BayHStA Staatsrat 194
10 Blätter. Unterschriften des Königs, des Kronprinzen und des Ministers. Protokoll: Kobell.
Anwesend:
König Max Joseph; Kronprinz Ludwig;
Staats- und Konferenzminister: Reigersberg.
Geheime Räte: Ignaz Graf v. Arco; v. Zentner; Johann Nepomuk v. Krenner; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach.
Heiratsgesuch des Grafen von Reisach
Zentner trägt über das Verehelichungsgesuch des Grafen Karl August von Reisach vor. Dieser hat unter Vorlage entsprechender Dokumente und Urkunden vorgebracht, daß er von seiner Gattin geschieden worden und zum Protestantismus übergetreten sei. Die Kirchensektion des Innenministeriums hat allerdings noch weitere Klarstellungen gefordert. Insbesondere muß Reisach belegen, daß das bischöfliche Ordinariat Augsburg die dauerhafte Trennung von Tisch und Bett anerkannt hat. Reisach bringt die erforderlichen Nachweise, doch macht der katholische Referent der Kirchensektion geltend, daß ein auch im protestantischen Kirchenrecht anerkannter Ehescheidungsgrund nicht bestehe. Der protestantische Koreferent vertritt die gegenteilige Meinung, worin ihm Kirchensektion und Vorstand folgen. Der König hat darauf ein Gutachten des Geheimen Rates gefordert. Zentner beantragt, Reisach die Verehelichungserlaubnis zu erteilen, wenn er nachweist, daß das protestantische Ehegericht die gänzliche Trennung des bestandenen Ehebandes konstatiert. Es bleibt zu entscheiden, ob Reisach in einen Kreis mit überwiegend protestantischer Bevölkerung versetzt oder aber pensioniert werden sollte. Auch sind pensionsrechtliche Fragen zu bedenken. In der Umfrage zeigen sich unterschiedliche Ansichten. Der König folgt im wesentlichen dem Antrag Zentners und behält sich vor, hinsichtlich des Gesuches frei zu entscheiden, auch wenn das protestantische Ehegericht die gänzliche Trennung des Ehebandes feststellen sollte.
{1v} [1.] In der von Seiner Majestät dem Könige auf heute allergnädigst angeordneten geheimen Raths Sizung machte geheimer Rath von Zentner die allerunterthänigste Anzeige, daß er über das Gesuch des General Kommißärs [sc. des Illerkreises] Carl August Grafen von Reisach1722 um die Erlaubniß, in eine zweite eheliche Verbindung mit der verwittibten Gräfin von Stein, gebornen Freyin von Ostenberg, worüber Seine Majestät der König von dem geheimen Rathe ein Gutachten erfordert, einen ausführlichen Vortrag erstattet habe1723.
Seine Majestät der König ertheilten dem geheimen Rathe von Zentner den Befehl, diesen Vortrag zu erstatten.
In deßen Folge unterrichtete geheimer Rath von Zentner Seine Majestät den König und den versammelten geheimen Rath, daß Graf Reisach unterm 10en Jänner d. J. die Anzeige gemacht: 1) Daß er von seiner ersten Gattin, gebornen Freyin von Ißelbach {2r} geschieden worden sei. 2) Daß dieselbe nach vorausgegangener Vermögens Ausscheidung sich aller weitern Ansprüche begeben, und auch namentlich auf alle Staats Pension Verzicht geleistet habe. 3) Daß er hierauf zur protestantischen Religion übergetreten sei.
Da nach diesen Vorgängen seiner weiteren Verehelichung selbst nach den Reichs Gesezen kein legales Hinderniß entgegen stehe, so bat er „um die allerhöchste landesfürstliche Bewilligung seiner vorhabenden ehelichen Verbindung mit der verwittweten Gräfin von Stein, einer gebornen Freyin von Ostenberg, welche sowohl in den königlich baierischen als vorzüglich in den königlich würtembergschen Staaten sehr begütert sei“.
Graf Reisach habe dieser Vorstellung die Ehescheidungs Sentenz des Ordinariats zu Augsburg {2v} und die Einwilligung seiner bisherigen Ehegattin Freyin von Ißelbach zu dieser Scheidung, und zwei Zeugniße, eines von dem protestantischen Archidiakon Johann Georg Lünz zu Kempten1724 und ein anderes von dem katholischen Pfarr Vikar allda Johann Ludwig von Diebold1725 beigefügt. Diese Beilagen wurden abgelesen.
Das Ministerium des Innern habe diese Vorstellung an die Kirchen Section gegeben, welche nach einem erstatteten Vortrag des Re- und Correferenten noch verschiedene Berichtigungen und Ergänzungen des Factums nothwendig geglaubt, ehe über das Gesuch selbst entschieden werden könnte.
Die Ergänzungen, welche zu ersezen dem Grafen von Reisach durch eine Ministerial Entschließung aufgegeben worden, bestünden in folgenden:
1) Graf von Reisach habe bestimmt noch anzugeben, zu welcher der protestantischen Religions Konfeßionen er sich bekenne, nämlich zur evangelisch lutherischen oder {3r} zur evangelisch reformirten. 2) Graf von Reisach müße zum Beweise seines Überganges zu einem der protestantischen Religions Theile über die wirklich geschehene gehörige Ablegung der geeigneten in der Gemeinde angenommenen Glaubens Confeßions Formel das erforderliche Zeugniß nebst der Anzeige des Tages der abgelegten Confeßion beibringen. 3) Da das Erkenntniß des bischöflichen Ordinariats zu Augsburg vom 23en Dezember 1809 von einer ewigen Scheidung von Tisch und Bette zwischen ihm und seiner Gattin Maria, gebornen Freyin von Ißelbach nicht ausdrüklich spreche, so müße Graf von Reisach durch die erforderliche Declaration jener Behörde darthun, daß die in obiger Sentenz (übrigens nach den bisherigen Rechts Grundsäzen bei den Katholiken ganz ungewöhnlich, als Folge beiderseitiger Einwilligung) erkannte Scheidung vom Tisch und Bette, als perpetuirliche ausgesprochen sei.
Graf von Reisach habe diese {3v} Ergänzungen, die abgelesen wurden, beigebracht, und hierauf sei bei der Kirchen Section weiterer Vortrag erstattet worden. Der Antrag des katholischen Referenten bestünde darin: „daß, da die von dem bischöflichen Ordinariate zu Augsburg auf dem Grunde gegenseitiger Einwilligung durch das selbst nach den bestehenden katholischen Kirchenrechts Grundsäzen ganz ungewöhnliche Erkenntniß vom 23 Dezember v. J. ausgesprochene Separazion von Tisch und Bette des Grafen von Reisach von seiner Gattin Maria, gebornen Freyin von Ißelbach, auf keinem in der protestantischen Kirche als hinreichend angenommenen Ehescheidungs Grund beruhe, folglich auch in Bezug auf den späterhin zur protestantischen Religion übergetretenen Grafen von Reisach die rechtliche Wirkungen einer völligen Ehetrennung nach gemeinen protestantischen Kirchenrechts Prinzipien nicht statt haben könne, dem Bittsteller nicht bewilliget werden könne, auf {4r} den Grund dieser Separazion vom Tisch und Bette nunmehr zu einer neuen Ehe zu schreiten“.
Die Meinung des protestantischen Correferenten seie von dieser abweichend gewesen, und dahin gegangen, „daß, da nach den Grundsäzen der protestantischen Kirche die katholische Scheidung von Tisch und Bette auf lebenslang der gänzlichen Trennung des Ehebandes gleich geachtet werde, nunmehr dem Grafen von Reisach die erbetene Einwilligung zu seiner Verehelichung mit der verwittweten Gräfin von Stein, gebornen Freyin von Ostenberg, zu ertheilen wäre“.
Dieser lezten Meinung hatten sämtliche protestantische Oberkirchen Räthe und auch der Vorstand der Kirchen-Section beigestimmt, und lezterer ein eigenes Votum beigelegt.
Da Seine Majestät der König zur Zeit dieser erstatteten Vorträge abwesend gewesen, so seie die Entscheidung {4v} hierüber ausgesezt geblieben, nach Allerhöchstdero Rükkunft aber zum Gutachten an den geheimen Rath verwiesen, worauf er von Zentner zum Referenten ernannt worden.
Geheimer Rath von Zentner legte in seinem Vortrage den Stand der Sache und eine gedrängte Darstellung der verschiedenen Meinungen bei der Kirchen Section hierüber vor, und äußerte, daß es ihme in dieser Sache auf die Erörterung folgender Puncte anzukommen scheine:
I. Ob die Religions Veränderung des Grafen von Reisach und die von ihm angezeigte Ehescheidung von seiner ersten Ehegattin gesezlich so beschaffen sei, daß der von ihme nachgesuchten Erlaubniß eine zweite Ehe eingehen zu dürfen, kein Hinderniß entgegen stehe. II. Ob in Hinsicht seiner Dienst Verhältniße dieser Heuraths Bewilligung nichts entgegen gesezt werden könne.
Referent äußerte sich über diese erste Frage, stellte seine {5r} Ansicht, wonach er diesen Fall beurtheile auf, und machte den Antrag: dem Grafen von Reisach auf sein Gesuch um Erlaubniß zu einer zweiten Verehelichung den Vorbescheid ertheilen zu laßen: „er hätte zuvörderst durch ein Erkenntniß des einschlägigen protestantischen Ehegerichts darzuthun, daß die von dem katholischen Consistorio zu Augsburg ausgesprochene Scheidung von Tisch und Bett als eine gänzliche Trennung des zwischen ihm und seiner ersten Ehegattin, gebornen Freyin von Ißelbach bestandenen Ehebandes anzusehen sei.
Über die zweite Frage, in die geheimer Rath von Zentner nach rechtlichen und politischen Rüksichten eingieng, machte derselbe den Antrag: festzusezen, daß dem Grafen von Reisach, wenn dem auf die erste Frage gegebenen Vorbescheide Genüge geschehen, die erbetene Einwilligung zu seiner Verehelichung mit der verwittweten Gräfin von Stein, gebornen Freyin von Ostenberg durch das {5v} Ministerium des Innern ertheilen zu laßen.
Wobei der eigenen allerhöchsten Entscheidung Seiner Majestät des Königs übergeben werde, ob Graf von Reisach nach den oben dargestellten rechtlichen und polizeilichen Verhältnißen des vorliegenden Falles bei der neuen Kreis Eintheilung als General Commißair in dem Iller Kreise zu belaßen, oder in einen andern nach der Konfeßion der Mehrzal der Einwohner protestantischen Kreis zu versezen, oder nach der Dienst Pragmatik1726 zu pensioniren sei.
Sollte Graf von Reisach vor der Bewilligung seiner zweiten Verehelichung in den Quieszenten Stand versezt werden, so würde dieses die nachtheilige Folge für seine zweite Gattin haben, daß dieselbe nach Art. XXIV § 23 der Dienstes Pragmatik vom 1en Jänner 1805 Lit. c auf eine Pension keinen Anspruch machen könnte1727, wenn nicht darauf die allergnädigste Rüksicht genommen werde, daß die geschiedene Gattin nach dem obigen Art. § 3 den 5ten Theil des dem quieszirten Grafen von Reisach {6r} in Geld verbliebenen Standes Gehaltes als Pension erhalten hätte1728, wenn sie nicht darauf Verzicht geleistet hätte, und von ihrem Gatten durch einen Vergleich im Allgemeinen abgefunden worden wäre.
Dadurch trete nach Billigkeit die zweite Gattin in die Rechte der ersten, und dem Staats Aerar falle keine größere Last zu.
Seine Majestät der König geruheten, über diesen Antrag umzufragen.
Der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg, so wie alle übrige geheime Räthe vereinigten sich mit dem Antrage des Referenten, nur in Beziehung des zweiten Antrages machte geheimer Rath von Krenner der jüngere die Bemerkung, daß wenn dem Grafen von Reisach die Heuraths Erlaubniß nach erfüllter Voraussezung ertheilet, und er nachher, da 6 General Commißariate aufhörten, quieszirt würden [!], dem Staate eine neue Last durch Pensionirung der Wittwe zugehen könnte.
Graf von Arco der jüngere {6v} Freiherr von Aretin, von Effner und Freiherr von Asbek äußerten in Beziehung auf den zweiten Antrag die Meinung, daß dem Grafen von Reisach die Heuraths Erlaubniß nach beigebrachter protestantischer Scheidung noch verweigert werden könnte, indem die Eigenschaft als Staatsdiener Seiner Majestät dem Könige selbst nach den gegebenen allerhöchsten Erklärungen die Freiheit laße, diese Heuraths Erlaubniß zu ertheilen oder zu verweigern, und es allerdings eine weitere Frage sei, ob einem solchen Staatsdiener, der nach allem Vermuthen aus Eigennuz seine Religion verändert, und zur zweiten Ehe schreiten wolle, nicht zu Verhinderung des mit solchen Handlungen vorzüglich bei einem so hohen Staatsbeamten immer verbundenen Scandals diese Erlaubniß zu ertheilen sei.
Geheimer Rath von Feuerbach bestritt im Anfange den durch die Majora angenommenen Grundsaz, daß das protestantische Ehegericht den vorliegenden Fall im Wege Rechtens entscheiden könne. Er suchte durch Aufstellung des Ganges, den {7r} diese Sache nun nehmen müße, zu zeigen, daß dieses durch eine Klage nicht, wohl aber im Wege eines abzugebenden Gutachtens, da nebst Ehestreitigkeiten auch Ehesachen an das protestantische Ehegericht gewiesen seien, thunlich. Den ersten Weg könne er sich juridisch nicht denken, auch seien die Vorfragen wegen Anwendung der katholischen Scheidung von Tisch und Bett auf Protestanten in dem Falle der Gräfin Rasumowsky verehelichten Mulzer1729 durch allerhöchste Reskripte entschieden.
Auf die hiegegen gemachte Erinnerungen, daß der Fall der Gräfin Rasumowsky von dem gegenwärtigen ganz verschieden und die in dem ersteren ergangene allerhöchste Entschließungen auf den gegenwärtigen nicht angewendet werden könnten, weil sie nicht in Gesezes Kraft übergegangen, auch von einem zum Theil inkompetenten Ministerio veranlaßt worden, vereinigte sich geheimer Rath von Feuerbach mit dem Referenten.
Seine Majestät der König haben den ersten Antrag des Referenten allergnädigst genehmiget, daß {7v} dem Grafen von Reisach aufgegeben werde: er habe zuvorderst durch ein Erkenntniß des einschlägigen protestantischen Ehegerichts darzuthun, daß die von dem katholischen Consistorio zu Augsburg ausgesprochene Scheidung von Tisch und Bett als eine gänzliche Trennung des zwischen ihm und seiner ersten Ehegattin gebornen Freyin von Ißelbach bestandenen Ehebandes anzusehen sei, und behalten sich vor, wenn diesem Auftrage Genüge geleistet worden, wegen der Heuraths Erlaubniß des Grafen von Reisach weitere Entschließung zu ertheilen.
Seine Majestät der König und Seine Königliche Hoheit der Kronprinz verließen nach diesem Vortrage die geheime Raths Sizung, und unter Vorsiz des geheimen Staats und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Reigersberg wurde
Verlesung des wittelsbachischen Familiengesetzes
2. das durch allerhöchstes Reskript vom 24ten [!] v. M. an den königlichen geheimen Rath gekommene königliche Familien Gesez durch den General Secretaire des geheimen Rathes nach seinem ganzen Inhalte abgelesen1730.
Effner berichtet im Rekursfall des Bauern Jacob Berger wegen entgangener Nutzungsrechte an Pferdeweiden. Er bejaht den Entschädigungsanspruch des Bauern, berechnet die Entschädigungssumme und legt einen Reskriptsentwurf für das Generalkommissariat des Unterdonaukreises vor. Die Mehrheit der Geheimen Räte schließt sich dem Antrag an; einige schlagen Modifikationen vor, denen der König nicht folgt.
3. Herr geheimer Rath von Effner {8r} erstattete wegen dem Rekurs des Jacob Berger Hofbauern zu Natternberg Landgerichts Deggendorf1731 gegen 19 Gemeinden am Donaumoose wegen Entschädigung für gehabte Pferdweidenschaft ausführlichen schriftlichen Vortrag, der dem Protokoll beiliegt1732.
Derselbe legte zuerst vor, die Geschichte dieses Streites, und den Acten-Auszug, die Prozeß-Geschichte, und einen Auszug der Streit-Schriften, den Endbescheid des Landgerichts und des General Commißariats des Unterdonau Kreises, und gieng dann zu seinem Antrage über.
In Beziehung auf die Förmlichkeiten glaubte geheimer Rath von Effner, daß der Rekurrent nach seiner in der Rekursschrift gestellten Bitte gegen den Ausfluß der Fatalien in integrum brevi manu zu restituiren seie. Über die Hauptsache selbst stellte Referent zwei Hauptfragen auf: 1) Soll dem Hofbauer Berger für die auf dem Donaumoose ihm entzogene Weide eine Entschädigung von den Eigenthümern der Wießen gegeben {8v} werden? und 2) welche?
Die erste beantwortete er dahin, daß der Hofbauer Berger allerdings eine Entschädigung für sein Weiderecht von den Besizern der Donauwießen fordern könne, und in Beziehung der zweiten war er der Meinung, daß ihme diese für 20 Pferde mit 40 Tagwerk in Geld, und zwar das Tagwerk nach der gerichtlichen Schäzung zu 70 fl. gerechnet, mit 2.800 fl. zuerkannt, diese Summe aber, weil die Wießen der Überschwemmung ausgesezt, auf 2.400 fl. herunter zu sezen.
In Folge dieser Anträge las geheimer Rath von Effner einen Reskripts Entwurf an das General Commißariat des Unterdonau Kreises ab, wodurch der Rekurrent brevi manu in integrum restituiret, und in der Haupt Sache es bei der Entscheidung des Commißions Gerichts Landau d. do 28 November et publicato 3 Dezember 1807 belaßen werden solle1733.
Bei der von dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister {9r} Herrn Grafen von Reigersberg verfügten Umfrage vereinigte sich die Mehrheit mit dem Referenten.
Geheimer Rath von Krenner der jüngere bemerkte, er seie zwar mit dem Antrage verstanden, allein er mache nur aufmerksam, ob es nicht zwekmäsiger sei, daß, da durch diese dem Hofbauer Berger zuerkannte Entschädigung in Geld, die dem Erbrechtsgute eigenthümliche Befugniß der Weidenschaft verloren gehe, und das Geld von dem Berger zu andern Zweken verwendet werden könnte, diese Entschädigungs Summe in eine jährliche bei dem Gute bleibende Rente verwandelt, und dadurch die Verwendung der Entschädigungs Summe in die Substanz des Erbrechtgutes herzustellen.
Geheimer Rath Graf von Arco der jüngere war in Beziehung auf den Maaßstab ebenfalls einer von dem Antrage des Referenten abweichenden Meinung, da er eine andere Berechnung aufstellte, nur 15 Pferde annahm, für ein Pferd des Monats 20 Zentner Graß den Zentner zu 24 kr. ansezte, und antrug, die daraus für 6 Monate sich abwerfende Entschädigung von 3.800 fl. dem Berger in der Art zuzuerkennen, daß nach der sehr richtigen Erinnerung des geheimen Rath {9v} von Krenner des jüngeren diese Summe in eine jährliche Geldrente umgewandelt werde.
Mit diesem von Herrn Grafen von Arco vorgeschlagenen Maaßstabe vereinigte sich auch geheimer Rath von Krenner der ältere.
Die Mehrheit blieb bei ihren Abstimmungen, und geheimer Rath Freiherr von Aretin bemerkte, daß es Sache der einschlagenden Finanzstelle sei, dafür zu sorgen, daß die zuerkannte Entschädigungs Summe in die Substanz des Erbrechtgutes verwendet werde.
Der geheime Rath genehmigte in Folge der Mehrzal der Abstimmungen die Anträge des Referenten und den danach eingerichteten Reskripts Entwurf an das General Commißariat des Unterdonau Kreises1734.
Bestätigung der Entschließungen durch den König (28. September 1810).
Anmerkungen
Karl August Graf von Reisach-Steinberg, geboren 1774 als Sohn des pfalzneuburgischen Geheimen Rats, Oberjagdamtkommissärs und Landschaftsverordneten Franz Christoph von Reisach (1732-1797), übernahm 1795 die Stellen seines Vaters; seit diesem Jahr war er auch kurpfalzbayerischer Kämmerer. 1797 wurde er zunächst Pflegs- und Landrichteramtskommissär, das heißt Amtsverweser, in Hilpoltstein und Heideck, später wirklicher Inhaber des Landrichteramtes (HStK 1802, S. 35 u. 213). 1802 veröffentlichte Reisach „Beiträge zur Kenntniß der neuen Einrichtungen in Baiern, der Ursachen des Widerstandes welche manche finden und der Erwartungen, zu welchen sie berechtigen“, eine Schrift, in der er insbesondere Max Josephs Religionspolitik als Sieg aufklärerischer Prinzipien feierte. Die in der Sitzung des Geheimen Staatsrats vom 13. April 1803 vorgenommene Evaluation der Landrichter im Herzogtum Neuburg überstand Reisach mit einer strengen Rüge. Ihm wurde aufgegeben, „sich nicht von seinem Amte so oft ohne Bewilligung zu entfernen, und wegen Nebengeschäffte sein Amt nicht zu vernachläßigen“ (Protokolle Bd. 2, Nr. 100, TOP [2], S. 483; vgl. Rieder, Reisach, S. 207f.). Diese Beurteilung wirkte sich nicht nachteilig auf Reisachs Karriere aus, der mit Entschließung vom 21. August 1803 „in Rücksicht seiner Kenntnisse und Geschäftskunde zum Direktor der ersten Deputation bey der Landesdirektion zu Neuburg“ und mit Entschließung vom 14. Mai 1804 zum Vizepräsidenten dieser Behörde ernannt wurde (RegBl. 1803, Sp. 622; RegBl. 1804, Sp. 549). Als im Zuge der Kreiseinteilung die Generalkreiskommissariate geschaffen wurden, erhielt Reisach vom 30. August 1808 an den Posten eines Generalkommissars des Lechkreises in Augsburg (RegBl. 1808, Sp. 1861). Mit Entschließung vom 29. Mai 1809 wechselte er als provisorischer Generalkommissar des Illerkreises nach Kempten (RegBl. 1809, Sp. 887f.). In diesen Jahren machte er sich erheblicher Unterschlagungen und Veruntreuungen öffentlicher Gelder schuldig, was zu langwierigen gerichtlichen und disziplinarischen Untersuchungen führte, denen sich Reisach Ende Februar 1813 durch die Flucht in den preußischen Machtbereich entzog, nur wenige Tage, nachdem ihn der König unter Belassung von Titel und Gehalt seines Amtes enthoben hatte (RegBl. 1813, Sp. 272). In der Folge wirkte Reisach im Auftrag der preußischen Regierung vor allem als antibayerischer Publizist („Baiern unter der Regierung des Ministers Montgelas“, Deutschland 1813), was wiederum Pressekampagnen von bayerischer Seite nach sich zog (1814 erschien die von Karl Heinrich Ritter von Lang verfaßte, anonym publizierte Gegenschrift „Der Minister Graf von Montgelas unter der Regierung König Maximilians von Baiern“). In den 1820er Jahren fand Reisach eine Anstellung in der preußisch-westfälischen Archivverwaltung. 1829 als Archivrat nach Koblenz berufen, bestätigte sich Reisach auch als Agent der politischen Geheimpolizei Preußens. Er starb 1846. Vgl. ADB Bd. 53, S. 661-667 (K. Th. von Heigel); zur Genealogie Rieder, Familie (Stammbaum nach S. 88); biographische Studie auf breiter Quellengrundlage: Rieder, Reisach; zur Publizistik Piereth, Pressepolitik, S. 80 Anm. 116, S. 89, S. 98 Anm. 217, S. 104, S. 212f.; zur Karriere als Archivar: Faber, Graf; Wibbing, Urkunden; zusammenfassend Weis, Montgelas Bd. 2, S. 501f.
Reisach heiratete 1797 Maria Anna von Bentzel-Sternau, geborene Freiin von Isselbach (1771-1839). Ab Ende 1809 betrieb er die Scheidung. Lorenz Westenrieder notierte dazu in seinem Tagebuch: „Im Monat Jänner [1810] ist (wie überall erzählt wird) der Comissär des Illerkreises, ein Graf Reisach, lutherisch geworden, um sich von seiner Frau scheiden lassen und eine andere heirathen zu können“ (Kluckhohn, Denkwürdigkeiten, S. 90). Reisach gedachte, die 1775 geborene Crescentie Gräfin von Stain (geb. von Osterberg) zu heiraten, Witwe des k. k. Kammerherrn und Hauptmanns Johann Nepomuk Graf von Stain (1765-1808). Konversion und Heiratsplan wurden 1815 in einer von bayerischer Seite gegen Reisach lancierten Broschüre, die sich als von ihm selbst verfaßter Rechenschaftsbericht ausgab, thematisiert: „Hier am Grabe eines katholischen Bischofs [Bezug auf das Begräbnis des am 27. Juli 1812 verstorbenen Fürstbischofs von Augsburg, Clemens Wenzeslaus] heuchelte ich Thränen als Protestant, daß ich meinen Katholizismus, der mir Vorwürfe machte, und meine betrogene Frau, die Rettung von mir suchte, verließ, um an keine Gewissensunruhe erinnert zu werden, und eine reichere Frau ins Garn locken zu können“ ([Anonym], Des Grafen Karl August v. Reisach […] Generalbeicht, S. 54f.). Dieser Interpretation folgte 1915 Otto Rieder: „Aus der sich immer enger zusammenziehenden Schlinge suchte sich der schlaue Betrüger längst durch eine reiche Heirat zu retten. Zu diesem Behufe trennte er sich von seiner früheren Gemahlin, der Freiin v. Isselbach; die Scheidung führte er durch den Übertritt zum protestantischen Bekenntnis herbei, den jahrhundertelang treu bewahrten Glauben seiner Väter um äußerer Vorteile willen verleugnend (Rieder, Reisach [1915], S. 314). Zum Abschluß der Ehe mit Crescentie Gräfin von Stain kam es offenbar nicht, doch standen sie und Reisach weiterhin in enger Verbindung. 1815 verwandte sich die Gräfin, damals in Württemberg lebend, bei Montgelas für ihren Freund. In den 1830er Jahren lebte sie nach der zeitgenössischen Angabe Friedrich Casts „in Österreich“. Kurz vor seinem Tod am 29. November 1846 rekonvertierte Reisach zum Katholizismus. Sein Leichnam wurde neben dem seiner „Gattin Maria [Anna], geb. Freiin v. Isselbach“ – so die Aufschrift des Grabsteins – in einem Familiengrab auf dem St. Nikolausfriedhof in Innsbruck beigesetzt. Vgl. Cast, Adelsbuch, S. 337; Rieder, Reisach [1915], S. 319, [1916], S. 286, 382f., 438.
Der Schulreformer und Aufklärer Johann Georg Lunz (1744-1812) wirkte von 1768 bis 1792 als Rektor der Lateinschule der Reichsstadt Kempten. 1792 erhielt er die dritte, 1798 die zweite Predigerstelle an St. Mang. 1810 wurde er Stadtpfarrer. Vgl. Karrer, Reformations-Geschichte, S. 58; Haggenmüller, Geschichte Bd. 2, S. 349; Warmbrunn, Evangelische Kirche, S. 283f.; Bauer/Dotterweich/Sibbe-Fischer, Schulwesen, S. 296-298; Petz, Zweimal Kempten, S. 423f., 432-434.
Dr. Johann Ludwig v. Diepold wirkte von 1794 bis 1812 als Pfarrvikar von St. Lorenz in Kempten. Vgl. Rottenkolber, Geschichte, S. 145; ders., Pfarrei, S. 43; Böck, Kempten, S. 130.
Gemeint ist die Verordnung betr. die „Verhältnisse der Staatsdiener, vorzüglich in Beziehung auf ihren Stand und Gehalt“ vom 1. Januar 1805, RegBl. 1805, Sp. 225-241.
Ebd., Sp. 234: „[Art. XXIV] § 23. Wenn der Staatsdiener in der gegebenen oder genommenen Quieszenz, oder in einer während der Quieszenz ihm übertragenen provisorischen Funktion stirbt; erhält die Witwe nur allein von dem, dem Quieszenten in Geld verbliebenen Standesgehalte einen Fünftheil als Pension.“
Die aus schwäbischem Adel stammende Therese Elisabeth (auch genannt Elise) Freiin Schenk von Castel (1785-1818), eine Protestantin, ließ sich 1804 von dem kurpfalzbayerischen geheimen Kriegssekretär Carl von Mulzer scheiden. Am 22. Mai 1806 heiratete sie in Triest nach griechisch-orthodoxem Ritus den russischen Grafen Gregor (Grigorij Kirillovič) Graf Razumovsky (Razumovskij, 1759-1837). Am 23. Januar 1807 folgte in Bern die Eheschließung nach protestantischem Ritus. Razumovsky, als Geologe und Mineraloge Mitglied zahlreicher gelehrter Gesellschaften, hatte am 1. Dezember 1797 die damals 15 Jahre alte Henriette Freiin von Malsen († 1827) geehelicht, von der er sich nach wenigen Monaten trennte. Obwohl nie förmlich geschieden, glaubte sich Razumovsky zu einer zweiten Eheschließung berechtigt, da die erste Ehe – so seine Rechtsmeinung – niemals gültig zustande gekommen sei und folglich nie bestanden habe. Dieser Ansicht schloß sich der für Eheverfahren zuständige Erzbischof von Kiew nicht an, Razumovsky galt daher kirchenrechtlich als Bigamist. Langwierige Prozesse waren die Folge, die erst mit dem Tod Therese Elisabeths 1818 in St. Petersburg endeten. Razumovsky übersiedelte darauf nach Baden bei Wien, wo er sich geologischen Forschungen widmete. Vgl. insbesondere Wassiltchikow, Les Razoumowski Bd. 3, S. 47-109, bes. S. 55, 67f., 80f.; Withalm, Rasumofsky, S. 31; ÖBL Bd. 8, S. 448 s.v. Razumovsky (H. Wieseneder); ESt N.F. Bd. 24, Tf. 108; HStK 1802, S. 61 (Mulzer).
Zur Vorgeschichte: Nr. 7 (Staatskonferenz vom 7. Juli 1808), TOP 5; Nr. 9 (Staatskonferenz vom 28. Juli 1808), TOP 5. – Mit Reskript vom 21. August 1810 teilte König Max Joseph dem Geheimen Rat das am 28. Juli 1808 „errichtete Familiengesetz zur nöthigen Kenntniß [mit] und um sich in vorkommenden Fällen nach seinen Bestimmungen genau zu achten“ (BayHStA Staatsrat 1701). Da es nach diesem Zeitpunkt eine Weisung des Königs an Zentner gab, den Text „mit Auslaßung desjenigen, was sich auf die Heurath Celebration bezieht“, zu publizieren, bezeichnet Seydel, Staatsrecht Bd. 1, S. 414 Anm. (hier die Zitate) die Datierung vom 28. Juli 1808 als „eine fingirte“; die königliche Sanktion erfolgte demnach am 21. August 1810. Publikation des „Königliche[n] Familien-Gesez[es]: Regierungsblatt Nr. 46 vom 26. September [!] 1810, das heißt am Vortag der Sitzung des Geheimen Rates (RegBl. 1810, Sp. 777-796). Zeitnaher Druck bei Winkopp (Hg.), Der Rheinische Bund 17 (1810), Nr. 1, S. 3-18. Weitere Drucke z. B.: Schulze, Hausgesetze Bd. 1, S. 312-321; Kotulla, Verfassungsrecht Bd. 2, Nr. 297, S. 798-809.
Effner bewertete vorliegenden Fall als „eine[n] der wichtigsten unter denen, der vielleicht seit dem Erscheinen der neuen Kultursmandaten sich ergeben haben, denn außer der Wichtigkeit und Verwicklung der zu entscheidenden Streitfragen selbst, und der Sonderbarkeit der von dem Generalkommissariate [des Unterdonaukreises] als zweyter Instanz aufgestellten Entscheidungsgründen, enthält er in seinem Verlaufe zugleich die Geschichte des Übergangs der Kompetenz in Kulturssachen von den Justiz zu den administrativen Stellen, dann die Gegenbemühungen, und Anstrengungen, welche die Justizstellen nach ihren Berufspflichten sich erlaubten, wobey sie jedoch am Ende nicht allein unterlagen, sondern sich auch die oberste Justizstelle eine Visitation zuzog, die aber ein dieser Stelle ehrebringendes Resultat herbeyführte“. Siehe Effner, „Vortrag in dem geheimen Rath über den Rekurs des Jakob Berger Hofbauern zu Natternberg, Landgerichts Deggendorf gegen 19 Gemeinden am Donaumoose wegen Entschädigung für gehabte Pferdweidenschaft“, nicht paginiert, 34 Bll., BayHStA Staatsrat 194, hier Bl. 1r.
Bekanntmachung der in dieser Sitzung erledigten Rekurssache: RegBl. 1810, Sp. 850.