauerer/Stauber, Verwaltung, S. 296-298 m. w. Nachw.
Publiziert als OE betr. „die Anordnung der Kreis-Finanz-Direktionen“ vom 8. August 1808, RegBl. 1808, Sp. 1869-1892; auch bei Kotulla, Verfassungsrecht Bd. 2, Nr. 299, S. 817-828.
EABG Buch I Tit. 10 Kap. 2 Abschnitt 4 („Von der durch den Familienrath angeordneten Vormundschaft“), Artt. 393-406 (S. 121-125). Zum Familienrat im Code civil: Rachel, Diskussion, S. 28-42.
EABG Art. 478 (S. 148): „Die Volljährigkeit ist auf das Alter von vollen ein und zwanzig Jahren festgesezt. Mit diesem Alter erlangt man die Fähigkeit zu allen Handlungen des bürgerlichen Lebens […]“; ebd. Art. 359 (S. 112): „Es [= das Kind] bleibt unter ihrer [= der Eltern] Gewalt bis zu seiner Volljährigkeit oder Emancipation.“
EAGB, S. 54, Marginalie „Von dem ehrerbietigen Gesuche“: „Art. 167. Eheliche Kinder, die das im 162. Artikel bestimmte Alter erreicht haben, sind verbunden, ehe sie heurathen, sich den Rath ihres Vaters und ihrer Mutter, oder, wenn Vater und Mutter todt oder unfähig sind, ihren Willen zu erklären, den Rath ihrer Großväter und Großmütter durch ein ehrerbietiges Gesuch förmlich zu erbitten. Diese Anfrage muß in ehrfurchtsvollen Ausdrücken abgefaßt seyn. Jede in derselben enthaltene beleidigende Aeußerung hat die Ungültigkeit dieses Aktes zur Folge.“ Näheres dazu in den Artt. 168-171 EAGB (S. 54f.). Vgl. CN Artt. 151-156 (S. 31f.).
Die Aufhebung der Fornikationsstrafe erfolgte mit dem Organischen Edikt über die Patrimonialgerichtsbarkeit vom 8. September 1808, RegBl. 1808, Sp. 2254, § 29: „Wegen ausserehelichen Schwängerungen darf künftig weder von einem Patrimonial-Gerichte, noch von einem königlichen Gerichte irgend eine Strafe in Geld, oder an der Ehre, oder sonst auf andere Weise erkannt und in Vollzug gesetzt werden.“ Vgl. Breit, „Leichtfertigkeit“, S. 288; Hull, Sexuality, S. 339.
Zum Folgenden vgl. Schubert, Französisches Recht, S. 443f.; Demel, Staatsabsolutismus, S. 325f.; Scholz Löhnig, Eherecht, S. 138-143.
EABG, S. 1-4 („Einleitung. Von der Verkündigung, den Wirkungen und der Anwendung der Geseze im Allgemeinen“), S. 5-7 („Erstes Buch. Von den Personen. Erster Titel. Von dem Genuße und dem Verluste der bürgerlichen Privatrechte. Erstes Kapitel. Von dem Genuße der bürgerlichen Privatrechte“), S. 8f. („Zweites Kapitel. Von dem Verluste des Indigenats und der Civilrechte. Erster Abschnitt. Von dem Verluste des Indigenats“).
EABG Einleitung, S. 1: „Art. 1. Die Geseze erhalten in dem ganzen Staatsgebiete des Königreichs verbindende Kraft durch die Sanction des Königs. Sie sollen in jedem Theile des Reichs vollzogen werden, sobald die Sanction derselben bekannt seyn kann. Die königliche Sanction soll als bekannt angenommen werden in dem Kreise, wo die Regierung ihren Siz hat, acht Tage nach dem Datum des Regierungsblattes, in welchem das Gesez verkündet worden; in jedem der übrigen Kreise gleichfalls acht Tage, nachdem das Regierungsblatt in der Hauptstadt des Kreises der ersten königlichen Behörde mitgetheilt worden ist.“
Ebd., S. 2: Art. 5. […] Fremde, welche innerhalb des Staatsgebiets ein Rechtsgeschäft vornehmen, sind, rücksichtlich ihrer Rechtsfähigkeit und der Form des Geschäftes selbst, blos nach inländischen Gesezen zu beurtheilen. Rechtsgeschäfte, welche von Fremden im Auslande vorgenommen werden, sind, sowohl was ihre Rechtsfähigkeit, als auch die äussere Form des Geschäftes betrifft, bloß nach den Gesezen des Auslandes zu beurtheilen. […]“.
Ebd., Buch I Tit. 1 Kap. 2, S. 8: „Art. 23. Ein Baier, welcher das Indigenat verloren hat, kann dasselbe immer wieder erlangen, sobald er mit königlicher Erlaubniß nach Baiern zurückkehrt und erklärt, hier seinen Wohnsiz errichten zu wollen, auch auf die in dem vorhergehenden Artikel Nro. 1 und 2 erwähnten Eigenschaften Verzicht leistet“.
Ebd. S. 9: „Art. 26. Wer ohne königliche Erlaubniß fremde Kriegsdienste nimmt, verliert das Indigenat. Er kann nur mit königlicher Erlaubniß nach Baiern zurückkehren und das Indigenat erst dann wieder erhalten, wenn er die Bedingungen erfüllt, die zur Erlangung des Staatsbürgerrechts einem Fremden vorgeschrieben sind; alles jedoch vorbehaltlich der Strafen, die das Criminal-Gesez baierischen Unterthanen droht, welche gegen ihr Vaterland die Waffen getragen haben.“ – Fortsetzung der Beratung über den Entwurf des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches: Nr. 11 (Staatskonferenz vom 18. August 1808), TOP 2.
„Allerunterthänigster Bericht der Gesezgebungs Commission“ vom 3. August 1808, [Bl. 1-5], BayHStA MInn 30124 (Vermerk Bl. 1r: „Abgelesen in der Königlichen geheimen Staats Konferenz. München den 8[.] August 1808“). – Zu vorliegendem TOP 4 vgl. die Darstellung bei Demel, Staatsabsolutismus, S. 292.
„Allerunterthänigster Bericht“ (wie vorstehende Anm.):
„Die allergnädigst angeordnete Gesezgebungs Commißion hatte schon den größten und schwierigsten Theil des bürgerlichen Gesezbuches vollendet, als dieselbe von dem allerhöchsten Konferenz Schluße in Kenntniß gesezt wurde, gemäs welchem es in Besezung und Verwaltung der Patrimonial Gerichtsbarkeit bei den allerhöchsten Verordnungen vom 6. Juni und 7. November 1807 [VO betr. die „Patrimonial-Gerichtspflege in Alt-Baiern, der oberen Pfalz und Neuburg“ vom 6. Juni 1807, RegBl. 1807, Sp. 1001-1006; VO betr. die „Patrimonial-Gerichtspflege im Königreiche Baiern“ vom 7. November 1807, ebd., Sp. 1723-1727] lediglich sein Bewenden behalten solle.
Die Gesezgebungs Commißion findet sich dabei durch ihre Pflichten aufgefordert, folgende allerunterthänigste Bemerkungen ehrfurchtvollest zur allergnädigsten Erwägung vorzutragen.
Indem Eure Königliche Majestät den allerhöchsten Befehl ertheilten, daß bei Bearbeitung der baierischen Gesezgebung der Code Napoléon als Grundlage genommen werden solle wurde zugleich allergnädigst ausgesprochen, daß alle Grundsäze, welche zum System [Bl. 1v] von Napoléons Gesezgebung gehören und ohne welche es aufhören müßte, Code Napoléon zu sein, beibehalten werden sollten. Alle den Code Napoléon karakteristisch unterscheidende Lehren sind aber auf eine durch alle Theile des Staatsgebietes auf gleiche Weise durchgeführte Organisazion der Gerichtsverfassung gebaut. Der Buchstabe des Code Napoléon fordert in jeder Gemeinde einen oder mehrere Friedens Richter in jedem Bezirke als Unterinstanz für alle einigermaßen bedeutende Gegenstände, ein organisirtes Justiz-Tribunal von wenigstens vier Mitgliedern, eine Regierungs-Commißion und einen Praesidenten, und außer diesen zahlreichen Friedensrichtern und erste Instanz Richtern ein [!] noch weit größere Menge von Notarien für die nicht streitigen Geschäfte. Da indessen diese Justiz Organisazion wiewohl in vielen Puncten wünschenswerth, besonders in den Finanzen bedeutende Hinderniße fand, gleichwohl aber die bisherige [Bl. 2r] Justiz Verfassung wenigstens einigermaßen der neuen Gesezgebung aßimilirt werden müßte, wenn nicht diese durch jene unmöglich genacht werden sollte, so war das Justiz Ministerium zu dem Antrage genöthigt, daß die Untergerichte auf dem Land, außer dem eigentlichen Richter, mit wenigstens zwei Beisizern besezt würden. Auf diese Voraussezung baute auch die Gesezkommißion um so zuverlässiger ihr Sistem da Euere königliche Majestät diese Organisazion schon bei den königlichen Untergerichten allergnädigst genehmigt hatten, und da sie sich durch die in der Konstituzion aufgestellten Grundsäze zu dem Schlusse geleitet fand, daß die Patrimonial Gerichtsbarkeit wenn auch nicht aufgehoben dennoch gleichen Formen und Verbindlichkeiten wie die königliche Gerichtsbarkeit unterworfen werden würde. Unter dieser Voraussezung wurden von der Gesezkommißion die Geschäfte der Notarien allgemein dem Untergericht [Bl. 2v] die Funktionen des Friedensrichters einem Beisizer des Gerichts die Functionen des Tribunals erster Instanz oder des Regierungs Kommißärs dem in kollegialischer Form berathenden Untergericht übertragen. Dieser Ausweg war noch das einzige Mittel, um den Code Napoléon als Grundlage der baierischen Gesezgebung zu bearbeiten, um sein Wesen zu erhalten, ohne seine zufällige Formen mit auf Baiern zu übertragen. Sollten aber künftig die Patrimonial Gerichte mit gleichem Recht und mit völlig gleicher Gewalt, wie die königliche Untergerichte in streitigen und nicht streitigen Sachen fortbestehen, und gleichwohl nicht, wie die königlichen organisirt werden, sondern darin vor diesen bevorzugt sein, daß sie nur aus einem Richter ohne ordentliche Actuarien als Beisizer zu bestehen brauchten, so würde zugleich die Unmöglichkeit hergestellt sein, die neue baierische Gesezgebung [Bl. 3r] in den Bezirken der Gerichts Herrn einzuführen. Es würde kein Familien Rath dem Geseze gemäs hergestellt, oder über einen Beschluß des Familien Rathes gehörig vom Gericht entschieden werden können.
Die Lehre von der Vormundschaft, von der Interdiction, von der Prodigalitäts Erklärung, von den Actes de l’Etat civil über den Ehe-Kontract u.d.g. würde in diesen Bezirken nicht in Anwendung gebracht werden können. Mit einem Wort, es würde in dem Königreich Baiern eine doppelte Gesezgebung bestehen müßen, die eine für die Unterthanen Seiner Königlichen Majestät, die andere für die Unterthanen der Gerichtsherrn.
Die allergnädigst angeordnete Gesezkommißion glaubt sich daher zu der Überzeugung bewogen, daß es die Intention Eurer Königlichen Majestät nicht sein könne, durch die Bestätigung der obgedachten allerhöchsten Verordnungen, welche unter andern Voraussezungen, [Bl. 3v] unter andern Verhältnißen und in Beziehung auf das alte System der Gesezgebung erlaßen worden, die Patrimonial Gerichte in ihrer bisherigen Verfassung unverändert zu belassen.
Sie findet sich vielmehr durch die Erklärung Euerer Königlichen Majestät, den Code Napoléon als Grundlage der künftigen Gesezgebung aufnehmen zu wollen, und durch die in der Konstituzion des Reichs allergnädigst ausgesprochene Grundsäze zu der Überzeugung bestimmt, daß Euere Königliche Majestät durch die bloße allgemeine Beziehung auf frühere Verordnungen es dem Justiz Ministerium allergnädigst vorbehalten wollten, Allerhöchstdenenselben in Ansehung der Verfassung und Besezung der Patrimonial Gerichte diejenige Anträge zu machen, welche durch die gegenwärtige Verhältnisse und durch Grundsäze einer ganz veränderten Gesezgebung nothwendig gemacht werden.“ – Im „Allerunterthänigsten Bericht“ folgt der von Feuerbach verlesene, im vorliegenden Protokoll referierte Antrag der Gesetzeskommission. Diese Passage wird hier nicht wiedergegeben.