BayHStA Staatsrat 154
4 Blätter. Unterschriften des Königs, des Kronprinzen und der Minister. Protokoll: Kobell
Anwesend:
König Max Joseph; Kronprinz Ludwig.
Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Morawitzky; Hompesch.
Geheime Räte: Maximilian Graf v. Preysing; Ignaz Graf v. Arco; Joseph August Graf v. Toerring-Gutenzell; Bernhard Erasmus Deroy, Generalleutnant; Georg Friedrich v. Zentner; Johann Nepomuk v. Krenner; Nikolaus Joseph Freiherr v. Stengel; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Johann Adam Freiherr v. Aretin; Johann Nepomuk v. Effner; Johann Heinrich Schenk; Johann Heinrich Kraus; Franz Wilhelm Freiherr v. Asbeck; Paul Johann Anselm Feuerbach.
Eröffnung des Geheimen Rates
Vereidigung der Staats- und Konferenzminister, der Geheimen Räte und des Generalsekretärs in Anwesenheit des Königs sowie des Kronprinzen. Nach der Eidleistung bestimmt der König Gegenstände, die in der nächsten Sitzung des Geheimen Rates verhandelt werden sollen.
{1v} Nachdem Seine Majestät der König den heutigen Tag zur feierlichen Eröfnung des durch die Konstituzion des Reichs eingesezten geheimen Rathes975 allergnädigst bestimmt und über die dabei zu beobachtende Feierlichkeiten das in Abschrift anliegende Program976 erlaßen hatten, versammelten sich diesen Morgen um halb 11 Uhr die königliche geheime Staats- und Konferenz Minister und die königliche wirkliche geheimen Räthe für das Dienstjahr 1808/9 in den steinernen Zimmern der Residenz, die zu dieser Handlung eingerichtet waren um zuerst das königliche allerhöchste Reskript vom 27ten September 1808 vorzunehmen, welches wegen Ordnung der Size nach dem Dienst Alter und Erholung der Abstimungen in dem versammelten geheimen Rathe, wenn Seine Majestät der König den {2r} Sizungen selbst beiwohnen, und wenn derselbe von Seiner Königlichen Hoheit dem Kronprinzen oder einem der königlichen Staatsminister praesidirt wird, erlaßen worden977.
Der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Freiherr von Montgelas las das in Urschrift angefügte erwähnte Reskript ab978, und die königliche wirkliche geheimen Räthe reiheten sich zu ihren Sizen nach anliegender das Dienstalter eines jeden bezeichnenden Liste.
Die Annäherung Seiner Majestät des Königs und Seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen wurde durch einen königlichen Kammer Fourier dem versammelten geheimen Rathe bekannt gemacht, und nachdem derselbe, wie in dem Program vorgeschrieben, Seiner Majestät dem Könige bis zum Eintritt in die steinerne Zimmer entgegen gegangen, Allerhöchstdieselben allerunterthänigst empfangen und in das Seßions-Zimmer begleitet hatten, wurden die Thüren geschloßen, und Seine Majestät der König nahmen {2v} mit Seiner Königlichen Hoheit dem Kronprinzen ihre Pläze unter dem Thronhimmel ein, und erlaubten den königlichen geheimen Staats und Konferenz Ministern und wirklichen geheimen Räthen sich nach ihrem Dienstalter niederzusezen.
Der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Freiherr von Montgelas trug hierauf Seiner Majestät dem Könige allerunterthänigst vor, daß das erste Geschäft der Mitglieder des geheimen Rathes, den Seine Majestät durch die Konstituzion des Reiches als die höchste berathschlagende Stelle in den wichtigsten innern Angelegenheiten des Königreichs eingesezet979, sein werde, in Gegenwart Seiner Majestät den Eid abzulegen, der Konstituzion und den Gesezen des Reichs zu gehorchen und Seiner Majestät dem König treu zu sein.
Von der Entscheidung Seiner Majestät des Königs hänge es ab, ob nach dieser Feierlichkeit heute auch einige der an den geheimen Rath gewiesenen Gegenstände vorgenommen werden sollen.
Seine Majestät der König entschieden allergnädigst, daß heute nur die Eidesablegung {3r} der geheimen Staats und Konferenz Minister, der wirklichen geheimen Räthe und des General Sekretärs vorgenommen, und die Gegenstände, welche Allerhöchstdieselben bestimmen werden, in der nächsten Sizung Donnerstag den 9ten Februar morgends um 10 Uhr vorgetragen werden sollen980. Die gewöhnliche Sizungen des geheimen Rathes sollen dann jede Woche Donnerstag um die nämliche Stunde gehalten werden.
Nach dieser allerhöchsten Entscheidung rief der General Sekretär zuerst den königlichen Geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Morawizky, dann den Geheimen Staats und Konferenz Minister Freiherrn von Hompesch, und die wirklichen geheimen Räthe nach ihrem Dienstalter, so wie den königlichen geheimen Staats und Konferenz Minister Freiherrn von Montgelas namentlich auf, den vorgeschriebenen Eid zu schwören, der also lautete: „Ich schwöre Gehorsam der Konstituzion und den Gesezen des Reichs, und Treue Seiner Majestät dem Könige. So {3v} wahr mir Gott helfe und sein heiliges Evangelium.“
Dieser Eid wurde von sämmtlich benannten Mitgliedern des geheimen Rathes und dem General Sekretär mit den gewöhnlichen Förmlichkeiten abgelegt, und die Worte deßelben deutlich und vernehmbar gesprochen und hierauf Seiner Majestät dem Könige von dem geheimen Staats und Konferenz Minister Freiherrn von Montgelas ein Verzeichniß der bis jezt an den geheimen Rath gewiesenen Gegenstände vorgelegt, von welchen Seine Majestät folgende zum Vortrag in der nächsten Sizung bestimmten.
1) Das organische Edict über die Religions- und Kirchen-Verhältniße im Allgemeinen981. 2) Das organische Edict, die Bildung der Mittelstellen für die protestantische Kirchen Angelegenheiten und die Verhältniße des General Konsistoriums zu denselben betreffend982. 3) Den Entwurf einer Verordnung, das Bürgerrecht königlicher Unterthanen und Gutsbesizer in fremden Staaten betreffend983. 4) Die Aufhebung sämmtlicher {4r} Gesellen Laden bei allen Zünften im Königreich984.
Den für diese Gegenstände ernannten Referenten solle ein Auszug des Protokolls zugeschloßen werden, um das Nöthige zur nächsten Plenar Sizung vorzuarbeiten.
Seine Majestät der König erhoben sich hierauf, und begaben sich mit Seiner Königlichen Hoheit dem Kronprinzen zurük in die Rothen Zimmer, wohin Sie von dem ganzen Geheimen Rathe nach Anweisung des Programms begleitet wurden.
Hiemit endigte sich diese feierliche Handlung.
Beilage: Zeremoniell bei der Eröffnung des Geheimen Rates
BayHStA 154
3 Blätter. Unterschrift des Königs, nicht datiert. Überschrift: „Programm für die Eröfnung des geheimen Rathes“.
In der Sitzung der Staatskonferenz vom 29. September 1808 (oben Nr. 18, TOP 9) war bestimmt worden, bis zur Einrichtung der Päpstlichen Zimmer in der Residenz die Trierzimmer provisorisch als Versammlungsort des Geheimen Rates zu nutzen. Dazu kam es offenbar nicht. Wie aus vorliegendem Bericht hervorgeht, versammelten sich die Minister und die Geheimen Räte am 26. Januar 1809 in den an der Westseite des Kaiserhofs gelegenen Steinzimmern, um dort den Eid auf die Konstitution sowie die Gesetze des Königreichs zu leisten und zugleich dem König Treue zu schwören. Die Raumfolge der Steinzimmer war bald nach dem Regierungsantritt Max Josephs als kurfürstliches Appartement mit Parkettböden und neuen Möbeln ausgestattet worden. Ein Raum diente nunmehr, versehen mit einem „Thronhimmel“ und einem „Sessions Tisch“, als Sitzungssaal. Der Geheime Rat versammelte sich dort am 9. Februar zu seiner ersten Arbeitssitzung (unten Nr. 25). Die den Päpstlichen Zimmern als Vorzimmer zugehörigen Räume dienten, zweckentsprechend möbliert und ausgestattet, dem Geheimen Rat ab 1809/10 als Sessionszimmer. – Nicht ganz klar ist die Lage der roten Zimmer. Sie können den Trierzimmern oder den Kurfürstenzimmern zugehört haben, denn beide Raumfolgen verfügten über die im Programm genannten Ritterstuben. Als „grüner Saal“ wäre der Herkulessaal zu bestimmen, an den sich der Verbindungsgang an der Südseite des Kaiserhofs zum Hartschiersaal (hier als „Vorplaz“ bezeichnet) anschloß985.
{1r} Programm. Für die Eröfnung des geheimen Rathes. Auf Donnerstag den 26ten Jänner morgends um 11 Uhr wurde Cour angesagt, und sämmtliche Kollegien und höhere Behörden der Hauptstadt dazu einberufen.
Der Hof versammelte sich in den großen rothen Zimmern, um Seine Majestät den König zu erwarten. Die Directoren und Räthe der Central Behörden und Ministerial Sectionen, das Oberappellazions Gericht, das General Auditoriat und Kriegs Oekonomie Rath, das General Kreis Kommißariat, die Finanz Direction, das Appellazions Gericht und das Stadt Gericht versammelten sich in den sogenannten steinernen Zimmern.
Das Ministerium und der geheime Rath kamen in dem Audienz Saale zusammen (dem fünften der steinernen Zimmer) wo der Thronhimmel angebracht ist und der Sessions Tisch sich befindet. {1v} Zu der von Seiner Majestät bestimmten Stunde begaben sich Allerhöchstdieselben und des Kronprinsen [!] Königliche Hoheit mit dem ganzen Cortege aus den rothen Zimmern durch die Ritterstube, den grünen Saal und den Gang zwischen zwei Reihen der aufgestellten Leibgarde in die steinerne Zimmer.
Zuerst kündigte ein Kammer Fourier (ein Ceremonienmeister) die Ankunft Seiner Majestät dem ersten Herrn Staats Minister Excellenz an. Die Herrn Minister Excellenz die geheimen Räthe und der General Secretaire giengen Seiner Majestät entgegen, empfiengen Allerhöchstdieselben an dem Vorplaze und führten Seine Majestät durch die steinerne Zimmer, in welchen das höhere Personale der Kollegien und Behörden en raye gereihet war, in den Sizungs Sall, dessen Thüren durch die beiden geheimen Rathsdiener sodann geschlossen wurden.
Das Gefolge des Königs Majestät blieb ebenfalls in den steinernen Zimmern {2r} (dem gelben, rothen und blauen) zurük, um die Zurükkunft Seiner Majestät zu erwarten. Die zwei geheimen Rathsdiener stunden außen an der Thüre des Sizungs Saales.
Nachdem Seine Majestät unter dem Thronhimmel und an Allerhöchstihrer linken Seite des Kronprinzen Königliche Hoheit Plaz genommen hatten sezten sich die Herrn Minister Excellenzen und Herrn geheimen Räthe nach dem Dienstalter an den Seßionstisch, wornach auch der General Secretaire seinen Plaz an einem besondern Tische nahm.
Auf ein von Seiner Majestät erhaltenes Zeichen eröfneten des Herrn Ministers Excellenz die Sizung durch eine kurze Anrede, über den Zwek der Zusammenkunft nämlich die Beeidigung sämtlicher Mitglieder und die Eröfnung der Sizungen.
Da hiernach Seine Majestät bestimmt haben, daß die wirkliche Beeidigung vor sich gehen solle, erhoben sich sämmtliche Mitglieder des geheimen Raths von ihren Sizen, und schwuren jeder einzeln, zuerst die Herrn Minister Excellenzen, dann die Herrn geheimen Räthe, so wie {2v} sie nach einander aufgerufen wurden, folgenden Eid: „Ich schwöre Gehorsam der Konstituzion und den Gesezen des Reichs und Treue Seiner Majestät dem Könige. So wahr mir Gott helfe und sein heiliges Evangelium“.
Da nach der Reihe des Dienstalters von sämmtlichen geheimen Räthen und dem General Secretaire der Eidschwur abgelegt war, des ersten Herrn Ministers Excellenz in der Function als Staats Secretaire sodann ebenfalls den Eid vor dem Throne geschworen hatte, und sämmtliche Mitglieder sich wiederum auf ihre Size niedergelaßen, fuhren des ersten Herrn Ministers Excellenz in ihrer Anrede fort, verbanden damit die Danksagung an Seine Majestät im Namen sämmtlicher Mitglieder und legten alsdann Seiner Majestät ein Verzeichniß der bisher auf Allerhöchstihren Befehl an den geheimen Rath gebrachten Gegenstände vor, damit Allerhöchstdieselben bestimmen mögten, welche derselben und durch welche Mitglieder zuerst vorgetragen {3r} und entweder in den Sections Sizungen vorbereitet oder gleich zur Plenar Sizung gebracht werden sollten.
Nachdem Seine Majestät diese Bestimmungen getroffen und hierauf die Sizung aufgehoben hatten, wurden die Flügeltüren des Saales geöfnet, und der Zug sezte sich in Bewegung über den Gang in die rothen Zimer zurük, mit dem ganzen Cortege, welchem sich die Mitglieder des geheimen Raths, der Kollegien und höheren Behörden ebenfalls anschloßen.
Anmerkungen
Konstitution für das Königreich Baiern vom 1. Mai 1808, Tit. III § 2 (RegBl. 1808, Sp. 993; AK Bayerns Anfänge, S. 327).
Paraphrase von Tit. III § 2 der Konstitution für das Königreich Bayern (RegBl. 1808, Sp. 993; AK Bayerns Anfänge, S. 327).
Gesellenladen gab es in Kurbayern im 18. Jahrhundert in den größeren Städten München, Landshut und Straubing. Sie waren Interessenvertretungen der Handwerksgesellen zur „Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen gegenüber den Meistern“. 1805 und 1808 gab es Verordnungsentwürfe zur Aufhebung aller Gesellenladen, die aber nicht in Kraft traten. Statt dessen wurden die Gesellenladen als Unterorganisationen in die Zünfte eingegliedert; die Aufsicht über die Versammlungen führten fortan eigens dafür bestimmte Meister. Vgl. Tyszka, Handwerk, S. 73 (Zitat); Anegg, Gewerbestruktur, S. 152f.; Puschner, Handwerk, S. 223-225; zur normativen Verfaßtheit der Gesellenladen: Anmerkungen CMBC, Tl. 5, Kap. 27, § 10, S. 1810f.