BayHStA Staatsrat 182

13 Blätter. Unterschriften des Königs, des Kronprinzen und des Ministers. Protokoll: Baumüller.

Anwesend:

Kronprinz Ludwig.

Staats- und Konferenzminister: Morawitzky.

Geheime Räte: Graf v. Preysing; Ignaz Graf v. Arco; v. Zentner; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; v. Schenk; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach.

Zehntstreitigkeit

Zentner trägt über den Zehntstreit zwischen Bauern in Eurishofen und dem dortigen Pfarrer vor. Vorinstanzlich hat das Landgericht Buchloe die beklagten Bauern zur Entrichtung des Zehnten verurteilt. Die Appellation des Bauern Paul Mang an das Generalkommissariat des Lechkreises wurde abgewiesen. Die Streitsache kam sodann zum Ministerium des Inneren, deren Polizeisektion dem Bauern in der Sache Recht gab, doch sei aus formalrechtlichen Gründen ein Rekurs nicht statthaft. Zentner kommt nach Prüfung der Gesetzeslage zu dem Ergebnis, daß die Richter erster und zweiter Instanz gesetzwidrig entschieden haben. Mang ist aber verfahrensrechtlich falsch vorgegangen. Der Geheime Rat weist daher gemäß Zentners Antrag Mangs Berufung ab. Gleichzeitig werden das Landgericht Buchloe und das Generalkommissariat des Lechkreises angewiesen, künftig die Landkulturgesetze korrekt anzuwenden.

{1v} 1. Der königliche geheime Rath von Zentner eröfnete die Versammlung mit dem Vortrage über den Rekurs des Mang Paule gegen den Pfarrer Vögele zu Eurishofen in Betreff des von neu kultivirten Gründen angesprochenen Zehendens. Diese ursprüngliche Gemeinde Gründen wollten schon im Jahre 1763 vertheilt werden und von ihnen hätte vermög Bescheid des Ordinariats Augsburg als kompetenter Stelle in Zehend-Streitigkeiten der Zehend verabreicht werden sollen. Allein die Vertheilung der Gründe seie unterblieben, das Vieh seie darauf geweidet, und nur das Ohmet1515 eingeärndet, folglich dem Pfarrer kein Zehend gegeben worden. Im Jahre 1803 seie endlich die Vertheilung geschehen, jedes der Gemeindeglieder habe gegen 6 Jauchert zur Kultur und Benuzung erhalten, allein nach der Angabe des Pfarrers hätten sie, um ihn des Zehendens zu berauben, ihre vorige Benuzung fortgesezt und kein Heu, sondern das Ohmet eingeärndet. Bis zum Jahre 1808 seie kein Zehend {2r} davon entrichtet worden. Die Akten gäben nicht, ob ihn der Pfarrer außergerichtlich früher gefordert habe, aber in diesem Jahre seie er bei dem Landgerichte Buchloe gegen Mang Paule, Franz Joseph Spöttl und Johann Rauch klagbar aufgetreten, und habe gebeten, daß diese ungehorsame Unterthanen angehalten werden mögten, den schuldigen Zehenden dem Konsistorial Mandat gemäs abzuführen; auch habe er sich den Regreß an die Gemeinde selbst wegen des entgangenen Heu Zehendens bis zur Vertheilung der heuzehendbaren Wießen vorbehalten.

Das Landgericht habe am 26 August 1808 den Bescheid ertheilt, daß die Beklagten gehalten seien, auf den vertheilten schon früher kultivirten Böden, indem solche geohmet worden, den Zehenden zu verabreichen. Dieser Bescheid seie den Partheien sogleich publizirt und diese des Appellazions fatalis verständiget und dem Mang Paule auf Verlangen Auszug des Protokolls gegeben worden. Derselbe habe im gesezlichen Termine zu appelliren unterlassen, {2v} habe aber auch keinen Zehenden entrichtet. Auf wiederholte Klage des Pfarrers habe das Landgericht entschieden: da in dieser Sache schon am 26 August 1808 das definitive Urtheil ergangen, und also schon in Rechtskraft übergegangen sei, so werde Beklagter auf dieses Urtheil mit dem Auftrage hingewiesen: daß derselbe in 14 Tagen sich schriftlich auszuweisen habe, daß er mit dem Pfarrer sowohl wegen des Rükstandes als des heuerigen Zehendens abgekommen und denselben klaglos gestellt habe. Beklagter seie übrigens in die Gerichtskosten kondemnirt. Auf die bei dem General-Kommißariate des Lechkreises am 19 Juli 1809 eingelegte Appellation habe dieses die Abweisung ertheilt. Die Entscheidungs Gründe der ersten Instanz seien: 1) Vermög Konsistorial Mandats vom 16 September 1763 seie der streitige Boden als wirklich zehendbar erkannt worden, 2) die Gemeinder hätten ihre Einwendungen dagegen im Termine nicht eingereicht, folglich diese Zehendbarkeit anerkannt und 3) sie dadurch eingestanden, {3r} daß sie äußerten sie hätten blos geohmet und keinen Zehenden zu geben, folglich in fraudem legis gehandelt. 4) Die fragliche Weiden seien nicht öde Gemeindegründen, da sie im Herbste eingeschlagen und geohmet worden, wobei eine Kultur vorausgesezt werde. 5) In der Kulturs Verordnung von 1804 seie ausdrüklich enthalten, daß die Zehendfreiheit nicht statt finde, wenn der Zehendherr schon zum Besize des Zehenden gelangt sei.

Das General Commißariat habe die Appellation des Mang Paule abgewiesen, in Betrachtung 1) daß der angefochtene Bescheid des Landgerichts einem früheren rechtskräftigen Urtheile inhaerire, 2) dieses Urtheil auch gegen Paule als Mitbeklagten ausdrüklich spreche 3) daßelbe die vertheilte Grund Stüke für solche erkläre, die schon früher kultivirt worden. 4) Folglich nach eingetretener Rechtskraft dieses Urtheils dem Vorgeben des Paule, als besize er keine schon früher in Kultur gebrachte Grund Stüke, keine weitere Folge mehr gegeben werden könne.

So, bemerkte der Referent des {3v} des [!] geheimen Rathes, seie der Rekurs zum königlichen geheimen Ministerium des Innern gekommen, die dortige Ministerial Polizei Section habe zwar bei Prüfung dieser Sache den Bescheid vom 26 August 1808 offenbar gegen das Jus in Thesi gefunden, indem das Kulturs Mandat von 1801 ganz ausdrüklich die Zehendfreiheit auf allen unkultivirten Gründen, die an sich zehendpflichtig, wobei die Zehendherrn aber noch nicht zum Besize des Zehenden gelangt seien, auf 25 Jahre festsetze1516; allein sie seie der Meinung, daß wegen zwei gleichlautenden Sentenzen und weil ein rechtskräftiges Urtheil in der Mitte liege, ein Rekurs nicht mehr statt finde.

Der geheime Rath von Zentner entwikelte ausführlich die eben bemerkten Bestimmungen des Kultur Mandats respec der im Jahre 1804 für die Provinz Schwaben publizirten Verordnungen. Es seie nämlich hierdurch festgesezt: alle künftig kultivirt werdende öde Gründe sollten 25 Jahre lang Zehendbefreiung genießen; die vor dieser {4r} Verordnung kultivirten sollten hiebei nur in so weit begriffen sein, als der Zehendherr nicht schon zum Besize des Zehendens gelangt, und das Zehendrecht nicht wirklich schon ausübe. In solchem Falle sollten solche Gründe so lange zehendfrei bleiben, bis die obigen statuirten 25 Jahre würden verfloßen sein1517.

Um allen unrichtigen Deutungen des Gesezes von 1808 vorzubeugen, wurden die älteren Verordnungen in Erinnerung gebracht1518, nach welchen unter wahrhaft öden Gründen nicht nur Möser, Filze, Haiden, Weidenschaften wenn sie auch hie und da mit Holz und Gesträuchen bewachsen sind, sondern auch Inseln, Auen Anschütte, einmädige Wießen, sohin alle Gründe gezählt werden, die bisher in keinen Akerzustand und Zehendbesize waren, und auf alle neu kultivirte Gründe dieser Art seie die 25jährige Zehendfreiheit auszudehnen.

Durch die Anwendung dieser Verordnung auf den speziellen Fall bewies geheimer Rath von Zentner, daß der Richter 1mae offenbar gegen die {4v} Kulturs Geseze geurtheilt, und der Richter 2ae von gleichen unrichtigen Ansichten ausgegangen sei.

Ferner in Hinsicht auf die Formalien habe der Rekurrent das Urtheil vom 26 August 1808 in Rechtskraft übergehen lassen. Er habe zwar in seiner Rekurs Schrift mit der Nullitäts Klage das remedium restitutionis in integrum contra lapsum fatalium verbunden, allein nichts Erhebliches zur Begründung derselben gesagt, auch hätte dieses bei dem Richter 2dae angebracht werden müßen, dann seie der Termin zur Einlegung des Rekurses versäumt worden, und endlich lägen 2 gleichlautende Sentenzen vor.

Nach diesen Verhältnißen gieng der Antrag des Referenten, mit welchem sich alle Stimmen des geheimen Rathes vereinigten, dahin

der Rekurs des Mang Paule solle als unstatthaft abgewiesen, jedoch dabei das General Commißariat des Lechkreises sowohl als das Landgericht Buchloe für die Zukunft auf richtigere Anwendung der {5r} Kulturs Verordnungen angewiesen werden.

Untersuchung gegen den Pfarrer in Burglengenfeld wegen unpatriotischer Gesinnung

Vortrag Zentners über die Frage, ob der Pfarrer Neuhauser in Burglengenfeld wegen strafbarer Äußerungen gegen den Staat vor Gericht gestellt werden kann und soll. Das Verfahren begann mit einer Anzeige des Lehrers Westermaier und des Handelsherrn Dezotti beim Generalkommissariat des Regenkreises. Nach einer Voruntersuchung hat das Ministerium des Inneren bestätigt, daß ein Verfahren eingeleitet werden kann. Das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten teilt diese Ansicht, verlangt aber die Klärung von Vorfragen. Zentner stellt zunächst die Zuständigkeit des Geheimen Rates fest, da katholische Pfarrer wie protestantische Geistliche und insofern wie öffentliche Beamte zu behandeln sind. Der Geheime Rat folgt dieser Ansicht. Ferner trägt Zentner an, im vorliegenden Fall solle das Appellationsgericht Straubing das weitere Verfahren führen. Mehrere Geheime Räte fürchten, daß eine Untersuchung beim Appellationsgericht ohne den gewünschten Erfolg bleiben würde. Man beschließt daher, der Pfarrer Neuhauser solle ohne weitere Untersuchung vom Ministerium des Inneren auf eine andere Pfarrei versetzt werden.

2. Dem königlichen geheimen Rathe von Zentner war der Vortrag zugetheilt worden, über die Frage ob der katholische Pfarrer Neuhauser in Burglengenfeld, welchem mehrere sträfliche Aeußerungen und unpatriotische Gesinnungen zur Last gelegt worden waren, vor Gericht gestellt werden könne und solle. Derselbe sezte heute den versammelten geheimen Rath in Kenntniß jener Beschuldigungen, welche gegen den erwähnten Pfarrer zuerst bei dem auswärtigen Ministerium und dann besonders bei dem General Commißariat des Regen-Kreises angebracht worden.

Es zeigte nämlich der Schullehrer von Burglengenfeld Westermaier bei der genannten Stelle an, daß als er seine versammelte Schüler nach der Schlacht bei Regensburg1519 und nach dem Abzuge der Oesterreicher zum Danke über die Befreiung von den Kriegsplagen ermuntert, die Tapferkeit und Anhänglichkeit der baierischen Truppen gerühmt {5v} und die Knaben zu gleichen Nazional Tugenden aufgemuntert habe, der Pfarrer ihm dieses als ein Vergehen geschildert verwiesen und künftig von solchen Dingen in der Schule zu sprechen verboten, und sogar vom Aufhängen gesprochen habe, wenn die Österreicher wieder kommen würden.

Ferner zeigte der dortige bürgerliche Handelsmann Dezotti an, der Pfarrer seie in politischer Beziehung ein gefährlicher Mann, er habe sich laut für die Parthei der Oesterreicher erklärt. Er habe selbst noch nach der Eroberung von Wien alle Sieges-Nachrichten bezweifelt und bekritelt. Bei Gelegenheit des feierlichen Hochamtes nach dem Siege bei Wagram habe er sich geäußert ob man denn nicht aufhöre das Volk zu täuschen, es seie nicht so, die Französen könnten nicht mehr entschlüpfen p. Bei dem Feste über die glüklichen Fortschritte der Armee gegen die Oesterreicher habe er sich über die Freuden-Schüsse aufgehalten {6r} und über Feuers-Gefahr geschrien, welches er nie bei Freuden-Schüßen bei andern Feierlichkeiten gethan habe.

Bei diesen gemachten Anzeigen ließ es das General Kommißariat zu Straubing beruhen, und sendete sie an das auswärtige Ministerium mit dem Antrage ein, daß Entfernung oder Versezung des Pfarrers angemeßen sein mögte.

In einem Berichte des Landrichters fuhr geheimer Rath von Zentner fort, seie nebst dem Umstande, daß der Pfarrer Neuhauser das Siegesfest weder in Person noch feierlich genug gehalten habe (worüber er sich doch durch ärztliches Zeugniß exkulpirte) als ein weiteres Beispiel seiner verdächtigen Gesinnungen angeführt worden, daß er in der zu haltenden Rede sich zwar bemüht habe, zu beweisen, daß Vaterlands-Liebe in Ausübung der Religion, in Gehorsam gegen den Regenten und die Geseze des Staates, und im Allgemeinen Nächstenliebe und zuvörderst derjenigen, welche {6v} ein Gesez und ein Land vereiniget, dann im allgemeinen Zusammenwirken zu Erhaltung des Ganzen bestehe, dabei aber unterlaßen habe, die sonst noch so zahlreichen Gründe aufzusuchen, warum wir eben zu unserm Könige und zu unserm Vaterlande die größte Neigung haben sollten p.p.

Diese Berichte seien sonach dem Ministerium des Innern und durch dieses der Kirchen Section zu einem geeigneten Antrage mitgetheilt worden. Da aber hier die obigen Anzeigen durch nichts bescheiniget gefunden worden, und übrigens nicht ungünstige Zeugniße für den Pfarrer Neuhauser vorgelegen seien, so habe erwähntes Ministerium vorerst noch dem Generalkommißariate des Regenkreises aufgetragen, das Landgericht Burglengenfeld anzuweisen, daß es die beiden Denunzianten Westermaier und Dezotti vorrufen und anhalte, ihre Anzeigen bestimmt und artikulirt, mit Anführung wirklicher und elevanter [!] {7r} Thatsachen und mit unzweideutiger durchgängiger Angabe rechtsgenügliche Beweis Mittel zu Protokoll zu geben.

Dieses seie geschehen, und beide Denunzianten hätten ad Protocollum auf ihren Angaben beharret, Zeugen angeführt, und Westermaier sich erboten, zu allem Überfluße den von ihm angeführten Vorgang durch körperlichen Eid zu erhärten.

Nach diesen Resultaten der Untersuchung habe das Ministerium des Innern geglaubt, die Natur der dem Pfarrer Neuhauser zu Last gelegten Vergehen gegen den Staat fordere genaue Untersuchung und auf den Fall der Überweisung angemeßene Bestrafung so wie auch auf der andern Seite, wenn die Denunziazion ungegründet befunden würde, die Denunzianten nicht ohne Ahndung bleiben dürften. Die Untersuchung selbst würde sich zur Kompetenz eines Spezialgerichts eignen, nachdem aber das Edict, da wo solche Gerichte nicht angeordnet seien, {7v} dergleichen Gegenstände an die ordentliche Gerichts-Stelle zum gewöhnlichen Verfahren verweiset1520, so werde die Behandlung der vorliegenden Untersuchungs Sache dem Appellazions Gerichte zu Straubing zu übergeben sein. Das auswärtige Ministerium habe zwar in der Haupt-Sache diese Ansicht getheilt, glaube aber, daß vorher die Frage, ob der erwähnte Pfarrer vor Gericht gestellt werden könne oder solle? wie dieses das organische Edict über die Bildung des geheimen Rathes rüksichtlich der öffentlichen Beamten überhaupt1521, und die Konsistorial-Ordnung hinsichtlich der protestantischen Geistlichen insbesondere aussprächen, rüksichtlich der doppelten Fragen a) in wie ferne jenes Gesez auch auf die katholische Pfarrer sich ausdehne b) rüksichtlich des speziellen Falles zur Entscheidung des geheimen Rathes geeignet sei.

Der Referent des geheimen Rathes geheimer Rath v. Zentner beleuchtete nun die erste Frage {8r} ob die gesezliche Bestimmung der Konsistorial Ordnung rüksichtlich der protestantischen Geistlichen auch auf die katholische Geistliche sich ausdehne. Das Gesez sage1522: wenn zugleich die Entlaßung ohne Pension oder Ruhegehalt, die Degradazion oder die Nothwendigkeit einer noch schwereren Bestrafung in Frage kommen solle, so würden Seine Königliche Majestät die Sache an den geheimen Rath verweisen, und deßen Gutachten vernehmen, ob der Angeschuldigte vor den Richter zu stellen, oder was sonst gegen ihn zu verfügen wäre. Überhaupt solle eine der eben genannten Strafen nicht anders als nach vorgegangener richterlicher Untersuchung und Verurtheilung des Straffälligen statt haben.

Geheimer Rath von Zentner bemerkte, daß dieses Gesez nach der Analogie des II § 3en Titels der Konstituzion1523 und Art. 7 des 2ten Titels des Ediktes über den geheimen Rath1524 entworfen sei, daß daß man zwar aus mehreren Rüksichten Bedenken getragen habe, die Pfarrer gänzlich in {8v} die Klaße der Staatsdiener einzureihen, jedoch habe man auch als eine Folge des jeder Religions Gesellschaft zugesicher [!] öffentlichen Schuzes angesehen, daß ihre Diener nicht nach Willkühr von ihren Stellen dürften verdrängt werden, und daß sie eine besondere öffentliche Achtung genießen. Deßhalb seie im Edicte über die äußere Rechtsverhältniße der Einwohner des Königreichs ausgesprochen, „die zur Feier des Gottesdienstes und zum Religions-Unterrichte bestellte Personen genießen die Vorzüge und Achtung öffentlicher Beamten“1525.

Referent glaubte also, daß, da die katholische Pfarrer hiernach gleichfalls die Vorzüge und Achtung öffentlicher Beamten genießen, da ihnen gleiche Sicherheit für ihre Person, für ihren öffentlichen Karakter und das Amt, in welches sie auch durch die weltliche Obrigkeit eingesezt seien, gebühre, die bejahende Beantwortung der ersten Frage keinem Anstande unterliege, daß der Art 381526 der Konsistorial Ordnung rüksichtlich {9r} der protestantischen Geistlichen auch auf die katholische Geistliche sich ausdehne, und in eine künftige Konsistorial Ordnung für katholische Geistliche werde aufgenommen werden, jetzt aber schon aus den angeführten Gründen in vorkommenden Fällen auch bei katholischen Geistlichen angewendet werden müße.

Mit diesem Antrage war der versammelte geheime Rath vollkommen einverstanden.

Hinsichtlich der 2ten Frage, ob der hier auseinander gesezte spezielle Fall zur Entscheidung an den geheimen Rath sich eigne, bemerkte geheimer Rath v. Zentner: die gegen den Pfarrer Neuhauser gemachten Anzeigen hätten hätten [!] bürgerliche Handlungen zum Gegenstand, über welche einzig die einschlägigen weltlichen Gerichte zu erkennen hätten; die ihme zur Last gelegten Gesinnungen, Aeußerungen und Handlungen seien von der Art, daß sie bei einem öffentlichen Volkslehrer höchst gefährlich und strafbar seien, und wenn gleich derselbe weder nach älteren noch neueren {9v} Gesezen als Staatsverräther werde angeklagt werden können, so habe er sich solche Vergehen gegen sein Amt und gegen den Staat schuldig gemacht, daß er als ein unwürdiger Seelsorger von seiner Pfarrei entfernt zu werden verdiene. Der vorliegende Fall eigne sich daher nicht nur zur Beurtheilung des geheimen Rathes, sondern Referent glaube, daß der geheime Rath den Antrag machen müße, daß die Behandlung dieser Untersuchungs Sache dem Appellazions Gerichte zu Straubing zum weitern Verfahren übergeben werden mögte.

Mehrere Stimmen glaubten jedoch, daß eine solche Untersuchung bei dem Appellazions Gerichte ohne den angemeßenen Erfolg bleiben würde, und man vereinigte sich endlich, nachdem die Gründe für die beide Meinungen gehörig diskutirt worden waren dahin:

Daß der gegenwärtige Fall an Seine Königliche Majestät mit dem ehrerbietigsten Antrage gebracht werden solle, daß {10r} Allerhöchstdieselben dem Ministerium des Innern zu befehlen geruhen mögten, den Pfarrer Neuhauser von Burglengenfeld, der, wenn er auch nicht Verbrecher gegen den Staat seie, doch wenigstens bedeutende Vergehen gegen denselben und gegen sein Amt sich habe zu Schulden kommen laßen, mit Umgehung einer weitern Untersuchung von seiner Pfarrei auf eine andere von gleichem Ertrage in eine Gegend, wo seine geäußerten Gesinnungen minder schädlich sein könnten, zu versezen.

Verteilung von Gemeindewäldern

Vortrag Zentners in der auf dem Rekursweg an den Geheimen Rat gekommenen Streitsache zwischen den Kleingütlern und den Großgütlern in Mötzing um Nutzungsrechte am sog. oberen Gemeindeholz. Gegen einen Bescheid des Patrimonialgerichts Sünching appellierten beide Parteien an die Landesdirektion in Bayern. Darauf erging ein Urteil in zweiter Instanz, gegen das die Kleingütler Berufung zum Geheimen Rat einlegten. Zentner als Referent stimmt mit den Vorinstanzen darin überein, daß die Kleingütler kein Eigentum am Gemeindeholz haben. Doch sei ihr Nutzungsrecht nicht ausreichend gewürdigt worden. Der Geheime Rat folgt dem Antrag, bestätigt im wesentlichen das Urteil zweiter Instanz und verfügt, daß die Kleingütler gewisse Nutzungsrechte behalten bzw. entsprechend zu entschädigen sind.

3. Der königliche geheime Rath von Zentner schritt nunmehr zu dem Vortrage über den Rekurs in der Holzkulturs-Streitsache der Kleingütler zu Mözing1527 gegen die Antheilhaber des sogenannten oberen Mözinger Gemeinde Holzes. In diesem Holze übten die Kleingütler die Weidenschaft, das Streurechen, das Sammeln des Dürren-[Holzes und des] Klaub-Holzes, das Abschneiden der Besenreißer und das Herausnehmen der Stöke aus. Als die 11 Antheilhaber dieses Gehölzes sich im Jahre 1807 theils der beßern Kultur wegen {10v} theils um die Rechte der Kleingütler zu beseitigen, entschloßen, das Gehölz zu vertheilen, so traten die Lezteren mit ihren Ansprüchen auf, und verlangten zur Entschädigung für ihre Rechte einen gleichen Antheil. Es seie deßhalb bei dem Patrimonial Gerichte Sinching zur Klage gekommen, und unterm 15 Juni 1808 der Bescheid dahin ertheilt worden 1) die Theilhaber des Ober Mözinger Gemeinde Holzes seien die einzigen Erbrechts Eigenthümer. 2) Die Kleingütler seien mit ihren Ansprüchen auf Entschädigung abzuweisen. 3) Den ärmeren derselben werde jedoch das unschädliche Sammeln des Klaubholzes an den ihnen zu bestimmenden Tagen vorbehalten. 4) Die klagende Antheiler seien also befugt, das befragliche Holz nach Maaßgabe des Gutachtens vom Oberforstamt Deggendorf vorbehaltlich der der Herrschaft gebührenden Saambirken {11r} und der auszugleichenden oder richterlich zu ermäßigenden Besoldungs Entschädigungen nach Verhältniß ihres bisher bezogenen Jahrholzes unter sich abzutheilen. 5) Sie hätten die auf die Vertheilung erlaufende Kosten unter sich auszulegen und zu erholen. 6) Die Gerichts- und Patrozinanz1528 Kosten seien kompensirt.

Beide Theile haben sich durch diesen Bescheid beschwert gefunden, und appelirten unterm 24en und 26en Juni 1808 an die damalige Landesdirekzion in Baiern. Die Holzantheiler wegen dem zugesprochenen Rechte des Klaubholz-Sammelns und der vorbehaltenen Saam Birken und Besoldungs Entschädigung, die Kleingütler wegen dem abgesprochenen Miteigenthume und der abgewiesenen Entschädigungs Forderung. Das auf die Klage erfolgte Erkenntniß d. do 28 Juni et publ. 17 Juli 1809 zweiter Instanz laute dahin 1) bei dem vom Patrimonial Gerichte gemachten Verbote des Einhütens oder Weidens in dem Mözinger Holze {11v} ohne Entschädigung der Kleingütler die keineswegs das Miteigenthum erwiesen haben habe es sein Verbleiben. 2) Dieselbe werden auch mit dem Genuß der Besenreißer der Stöke und Streu gänzlich abgewiesen. 3) Das Klaub- und Dürrholz Sammeln soll ihnen in der nämlichen Beschränkung wie es in den königlichen Waldungen gestattet werde, erlaubt sein. 4) Die Großgüthler oder Antheiler bleiben gehalten, auch nach wirklicher Antheilung sich das Holz, jeder in seinem Antheile, solange sie es als Holz besizen forstordnungsmäsig anweisen und anzeigen zu lassen gegen billige und herkömmliche Gebühren. 5) Die Patrimonial Herrschaft werde mit der Saambirken oder andern Holzforderung ad separatum processum verwiesen. 6) Die Holzabtheilung solle inzwischen nicht aufgehalten, sondern auf Verlangen der Großgütler und auf ihre Kosten nach den Vorschriften und dem Gutachten des Oberstforstamts vorgenommen werden. Compensatis expensis. Hiegegen ergriffen die Kleingütler den Rekurs bei höchster Stelle in termino und von dem General Commißariat des Regenkreises wurde {12r} Bericht und Akten abgefordert, welche bei der Ministerial Section der Polizei zum Vortrage ausgestellt wurden.

Die Polizei Section des Ministeriums des Innern finde in diesem und dem Sinchinger Falle, welcher schon früher im geheimen Rathe vorgetragen worden war1529, Aehnlichkeit, so wie es schon das General Commißariat gefunden habe, und dieselbe glaube, daß auch eine gleiche Entscheidung zu erwarten sein mögte.

Nachdem der Referent des geheimen Rathes die Gründe und Gegengründe beider streitenden Partheien vorgetragen und gewürdiget, auch die Entscheidungs Gründe der beiden Instanzen auseinander gesezt hatte, schritt er zu seinem Antrage. In Ansehung der Formalien wurde nichts zu erinnern gefunden; in der Haupt Sache wurde bemerkt, daß es auf die Entscheidung der zwei Punkte ankomme, 1) ob die streitigen Gehölze als Gemeinde-Gut zu betrachten, und hiernach die Verordnung vom 13 Februar 1808 [!] darauf anzuwenden seie1530. 2) Ob die von den Kleingütlern in diesen Gehölzen behauptete Nuzungen von der Art seien, daß sie nach den Kulturs Gesezen dafür eine Entschädigung {12v} in Grund und Boden, oder überhaupt eine Entschädigung dafür verlangen könnten.

Hinsichtlich des ersten Punktes glaubte Referent, daß den Kleingütlern aus ganz richtigen Gründen von den beiden Instanzen das Miteigenthum abgesprochen worden, und folglich die Erkenntniße derselben in diesem Punkte zu bestätigen seien. Hinsichtlich des 2ten Punktes aber war derselbe der Meinung, daß beide Richter zu nachtheilig für sie gesprochen hätten, und folglich hierin das Urtheil zu reformiren wäre.

Die Mehrheit der Stimmen war nach dem Antrage des geheimen Raths von Zentner und gab hiernach folgendes Resultat

1) Es solle bei der Abweisung der Kleinguts Besizer zu Mözing mit ihren Ansprüchen eines Miteigenthums auf das obere Mözinger Gehölze sein Verbleiben behalten, dagegen 2) sollen ihnen die Nuzungen der Weide, des Streurechens, des Sammeln des dürren Klaubholzes, des Abschneidens der Besenreißer und des Herausnehmens der Stöke, solange sie auf eine unschädliche Art ausgeübt werden können, nach den Kulturs Mandaten, besonders nach der Verordnung {13r} vom 15 März 1808 verbleiben1531, und 3) wenn sie nicht mehr statt haben können, oder von den Waldeigenthümern entfernt werden wollen, eine billige dem Verluste angemeßene Entschädigung dafür gegeben werde. 4) Über Art und Quantum dieser Entschädigung soll zwischen den Partheien vor allem ein Vergleich versucht werden. Falls ein solcher nicht statt habe, solle der Richter 1mae die Entschädigung bestimmen welche aber auf einem Antheil an Grund und Boden nicht ausgesprochen werden dürfe, wenn nicht die Eigenthümer bei dem Vergleichs-Versuche dazu bewogen werden können. 5) In den übrigen Punkten werde das Erkenntniß IIdae de publ. 17 Juli bestätiget.

Genehmigung durch den König (13. März 1810).

Anmerkungen

1515

Ohmet (Öhmt, Öhmd) ist das Heu des zweiten Schnitts (das Grummet). Grimm/Grimm, Deutsches Wörterbuch Bd. 7, Sp. 1201 s.v. Ohmet; Bd. 4 I 6, Sp. 637f. s.v. Grummet. Online: URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=ohmet bzw. URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=grummet [24.7.2012].

1516

VO betr. die „Zehend-Befreyung der neu kultivirten Gründe“ vom 5. Juni 1801, MGS [N.F.] Bd. 2, Nr. V.82, S. 209; in redaktionell abweichender Fassung auch in RegBl. 1801, S. 401/402.

1517

Die von Zentner paraphrasierte Vorschrift der VO vom 5. Juni 1801 (wie vorstehende Anm.) ist in die eigens für Schwaben erlassene VO betr. die „Befreiung der neu kultivirten Gründe von Zehenden und andern Abgaben“ vom 25. Mai 1804 inseriert (RegBl. Schwaben 1804, Sp. 391-397, hier Sp. 394; auch bei Döllinger, Sammlung Bd. 14/2, S. 285-288, hier S. 287).

1518

VO betr. die „25jährige Zehendfreyheit von öden Gründen“ vom 8. Februar 1802, RegBl. 1802, Sp. 105f. (auch bei Döllinger, Bd. 14/2, S. 280f.), inseriert in VO vom 25. Mai 1804 (wie vorstehende Anm.).

1519

Die militärischen Operationen im österreichisch-französischen Krieg von 1809 begannen am 9. April, als österreichische Truppen den Inn überschritten und Richtung Isar vorrückten. Nach schweren Gefechten bei Landshut gelang es dem zwischenzeitlich zu seiner Armee gestoßenen Napoleon, den Gegner unter Erzherzog Karl bei Abensberg (20. April) und Eggmühl (22. April) zu schlagen. Am 23. April nahm die französische Armee das von den Österreichern besetzte Regensburg ein, worauf Erzherzog Karl sich über Böhmen in Richtung Wien zurückzog, während Napoleon auf dem südlichen Donauufer das selbe Ziel anstrebte. Am 13. Mai besetzte Napoleon Wien. Zwar erlitt er bei Aspern eine Niederlage, doch entschied der französische Sieg bei Wagram (5./6. Juli) den Krieg, der mit dem Frieden von Schönbrunn am 14. Oktober 1809 beendet wurde.

1520

Zentner bezieht sich hier wohl auf die Vorschrift des Organischen Edikts über die Gerichtsverfassung vom 24. Juli 1808, wonach das Appellationsgericht „als erste entscheidende Stelle in peinlichen Fällen“ fungierte (RegBl. 1808, Sp. 1791, § 23 Satz 1).

1521

Das Organische Edikt über die Bildung des Geheimen Rats vom 4. Juni 1808 legte in Tit. II Art. 7 b) fest, daß der Geheime Rat „die Frage [zu beurteilen habe]: ob öffentliche Beamte wegen begangenen Verbrechen vor Gericht gestellt werden können und sollen“ (RegBl. 1808, Sp. 1332; Schimke, Regierungsakten, S. 367).

1522

Konsistorialordnung vom 8. September 1809, RegBl. 1809, Sp. 1491-1520, hier Sp. 1502, § 38; vgl. Nr. 41 (Geheimer Rat vom 3. August 1809), TOP [1].

1523

Konstitution für das Königreich Bayern vom 1. Mai 1808, Tit. III § 2: Der Geheime Rat „entscheidet […] auch die Frage: ob ein Verwaltungs-Beamter vor Gericht gestellt werden könne oder solle?“ (RegBl. 1808, Sp. 993; AK Bayerns Anfänge, S. 327).

1525

„Edikt über die äusseren Rechts-Verhältnisse der Einwohner des Königreiches Baiern, in Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften, zur näheren Bestimmung der §§ VI und VII des ersten Titels der Konstitution“ vom 24. März 1809, RegBl. 1809, Sp. 897-920, hier § 34, Sp. 903.

1526

Richtig ist: § 34.

1527

Heute: Mötzing (Landkreis Regensburg, Regierungsbezirk Oberpfalz).

1528

Patrozinanz: die Vertretung der Partei vor Gericht.

1529

Vgl. Nr. 49 (Geheimer Rat vom 9. November 1809), TOP 4.

1530

Gemeint ist wohl die VO betr. die „Gemeinde-Abtheilungen“ vom 13. Februar 1805, RegBl. 1805, Sp. 729-732. Die Verordnung wandte sich gegen die wiederholten Versuche der Groß- und Kleingütler, „unter der Anleitung rechtsverdrehender Advokaten die Justizstellen anzugehen und aus ihren Genußrechten [an Gemeindegründen] ein privates Großgütler- oder Kleingütler-Eigenthum folgern zu wollen“. Statt dessen war grundsätzlich davon auszugehen, daß sich Güter im Gemeindeeigentum befanden, sofern „ein Privat-Eigenthum solcher Gründe nicht durch spezielle Titel“ nachzuweisen war (Zitate: Sp. 731, 730f.).

1531

Die VO betr. die „Erläuterung einiger Kultur-Verordnungen“ vom 15. März 1808 (RegBl. 1808, Sp. 677-680) räumte dem Waldeigentümer eine weitreichende „Benüzungs-Freiheit“ (Art. 2, Sp. 678) ein. Insbesondere mußten „schädliche Weiden, und andere schädliche Dienstbarkeiten […] ohne Entschädigung weichen“. Der Eigentümer durfte zudem „unschädliche Weiden und andere unschädliche Dienstbarkeiten“ untersagen. In diesem Fall mußte jedoch „dem Servituts-Berechtigten, ohne Rücksicht auf den Titel, in sofern derselbe nur rechtliche Gültigkeit hat, eine billige, dem Verluste angemessene Entschädigung geleistet werden“ (Art. 4, Sp. 679f.).