BayHStA Staatsrat 169
15 Blätter. Unterschriften des Königs und der Minister. Protokoll: Baumüller.
Anwesend:
König Max Joseph.
Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Hompesch.
Geheime Räte: Graf v. Preysing; Ignaz Graf v. Arco; Graf v. Toerring-Gutenzell; Freiherr v. Stengel; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; Schenk; Freiherr v. Asbeck; Feuerbach.
Errichtung von Spezialgerichten
Aretin kritisiert, daß mit den vorhandenen strafrechtlichen Instrumenten eine schnelle und wirksame Bekämpfung der Aufständischen in Tirol und darüber hinaus nur schwer möglich ist. Erforderlich ist insbesondere, die Verfahren zu beschleunigen. Beratungen mit dem Justizministerium haben noch keine Ergebnisse erbracht. Da die Umstände es gebieten, wird beim König beantragt, Spezialgerichte zu errichten und das Standrecht im gesamten Königreich einzuführen. Aretin trägt die Grundzüge eines entsprechenden Patents vor. Außerdem sollen die bereits sanktionierten Bestimmungen des Strafgesetzbuches, die von den Verbrechen gegen den Staat handeln, verkündet werden. Die Anträge stoßen auf Kritik. Finanzminister Hompesch ist der Ansicht, daß das Standrecht nur für Tirol und Vorarlberg anzuordnen sei, Feuerbach rät lediglich zur Errichtung von speziellen Untersuchungskommissionen in diesen Gebieten. Arco ist ebenfalls der Meinung, daß spezielle Gerichte nicht nötig seien. Toerring-Gutenzell hingegen gibt an, daß er seine Meinung geändert habe und den Patententwurf nunmehr gutheiße. Nach diesen Präliminarien verliest Aretin den Entwurf. Änderungen ergeben sich zunächst in der Präambel, sodann im ersten Titel über die Bildung der Spezialgerichte und im zweiten Titel über deren Kompetenz. Ein Teil des dritten Titels über das Verfahren der Spezialgerichte wird von Feuerbach in einer gegenüber dem Sektionsentwurf erneuerten Fassung verlesen und mit kleinen Änderungen akzeptiert. Aretin fährt mit der Verlesung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen fort und kommt dann zum vierten Titel über das Standrecht, der mit Änderungen durch den Geheimen Rat geht.
{1v} [1.] Auf den von des Königs Majestät erhaltenen Befehl1220 entwikelte der königliche geheime Rath Freiherr von Aretin in umständlichem Vortrage, wie nothwendig es durch die bisherigen Ereigniße geworden sei, ein besonderes Verfahren bei Untersuchung und Bestrafung von Staats Verbrechen, deren sich im Verlaufe von 4 Monaten so manche königliche Unterthanen schuldig gemacht haben, eintreten zu laßen1221. Gleich bei dem Ausbruche des Krieges und der Insurrekzion der südlichen Kreise des Königreichs, als man von den Insurgenten einiger habhaft wurde, habe man schon nicht verkannt, daß das für ordentliche Kriminal-Untersuchungen vorgeschriebene Verfahren durch die vielen Formalitäten {2r} durch die Trennung der inquirirenden und urtheilenden Behörde, endlich durch die Rechtsmittel der Revision und Appellazion zu sehr gelähmt und verzögert werde, und Seine Majestät hätten deßhalb noch bei Allerhöchstihrem Aufenthalte in Augsburg zur strengen Untersuchung gefangener Insurgenten eine eigene Kommißion, dann das Standrecht angeordnet, allein bis zur Stunde seie diese Untersuchung noch nicht beendet. Man habe seitdem mit dem Ministerium der Justiz über die durch die Zeitverhältniße nöthige Errichtung von Spezial-Gerichten und des Standrechts kommunizirt, bis jetzt aber werde von dort eine endliche Aeußerung hingehalten. Der Drang der Umstände gebiete jedoch, Seiner Majestät dem Könige vorzuschlagen:
1.) Die Errichtung von Special Gerichten, so wie die durch {2v} das Gesez vom 10en Pluviose an 91222 angeordnete französische tribunaux speciaux waren1223.
2.) Die Ausdehnung der über das Standrecht bestehenden Geseze auf das Reich.
3.) Die Kundmachung von jenem Theile des Gesezbuches über Verbrechen und Vergehen, welcher von den gefährlichen Staats Verbrechen handelt.
Die ersten 2 Punkte seien in einem Entwurfe zusammen gefaßt, der lezte Punkt aber in einem besondern Patent bearbeitet, welche Seiner Majestät vorgelegt werden würden.
Freiherr von Aretin sezte nunmehr die Grundzüge des ersten Entwurfs auseinander, und zwar über die Formazion, Errichtung und Auflößung der Special Gerichte, über ihre Kompetenz, ihr Verfahren, über das standrechtliche Verfahren; hinsichtlich des zweiten Patents aber wurde bemerkt, daß dieses lediglich die Kundmachung der Bestimmungen {3r} des neuen von Seiner Majestät bereits sankzionirten Gesezbuches über die gefährliche Staatsverbrechen enthalte.
Auf diese Darstellung glaube Freiherr von Aretin die Gesezes-Entwürfe begründet, die nunmehr der Prüfung des geheimen Rathes und der Genehmigung Seiner Königlichen Majestät unterlegt werden, oder andern Vorschlägen Platz machen sollen.
Nach diesem Vortrage berührte der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Freiherr von Hompesch die Vorfrage, ob die Errichtung der hier in Vorschlag gekommenen Special Gerichte und ihre Ausdehnung auf das ganze Königreich wohl nöthig sei? Es seien nur wenige Theile des Königreichs im Falle, dieser Anstalt zu bedürfen, während der größte Theil in seiner Treue fest geblieben sei. Er glaube, daß lediglich für Tyrol und Vorarlberg nur das Standrecht und nur für den Augenblik {3v} anzuordnen sein mögte.
Schon in der Sizung des Innern und der Justiz1224 hatte der königliche geheime Rath von Feuerbach ein eigenes Votum gegen die Einführung dieser Gerichts-Höfe abgegeben und blos auf Errichtung von Special Untersuchungs Commißionen für Tyrol und Vorarlberg angetragen. Nunmehr erbat sich auch der königliche geheime Rath Graf Carl von Arco die Erlaubniß, über die hier erwähnte Vorfrage sein Votum abzulesen, wornach er gleichfalls die Meinung äußerte, daß die Errichtung der Special Gerichte nicht nöthig sei.
Der königliche geheime Rath Graf von Törring erinnerte, daß auch er anfänglich dieser Meinung gewesen sei, daß er jedoch nach Ablesung des Entwurfs selbst diese wieder geändert habe, indem die darin gegebene nähere Bestimmungen von der Art seien, daß jedes Bedenken gegen die Errichtung der Special Gerichte dadurch beseitigt werde.
Seine Majestät befahlen hiernach die Ablesung des Entwurfs1225.
{4r} Der ursprünglich projectirte Eingang war schon in der obenerwähnten Sekzions Sizung in der Hinsicht daß lediglich der osterreichischen Machinazionen Meldung geschah, zu grell und auffallend und nicht generell genug gefunden worden1226. Freiherr von Aretin las nun auch dagegen den Eingang, so wie er nach den Wünschen der Section umgeändert worden, ab, und Seine Majestät genehmigten solchen in folgender Faßung.
Die durch den jüngsten Krieg herbeigeführten Ereignisse, wo ein Aufruhr predigender Feind einen Theil Unserer Unterthanen zur offenen Empörung zu reizen wußte und allenthalben die Bande des Gehorsams und der öffentlichen Ordnung aufzulösen bemühet war, haben Uns auf eine Lüke in der bisherigen Gesezgebung aufmerksam gemacht, deren Ausfüllung *in den gegenwärtigen Umständen*1227 die Sicherheit des {4v} Staates dringend erfordert.
Diese von innen und außen bedrohete Sicherheit macht es nothwendig, daß gegen diejenigen, welche die heilige Pflicht gegen Fürst und Vaterland vergeßend mit dem Feinde in Verbindung getreten, seine auf die Umwälzung und Zerstükelung Unseres Reichs abzielende Bemühungen durch heimliche Ränke und öffentliche Handlungen befördert, und die schwache Menge durch die Macht des Beispiels und der Verführung oder durch Drohungen und Gewalt zu einem Unglük bringenden Aufstand bewogen haben, die gesezliche Strafe durch ein solches Verfahren eingeleitet werde, welches, indem es den damit verbundenen Schreken vermehrt, Unserm Gemüthe den Schmerz erspart, noch mehr Opfer dem Schwerdte der strafenden Gerechtigkeit zu überlassen.
Wir haben eine einförmige {5r} Bestimmung hierüber um so nothwendiger gefunden, als die in den verschiedenen Theilen Unseres Königreichs durch die bestehende Kriminal Gerichts-Ordnungen verschieden bestimmten, überhaupt nur auf gewöhnliche Fälle berechneten Formen weder dem Verfahren jene Schnelligkeit, noch den Gerichten jene Kraft gewähren, welche solche außerordentliche Verhältniße erfordern.
Von diesen Beweggründen geleitet, *haben Wir nach Vernehmung Unseres geheimen Rathes und unter Vorbehalt der bei versammelter Reichsrepraensentazion [!] über die definitiven Gesez-Bestimmungen zu pflegenden näheren Berathung beschloßen*1228, *die dießfalls nothwendige gesezliche Verfügungen, den gegenwärtigen Verhältnißen anpassend, bekannt machen zu lassen*1229, und sonach einer Seits die bereits in einigen Theilen Unseres Königreichs über das standrechtliche {5v} Verfahren bestehenden Geseze auf den ganzen Umfang des Reichs auszudehnen, anderer Seits aber nach dem durch den Erfolg gerechtfertigten Beispiele anderer Staaten zur Untersuchung und Aburtheilung der den Staat in seinem Dasein angreifenden Verbrechen außerordentliche Gerichts Höfe unter dem Namen von Special Gerichten aufzustellen, welche, indem Wir ihnen Schnelligkeit in dem Verfahren vorschreiben, und eine außerordentliche Gewalt beilegen, zugleich aber für ihre Besezung mit besonderer Vorsicht sorgen, ihre Kompetenz nur auf die gefährlichste Verbrechen beschränken, und endlich das Verfahren mit besondern Formen bekleiden, die die Forderungen der Staats Sicherheit mit jenen der bürgerlichen Freiheit in sich vereinigen.
Wir haben demnach {6r} verordnet und verordnen wie folgt.
Der 1te Titel begreift die Formazion der Special Gerichte. Im § 1 wird die Konstituirung der Special Gerichte ausgesprochen1230. Die Section des Innern und der Justiz hatte hiebei die Erinnerung gemacht, daß die Vernehmung des geheimen Raths hier nicht umgangen werden mögte.
Seine Majestät genehmigen, daß in diesem § gesezt werde: „in denjenigen Kreisen, in welchen Wir es nach Vernehmung Unseres geheimen Raths für nöthig finden“.
Bei § 21231 wo die Zahl und Gattung der Individuen bestimmt wird, aus welchen das Gericht zusammengesezt werden soll, wurde es zwekmäsig gefunden, auch Militärpersonen zu adhibiren1232, und folglich die in Antrag gebrachte Zahl von 5 auf 7 zu vermehren. Zugleich wird der Name Regierungs Commißaire1233 {6v} so wie der nach dem oesterreichischen Gesezbuche beibehaltene Ausdruck Gerichtsschreiber als zu Mißdeutungen Anlaß gebend gefunden.
Es wurde beschloßen, daß statt 5 Richter 7 bestehen sollen, unter denen zwei aus dem Militärstande genommen werden; statt dem Worte Regierungs Commißaire soll hier, und wo es noch in dem gegenwärtigen Entwurfe vorkömmt, gesezt werden „Kronfiskal“ und statt dem Worte Gerichtsschreiber, gleichfalls überall das Wort „Protokollführer“.
Bei dem § 31234 welcher bestimmt, woher die Richter gerufen werden sollen,
ist zu sezen, aus der Mitte Unserer Justiz-Räthe, auf den Antrag Unseres geheimen Justiz Ministeriums. Die Wahl der Militär Individuen behalten Wir Uns besonders bevor. Wir werden zugleich bestimmen, {7r} wer unter den Justizräthen p. den Vorsiz führen soll.
Bei § 4 wurde keine Erinnerung gemacht1235. Der § 51236 die Wahl der Beisizer betr. wird in der Fassung
genehmiget mit der Aenderung, daß bei der Ernennung der Beisizer der Vorbehalt der allerhöchsten Genehmigung ausgelassen werde, und zu sezen sei: zwei rechtliche und unpartheiische Männer die in der Gemeinde des Ortes ansässig sind. Sie haben nicht über die Meinungen der Richter zu wachen.
Bei § 61237 die Wahl des Protokollführers betr.
soll gleichfalls die Einholung der allerhöchsten Genehmigung umgangen, und statt des einschlägigen Appellazions Gerichts gesezt werden „eines Appellazions Gerichts“.
Die §§ 7 und 8 blieben ohne Erinnerung1238.
Der § 91239 in Betreff der Dauer des Special Gerichts wurde nach dem genehmigten Antrage des geheimen Raths {7v} von Arco abgeändert, nur erinnerte der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Freiherr von Hompesch, daß es zwekmäsiger wäre, statt des längsten Termins von 6 Monaten nur 3 zu sezen.
Genehmigt, und ist daher auf folgende Art zu fassen: „Ein an irgend einem Orte nach Vernehmung Unseres geheimen Raths konstituirtes Special-Gericht soll längstens 3 Monate dauern. Nach Verlauf dieses Zeitraums behalten Wir Uns bevor, nach wiederholter Vernehmung Unseres geheimen Rathes, zu entscheiden, ob dieses konstituirte Special Gericht neuerdings 3 Monate oder kürzere Zeit prorogirt werden solle.“
Der zweite Titel behandelt die Kompetenz der Special Gerichte1240. Hier solle gleich im Eingang des § 101241
nach den Worten „das Special Gericht erkennt“ beigefügt werden „während seiner Dauer“
{8r} und am Ende des eben genannten § soll nach gepflogener Berathung der Zusaz gemacht werden:
„Die in den Verbrechen dieser Grade begründete Kompetenz der Special Gerichte ziehet zugleich deren Zuständigkeit in Ansehung der damit konnexen in minderem Grade stehenden Verbrechen derselben Gattung nach sich.“
Die §§ 11 und 12 blieben ohne Bemerkung1242, nur bei dem 13en wurde gleich im Eingange1243 zu ändern
beschloßen: das Wort „entweder“ ist wegzulassen ferner der Saz „oder doch den oben § 10 ausgesprochenen Grad nicht erreichen“.
Statt des vorgetragenen § 141244
genehmigen Seine Majestät folgende kürzere Fassung: „Die Kompetenz des Special Gerichts erstrekt sich über jedermann, ohne Unterschied seines Standes, Ranges oder Wohnorts“.
Bei dem dritten Titel welcher von dem Verfahren {8v} der Special Gerichte handelt, wurde schon in der Section des Innern und der Justiz vom königlichen geheimen Rathe von Feuerbach die Bemerkung gemacht daß bei dem in Antrag gebrachten Gang des richterlichen Amtes die Verhandlung nicht nur nichts an Schnelligkeit gewinne, sondern eine Formalität mehr erhalte, daß auch bei den bestehenden Gesezbüchern in den Provinzen über das nämliche Verbrechen verschiedentlich gesprochen werden würde. Er hatte deshalb die Zusage gemacht, rüksichtlich der Indizien und der Führung des Beweises, überhaupt des Verfahrens bei den Special-Gerichten, eine weitere Arbeit zu liefern1245. Ehe der geheime Rath von Feuerbach hierüber vortrug, wurde noch der 15te § abgelesen1246, und nach der Fassung genehmiget mit der einzigen Abänderung, daß statt dem [„]auswärtigen Ministerium {9r} welches die Anzeigungen der als Staatsverbrecher zu untersuchenden den Special Gerichten mitzutheilen habe[“]
gesezt werden solle: von demjenigen Ministerium, welchem Wir die Sorge für die gefährdete Sicherheit insbesondere übertragen.
Der königliche geheime Rath von Feuerbach stellte nunmehr die Nothwendigkeit vor, daß sogleich mit der gegenwärtigen Verordnung auch das Verfahren bei den Special Gerichten vorgeschrieben werden müßte. Die hauptsächlichste Verschiedenheiten in den bestehenden Prozeß-Ordnungen müßten durch allgemeine Bestimmungen so viel möglich ausgeglichen werden, so daß ein im wesentlichen gleichförmiges Verfahren bei den Special Gerichten in allen Provinzen eingehalten, und dabei gleichwohl von den bestehenden Prozeß-Ordnungen zu Ergänzung der {9v} gegenwärtigen Verfügung Gebrauch gemacht werden könne; es müßten ferner die Hauptgrundsäze angegeben werden, worin sich das summarische Verfahren einer Seits von dem ordentlichen und feierlichen anderer Seits aber von einem ganz gesezlosen tumultuarischen Verfahren unterscheide; es müßte endlich die in den bestehenden Prozeß-Ordnungen sich zeigende zu große Beschränkung der Beweis Mittel gegen den Angeschuldigten aufgehoben, und diese Überführungs Mittel, jedoch mit schonender Rüksicht auf die Möglichkeit der Unschuld, erweitert werden. Dieses seie der Zwek, welchen er bei der von ihm nunmehr in Antrag kommenden Vorschrift beabsichtet habe.
Derselbe las nun diese Vorschriften über das von den Special Gerichten zu beobachtende Verfahren in 19 §§ ab1247, sezte zuerst die nothwendige {10r} allgemeine Bestimmungen voraus, dann gieng er zur Untersuchung und Beweis-Führung über, und zwar durch Verhör und Geständniß der Angeschuldigten, durch außergerichtliches Geständniß, durch Überführung mittels Urkunden, durch Zeugen, durch Überweisung mittels Anzeigungen, durch Gegenstellung der Zeugen und schloß dann endlich mit dem Schluß und Defensions Verfahren.
Es wurde genehmigt, daß die §§ 16 bis 23 inclus. des von dem Freiherrn von Aretin vorgetragenen Entwurfs1248 dahin geändert werden sollen, daß die oben abgelesenen und dem gegenwärtigen Protokoll anliegenden an ihrer Statt mit den gleich unten folgenden wenigen Abänderungen eingeschaltet werden, so daß der 1te § des Feuerbachschen der 16te der Verordnung {10v} und der lezte der von Feuerbachschen der 34te derselben werde.
Die Abänderungen sind folgende:
§ 18. Statt es kann darauf allein ein Endurtheil erkannt werden, soll es heißen „jedes Strafurtheil erkannt werden“1249.
§ 25. Statt die erforderlichen Zeugenbeweise solle gesezt werden „die erforderlichen gerichtlichen Zeugen-Aussagen“1250.
§ 26. Statt zweier beeidigter Zeugen, von welchen der eine wenigstens über alle Einwendungen erhaben sein muß, ist zu sezen „zweier beeidigten vollkommen glaubwürdigen Zeugen“.
Ferner: drei oder mehrere an sich zulässige, wenn gleich zum Theil verdächtige Zeugen soll heißen „wenn gleich einigen Einwendungen unterworfene Zeugen“. Endlich soll nach den Worten: nach vorsichtiger Erwägung des Gerichts beigesezt werden „jedoch nur unter den {11r} im § 30 bestimmten Voraussezungen1251.
§ 27. Statt verdächtiger Zeuge ist abermals zu sezen „einer Einwendung unterworfener Zeuge“1252.
§ 30. Da wo es heißt: die Strafe des Todes oder Zuchthaußes soll nur gesezt werden „die Strafe des Todes“, dagegen wo es heißt: kann blos auf Arbeits Hauß, Gefängniß p. soll eingeschaltet werden „Zuchthauß, Arbeitshauß p“1253.
§ 34. Dem Vertheidiger ist ein Zeitraum von 24 Stunden p. soll beigefügt werden „von höchstens 24 Stunden“1254.
Freiherr von Aretin sezte nun den Vortrag des Entwurfes fort. Der § 35 wurde des Zusammenhanges wegen mit folgendem Eingang versehen.
Nach vollendeter Defensions Handlung schreitet der Richter bei verschlossenen Thüren und nach Entfernung aller übrigen zur Berathschlagung und Schöpfung des Urtheils u. s. f. wie im Entwurfe {11v} bis am Ende, wo statt bestimmt sei, gesezt werden soll „zu bestimmen sei“1255.
Was im § 36 von dem Kronfiskal vorkömmt, wo er nämlich bei den Stimmen der Richter Erinnerungen machen könne
wurde wegzulassen für gut befunden1256.
Der § 37 blieb nach dem Antrage der Section1257, so wie der § 38 wo nur
statt den Worten: das auf solche Art durch Mehrheit der Stimmen ausgefallene Urtheil zu sezen ist „das geschöpfte Urtheil“ und am Ende des § sollen die Worte: „mit Ausnahme des Kronfiskals“ weggelassen werden1258.
Die §§ 39 bis 44 inclus. blieben nach dem Antrage der Section1259, nur bei dem § 45 wurde erinnert, daß es zwekmäsiger erscheine, wenn das Untersuchungs Geschäft {12r} mit Bericht statt an das Oberappellazions Gericht an das geheime Justiz Ministerium gebracht würde.
Darnach wurde die Aenderung an das geheime Justiz Ministerium genehmigt1260.
Bei dem § 46 wurde keine1261, bei § 47 nur die Aenderung beliebt, wie oben
statt Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten zu sezen „Ministerium des Innern“1262.
Im 4ten Titel handelt der 48 § von dem Eintreten des Stand Rechts1263, der 49te von der Versammlung des Special Gerichts, wenn eines bereits besteht. Bei diesem lezten
wurde beschloßen, von Ansagung der Stunde durch den Kronfiskal Umgang zu nehmen1264.
Bei dem 50en § erinnerten Seine Majestät selbst, daß bei dem Standrechte mehr noch als bei dem Special-Gerichte die Beiziehung von Militär erforderlich sei und befahlen folgende Fassung1265.
Das Stand Recht wird aus {12v} 5 Richtern zusammengesezt. Wenn ein Special Gericht im Kreise nicht besteht, so hat der General Commißaire 3 in dem Kriminal Richteramte bewährte und bei der Sache unbefangene Männer zu dem Standrecht zu benennen, welchen zwei Militärpersonen beigegeben werden. Unter den erstern führt der Aelteste den Vorsiz. Der General Commißaire hat ferner zwei Beisizer aus der Gemeinde und einen Protokollführer zu bestimmen1266.
Im § 511267 wurde hierauf bei dem vorgeschriebenen Benehmen mit dem nächsten Militär Kommando wegen der zu Bedekung des Standrechts nöthigen Mannschaft der Zusaz nothwendig
wegen Benennung der zwei Militär Individuen
und auf die Bemerkung des königlichen geheimen Staats und Konferenz Ministers Freiherrn von Montgelas, daß {13r} die Zubereitungen zur Execution des Standrechts zu detaillirt aufgezält seien
wurde zu sezen beschlossen, daß die nöthigen Amts Geräthschaften und Vorbereitungen an einem zur Gerichtshaltung schiklichen Orts hergestellt werden.
Auf gleiche Erinnerung, daß da, wo ein Kronfiskal nicht sei, und ein Kreis-Kanzlei Director oder Kreisrath seine Stelle vertreten solle, auf einmal der Kronfiskal in die Kategorie eines Kanzlei Directors erhoben werde
wurde beschlossen, nur einen Kreisrath abzuordnen.
Die §§ 52 und 53 blieben ohne Erinnerung1268, nur wurde auf Bemerken des geheimen Staats und Konferenz Ministers Freiherrn von Hompesch
der Ausdruk bescheidene Commißaire dahin abgeändert „Civil Commißaire“1269.
Der Eingang des § 55 wurde
dahin zu fassen beschlossen1270 „Das Verfahren im {13v} Standrecht wird von dem ältesten der 3 Richter aus dem Civilstande geleitet, und nachdem es geschlossen ist pp“.
Der § 56 bestimmte im Entwurfe als die Strafe der Aufwiegler und Rädelsführer den Strang.
Seine Königliche Majestät befehlen, daß statt dessen gesezt werde „die Kugel“1271.
Die §§ 57 und 58 blieben ohne Erinnerung1272. Im § 59 ist statt [„]das Protokoll an das Oberappellazions Gericht einzusenden[“]
zu sezen „an das geheime Justiz Ministerium“1273.
Auch wurde, da ein Kronfiskal durch einen Kreisrath ersezt werden kann, der Zusaz nothwendig gefunden
hat der Kronfiskal oder dessen Vertreter an das Ministerium des Innern Bericht zu erstatten1274.
Ausarbeitung eines Patents über Straftaten gegen den Staat
In Ergänzung des Patents über die Errichtung von Spezialgerichten wird ein Patent beraten, das die Straftaten gegen den Staat und deren Bestrafung normiert. Da die Bestimmungen im wesentlichen mit jenen des im Entwurf vorliegenden, bereits genehmigten Strafgesetzbuches übereinstimmen, beschränken sich die Beratungen auf redaktionelle Änderungen.
2. Da es nach der vorher abgelesenen Verordnung durchaus erforderlich ist, daß feste Bestimmungen {14r} über die Staatsverbrechen und ihre Bestrafung kund gemacht werden, und unsere bestehende Kriminal Geseze diese nicht geben, so wurde ein Patent deßfalls entworfen, welches zu gleicher Zeit zu erscheinen hätte.
So wie bei der Verordnung der Special Gerichte der Eingang einer Abänderung unterlag, so müßte auch der Eingang des gegenwärtigen Patentes anders als im Entwurfe gefaßt werden.
Derselbe wäre auf folgende Art abzuändern.
In Erwägung der großen Verschiedenheit, welche in Absicht auf die Kriminal-Gesezgebung in den verschiedenen Theilen Unseres Reichs noch statt findet, und in der ferneren Erwägung, wie leicht durch die Unbestimmtheit, mit der sich einige noch bestehende Kriminal Geseze über Staats-Verbrechen und deren Bestrafung ausdrüken, sowohl die unter den gegenwärtigen Umständen auf einigen Punkten bedrohete innere {14v} Sicherheit des Staates, als auch die Rechts Sicherheit *einiger*1275 Unterthanen, welche die Beschuldigung eines solchen Verbrechens auf sich laden, einem in Willkühr ausartenden richterlichen Ermessen überlaßen werden könnten, haben Wir beschloßen, *jenen Theil der Gesezgebung, welcher von den gefährlichsten Staats Verbrechen handelt, für dermal vorläufig bis zur definitiven gesezlichen Bestimmung kund machen zu lassen*1276, und *dadurch*1277 sowohl alle Unterthanen Unseres Reichs in der Behandlung wegen dieser den ganzen Staat unmittelbar angreifenden Verbrechen gleich zu stellen, als auch durch die *Festsezung*1278 deutlicher und umfaßender Bestimmungen alle Gefahr einer willkührlichen Verurtheilung von ihnen abzuwenden.
Da übrigens dieses Patent in seinen 60 §§ eigentlich im Auszuge nur jene Bestimmungen enthält, welche bereits in dem von Seiner Königlichen Majestät genehmigten allgemeinen Kriminal-Gesezbuche aufgeführt sind, so wurden {15r} Seiner Majestät nur jene Bemerkungen vorgetragen, welche bei einzelnen §§ in der Section des Innern und der Justiz gemacht wurden1279.
Die über die Formalität über den gegenwärtigen Fall von der Section des Innern und der Justiz in Antrag gebrachten Abänderungen, welche deßfalls in dem Sections Protocoll hier angelegt werden, sind als zwekmäsig anerkannt1280.
Genehmigung durch den König (27. Juli 1809).
Anmerkungen
[Johann Adam Freiherr von] Aretin, „Vortrag über die Untersuchung und Bestrafung von Staatsverbrechen“, Juli 1809, 12 nicht pag. Bll., BayHStA MA 6981 (hiernach im Folgenden zitiert); weitere lithographierte Exemplare des Vortrags (20 pag. Seiten): Staatsrat 169, Staatsrat 1973, Staatsrat 8221, MA 99501.
Die Grafschaft Tirol einschließlich der vormaligen Hochstifte Brixen und Trient sowie Vorarlberg waren durch den zwischen Österreich und Frankreich geschlossenen Friedensvertrag von Preßburg vom 26. Dezember 1805 an Bayern gekommen und wurden seit Mitte 1806 politisch-administrativ in den Staatsverband integriert. Zum Aufstand der Tiroler gegen die bayerische Herrschaft kam es im Kontext des Krieges, den Österreich am 10. April 1809 gegen Frankreich eröffnete und der am 14. Oktober mit dem Frieden von Schönbrunn sein desaströses, den österreichischen Kaiserstaat auf den Status einer Mittelmacht reduzierendes Ende fand. In etwa zeitlich parallel zu den Kampfhandlungen zwischen den französischen und österreichischen Armeen verlief der in mehreren Phasen verlaufende Aufstand der Tiroler gegen die bayerische Militärmacht. Österreichische Agenten und Militärs hatten bereits seit 1808 die Tiroler Bevölkerung agitiert, kriegsrelevante Informationen eingeholt und den Aufstand vorbereitet, der am 10. und 11. April 1809 in verschiedenen Landesteilen einsetzte. Die militärisch-politische Lage am 27. Juli, dem Datum der vorliegenden Sitzung des Geheimen Rates, war nicht eindeutig zu bestimmen. Einerseits hatte Kaiser Franz I. in einer Deklaration vom 29. Mai, dem sogenannten Wolkersdorfer Handbillet (Druck: Fontana, Südtiroler Unterland, S. 455), der „treuen Grafschaft Tyrol, mit Einschluß des Vorarlbergs [erklärt], daß sie nie mehr von dem Körper des Oesterreichischen Kaiserstaates soll getrennt werden, und daß Ich keinen anderen Frieden unterzeichnen werde – als den, – der dieses Land an Meine Monarchie unauflöslich knüpft“. Andererseits schrieb der auf vier Wochen begrenzte Waffenstillstand von Znaim vom 12. Juli vor, Tirol und Vorarlberg von österreichischen Truppen zu räumen (Vogt, Staats-Relationen, Bd. 14, S. 44-46, hier S. 45, Art. 4). Die künftigen Entwicklungen waren insofern nicht klar abzusehen, zumal in der Tiroler Öffentlichkeit in der zweiten Julihälfte ohnehin Ungewißheit über die faktische Existenz des Waffenstillstandes herrschte, bis am 28. bzw. 29. Juli offizielle Kundmachungen ergingen. Aufgrund der schwierig zu beurteilenden Situation kam es zu schwankenden Abwägungen bei Befürwortern wie Gegnern des Aufstands in Tirol. Vgl. Schennach, Revolte, S. 111-137, bes. S. 113, 127-129 (mit Nachweis der älteren Literatur); zu den Kampfhandlungen detailliert Schemfil, Freiheitskrieg, S. 41-199.
„Loi relative à l’établissement de tribunaux speciaux” vom 7. Februar 1801, Bulletin des Lois de la République Française, 3. Serie, Bd. 2, Nr. 527, S. 303-309.
In der Sitzung der Geheimratssektionen des Innern und der Justiz vom 19. Juli 1809 waren anwesend: Preysing, Toerring-Gutenzell, Arco, Aretin, Stengel und Feuerbach („Protocoll welches bey dem königlichen geh. Rathe der Sekzion des Innern, und der Justiz abgehalten wurde den 19. Juli 1809“, 4 nicht paginierte, beschr. Bll., BayHStA Staatsrat 169; im Folgenden zitiert als „Sektionsprotokoll“).
In der Sektionssitzung vom 19. Juli (Sektionsprotokoll, [Bl. 2v]) hatten Feuerbach und insbesondere Toerring-Gutenzell Kritik am hier folgenden Verordnungsentwurf (S. 1-4) geübt: „Während der größte Theil Unserer Unterthanen den arglistigen Ränken eines treulosen Feindes eine unerschütterliche Treue entgegensezt, und Uns durch tägliche Beweise von Ergebenheit für Unsere Regierungs-Sorgen belohnt, müssen Wir mit Schmerzen sehen, wie noch immer ein beträchtlicher Theil Unseres Reiches durch osterreichische Agenten im offenen Aufruhr gegen Uns erhalten, und wie auch in den nördlichen Kreisen kein Mittel unversucht gelassen wird, um den minder unterrichteten Theil des Volkes zur Vergessenheit seiner Unterthanspflichten zu verleiten.
Durch die am 6. d. M. dekretirte Errichtung der Nazional Garde [vgl. die „Organische Verordnung über die Errichtung einer National-Garde“ vom 6. Juli 1809, RegBl. 1809, Sp. 1093-1112] haben Wir nun zwar Unsern getreuen Unterthanen ein Mittel eröffnet, Uns, und sich gegen die Anfälle des verzweifelnden Feindes, und der Rebellen kräftig zu schüzen, es fodert aber auch die Uns von Gott zur Bewahrung übertragene innere Sicherheit des Staats, daß diejenigen, welche die heilige Pflicht gegen Fürst und Vaterland vergessend, sich mit dem Feinde eingelassen, seine auf die Umwälzung und Zerstükelung Unseres Reiches durch heimliche Ränke und öffentliche Handlungen befördert, und die schwache Menge durch die Macht des Beispiels, durch die Einwürkung ihrer verführenden Reden, oder durch Drohungen und Gewalt zu einem Unglük bringenden Aufstand bewogen haben, die gesezliche Strafe auf eine solche Art erleiden, welche, indem sie den damit verbundenen Schrecken vermehret, Unserm Gemüthe den Schmerz erspart, noch mehr Opfer dem Schwerte der strafenden Gerechtigkeit zu überlassen.
In dieser Hinsicht haben wir auch bereits mehrere, solcher Verbrechen beschuldigte Menschen der gerichtlichen Untersuchung übergeben. Allein hiebei durch die Erfahrung überzeugt, daß die in den verschiedenen Theilen des Königreiches durch die bestehenden Kriminal Gerichts Ordnungen verschieden bestimmten, überhaupt nur auf gewöhnliche Fälle berechneten Formen, weder dem Verfahren jene Schnelligkeit, noch den Gerichten jene Kraft gewähren, welche die gegenwärtigen ausserordentliche Verhältnisse fodern, haben Wir nach Vernehmung Unseres Geheimen Raths *und vorbehaltlich der bey versammelter Reichs Repraesentation über die definitiven Bestimmungen zu treffenden näheren Berathungen für dermahl* [Ergänzung in der Sektionssitzung vom 19. Juli] beschlossen, diese gefährliche Lücke in der Gesetzgebung durch die alsbaldige Bekanntmachung Unserer für die künftige Kriminal Gesezgebung über diesen Gegenstand gefaßten Beschlusse auszufüllen; und sonach seinerseits die bereits in einigen Theilen Unseres Königreichs über das standrechtliche Verfahren bestehenden Geseze über den ganzen Umfang Unseres Reichs auszudehnen, andererseits aber nach dem durch den Erfolg gerechtfertigten Beispiele anderer Staaten zur Untersuchung, und Aburtheilung der den Staat in seinem Dasein angreifenden Verbrechen ausserordentliche Gerichtshöfe unter dem Namen von Spezial Gerichte zu konstituiren, welche, indem Wir ihnen Schnelligkeit in dem Verfahren vorschreiben, und eine ausserordentliche Gewalt beilegen, zugleich aber für ihre Besezung mit besonderer Umsicht sorgen, ihre Kompetenz nur auf die gefährlichsten Verbrecher beschränken, und endlich das Verfahren mit besonderen Formen begleiten, die Forderungen der Staats-Sicherheit mit jenen der bürgerlichen Freiheit vereinigen.“
Der Kritik folgend, daß die Einleitung „mehr generell“ zu halten sei (Sektionsprotokoll vom 19. Juli 1809, [Bl. 2v]), legte Aretin in der Sektionssitzung vom 25. Juli eine überarbeitete Fassung vor (vgl. „Protocoll des königl. geheimen Raths der Section des Innern Ministerii vom 25. Julii 1809“, BayHStA Staatsrat 169, [Bl. 1r-1v]; im Folgenden zitiert als „überarbeitete Fassung“). Anwesend waren Preysing, Toerring-Gutenzell, Stengel, Arco, Aretin und Feuerbach). Im Anschluß trug Arco grundsätzliche Bedenken gegen die Permanenz von Spezialgerichten vor. Ähnlich argumentierte Feuerbach, der sich „gänzlich gegen die Einführung dieser Gerichtshöfe“ aussprach, u.a. wegen der langsamen Verfahren und der zu geringen Abschreckungswirkung, und demgegenüber vorschlug, spezielle Untersuchungskommissionen für Tirol und Vorarlberg einzurichten, die nach der Niederschlagung der Revolte ihre Arbeit aufnehmen sollten. Dem hielt Aretin im Auftrag Montgelas’ entgegen, daß der König die Einrichtung von Spezialgerichten bereits definitiv beschlossen habe, so daß nur noch über die Weise, wie diese Gerichte zu organisieren seien, beraten werden dürfe.
Verordnungsentwurf, S. 5: „§ 2. Das Spezial Gericht besteht aus fünf Richtern, unter denen einer den Vorsiz führt, einem Regierungs Kommissär, zwei Beisizern aus der Gemeinde des Orts, in welchem das Spezial Gericht seinen Siz nimmt, und einem Gerichts-Schreiber.“ – In der Sektionssitzung vom 19. Juli hatten sich Arco und Stengel nicht mit dem Vorschlag durchsetzen können, sieben Richter zu bestellen (Sektionsprotokoll, [Bl. 1v]).
Aretin hatte sich in seinem Vortrag (BayHStA MA 6981, [Bl. 3v], § 8) gegen die Bestellung von Richtern aus dem Militärstand ausgesprochen, auch wenn das französische Vorbild darin anders verfahre: „[A]llein man glaubte hierin der öffentlichen Meinung nachgeben zu müssen, welche den in einem strengen und von Förmlichkeiten entblößten Dienst gealterten, tausende um sich fallen zu sehen gewohnten Männern weder die mildere Gemüthsstimmung, noch immer die Rücksicht auf Formen, noch die hohe Achtung für Menschenleben zutraut, die der Richter in so wichtigen Fällen haben soll.“
Die Beteiligung eines Regierungskommissärs (Kronfiskals) am kriminalgerichtlichen Verfahren bezeichnete Aretin als „[n]eu und in Deutschland bisher ungewöhnlich. […] Er ist das Organ des von Sr. Majestät mit der Vorsorge für die innere Sicherheit unter den gegenwärtigen Verhältnißen außerordentlichen beauftragten Ministeriums beym Gerichte, und versieht zugleich die Funktionen des öffentlichen Anklägers. Diese letztern werden durch die Wichtigkeit und Gefährlichkeit der Verbrechen gerechtfertiget, welche nicht gestatten, den oft einseitigen Erwägungen der Justizbeamten allein die Beurtheilung zu überlassen.
Während die Staatssicherheit wollte, daß das Ministerium von dem Gange und den Resultaten der Untersuchung beständig in Kenntniß erhalten werde: sollte doch das Ansehen von Einfluße der Regierung selbst auf die Untersuchung vermieden werden, welches eine solche unmittelbare Correspondenz mit dem Spezialgerichte immer gehabt haben würde, und so schien das Mittelorgan des Regierungskommißärs am geeignetsten. Die Gefahr eines die Schuldlosigkeit Staatsrücksichten aufopfernden Einflußes ist dadurch entfernt, daß der Regierungskommißär weder beim Urtheilen, noch sonst eine Stimme hat, daß daher Untersuchung und Aburtheilung, seiner Erinnerungen ungeachtet, den Gang des Rechtes fortgeht. Die durch die Constitution garantierte Unabhängigkeit der Justizbeamten läßt auch keinen indirekten Einfluß auf die Richter besorgen“ (ebd., [Bl. 4r-4v], § 9).
Verordnungsentwurf, S. 5: „§ 3. Wir werden fünf Richter aus der Mitte Unserer Justizräthe, und zwar in der Regel aus dem Appellations Gerichte des Kreises, in welchem das Spezial Gericht errichtet wird, ernennen. Wir werden zugleich bestimmen, wer unter ihnen, und auf wie lange Zeit derselbe den Vorsiz führen soll.“
Ebd., S. 5f.: „§ 5. Zu Beisizern hat der Vorstand des Gerichtshofes, benemlich mit dem Regierungs Kommissär und mit Vorbehalt Unserer von dem leztern zu erholenden Genehmigung, zwei vertraute und unpartheiische Männer aus der Gemeinde des Orts, in welchem das Spezial Gericht seinen Siz nimmt, zu wählen und dieselben bei versammelten Gerichte, dabei zu beeidigen, daß sie, um die Ächtheit des über das Verfahren aufzunehmenden Protokolls zu bezeugen, für die ordentliche Eintragung der Fragen und Antworten sowohl, als auch die Meinungen der Richter sorgfältig wachen, und alles, was ihnen bei dieser Gelegenheit bekannt wird, geheim halten werden. Die Beisizer sind ohne wichtige Ursache nicht zu verändern.“
Aretin betonte in seinem Vortrag, daß die Kompetenz der Spezialgerichte „genau bestimmt, und sehr beschränkt“ sei: „[E]s gehören beinahe nur solche Verbrechen vor ihr Tribunal, welche das neue Gesetz mit dem Tode bestraft. Nur bei dem Verbrechen des Aufstandes im höchsten Grade (wo militärische Gewalt zur Zerstreuung desselben nothwendig, oder wirkliche Gewaltthat an Personen und Sachen verübt wird) werden, des Zusammenhanges der Unterthanen wegen, alle Theilnehmer desselben ohne Unterschied vor das Spezialgericht gestellt. In einzelnen Fällen werden die Grade der Theilnahme näher bestimmt werden müßen, welche unerbittlich gestraft werden sollen, während die Menge Gnade erhält“ (BayHStA MA 6981, [Bl. 4v-5r], § 11).
Hinsichtlich des möglichen Vorwurfes, das Gesetz verstoße gegen den Grundsatz, keine rückwirkenden Normen zu erlassen, führte Aretin aus: „Da die Urtheile nach den Gesetzen, welche zur Zeit und an dem Orte des begangenen Verbrechens bestanden haben, geschöpft werden sollen, so kann sich derjenige, welcher wegen einer vor Kundmachung des Patentes begangenen Handlung vor ein Specialgericht gezogen wird, so wenig über ein ungerechtes Zurückwirken des Gesetzes beschweren, als der Unterthan jener Kreise, in welchen vorher in Criminalsachen drey Instanzen bestanden haben, das organische Edikt über die Gerichtsverfassung welches dieselben auch für frühere Fälle auf zwey reducirte [vgl. OE betr. „die Gerichts-Verfassung“ vom 24. Juli 1808, RegBl. 1808, Sp. 1785-1800], der Ungerechtigkeit anklagen kann. Das Gesetz, nach welchen er beurtheilt wird, ist das nämliche, welches ihn bey seiner Handlung hätte leiten können: selbst in den Formen hat sich nur das Zufällige geändert; das wesentliche, die Garantie seiner bürgerlichen Freiheit, ist gleich geblieben“ (ebd., [Bl. 5v], § 12).
Als weitere Neuerungen diskutierte Aretin „die Öffentlichkeit der Schlußverhandlung, und die Beygebung eines Vertheidigers. Beyde scheinen bey diesem außerordentlichen Verfahren selbst auf den Fall nothwendig zu seyn, daß sie auch künftig beym ordentlichen Verfahren nicht eingeführt werden sollten. Die Publicität ist allein geeignet, den Specialgerichten das ebenso gehäßige als furchtbare Ansehen einer geheimen Staats Inquisition zu benehmen, welches auf den österreichischen Jakobinercommissionen der Jahre 1796 und 1797 lastete. Sie unterwirft – besonders wenn der Kreis des Antheil nehmenden Publikums durch den Druck erweitert wird – die sonst unerreichbaren Richter dem öffentlichen Urtheile, und giebt so dem Beschuldigten, wie dem Staate, den kräftigtsten Schutz gegen Willkühr und Leichtsinn. Den damit verbundenen Gefahren ist durch die beygefügten Beschränkungen vorgebogen. Ein Vertheidiger des Beschuldigten wurde durch den öffentlichen Ankläger nothwendig: die Chicanen und Verdrehungen, welche allenfalls davon besorgt werden können, sind ohne Einfluß, weil das Gericht in erster und letzter Instanz spricht, mithin eine Verzögerung deßwegen nicht Platz greifen kann“ (ebd., [Bl. 6v-7r], § 15).
Verordnungsentwurf, S. 7f.: „§ 10. Das Spezial Gericht erkennt, mit Ausschliesung aller anderer Gerichte, über die in dem Kreise, für welchen es konstituirt ist, begangenen Verbrechen des Staats-Verraths im ersten und zweiten, der beleidigten Majestät im ersten und zweiten und des Aufstandes im dritten, und höchsten Grade.“
Ebd., S. 8: „§ 11. Die Bestimmungen dieser Verbrechen, und deren Strafen machen Wir durch ein eigenes Gesez kund. § 12. Alle Handlungen, welche sich nach den Bestimmungen dieses Gesezes zu einem der § 10 genannten Verbrechen, in dem dort angezeigten Grade eignen, gehören vor das Spezial Gericht, dieselben mögen sodann vor, oder nach Errichtung des Spezial Gerichts begangen worden sein. Es versteht sich jedoch von selbst, daß die Bestrafung derselben nur nach jenen Gesezen bemessen werden kann welche zur Zeit und von dem Orte des begangenen Verbrechens bestanden haben sofern nicht das neue Gesez eine gelindere Behandlung des Verbrechens ausspricht.“ – In der Sektionssitzung vom 19. Juli (Sektionsprotokoll, [Bl. 2r] waren weder Arco noch Toerring-Gutenzell mit ihren Änderungsvorschlägen durchgekommen. Arco wollte die Zuständigkeit des Spezialgerichts auf Fälle beschränkt sehen, die nach dessen Konstituierung stattfanden, da er eine von Napoleon angeordnete Amnestie erwartete. Toerring-Gutenzell hingegen beantragte, auch Vergehen bestrafen zu lassen, die vor der Errichtung des Spezialgerichts stattgefunden hatten.
Verordnungsentwurf, S. 9f.: „§ 13. Alle Handlungen welche entweder sich unter die Begriffe der genannten Verbrechen nicht einreihen lassen, oder doch den oben § 10 ausgesprochenen Grund [!] nicht erreichen, gehören zur Kompetenz der ordentlichen Kriminal Gerichte, und es ist die Untersuchung derselben von den Spezial Gerichten anhin zu verweisen, so wie dagegen es Pflicht der ordentlichen Kriminal Gerichte ist, sofern sich bei einer von ihnen vorgenommenen Untersuchung rechtliche Anzeigung eines zur spezialgerichtlichen Handlung sich eignenden Verbrechens ergeben hat, die Akten mit der Person des Beschuldigten sogleich an das einschlägige Spezial Gericht, so ferne eines errichtet ist, abzuliefern.“
Ebd., S. 10: „§ 14. Jedermann, ohne Unterschied seines Standes, Ranges, oder Wohnortes ist verpflichtet, auf den von Seite des Spezial Gerichtes an ihn ergehenden Auftrag ungesäumt vor demselben zu erscheinen, und auf Befragen Rede und Antwort zu geben; er kann im Weigerungs Falle durch gerichtlichen Zwang gestellt und zur Aussage mit Geld und Leibsstrafe verhalten werden.“
Die Entwurfsfassung lautete (ebd., S. 10f.): „§ 16. Das Verfahren mit der Person des Beschuldigten richtet sich ganz nach den Grundsäzen, welche durch die bestehenden Gesezen für das ordentliche Verfahren vorgeschrieben sind; es unterscheidet sich blos darin von denselben, daß es durchaus vor dem versammelten Gerichte, und soviel möglich ohne Unterbrechung geschieht, und daß es dabei vorzüglich auf Beschleunigung und in dieser Hinsicht hauptsächlich nur auf den Beweiß der die Kompetenz des Spezialgerichts begründenden That, ohne Rüksicht auf Nebenumstände, oder andere Verbrechen des Ergriffenen und auf Ausforschung der Hauptschuldigen ankömmt.“ In der Sektionssitzung vom 19. Juli wurde zunächst ergänzt (Sektionsprotokoll, Bl. 2r): „Wenn auf Indizien gesprochen wird, soll die Verhandlung vor versammeltem Gericht, und per unanimia geschehen.“ Feuerbach machte jedoch darauf aufmerksam, daß die Verfahren dadurch nicht beschleunigt würden; auch sei aufgrund der Verschiedenheit der gesetzlichen Regelungen keine Einheitlichkeit des Verfahrens gegeben. Er versprach daher, „einige § zu verfassen und einzuschalten“. In der Sektionssitzung vom 25. Juli sagte Feuerbach zu, bis zur „Staats Conferenz“ am 27. Juli eine Verfahrensordnung vorzulegen, die sich am österreichischen Recht orientieren sollte (BayHStA Staatsrat 169, [Bl. 1v]).
Verordnungsentwurf, S. 10f.: „§ 15. Sobald das Spezial Gericht seine Sizungen eröffnet hat, wird demselben von Unserem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, welchem wir die Sorge für die gefährdete Sicherheit gegenwärtig insbesondere übertragen haben oder von den General Commissarien durch das Organ des Regierungs Kommissärs diejenigen Anzeigungen mittheilen lassen [!], welches wegen eines der oben § 10 genannten Staatsverbrechens gegen gewisse Personen vorliegen. Das Gericht wird, sofern es dadurch die rechtliche Anschuldungen begründet findet, und die Verhaftung nicht schon ohnehin erfolgt ist, den Befehl deßwegen erlassen.“
In seinem Vortrag (BayHStA MA 6981, [Bl. 5v-6r], § 13) stellte Aretin hinsichtlich der Grundsätze des spezialgerichtlichen Verfahrens fest, „daß durch sorgfältig vorgezeichnete Formen von der einen Seite die bürgerliche Freyheit in einem um so höhern Grade gegen Präcipitation und Willkühr gesichert werden müße, je kürzer das Verfahren und je größer die Macht des Gerichtes auf der andern Seite seyn muß, wenn es seiner Bestimmung entsprechen soll. In dieser Hinsicht glaubte man vorzüglich dafür sorgen zu sollen, daß das Factum richtig aufgefaßt, und der Beweis desselben auf eine keinen Einwendungen unterliegende Art hergestellet werde. Die Anwendung des Rechtes scheine bey den über die Wahl der Richter gegebenen Bestimmungen weniger Bedenken zu unterliegen“.
Entwurf Feuerbachs (BayHStA Staatsrat 169), § 3 [Bl. 1v]: „Wenn der Angeschuldigte die für das Straferkenntniß wesentlichen Umstände der That vor Gericht bekannt hat, das Geständnis in sich selbst glaubwürdig, und den sonst erwiesenen Umständen nicht widersprechend ist, so ist eine Widerholung desselben, oder die Herstellung eines sonstigen Beweises nicht erfoderlich, sondern es kann darauf allein ein Endurtheil erkannt werden. […].“
Ebd., § 10 [Bl. 2v]: „Sind schon bey der Generaluntersuchung die erforderlichen Zeugenbeweise vollständig zu den Akten gekommen, so ist eine wiederholte Vernehmung der Zeugen über Artikel nicht erfoderlich, so ferne sich dieselben vollständig und bestimmt über alle wesentliche Umstände der That erklärt haben. […].“
Ebd., § 11 [Bl. 2v]: „Der Angeschuldigte wird durch übereinstimmende Aussage zweyer beeidigter Zeugen, welche unmittelbar über die verbrecherische Handlung aus eigner Erfahrung sich erklären, und von welchen wenigstens der eine über alle Einwendung erhaben seyn muß, der That vollkommen überführt. Drey oder mehrere, an sich zuläßige wenn gleich zum Theil verdächtige Zeugen können, wenn dieselben in ihren Aussagen übereinstimmen, nach vorsichtiger Erwägung des Gerichts einen vollen Beweis begründen.“
Ebd., § 15 [Bl. 3v-4r]: „Doch kann auf den künstlichen Beweis durch Zusammentreffen der Anzeigungen die Strafe des Todes oder Zuchthauses nur alsdann erkannt werden, wenn der Angeschuldigte durch Einhelligkeit aller Stimmen der That für überführt erklärt wird. Ist über die Frage: ob der Angeschuldigte aus Anzeigungen für überführt zu achten sey? nur Stimmenmehrheit vorhanden, so kann blos auf Arbeitshaus- Gefängniß- oder andere geringere Strafe wider denselben erkannt werden.“
Verordnungsentwurf, S. 15: „§ 24. Hierauf wird zur Berathschlagung und Urtheilsschöpfung geschritten, welche bei verschlossenen Thüren vorgenommen wird. Der Präsident wiederholt in Kürze das Faktum nebst den für und gegen die Schuld des Untersuchten streitenden Gründen, und führt dann die Erwägung auf folgende drei Frage-Punkte zurücke: a) Ob richterlicher Beweiß vorhanden ist, daß der Untersuchte des Verbrechens schuldig sei; b) welche erschwerende, oder mildernde Unstände dabei eintreten; c) welche Strafe daher auf das Verbrechen unter diesen Umständen bestimmt sei?“
Ebd., S. 16: „§ 25. Über jeden dieser Punkte hat der Vorsizende besonders umzufragen, und die Stimmen der Richter mit den Gründen zum Protokoll zu geben. Der Regierungs-Kommissär hat so wenig als die Beisizer eine Stimme, jedoch kann er bei dem Vortrage des Präsidenten, so wie bei den Stimmen der Richter Erinnerungen machen, wenn er darin das Faktum unrichtig dargestellt, oder das Gesez unrecht angenommen findet.“
Ebd., S. 17, § 26 = VO vom 27. Juli 1809, RegBl. 1809, Sp. 1272, § 37.
Ebd., S. 18-20, §§ 28-33 = VO vom 27. Juli 1809, RegBl. 1809, Sp. 1273f., §§ 39-44. Die Paragraphen behandeln die Urteilsverkündung („sogleich bei offenen Thüren“, § 39), den raschen Vollzug des Todesurteils (längstens drei Stunden nach Urteilsverkündung, § 40) sowie die Behandlung abwesender bzw. flüchtiger Beschuldigter (§§ 41-44).
Verordnungsentwurf, S. 20: „§ 34. Über das Untersuchungs Geschäft ist ein Tagebuch mit Bezug auf das Protokoll zu führen, welches von dem Spezial Gerichte vor seiner Auflösung mit allen Akten, und mit einem unfassenden Berichte über das ganze Geschäft Unserem Ober Appellazions Gerichte, und durch dieses Uns vorgelegt werden solle. […].“
Ebd., S. 21, § 35 = VO vom 27. Juli 1809, RegBl. 1809, Sp. 1275, § 46 (Publikation der Untersuchungsakten, Urteile und Urteilsgründe nach Auflösung der Spezialgerichte).
Ebd., S. 22, § 37 = VO vom 27. Juli 1809, RegBl. 1809, Sp. 1275, § 48.
Die Entwurfsfassung (ebd., S. 23) lautete: „§ 39. Wenn ein Spezial Gericht im Kreise nicht besteht, so hat der General Kommissär fünf in dem Kriminal Richteramte bewährte, und bei der Sache unbefangene Männer zur Besezung des Standrechts, so wie zwei Beisizer aus der Gemeinde zu benennen, einem unter ihnen den Vorsiz anzuweisen, und einen Gerichtsschreiber beizuziehen.“
Publizierte Fassung: VO vom 27. Juli 1809, RegBl. 1809, Sp. 1276, § 50.
Verordnungsentwurf, S. 23f.: „§ 40. In einem wie in dem andern Falle hat sich der General Kommissär mit dem nächsten Militär Commando über die Abordnung der zur Bedekung des Standrechtes auf alle Fälle nötigen Mannschaft zu benehmen, und dem Landrichter des Orts, wo das Standrecht gehalten wird, aufzutragen, sich selbst einzufinden, oder einen Beisizer dahin abzuordnen, und die Anstalt zu treffen, daß die nötigen Amts Geräthschaften an einem zur Gerichtshaltung schiklichen Orte bereit seien, ein Galgen auf jeden Fall aufgerichtet werden und ein Seelsorger und ein Scharfrichter zur Hand seien. Endlich hat er zum Standrechte, wenn es nicht ohnehin als Spezial Gericht mit einem Regierungs-Kommissar versehen ist, den Kanzlei Direktor oder einen Kreisrath in dieser Eigenschaft abzuordnen.“
§ 52 (§ 41 des Verordnungsentwurfs, S. 24f.) ruft jeden, „der zur Besezung des Standrechts berufen wird“, auf, sich zur vorgesehenen Zeit am bestimmten Ort einzufinden, § 53 (§ 42 des Entwurfs, S. 25f.) regelt die sich aus der Aufrichtung des Standrechts ergebenden Folgen (Gehorsamspflicht; Verbot „aufrührerische[r] Zusammenrottungen“; Todesstrafe für Insurgenten). Die zit. §§ 52 u. 53: VO vom 27. Juli 1809, RegBl. 1809, Sp. 1277f.
Verordnungsentwurf, S. 25: „§ 42. […]. Nach dieser Verkündigung [über die Einsetzung des Standrechts] sind diejenigen, welche sich als Rädelsführer und Aufwiegler auszeichnen, oder sich sonst durch Gewaltthätigkeiten der strengen Strafe schuldig machen, durch die Wache, welcher bescheidene Kommissäre beizugeben sind, zu ergreifen, und vor das Standrecht zu bringen.“
Ebd., S. 26: „§ 44. Das Verfahren im Standrecht ist daher an den gewöhnlichen Gang und die Förmlichkeiten der Untersuchung nicht gebunden. Dieselbe wird von dem ältesten der [zwei Worte durchgestrichen, nicht lesbar] geleitet, und nachdem sie geschlossen ist, wird, ohne erst die § 19 bis 25 für die Spezial Gerichte vorgeschriebenen Handlungen vorzunehmen, unmittelbar zur Berathschlagung geschritten. Bei gleichgetheilten Meinungen ist der Beschuldigte dem Spezialgerichte, oder falls keines existirt, dem ordentlichen Kriminal Gerichte zur Behandlung zu überlassen.“
Ebd., S. 26f., § 45 = VO vom 27. Juli 1809, RegBl. 1809, Sp. 1278f., § 56. – Aretin begründete in seinen Gesetzesmotiven die beantragte „Hinrichtungsweise durch den Strang“ folgendermaßen: „[M]an glaubte nicht erwarten zu können, daß in allen Gegenden des Reiches sich Scharfrichter befinden, welche die nöthige Geschicklichkeit besitzen, um die Enthauptung ohne Marter des Verurtheilten vollziehen zu können. In dieser Hinsicht wäre vielleicht der Tod durch die Kugel, da ohnehin immer Militär zur Bedeckung des Standrechts vorhanden sein muß, noch geigneter gewesen: allein man ist bisher bei uns gewöhnt gewesen, das Füsilliren nur als militärische Strafe anzusehen, welche keinen entehrenden Nebenbegriff mit sich führt“ (BayHStA MA 6981, [Bl. 10r-11v], § 25).
Verordnungsentwurf, S. 27f.: „§ 46. Wäre das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verbrechen binnen vier und zwanzig Stunden nicht rechtlich erwiesen, wäre aber auch seine Schuldlosigkeit nicht dargethan, so wird derselbe dem Spezial Gerichte, oder aber wenn keines existirte, dem ordentlichen Kriminal-Gerichte zur Behandlung überlassen. § 47. Gegen das gefällte Urtheil findet so wenig als das Rechtsmittel der Revision oder Appellazion, ein Antrag auf Begnadigung statt; sondern derselbe muß auf der Stelle angekündet und vollzogen werden.“ Vgl. VO vom 27. Juli 1809, RegBl. 1809, Sp. 1279, §§ 57 u. 58.
In § 59 (VO vom 27. Juli 1809, Sp. 1279f.) wird bestimmt: „Ueber die Vorgänge im Standrechte ist ein ordentliches Protokoll zu führen, […] das Protokoll von Allen, die dem Standrechte beiwohnen, zu unterfertigen, und dasselbe binnen drei Tagen nach geendigtem Standrechte, wenn das Special-Gericht sich zum Standrechte konstituirt hat, unmittelbar, sonst aber durch das einschlägige Appellations Gericht an das geheime Justiz-Ministerium einzuschicken, welches Uns dasselbe mit seinen Bemerkungen vorzulegen hat. Zugleich hat darüber der Kronfiskal oder dessen Vertreter an Unser Ministerium des Innern Bericht zu erstatten.“ Vgl. Verordnungsentwurf, S. 28, § 48.
Publiziert als VO betr. die „Errichtung von Special-Gerichten“ vom 27. Juli 1809, RegBl. 1809, Sp. 1257-1280. Eine ausführliche Paraphrase der Verordnung erschien kurz darauf bei Winkopp (Hg.), Der Rheinische Bund 12 (1809), Nr. 22, S. 277-288. – Zum Fortgang Nr. 43 (Geheimer Rat vom 24. August 1809), TOP 1.
Kleinere redaktionelle Änderungen betrafen die Präambel, die §§ 9, 12, 16, 22, 36, 40, 41, 42, 54, 55, 57, 58, 60 und den Schluß des Patents. Näheres im „Protocoll des königl[ichen] geheimen Raths der Section des Innen Ministerii vom 25. Juli 1809“ (Beilage zum vorliegenden Protokoll, BayHStA Staatsrat 169, nicht paginiert [Bl. 1r-2v]), [Bl. 2r-2v] („Propositio II“). Der „Entwurf des Gesetzbuchs über Verbrechen und Vergehen für das Königreich Baiern“, an dem sich die vorliegenden Bestimmungen orientierten, erschien im August 1810 im Druck. Hier einschlägig sind die Artikel 344-397, S. 139-163.
Publikation: Patent betr. die „Bestrafung der Staats-Verbrechen“ vom 27. Juli 1809, RegBl. 1809, Sp. 1281-1304; kurz darauf auch veröffentlicht bei Winkopp (Hg.), Der Rheinische Bund 12 (1809), S. 352-370, Nr. 30. – Das Patent unterscheidet vier Tatbestandsgruppen: Erstens Staatsverrat, wiederum differenziert in Staatsverrat ersten (Hochverrat), zweiten, dritten und vierten Grades (§§ 1-10), zweitens Majestätsbeleidigung und andere „Verbrechen wider die Ehre des Staats und der Regierung“ (§§ 11-22), drittens „Verbrechen wider die obrigkeitliche Ordnung“ (§§ 23-42), viertens „Verbrechen wider den öffentlichen Rechts-Frieden im Staate“ (§§ 43-51). Schließlich werden die Strafen bestimmt (§§ 52-60). Zum Gesetz über die Staatsverbrechen vgl. insgesamt die Darstellung bei Schennach, Revolte, S. 594-603.