BayHStA Staatsrat 186
6 Blätter. Unterschriften des Königs und des Ministers. Protokoll: Kobell.
Anwesend:
Staats- und Konferenzminister: Morawitzky.
Geheime Räte: Graf v. Preysing; Ignaz Graf von Arco; Graf v. Toerring-Gutenzell; v. Zentner; Johann Nepomuk v. Krenner; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; v. Schenk; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach.
{1r} Da Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz-Minister Herr Graf v. Montgelas durch die laufenden Geschäfte der {1v} Hochdenenselben übertragenen Ministerial Departements der heutigen Sizung beizuwohnen gehindert waren; so übernahmen Seine Excellenz der Königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Morawizky den Vorsiz, und foderten die geheime Räthe Herrn von Krenner den älteren und von Zentner auf, die bearbeitete Rekurs Sachen vorzutragen.
Regulierung von Kriegskosten
Vortrag Johann Nepomuk von Krenners im Rekursstreit zwischen der Marktgemeinde Obergünzburg und den Gemeinden Immenthal und Burg. Streitgegenstand ist die Höhe der Beiträge zu den Quartierkosten des Jahres 1806 anläßlich der Einquartierung französischer Soldaten. Krenner folgt in seinem Antrag dem Spruch des Landgerichts Obergünzburg, das einen Tagessatz von 1 fl. ansetzt. Zugleich schlägt er vor, vorab einen Vergleich anzustreben. In einer ersten Abstimmung empfehlen die Geheime Räte einen Tagessatz von 45 kr. In zweiter Abstimmung sprechen sich die Geheimen Räte mehrheitlich dafür aus, die Beiträge der beiden Gemeinden so zu bemessen wie auch sonst im Bezirk des Landgerichts.
Geheimer Rath Herr von Krenner der ältere erstattete hierauf 1) über die Rekurs Beschwerde der Markts-Gemeinde Obergünzburg Landgerichts Obergünzburg im Iller-Kreise wegen der dortigen Peraequation der französischen Quartierslasten von dem Jahre 1806 ausführlichen schriftlichen Vortrag1546, worin derselbe den Veranlaß zu diesem zwischen der bürgerlichen Marktsgemeinde zu Obergünzburg des Landgerichts Obergünzburg im Illerkreise einer Seits und den bei ihr eingepfarrten zwei Gemeinden Immenthal und Burg1547 anderer Seits entstandenen Rekurs Streit ausführte und bemerkte, daß in dieser {2r} Sache zwei aber ihrem Inhalte nach allerdings sich entgegen gesezte Sentenzen vorliegen; die erste des Landgerichts Obergünzburg vom 23 Juni 1808, und die zweite des General Kommißariats des Iller-Kreises vom 4ten Jänner 1809.
Der Richter erster Instanz (das Landgericht) habe für die bürgerliche Markts Gemeinde Obergünzburg, der Richter 2ter Instanz (das Kreis Kommißariat) für die Landgemeinden Immenthal und Burg gesprochen.
Da der Gegenstand seinem Betreffe nach unstreitig zu dem geheimen Rathe appellabel auch an denselben von Augsburg aus gewiesen worden, so seie vorläufig nur noch quoad formalia die Frage, ob (was die dermaligen Appellanten oder Impetranten behaupten wollen) die Sache ab neglitum appellationis terminum für desert zu halten, zu erörtern.
Herr geheimer Rath von Krenner erörterte diese Frage, zergliederte in seinem Vortrage alle bei dieser Rekurs Sache eingetretenen Verhältniße, {2v} die von den streitenden Theilen sowohl als den Richtern 1ter und 2ter Instanz schriftlich vorgelegte Gründe, und machte den Antrag: in dieser Sache reformatorio gegen das Urtheil des General Kommißariats des Illerkreises zu Recht zu erkennen: „Daß hinsichtlich der obgenannten dermalen noch streitenden beiden Theile das landgerichtliche Urtheil der 1ten Instanz vom 23ten Junius 1808 bestätiget, und der tägliche Verpflegungs-Ansaz eines französischen Soldaten zu 1 fl. allerdings genehmiget werden möge. Die Streitkösten seien aus bewegenden Gründen zu kompensiren. Übrigens mögte noch vor Eröfnung dieses Urtheils den beiden Gemeinden Burg und Immenthal der Vergleichungs-Vorschlag der Obergünzburger Markts Gemeinde vom 8ten April mitzutheilen sein, insoferne aber dieselbe denselben anzunehmen verweigern sollten, obstehendes Rekurs-Urtheil ohne weiters zu publiziren.
Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister {3r} Herr Graf von Morawizky ließen hierüber abstimmen, woraus folgende Resultate sich ergaben.
Drei Stimmen vereinigten sich mit dem Referenten, zwei Stimmen waren der Meinung, daß die Erkenntniß des General-Kommißariats als Richter 2ter Instanz lediglich zu bestätigen seie. Sechs Stimmen entschieden aber durch die Mehrheit dafür, daß die Erkenntniß des königlichen geheimen Rathes nicht reformatorio der schon in dieser Sache ergangenen Urtheile erlaßen, sondern in dem zu fertigenden Reskripts Aufsaze an das General-Kommißariat des Illerkreises nur ausgedrükt werden solle, wie der geheime Rath nach Prüfung des vorliegenden Gegenstandes zu Recht erkannt habe, daß die beiden Gemeinden Immenthal und Burg ihren Beitrag zu den Quartier-Lasten nach dem Maaßstabe zu leisten hätten, der bei den übrigen Gemeinden des Landgerichts Obergünzburg angenommen worden.
Zur Bestimmung, ob bei der Berechnung und Vertheilung dieser Quartier Lasten ein Gulden oder fünf und vierzig Kreuzer angenommen {3v} worden, seie schwer, weil die vorgelegten Acten so wie die eingeschikte Tabelle keinen genügenden Aufschluß hierüber gäben, und man vorziehen müße, in allgemeinen Ausdrüken hierüber zu entscheiden, da man nicht wiße, ob 1 fl. oder 45 kr. der allgemeine Maaßstab in dem Landgerichte seie. In administrativer Hinsicht müße man wünschen, daß nur 45 kr. angenommen worden, weil derlei Vergütungen zu hoch sich belaufen, und es den Unterthanen im Allgemeinen leichter seie, natural Quartier zu tragen, als nachher durch starke Geldzalungen sich in Verlegenheit zu sezen.
Bei Ablesung des nach dieser Mehrheit gefaßten geheimen Raths-Beschlußes entstunden einige weitere Anstände, und einige Herrn geheimen Räthe bemerkten, daß diese Entscheidung neue Anfragen über den Maaßstab, der von dem Landgerichte und dem General-Kreis Kommißariate anders festgesezt worden, herbei führen würde, und der geheime Rath könne dann in die Verlegenheit kommen, nicht zu wißen, nach welchem Grundsaze er entschieden. {4r} Es scheine daher beßer, gleich einen Maaß Stab per Kopf der Einquartierung zu bestimmen, und lieber gleich solchen auf 45 kr. festzusezen.
Hiedurch und durch die darüber eingetretene Discußionen sahen Seine Excellenz der geheime Staats- und Konferenz-Minister Herr Graf von Morawizky sich veranlaßt, nochmal über die in Zweifel gezogene Fragen abstimmen zu laßen, wovon die Folge war, daß fünf Stimmen bei ihren vorigen Meinungen stehen blieben, eine Mehrheit von sieben Stimmen aber zu folgender Entscheidung sich vereinigte.
Der königliche geheime Rath hat auf den ihme erstatteten umständlichen Vortrag in der Rekurs-Sache der Markts-Gemeinde zu Obergünzburg Landgerichts Obergünzburg im Illerkreise gegen die beide ihr benachbarte auch bei ihr eingepfarrte Gemeinden Immenthal und Burg wegen Peraequation der im Jahre 1806 erloffenen französischen Quartiers Kosten zu Recht erkannt, daß die zwei Gemeinden Immenthal und Burg in Leistung ihres Beitrags für diese französische Quartiers Kosten des Jahres 1806 dem Peraequations-Typus {4v} der übrigen Gemeinden des Landgerichts ganz gleich gehalten werden sollen.
Verteilung von Gemeindegründen
Im Anschluß an seinen Vortrag vom 14. September 1809 trägt Zentner über den Fortgang des Rechtsstreits zwischen den Ganz- und Halbgemeinern einerseits, den Häuslern der Gemeinde Griesbach andererseits vor. Er beantragt, den Spruch des Landgerichts Wegscheid zu bestätigen, und legt einen entsprechenden Reskriptsentwurf für das Generalkommissariat des Unterdonaukreises vor. Aretin und Effner bringen ergänzende Anträge vor, die in der Abstimmung nicht berücksichtigt werden.
2. Über den unter den Gemeinde Gliedern des Marktes Grießbach Landgerichts Wegscheid im Unterdonau Kreise wegen den Gemeinde Gründen sich erhobenen Streit und Rekurs erstattete der königliche geheime Rath Herr von Zentner einen zweiten ausführlichen Vortrag, und bemerkte, wie es zur richtigen Beurtheilung des vorliegenden Rekurses nothwendig seie, die Hauptumstände dieser Streitsache aus seinem ersten bei dem königlichen geheimen Rathe erstatteten Vortrag in Erinnerung zu bringen1548.
Herr geheimer Rath von Zentner bewirkte dieses, legte die weitere Verhandlungen vor die bei dem Landgerichte Wegscheid und dem General-Kommißariate des Unterdonau Kreises nach der von dem königlichen geheimen Rathe vom 14ten September 1809 gefaßten Entscheidung sich ergeben so wie die weitere Rekurs Klagen die dadurch bei den Häußlern und den Ganz- und Halb-Gemeinern des Marktes Grießbach veranlaßt worden.
{5r} Geheimer Rath Herr von Zentner äußerte sich hierauf über die Kompetenz des königlichen geheimen Rathes und die Formalien in dieser fortgesezten Streitsache, und führte an, daß erstere keinem Anstand unterliege und leztere genau beobachtet worden. Derselbe ging hierauf zur Beurtheilung der Materialien dieser Streitsache über, und schloß mit dem Antrage: den Hauptbescheid des Landgerichts Wegscheid vom 28ten November 1809, der ihme den aktenmäsigen und rechtlichen Verhältnißen dieser Sache vollkommen angemeßen scheine, zu bestätigen, obgleich in den Entscheidungs-Gründen daßelbe von unrichtigen Ansichten der Sache ausgegangen seie. Herr geheimer Rath von Zentner las einen nach diesem seinem Antrage verfaßten Reskripts Entwurf an das General Commißariat des Unterdonau Kreises ab.
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Morawizky ließen hierüber abstimmen, und alle Mitglieder des geheimen Rathes vereinigten sich mit dem Antrage {5v} des Herrn Referenten.
Der königliche geheime Rath Freiherr von Aretin bemerkte nur, daß er den Beisaz wünsche, daß den Häußlern, welche unter andern Umständen aus Furcht der Prozeßkosten auf die Vortheile der Vertheilung renuncirt haben, wieder frei gestellt werden möge, hieran Theil zu nehmen.
Herr geheimer Rath von Effner bemerkte ebenfalls, daß da angenommen worden, daß die Entscheidungs-Gründe des Landgerichts auf unrichtigen Ansichten beruhen, es dienlich sein könnte, die Entscheidung des geheimen Rathes, welche den Haupt Bescheid des Landgerichts bestätiget, zu motiviren, um zu zeigen, daß man nicht auf die Gründe des Landgerichts deßen Entscheidung bestätiget habe, auch könnten diese Gründe des geheimen Rathes in andern ähnlichen Rekurs Fällen den Richtern 1ter und 2ter Instanz zur Richtschnur dienen.
Ohne auf diese beide Bemerkungen etwas zu entscheiden,
genehmigte der königliche geheime Rath einstimmig den Antrag {6r} des Referenten und den darnach gefaßten und abgelesenen Reskripts-Entwurf an das General-Kommißariat des Unterdonau-Kreises.
Das gegenwärtige Protocoll solle Seiner Majestät dem Könige zur Bestätigung vorgelegt werden. Die Sizung des geheimen Rathes endigte sich hiemit.
Bestätigung der „Beschlüße“ durch den König (16. Juli 1810).