BayHStA Staatsrat 203
19 Blätter. Unterschriften des Königs und der Minister. Protokoll: Kobell.
Anwesend:
König Max Joseph.
Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Reigersberg.
Geheime Räte: Graf v. Preysing; Ignaz Graf v. Arco; Graf v. Toerring-Gutenzell; v. Zentner; Graf v. Thurn und Taxis; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; v. Schenk; Freiherr v. Asbeck.
Maßregeln gegen die Übertretung konstitutioneller Normen
Aretin berichtet über das Problem, daß Grundbesitzer verfassungswidrig Abgaben von ihren Grundholden gefordert haben. Das Justizministerium und das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten haben sich verständigt, in solchen Fällen durch die Generalkommissariate und die Kronfiskale an das vorgesetzte Ministerium berichten zu lassen und die Beschwerde an die Appellationsgerichte zu bringen. Aretin schließt sich diesem Antrag an. Eine allgemeine Verordnung hält er nicht für erforderlich. In der Abstimmung spricht sich Montgelas mit Bestimmtheit gegen die Befassung der Kronfiskale in dieser Angelegenheit aus, vielmehr sollen die Generalkommissariate Aufsicht führen. Dieser Ansicht schließen sich die Geheimen Räte an. Reigersberg hingegen befürwortet die Einschaltung der Kronfiskale in das Verfahren. Der König folgt der Mehrheitsmeinung: Die Generalkommissariate sollen über die Einhaltung der konstitutionellen Normen wachen und Übertretungen abstellen oder anzeigen.
{1r} [1.] Seine Majestät der König geruheten, der auf heute angeordneten geheimen Raths Sizung beizuwohnen, und ertheilten {1v} dem geheimen Rathe Freiherrn von Aretin den Auftrag, sein bearbeitetes Gutachten rüksichtlich der Maaßregeln gegen Übertretung konstituzioneller Prohibitiv Geseze vorzutragen.
Diesem allerhöchsten Befehle Folge leistend entwikelte der königliche geheime Rath Freiherr von Aretin in dem dem Protokoll beiliegenden Vortrage1876 die Ursachen, welche zu Ergreifung dieser Maaßregeln den Anlaß gegeben.
Bei Gelegenheit von fiskalischen Prozeßen seien nämlich einige Fälle zur Kenntniß des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten gekommen, in welchen einige Gutsbesizer des vormaligen Nabkreises selbst gewißermaßen unter der Konnivenz1877 der Gerichts Stellen sich erlaubt hätten auf Forderungen gegen ihre Grundholden zu bestehen, welche durch die in Folge der Konstituzion des Reichs erlaßene Edicte ausdrüklich aufgehoben seien, z. B. Besthaupt, Gesindezwang, Anfeilungs Zwang u. d. g.1878
Dieses habe die Veranlaßung gegeben, mit dem königlichen Justiz-Ministerium das nähere Benehmen einzuleiten.
Freiherr von Aretin führte einen solchen speziellen Fall an, der sich zwischen dem Gutsherrn und den Hintersaßen zu Waldau1879 ergeben, und legte die Grundsäze vor, {2r} welche das Ministerium der auswärtigen Verhältniße gegen derlei Überschreitungen in Anwendung zu bringen für zwekmäsig erachtete, und welche darin bestanden, die Kronfiskalen zu instruiren, gegen die Übertretungen der konstituzionellen Prohibitiv-Geseze zu wachen, und gegen dieselbe von Amtswegen einzuschreiten. Zu Vermeidung aller Kompetenz Konflikte könnte man geschehen laßen, daß diese fiskalische Einschreitungen bei den Justiz-Behörden unter gewißen Voraussezungen eingebracht würden. Die Antwort des Justiz Ministeriums seie diesen Ansichten des auswärtigen entsprechend erfolgt, und nur einige den Kronfiskalen weiter zu ertheilende Vorschriften in Antrag gebracht worden.
In Folge der gemeinschaftlich aufgestellten Grundsäze habe hierauf die Lehen- und Hoheits Section die Weisungen an die Kronfiskalen und die General Commißariate entworfen, allein auf den, dem Herrn Staats- und Konferenz Minister Grafen von Montgelas hierüber erstatteten Vortrag, von demselben der Gegenstand für wichtig genug beurtheilt worden, denselben vor der Ausschreibung und Anweisung der Stellen der Berathung des königlichen geheimen Raths zu untergeben. Der Gegenstand seie daher zur weiteren Prüfung und Gutachten {2v} dahin gegeben, und am 6en Dezember ihme Freiherrn von Aretin zum Vortrage zugetheilt worden.
Freiherr von Aretin äußerte, die Gründe des Antrages, worüber dermal Seine Majestät der König das Gutachten Allerhöchstihres geheimen Rathes erwarteten, seien in den schon angeführten Noten der korrespondirenden beiden Ministerien entwikelt, und würden nur einer kurzen Darstellung und Beleuchtung bedürfen.
Freiherr von Aretin bewirkte diese Zusammenstellung. Er hob die Ursachen aus, warum die Kronfiskalen angewiesen worden, in solchen Fällen von Amtswegen zu handeln, warum den Gerichtsstellen die Einsicht und Abstellung zu überlaßen, warum einer Seits den Justiz Stellen und anderer Seits den General Kommißariaten und Kronfiskalen zur Pflicht gemacht wird, derlei Übertretungen zuerst an das ihnen vorgesezte Ministerium zu berichten, und warum diese Beschwerde nicht an die Untergerichte sondern nur an die Appellazions Gerichte allein gebracht werden sollen, und gieng dann zu seinem Antrage über, der darin bestand, daß er in Erwägung der Gründe, welche die Ansichten der beiden Ministerien geleitet haben, sich mit diesem Vorschlage vollkommen einverstehe. Er glaube, daß derselbe genügend seie, um den Vollzug der konstituzionellen {3r} Geseze möglichst zu sichern, und daß er mit dieser Sicherung die erforderliche Achtung für die Eigenthums-Rechte verbinde, auch gleiche Beruhigung für die Grundherrn wie für die Grundholden gewähre.
Auch scheine es ihme nicht nöthig, eine allgemeine Verordnung oder Bekanntmachung zu erlaßen, da es hinreiche, diejenige Behörden anzuweisen, welche ihren Wirkungs Kreis auf diese Gegenstände zu erstreken haben, eine allgemeine Verordnung auch den Nachtheil haben könnte, daß einer Seits mehrere Gutsherrn durch diese Maaßregel, welche sie für eingreifender halten könnten, als sie an sich seie, neuerdings in Unruhe gesezt werden dürften, anderer Seits streitsüchtige Unterthanen und Advokaten hie und da eine Veranlaßung mehr zu finden glauben könnten, mit muthwilligen Beschwerden aufzutreten.
Fänden Seine Majestät der König und der geheime Rath hiegegen eine allgemeine Bekanntmachung nöthig, so werde dieselbe umständig und motivirt abgefaßt werden müßen.
Seine Majestät der König geruheten, über diesen Vortrag abstimmen zu laßen.
Der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas äußerte, sie könnten nicht {3v} bergen, daß ihnen dieser Vorschlag, dem Kronfiskalen eine Befugniß einzuräumen, die nicht in ihrem Geschäfts Kreise liege, und demselben ganz entgegen seie, gleich im Anfange aufgefallen.
Als Minister der auswärtigen Angelegenheiten, dem die Kronfiskalen untergeordnet, hätten sie geglaubt, diesen Gegenstand, der in seinen Folgen wichtig sei, nach vorherigem Benehmen mit dem Justiz Ministerio an den geheimen Rath bringen zu müßen, um demselben da alle Aufklärung zu verschaffen, die er erheische, und damit er nach dem wahren Gesichtspuncte beurtheilet werde.
Die Hauptanstände, die sich diesem Antrage entgegen stellten, lägen darin daß 1) das Amt der Kronfiskalen ganz anders gestellt werde, als es durch ihre ursprüngliche Bestimmung beabsichtiget worden, die Kronfiskalen seien in Folge ihrer Instructionen nichts als Advokaten Seiner Majestät des Königs, und nun mache man sie zu königlichen Kommißärs, übertrage ihnen eine außerordentliche Gewalt, die sich mit ihren übrigen Dienstobliegenheiten gar nicht vertrage, und lege in ihre Willkühr, Untersuchungen gegen Gutsherrn zu veranlaßen, das Eigenthums Recht in seinen hergebrachten nicht aufgehobenen Verhältnißen zu stören und unsicher zu machen, und so neue Unruhe unter der wichtigsten Klaße der Staatsbürger {4r} zu verbreiten. Die Frage, ob Seine Majestät der König solche königliche Commißairs bei den Justiz Stellen aufstellen wollten, seie gegenwärtig nicht zu untersuchen und nicht zu entscheiden, und in keinem Falle würden die Kronfiskalen nach ihrem gegenwärtigen Wirkungskreise sich hiezu eignen.
2) Werde durch diese Maaßregel der ganze Prozeß in seinen Formen verrükt, denn bisher hätten die Richter nicht unangerufen vorschreiten noch handeln können, und nun wolle man dieses Recht königlichen Advokaten einräumen. Die Hauptfrage beschränke sich darauf, ob solch eine Maaßregel nöthig ob sie zwekmäsig.
Sie müßten beides bestreiten. Die Maaßregel seie unnöthig, weil es schon in den Pflichten der General-Kommißarien liege, gegen die Verlezung der in Folge der Konstituzion des Reichs erlaßenen Edicte zu wachen, und wo sie derlei Handlungen wahrnehmen, dieselbe entweder abzustellen, oder höchsten Ortes anzuzeigen.
Auch seie die Verordnung vom 28 Juli 1808 wegen den gutsherrlichen Rechten so bestimmt1880, daß bei einiger Aufmerksamkeit der General Commißariate eine Entgegenhandlung oder ein Mißbrauch der den Gutsherrn zugewiesenen Rechte nicht wohl denkbar seie.
Sie seie nicht zwekmäsig, denn wenn die General Commißariate {4v} durch ihre Unterbehörden nicht darauf kämen, daß solche Verlezungen der königlichen Edicte gewagt werden, wie viel weniger würden die Kronfiskalen sich hievon Wißenschaft verschaffen können, wenn sie nicht durch veranlaßte Denunziazionen durch unberechtigtes Nachforschen, und durch Einwirkungen, die zu ihren übrigen Funkzionen nicht paßten, sich Notizen verschaffen, die sie anwenden, um das Eigenthum im Staate wiederholt schwankend zu machen, und neue Anrufe unter einer Klaße der Staatsbürger zu verbreiten, die für den Staat in mancher Rüksicht bedeutend.
Sie wollten umgehen, welche nachtheilige Wirkungen es haben müße, aus dem Staats Organismus einen Gegenstand herausgerißen, und einseitige Verordnungen auf einen einzelnen Stand angewendet zu sehen, wie oft aus Gehäßigkeit, Übereilung oder Chicane auf diesem Wege Denunziazionen angebracht, Untersuchungen veranlaßt, und unbestrittene Rechte in Anspruch genommen werden könnten, und daß die Kronfiskalen gegen größere Gutsherrn, die einigen Einfluß im Staate genießen, nicht so oft, wohl aber desto mehr gegen kleinere Gutsherrn auftreten würden.
Auch wünschten sie, daß der vielleicht schon zu weit geführte Kampf gegen das Eigenthum und gegen eine Klaße der Staatsbürger einmal aufhöre, und alle Unterthanen des {5r} Reiches gleiche Sicherheit, gleichen ungestörten Genuß ihrer Rechte und ihres Eigenthums erhalten mögten.
Aus diesen Gründen und nach ihrer Überzeugung könnten sie auf Genehmigung dieses Antrages nicht stimmen, sondern sie glaubten, daß es hinlänglich seie, die General Commißariate durch einen allerhöchsten Befehl anzuweisen, sie hätten ihre Aufmerksamkeit auf die Handhabung und strenge Befolgung der in Folge der Konstituzion erschienenen königlichen Edicte um so mehr zu verdoppeln, als Seiner Majestät dem Könige einzelne Fälle angezeigt worden, wo einzelne Gutsherrn sich erlaubet, gegen ihre Grundholden auf Forderungen zu bestehen, welche diesen Edicten zuwider laufen.
Sie hätten solche gewagte Anmaßungen, wo sie solche in Erfahrung bringen, entweder sogleich abzustellen, oder dieselbe höchsten Ortes anzuzeigen, überhaupt aber in ihren Jahresberichten1881 sich zu äußern, ob sie von solchen Verlezungen der königlichen Edicte Kenntniß erhalten, damit Seine Majestät der König in den Stand gesezt werden zu beurtheilen, ob solche Handlungen so häufig, daß es nöthig werde, durch eine allgemeine Verordnung der Zuwiderhandlung der organischen Edicte Schranken zu sezen, oder ob nicht einzelne Fälle durch einzelne Befehle gehoben und geahndet werden können.
{5v} Zum Überfuße [!] könnten die Kronfiskalen durch das einschlägige Ministerium angewiesen werden, derlei Fälle, wenn sie solche in denen ihnen zukommenden Akten finden, dem Ministerium anzuzeigen.
Würden aber Seine Majestät der König dem Antrage des Referenten ihre Genehmigung ertheilen, so halte er es für sehr nöthig, zu Entfernung aller Mißbräuche den Kronfiskalen die bestimmteste Instrukzionen zu ertheilen.
Der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg äußerte, sie hielten es für sehr gut und für sehr nothwendig, daß die Grundherrn surveillirt würden. Dieses hätten mehrere Vorfälle bewiesen. Auch seie es Pflicht des Staates für die Beobachtung seiner konstituzionellen Geseze, seiner organischen Edicte von Amtswegen zu wachen, und die Unterthanen gegen die dadurch beseitigte Bedrükungen zu schüzen. Der baierische Civil Codex und wiederholte Verordnungen wollten in derlei Fällen, daß der Richter von Amtswegen verfahre. Er trage daher nicht das geringste Bedenken, Seiner Majestät die Erlaßung der angetragenen Weisungen an die bestellte Kronfiskalen zu begutachten. Mißgriffe der Fiskalen, leidenschaftliches Verfahren derselben, seie durch die denselben vorgeschriebene Berichtserstattung {6r} an das Ministerium, durch die ihnen aufgegebene Konstatirung der Kontravenzionen und durch Hinweisung derlei fiskalischer Anzeigen an die Appellazions Gerichte nach dem Antrage des Justiz Ministeriums vorgebaut; auch hätten sie von den Kronfiskalen und Justiz Stellen die vollkommenste Überzeugung, daß sie durch den Einfluß, den ein oder der andere der größeren Gutsherrn im Staate haben könnte, sich in Ausübung der ihnen auferlegten Pflichten nicht irre machen laßen, sondern ungescheut den Weg, der zur Schüzung der Unterthanen gegen unerlaubte, durch königliche Edicte aufgehobene Beeinträchtigungen eingeschlagen worden, verfolgen werden.
Der königliche geheime Rath Graf von Preising erklärte sich für die gelindere Mittel, um derlei Verlezungen der organischen Edicte abzustellen, und war um so mehr mit den Ansichten des königlichen geheimen Staats- und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Montgelas verstanden, als auf diesem Wege das Nämliche erreicht, und das Eigenthum nicht neuen Besorgnißen Preis gegeben werde.
Der königliche geheime Rath Graf von Arco der ältere vereinigte sich ebenfalls mit dem Antrage des königlichen geheimen Staats- und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Montgelas und äußerte, er könne sich eine so {6v} allgemeine Überschreitung der organischen Edicte nicht denken, daß dadurch eine so folgenreiche Maaßregel gerechtfertiget werden könnte.
Der königliche geheime Rath Graf von Törring stimmte wie der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas mit der Bemerkung, daß, da er sich nicht in dem Falle befinde, solcher Kontravenzionen gegen seine Grundholden sich bewußt zu sein, er offen gestehe, er finde die vorgeschlagene Maaßregel so folgenreich und so gestellet, daß sie leicht in eine Art von Staats-Inquisizion ausarten könnte, welche herzustellen, der Absicht Seiner Majestät des Königs und der königlichen Herrn Minister gewiß widerstrebe.
Der königliche geheime Rath von Zentner äußerte: nach dem bestehenden Staats Organismus seien die General Kommißariate und Landgerichte konstituirte Gewalten, um derlei Verlezungen der königlichen Edicten entgegen zu arbeiten und es liege schon in ihren Pflichten auf die Befolgung derselben zu wachen.
Justiz Stellen könnten sich damit nicht befaßen, und ihre Obliegenheit seie blos, Prozeße und Streitschriften über Erhebungen, die den organischen Edicten zuwider laufen, nicht anzunehmen {7r} sondern sie zurükzuweisen.
Den Kronfiskalen einen neuen Wirkungskreis zu übertragen, und sie als königliche Kommißärs aufzustellen, hiezu könne er aus den Gründen, die der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas angegeben, nicht und um so weniger rathen, als bereits in der obern Pfalz Beispiele vorlägen, daß die Kronfiskalen aus Leidenschaft oder Gehäßigkeit leicht zu weit gehen, und sich diese Funkzionen eines eigentlichen Accusateur public nicht mit ihren übrigen Dienstverhältnißen vereinigen ließen. Er stimme daher mit dem königlichen geheimen Staats Minister Herrn Grafen von Montgelas dahin, die General Kommißariate ihrer Pflichten für diese Fälle wiederholt zu erinnern und den Antrag des Herrn Referenten zu umgehen.
Der königliche geheime Rath Graf von Tassis vereinigte sich mit der Meinung des königlichen Staats Ministers Herrn Grafen von Montgelas, und erinnerte nur bei diesem Veranlaß, daß es zwekmäsig sein würde, durch die General Commißariate auch darauf halten zu laßen, daß den Unterthanen für ihre Leistungen ordentliche Quittungen ausgestellt werden.
{7v} Der königliche geheime Rath von Krenner der jüngere erklärte sich aus folgenden Gründen gegen den Antrag. 1) Würde der den Kronfiskalen zu übertragende Wirkungskreis und und [!] die ihnen beigelegte Gewalt den Keim einer Inquisizion in sich führen, und die Kronfiskalen durch Nachspüren, Aufsuchen solcher Fälle Unruhe und Unzufriedenheit in dem Reiche verbreiten.
2) Gehöre die Aufrechthaltung der Konstituzion und der daraus hervorgegangenen Verordnungen blos zu dem königlichen geheimen Rathe und den ihme untergeordneten Stellen den General Kommißariaten und Landgerichten, nicht aber den Justiz Stellen, welche dem geheimen Rathe nicht untergeordnet; würde man dieses den Justiz-Stellen übertragen, so würden Schriftenwechsel und weitwendige Verhandlungen über Gegenstände eintreten, die ihrer Natur nach und dem klaren Buchstaben der Verordnungen sich nie dazu eigneten, denn gegen prohibirte Erhebungen von Seiten der Gutsherrn dürfe kein Streit bei den Gerichten gestattet werden, was aber bei übermäsigen Forderungen durch die königliche Reskripte nicht aufgehobener Erträgniße der Fall sein könne. Aus diesen Rüksichten stimme er mit dem königlichen geheimen Staats {8r} Minister Herrn Grafen von Montgelas.
Der königliche geheime Rath Graf Carl von Arco äußerte, er habe bereits ehe der königliche geheime Staats Minister Herr Graf von Montgelas seine Meinung über diesen Antrag vorgelegt, gleiche Ansicht rüksichtlich dieses Gegenstandes gehabt, und finde darin eine Tendenz zu einer neuen Inquisizion gegen die Gutsherrn, welche die nachtheiligsten Folgen haben würde, denn die Kronfiskalen würden sich beeifern, Erkundigungen einzuziehen, sich Notizen von Grundholden zu verschaffen, und dadurch das Eigenthum im Staate in ein neues Schwanken bringen. Ungleichheit des Verfahrens würde eintreten, gegen mächtigere Gutsbesizer würden sie nachsichtiger gegen andere strenger verfahren, und allgemeine Beunruhigung der gutsherrlichen Rechte die Folge dieser überflüßigen und unnöthigen Maaßregel sein.
Die Pflicht, über derlei Übertretungen zu wachen und sie abzustellen, seie den General Kommißariaten bereits aufgetragen, und er finde es hinlänglich, dieselbe auf diese Pflichten zu erinnern, ohne eine allgemeine Verordnung zu erlaßen, und ohne den Kronfiskalen eine Gewalt zu übertragen, die sich mit ihren übrigen Dienstverhältnißen nicht vereinigen laße. {8v} Die Regierung habe Kraft und Mittel genug, gegen derlei Verlezungen durch die bereits konstituirte Autoritäten mit Erfolg einschreiten zu laßen.
Der königliche geheime Rath von Effner äußerte, er finde in dem abgelesenen Antrag weder die Tendenz um streitige Rechte der Gutsherrn zu verlezen noch eine Staats Inquisizion zu begründen, sondern nur Anmaßungen gegen prohibitive Geseze zum Schuze der Unterthanen zur Kenntniß der Regierung zu bringen.
Diese Maaßregel spreche nur neuerdings aus, was bereits in der baierischen Prozeß-Ordnung ausgesprochen seie daß bei solchen, von den Kronfiskalen anzuzeigenden und von den Ministerien als wahr anerkannten Übertretungen der Edicte die Gerichte ex officio verfahren, von langwierigen Prozeßen und weitwendigen Schriftenwechsel könne hiebei die Rede nicht sein. Jedem Dritten stehe das Recht zu, Anzeigen von solchen Verlezungen bei den Gerichten zu machen, warum solle dieses auch nicht den Kronfiskalen aufgetragen werden können. Glaube man aber den Keim einer Inquisizion in dieser Maaßregel zu finden, so könne er sich auch damit vereinigen, daß den General-Kommissariaten der angetragene Befehl ertheilt werde.
{9r} Der königliche geheime Rath von Schenk vereinigte sich mit dem Antrage des königlichen Staats Ministers Herrn Grafen von Montgelas, denn wolle man bezweken, was schon verordnet ist, so seien die General Kommißariate die geeignete Stellen hiezu, wolle man aber etwas einrichten, was noch nicht bestehe, so könne dieses nicht durch die Kronfiskalen geschehen, welche sich hiezu gar nicht eigneten. Wohl könnten dieselbe angewiesen werden, solche Fälle, wenn sie dieselbe mit den ihnen zukommenden Akten finden, dem Ministerium anzuzeigen.
Der königliche geheime Rath Freiherr von Asbek gab seine Meinung dahin, er glaube, daß derlei Kontravenzionen gegen bestimmte königliche Befehle sich weder zu den Justiz Stellen noch zu dem geheimen Rathe eigneten, denn er finde die Herstellung neuer Surveillancen ganz überflüßig, da bereits Landes Stellen konstituiret seien, denen diese Wachsamkeit zur Pflicht gemacht seie.
Einzelne Kontravenzions Fälle würden auf diesem Wege leicht abzustellen sein, und eigneten sich nicht, um eine allgemeine, die Eigenthümer aufs neue beunruhigende Verordnung zu veranlaßen.
In Folge dieser Abstimmungen {9v} und nach Würdigung der für und gegen diesen Antrag angebrachten Gründen
geruheten Seine Majestät der König folgenden Beschluß zu faßen: „Mit Umgehung des Antrages, den Kron-Fiskalen die Weisung zu ertheilen gegen die Übertretungen der konstituzionellen Prohibitiv-Geseze zu wachen, und die ihnen bekannt werdende Fälle auf die vorgeschlagene Art zu verfolgen, sollen sämmtliche General Kreis Commißariate durch das Ministerium des Innern angewiesen werden, sie hätten die ihnen durch ihre Instruction bereits aufgetragene Aufmerksamkeit auf die Handhabung und strenge Befolgung der in Folge der Konstituzion erschienenen königlichen Edicte um so mehr zu verdoppeln, als Seiner Majestät dem Könige einzelne Fälle angezeigt worden, wo einzelne Gutsherren sich erlaubet, gegen ihre Grundholden auf Forderungen zu bestehen, welche diesen organischen Edicten zuwiderlaufen.
Die General Commissariate hätten solche gewagte Anmaßungen, wenn sie dieselbe in Erfahrung bringen, entweder sogleich abzustellen, oder dieselbe höchsten Ortes anzuzeigen, überhaupt aber in ihren Jahres Berichten anzugeben, in wie ferne sie von solchen Verlezungen der königlichen Edicte Kenntniß erhalten haben, {10r} damit Seine Majestät der König in den Stand gesezt werden, zu beurtheilen, ob diese Handlungen so häufig eintreten, daß es nöthig werde, durch eine allgemeine geschärfte Verordnung der Zuwiderhandlung der königlichen Verordnungen Schranken zu sezen, oder ob nicht einzelne Fälle durch einzelne Befehle gehoben und gehindert werden können.
Seine Majestät der König wollen auch, daß durch das auswärtige Ministerium die Kronfiskalen angewiesen werden, derlei Fälle, wenn sie solche in den ihnen zukommenden Akten finden, dem Ministerio anzuzeigen.“
Zentralisierung der Brandversicherung
Arco stellt den Entwurf einer Instruktion über die Geschäftsführung der Brandversicherungsanstalt zur Diskussion. Die einzelnen Bestimmungen werden mit Änderungen genehmigt. Vor allem wird betont, daß das Ministerium des Innern als oberste Leitungsstelle fungiert. Auf Anregung von Montgelas sind nur die versicherten Häuser im Grundbuch zu verzeichnen.
2. Seine Majestät der König ertheilten dem geheimen Rathe Grafen Carl von Arco den Auftrag, den noch vorzutragenden Entwurf einer Instruction, die Geschäfts-Führung in Sachen der Brandversicherungs Anstalt betreffend1882, welche in der geheimen Raths Sizung vom 13en dieses ausgesezt wurde1883, vorzunehmen, und dadurch den Gegenstand der Brandversicherungs Anstalt zu beendigen. Zu Befolgung dieses allerhöchsten Auftrages trug der geheime Rath Graf Carl von Arco das Gutachten der Ministerial Polizei-Section1884 über diesen Entwurf und die Instruction selbst vor.
{10v} Dem [!] 1en Titel von den Grundbüchern (Cataster) A. Anlegung der Grundbücher § 1 und 2; B. Unterhaltung, Ordnung und Aufbewahrung der Grundbücher § 3, 4 und 5; C. Zusammenstellung der Resultate der Grundbücher und der Veränderungs Übersichten § 6 begleitete derselbe mit den Bemerkungen der Polizei Section, und führte die Aenderungen und Zusäze an, welche die vereinigte geheime Raths Sectionen des Innern und der Finanzen hiebei getroffen.
Auch bemerkte Graf von Arco daß rüksichtlich der drei Beilagen, welche die Formulare der Grundbücher und der Zusammenstellungen enthalten1885, von den Sectionen eine Aenderung getroffen worden, welche von dem Antrage der Polizei Section darin abweiche, daß leztere alle Gebäude ohne Unterschied, sie mögen aßecurirt sein oder nicht, in das Grundbuch aufnehmen wolle, die geheime Raths Sectionen diese Einschreibung aber blos auf die aßecurirte Gebäude beschränken wollten, weil es das Geschäft zu sehr ausdehne, und der Brandversicherungs Gesellschaft zu viele Kösten ohne zu ihrem Zweke zu nuzen, verursachen {11r} auch einen Mißstand in dem Grundbuche veranlaßen würde.
Die Polizei Section habe geglaubt, daß da die Beschreibung und Schäzung der aßekurirten Häußer doch neu hergestellt werden müße, es das Geschäft nicht sehr ausdehnen würde, diese Maaßregel auf alle Gebäude zu erstreken, und es von großem statistischem Nuzen sein könnte, eine solche vollständige Beschreibung zu haben.
Die königliche Entscheidung werde bestimmen, nach welchem Formular die Grundbücher und Zusammenstellungen eingerichtet werden sollen.
Der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas äußerte, so zwekmäsig auch die von der Polizei-Section vorgeschlagene Formulare sein, und so großen Nuzen sie in statistischer Hinsicht gewähren würden, so müßten sie sich dennoch für die von den geheimen Raths Sectionen angenommene erklären, weil sie in der Ausführung leichter und nicht so viel Zeit und Arbeit von Seite der Landgerichte erfordere, denn sie zweifelten so an der Möglichkeit, in dem gegebenen Termin diese Grundbücher herstellen zu laßen, da der Zusammenfluß von Arbeiten, welche den Landgerichten aufgetragen würden, schon dermal {11v} ungeheuer sei.
Seine Majestät der König bestimmten sich allergnädigst für die von den geheimen Raths Sectionen angenommene Formulare der Grundbücher und Zusammenstellungen, und solle die Aenderung die bei der Anlage I wegen Voraussezung des auf der inneren Seite stehenden Titels auf die erste Seite und Hinaufrükung der Tabelle selbst auch bei den Beilagen II a und b getroffen werden.
Die §§ 1, 2, 3, 4, 5 und 6 des 1ten Titels wurden mit den von den geheimen Raths Sectionen angetragenen Aenderungen und Zusäzen von Seiner Majestät dem Könige genehmiget, und nur folgende weitere Aenderungen sollen in Folge der allerhöchsten Entscheidung eintreten, daß weder in der Brandversicherungs Ordnung noch in der Instruction von der Polizei Section als General Verwaltungs Behörde der Anstalt sondern immer von dem Ministerium des Innern als obersten Leitungs Stelle gesprochen werden solle.
In § 6 ist statt die Ober Polizei Section als General Verwaltungs Behörde der Anstalt zu sezen „das Ministerium des Innern“. Statt ihrem Wirkungs Kreise „seinem Wirkungs Kreise“ ferner am Ende des § 6 statt in dem Rechnungs {12r} Bureau der Polizei Section „in dem bei dem Ministerium des Innern dazu geeigneten Rechnungs Bureau“.
Den Tit. II von den Schadensbeschreibungen und von der Leistung der Entschädigun gen A. Untersuchung und Schäzung der Schäden, Berichtserstattung darüber § 7. B Ratification der Entschädigungen, Anweisung und Hinausbezalung derselben § 8. C. Verfahren bei Feuersbrünsten aus Bosheit oder Schuld dann § 9. Dem Tit. III von der Repartition der Schäden und von Einhebung der Beiträge A. jährliche Übersichten der vorgefallenen Schäden § 10. B. Beitreibung der Beiträge § 11 begleitete geheimer Rath Graf Carl von Arco mit den Erinnerungen der Polizei Section, und führte jene Aenderungen und Zusäze an, welche die vereinigte geheime Raths Sectionen bei diesen §§ in Antrag gebracht.
Seine Majestät der König haben die §§ 7, 8, 9, 10 und 11 der Instruction mit den von den vereinigten {12v} geheimen Raths Sectionen in Antrag gebrachten Aenderungen und Zusäzen allergnädigst genehmiget, und nur befohlen, daß in § 9 statt die Polizei Section prüft die Gründe des Conclusi und stellt darüber Antrag an das Minis terium, ob p. gesezt werden solle „daßelbe prüft die Gründe des Conclusi, ob p.“, dann in § 10 statt die Polizei Section vergleichet diese Summe mit ihrem Register im Rechnungs Bureau, berechnet in der durch den Art. 32 der Brand Versicherungs Ordnung bestimmten Art die Beitrags Quoten von jedem hundert oder taußend Gulden und entwirft hiernach die Repartition für alle Kreise und für die einzelne Dis tricte „Bei dem Ministerium des Innern werden diese Summen mit den Registern im Rechnungs Bureau verglichen, die Beitrags Quoten von jedem hundert oder taußend Gulden in der durch den Art. 32 der Brandversicherungs Ordnung bestimmten Art berechnet, und hiernach die Repartizion für alle Kreise und für die einzelne Districte in jedem Kreise entworfen“.
Auf gleiche Art wurden von dem {13r} königlichen geheimen Rathe Grafen Carl von Arco der Titel IV von dem Kaße und Rechnungs Wesen A. Verwendung der Beiträge § 12 B aufgenommene Vorschuß Capitalien § 13. C. Ständiger Vorschuß Fond § 14. D. Rechnungs Führung § 15 E. jährliche öffentliche allgemeine Rechnung § 16, dann der Tit. V von den Behörden der Anstalt und von dem formellen Geschäfts Gange überhaupt A. Unterbehörden § 17 B. General-Kreis Commißariate § 18 C. Ministerium § 19 und 20 vorgetragen, denselben die Erinnerungen der Polizei Section und die Abänderungen und Zusäze, welche die vereinigten geheimen Raths Sectionen hiebei vorgeschlagen, denselben beigefügt.
Die §§ 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19 und 20 wurden von Seiner Majestät dem Könige mit den Aenderungen und Zusäzen genehmiget welche die {13v} vereinigte geheime Raths Sectionen angetragen, und dabei beschloßen, in folgenden Stellen die nachstehende Abänderungen zu treffen.
Im Anfange des § 13 solle die Stelle: auf gemeinschaftlichen Antrag der Polizei- und der Stiftungs Section ausgelaßen, und dann in dem 3ten Absaze dieses § die Stelle: beide Sectionen unterhalten über das Anlehens Geschäft eigene Vormerkungen p. dahin verändert werden „bei dem Ministerium des Innern werden über das Anlehens Geschäft eigene Vormerkungen gehalten“.
In dem § 15 solle gesezt werden, statt so wie ein gleiches auch in dem Rechnungs Bureau der Polizei Section geschehen wird „so wie ein gleiches auch in dem Rechnungs Bureau des Ministeriums des Innern geschehen wird“.
In § 19 bleiben die Stellen und das Partikular Protokoll der Polizei Section den ernannten Referenten der Section in der gewöhnlichen Art, wie jedes andere Produkt zum Vortrage zugestellt, und tragen entweder die Firma der Section, oder sie geschehen nach der Wichtigkeit des Gegenstandes und nach der Analogie der hiefür bestehenden sonstigen Vorschriften im höheren Style aus, und soll dafür nach {14r} und werden gesezt werden „sodann verordnungsmäsig repartirt. Die Ausfertigungen gehen gleichfalls den ordentlichen Weg“.
Am Schluße des § 19 ist statt in dem Rechnungs Bureau der Polizei Section aufbewahret zu sezen „im Rechnungs Bureau des Ministeriums des Innern aufbewahret“.
Ferner sollen im § 20 folgende Aenderungen getroffen werden. Im ersten Absaze im Anfange statt der Polizei Section zunächst „dem Ministerium des Innern zunächst“, dann statt aus dem Bureau der Section vorgelegt werden muß „aus diesem Bureau des Ministerii vorgelegt werden muß“.
Die Stelle nach zunächst verantwortlich die obere Aufsicht auf das Bureau führt die Section durch das Organ des Referenten oder eines andern ordentlich oder außerordentlich hiezu benannten Rathes. Außerdem hat auch der Rechnungs Commißaire der Section solle ausgelaßen, und dafür nur nach zunächst verantwortlich gesezt werden „und hat alle Viertel Jahre eine summarische aber genaue Übersicht über den ganzen Stand {14v} der Geschäfte dem Ministerio vorzulegen“.
In Litt. C deßelben § statt dieses der Section zum Behufe der erforderlichen Excitation der säumigen Behörden an Handen zu geben „dieses dem Ministerio zum Behufe der erforderlichen Excitation der säumigen Behörden anzuzeigen“1886.
Landeskulturstreitigkeit
Thurn und Taxis berichtet über den Streit zwischen den Bauern und den Kleingütlern zu Auhausen über die Verteilung der Gemeindegründe. Er beantragt, den Rekurs abzuweisen. Er war formellrechtlich nicht zulässig, da zwei gleichlautende Sprüche der Vorinstanzen vorlagen. Der Antrag wird einstimmig angenommen.
[3.] Seine Majestät der König geruheten hierauf, den geheimen Rath Grafen von Tassis aufzurufen, die von ihme bearbeitete Rekurs Sache vorzutragen.
In Folge dieses allerhöchsten Befehls erstattete der königliche geheime Rath Graf von Tassis über die Streitigkeiten der Bauern der Gemeinde Auhausen1887 Landgerichts Waßertrüdingen gegen die dortigen Kleingütler, die Vertheilung von Gemeinde-Gründen betreffend, ausführlichen schriftlichen Vortrag, worin er nach Vorlage des Akten Auszuges über den Veranlaß und die Geschichte dieses Rekurses und der bisherigen gerichtlichen Verhandlungen den allerunterthänigsten Antrag stellte, es bei dem in dieser Streitsache von dem Landgerichte Waßertrüdingen unterm 8 April d. J. gefällten und von dem General Commißariate des Rezatkreises unterm 11 Juni deßelben Jahres bestätigten Bescheid um so mehr zu belaßen, als zwei gleichlautende Sentenzen {15r} vorliegen, und nach der früheren allerhöchsten Verordnung hiegegen kein weiterer Rekurs statt findet, auch die Gemeinde Auhausen noch drei öde Weidepläze besize, welche als Hutpläze so wie zum Tummel Plaze des Viehes noch ferner benuzt werden könnten.
Seine Majestät der König geruheten, über diesen Antrag abstimmen zu laßen, und da derselbe, ohne in die Materialien der Sache sich einzulaßen, von den königlichen Herrn Ministern und allen geheimen Räthen aus der Ursache einstimmig angenommen wurde, weil nach der früheren allerhöchsten Verordnung die erst unterm 19en [!] August d. J. abgeändert und aufgehoben worden1888, gegen zwei gleichlautende Sentenzen kein Rekurs an den geheimen Rath ergriffen werden kann,
so wurde derselbe von Seiner Majestät dem Könige genehmiget.
Seine Majestät der König verließen, nachdem dieser Vortrag beendiget war, die geheime Raths Sizung und Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas, welche den Vorsiz nach der Entfernung Seiner Majestät des Königs übernommen hatten, forderten die geheimen Räthe Graf von Tassis {15v} von Effner und Freiherrn von Asbek, die Rekurs Sachen bearbeitet und zum Vortrage bereitet hatten auf, dieselbe nach und nach zu erstatten.
Gewerberecht
Effner berichtet über den Streit zwischen dem Seilermeister Zwerger und den Ölmüllern Feßler und Nußer wegen des Rechts zum Ölverkauf. Da es an einschlägigen Normen mangelt, ist auf die Landesordnung von 1616 zurückzugreifen, in der von Seilern nicht die Rede ist. Gleichwohl ist zu erwägen, ob dem Zwerger nicht eine Personalkonzession verliehen werden sollte, doch muß dies dem Ermessen des Ministeriums des Inneren überlassen bleiben. Der Geheime Rat folgt Effners Ansicht.
[4.] Zu Befolgung dieser Aufforderung las 4) geheimer Rath von Effner über den Rekurs des Anton Zwerger, Sailermeisters in Günzburg in seiner Streitsache gegen die Oelmüller daselbst Feßler und Nußer wegen Oelverkauf einen schriftlichen Vortrag ab, worin er die Geschichte und den Akten-Veranlaß dieser Streitsache entwikelte, und nach Prüfung der Förmlichkeiten folgenden Antrag vorlegte.
Bei der Verschiedenheit der Observanzen und bei dem Mangel von positiven Statuten könne der Beweis eines Rechtes oder eines rechtsgültigen Herkommens für Zwerger um so weniger bestehend angenommen werden, als selbst die baierische Polizei Ordnung vom Jahre 1616 im 2en Buch 10en Titel 2en Artikel ein geschriebenes Gesez enthalte, nach welchem der Oelverkauf nur den Oelmüllern und andern so aus dem Lein und Hanf Oel schlagen gestattet sei, ohne der Sailer zu erwähnen1889, und bei dem Mangel dieses Beweises müße Kläger wenigstens nach rechtlichem Ansehen abgewiesen und das Erkenntniß des General Kommißariats bestätiget werden.
Ob nun aber blos in polizeilicher Rüksicht und im Wege der Gnade {16r} dem Sailer Zwerger nicht eine Personal Conceßion (um die er zwar dermal nicht angesucht habe) in der Erwägung verliehen werden wolle, daß in mehreren Städten Baierns dieser Leinöl Verkauf den Sailern bereits bewilliget seie, weil sie auch die Wagenschmiere zu führen pflegten, und hiezu das Leinöl als Ingredienz gebrauchten, diese Frage scheine ihme Referenten nicht zum Reßort des königlichen geheimen Rathes zu gehören, sondern dem Ermeßen des Ministeriums des Innern zu überlaßen zu sein.
Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas verfügten die Umfrage hierüber, und da der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg und alle Herrn geheimen Räthe sich mit dem rechtlichen Antrage des Herrn geheimen Referenten vereinigten
wurde beschloßen, die Erkenntniß des General-Commißariats des Oberdonau Kreises vom 4en Mai d. J. zu bestätigen, [und] die Entscheidung, ob dem Sailer Zwerger in polizeilicher Hinsicht eine Personal-Conceßion auf sein Ansuchen ertheilt werden solle, dem Ministerium des Innern zu überlaßen.
Streit um Warenlager
Asbeck prüft den Rekurs der Händler Musinan und Dubell im Rechtsstreit mit Jacob Moises. Gegenstand des Streits ist dessen Warenlager. Der Geheime Rat folgt einstimmig dem Antrag des Referenten, die Beschwerdeführer abzuweisen und das vorinstanzliche Erkenntnis des Generalkommissariats des Altmühlkreises zu bestätigen.
5. Über den von den Handelsleuten Musinan und Dubell zu Neumarkt {16v} genommenen Rekurs an den geheimen Rath, die Waaren Niederlage des Juden Jacob Moises aus Sulzbürg alldort betreffend, erstattete der königliche geheime Rath Freiherr von Asbek schriftlich ausführlichen Vortrag, und machte, nachdem er das Factum und die Umstände, worauf es in dieser Rekurs Sache ankommt, auseinander gesezt, und sich über die Formalia sowohl als Materialia causae geäußert, den Antrag, das Erkenntniß des General Commißariats des Altmühlkreises lediglich zu bestätigen, und in Folge deßen den Rekurrenten die Abweisung zu bedeuten, wobei Freiherr von Asbek erinnerte, daß, wenn der Jude Moises appellirt hätte, wahrscheinlich der nicht ganz geeignete Spruch des General Kommißariats aufgehoben, und eine dem Juden vortheilhaftere Erkenntniß von Seite des königlichen geheimen Rathes erfolgt sein würde.
Nach verfügter Umfrage, und nachdem Seine Excellenz der Herr Justiz Minister und alle Herrn geheimen Räthe sich mit dem Antrage des Herrn Referenten verstanden erklärten
wurde der Antrag des Freiherrn von Asbek von dem königlichen geheimen Rathe bestätiget.
Thurn und Taxis berichtet über den Weiderechtsstreit der Gemeinde Langtaufers mit den Gemeinden Graun und Haid. Der Geheime Rat folgt dem Antrag des Referenten, den Fall an die Justizbehörden zurückzuverweisen.
6. In Beziehung auf die Streitigkeit der Gemeinde Langentaufers1890 gegen die Gemeinde Graun und {17r} Haid1891, Weidenschafts Berechtigung betreffend welche im Wege des Rekurses an den königlichen geheimen Rath gekommen, erstattete der königliche geheime Rath Graf von Tassis schriftlichen Vortrag.
Derselbe führte in einem umständlichen Akten Auszug das Factum und die Prozeß-Geschichte dieser Streitsache an, und legte das Gutachten vor, für den vorliegenden Streit Gegenstand die Justiz Behörden für allein kompetent zu erklären, den Spruch des ehemaligen Guberniums in Insbruk vom 20 Oktober 1807 aufzuheben, und die streitenden Partheien an die Justiz Behörden anzuweisen.
In Folge der von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Montgelas verfügten Umfrage und der abgegebenen Abstimmungen vereinigten sich alle Mitglieder des königlichen geheimen Rathes mit dem Antrage des Referenten, und so
wurde derselbe von dem königlichen geheimen Rathe genehmiget.
Verteilung von Gemeindegründen
Effner berichtet über den Rechtsstreit zwischen Leerhäuslern und Bauern in Krondorf um die Verteilung von Gemeindegründen. Seiner Ansicht nach ist der Geheime Rat kompetent, da die Verordnung vom 8. August 1810 (RegBl. 1810, Sp. 642-646) die Berufung an den Geheimen Rat auch dann erlaubt, wenn zwei gleichlautende Sprüche der Vorinstanzen ergangen sind. Er trägt daher an, diese Entscheidungen zu bestätigen. Reigersberg unterstützt Effners Antrag inhaltlich, doch hält er den Geheimen Rat für nicht kompetent, da die neue Verordnung nicht rückwirkend in Geltung gesetzt werden kann. Die Geheimen Räte folgen der Rechtsmeinung des Ministers.
7. In einem schriftlichen ausführlichen Vortrage, den Herr geheimer Rath von Effner über den Rekurs des Georg Kleber und 13 Cons[orten] Leerhäußler zu Krondorf Landgerichts Burglengenfeld1892 wider die Bauern daselbst {17v} Gemeinds Gründe Vertheilung betreffend erstattet, führte derselbe die Geschichte dieser Streitsache, die Klage der Bauern, die Exception der Leerhäußler, die Replik und Duplik und die Entscheidungen des Landgerichts sowohl als des General Kommißariates [sc. des Regenkreises] an, und gieng hierauf zu seinem Antrage über.
In Beziehung auf die Förmlichkeiten äußerte Herr Referent: da in gegenwärtiger Kulturs Streit Sache zwei gleichlautende Erkenntniße der untern Instanz vorlägen, so wäre die Kompetenz des königlichen geheimen Rathes nach vorgängigen Verordnungen und Instructionen nicht gegründet.
Da jedoch die neuere allerhöchste Verordnung vom 8ten August d. J. die Vervollständigung der Kompetenz Regulirung des geheimen Rathes betreffend im ersten Titel 1ten Art. bestimmt, daß die Kulturs Streitigkeiten, auch wenn zwei gleichlautende Erkenntniße der untern Instanzen vorliegen, zur Berufung an den geheimen Rath sich eignen1893, so glaube Referent, daß die Berufung der Leerhäußler zu Krondorf, welche erst nach der gedachten allerhöchsten Verordnung nämlich den 22 August zur allerhöchsten Stelle eingereicht worden, auch nunmehr anzunehmen, und die Kompetenz des geheimen Rathes gegründet sei.
{18r} Gleiche Beschaffenheit habe es nach seiner Meinung mit den Appellations Fatalien, welche durch die allerhöchste Verordnung vom 8ten August d. J. durchgehends auf 30 Tage erweitert worden seien1894. Diese Verordnung müße auf die Berufung der Leerhäußler von Krondorf schon wirken, und sie hätten daher, da sie den 16ten Tag nach Eröfnung dieses Erkenntnißes des General Kommißariats ihre Appellation eingereichet, die gesezliche Fatalien eingehalten.
In der Hauptsache selbst aber war Herr geheimer Rath von Effner aus mehreren Gründen, die er anführte der Meinung, daß die zwei gleichlautende Erkenntniße der untern Kulturs Instanzen zu bestätigen seien, wobei derselbe bemerkte, daß er die Beschwerde der Häußler in Betreff der Förmlichkeiten des von dem Landgerichte erlaßenen Erkenntnißes, weil der Landrichter den Kultursbescheid allein und ohne Zuziehung der Aßeßoren erließ, zwar nicht für so erheblich ansehe, daß hieraus die Nichtigkeit des Erkenntnißes gefolgert werden könnte, doch könne Referent den Wunsch nicht bergen, daß sämmtliche Landgerichte durch die betreffende königliche Ministerien angewiesen werden mögten, auch bei Entscheidung der Kultur Streitigkeiten den {18v} kollegialen Gang und Zusammentritt, so wie bei Rechts Streiten zu beobachten.
Bei dieser Gelegenheit glaubte Referent auch den Mißstand noch rügen zu müssen, daß in Kulturs Streiten bei den königlichen General Kommißariaten nur selten ein schriftlicher Vortrag verfaßt und abgelegt werde, und er glaube, es wäre der Wichtigkeit dieser Sache sehr angemeßen, wenn die sämmtliche General Kommißariate die Weisung erhielten, bei Entscheidung von Kulturs Streitigkeiten sich förmliche schriftliche Vorträge ablegen zu laßen und dieselbe auf genommenen Rekurs zur allerhöchsten Stelle mit den Akten einzusenden.
Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas verfügten über diese Anträge die Umfrage.
Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg äußerten, sie seien zwar mit dem Antrage des Herrn Referenten, die gleichlautende Erkenntniße der unteren Kulturs Instanzen zu bestätigen, verstanden, nur würden sie in dem Reskripte ausdrüken, daß der in dieser Streitsache an den geheimen Rath ergriffene Rekurs als desert erklärt worden, weil nach der vor dem 10en [!] August d. J. bestandenen allerhöchsten Verordnung kein Rekurs gegen zwei gleichlautende Sentenzen ergriffen werden könne, und Sie der neueren königlichen Verordnung vom 10 August d. J.1895 keine rükwirkende Kraft gegen Erkenntniße {19r} die vor der Publication dieser Verordnung in Rechtskraft übergegangen beilegen könnten.
Die Erinnerungen des Herrn Referenten wegen dem gerichtlichen Verfahren in Kulturs Sachen, und den schriftlichen Vorträgen bei den General Kommißariaten, würden per Protocollum an das einschlägige Ministerium zu geben sein, um die General Kommißariate und Landgerichte hiernach anzuweisen.
Da alle übrige Mitglieder des königlichen geheimen Rathes sich mit dieser Ansicht des Herrn Ministers Excellenz vereinigten, so wurde
beschloßen, den Reskripts-Entwurf nach dieser Meinung abzuändern, und die Erinnerungen des Herrn Referenten wegen dem gerichtlichen Verfahren der Landgerichte bei Entscheidung der Kulturs Streitigkeiten und den schriftlichen Vorträgen bei den General Komißariaten, dem Ministerium des Innern per Protocollum mitzutheilen, um die geeignete Einleitungen deßwegen zu veranlaßen1896.
Genehmigung der Beschlüsse durch den König.
Anmerkungen
Konnivenz im rechtlichen Sinne bedeutet das wissentliche „Zulassen von Dienstvergehen von untergebenen Beamten“ bzw. die Begünstigung bereits verübter Vergehen (Berner, Lehrbuch, S. 501).
Einschlägig waren das Organische Edikt über die gutsherrlichen Rechte vom 28. Juli 1808 (RegBl. 1808, Sp. 1833-1852), das in § 29 den „Grundsatz des freien Verkehrs zwischen den gutsherrlichen Hintersassen und den übrigen Untertanen statuierte und festlegte: „Kein sogenanntes Bann-, oder Zwangsrecht soll jemal dagegen geltend gemacht werden können“ (Sp. 1839). Sodann erloschen mit dem „Edikt über die Aufhebung der Leibeigenschaft“ vom 31. August 1808 (RegBl. 1808, Sp. 1933-1936) „von Seite des Leibeigenen aller Dienstzwang, die Entrichtung des Leibzinses, das Mortuarium, die Abzugs- und andere ähnliche Gebühren“ (§ 5, Sp. 1935); ferner verloren die Gutsherren die Ansprüche auf die Verlassenschaft, oder das Mortuarium, die Abzug-Gelder bei der Verheurathung des Grund-Holden, und andere gleichartige Abgaben“ (§ 8, Sp. 1936).
OE „über die gutsherrlichen Rechte“ vom 28. Juli 1808, RegBl. 1808, Sp. 1833-1852.
Jeder Generalkommissär war verpflichtet, dem Ministerium des Inneren jährlich „einen Hauptbericht über den Zustand des ihm anvertrauten Kreises“ einzusenden (Instruktion für die General-Kreis-Kommissäre vom 17. Juli 1808, RegBl. 1808, Sp. 1649-1682, hier Tit. II § 40, Sp. 1668).
Als Resultate der Beratungen ergingen die VO betr. die „Vereinigung der Brandversicherungs-Gesellschaften zu einer allgemeinen Anstalt für die ganze Monarchie“ vom 23. Januar 1811, RegBl. 1811, Sp. 129-134 (Auszug: Kiessling/Schmid, Regierungs- und Verwaltungshandeln, Nr. 36, S. 128-130) als Rahmenverordnung zur „Brandversicherungs-Ordnung“, ebd., Sp. 135-165 (Auszug: Kiessling/Schmid, Regierungs- und Verwaltungshandeln, Nr. 37, S. 130-133) sowie die Instruktion betr. die „Geschäftsführung in Sachen der Brandversicherungsanstalt“ vom 23. Januar 1811, ebd., Sp. 165-190. – Paraphrasen dieser Verordnungen bei Heibl, Geschichte, S. 86-96; vgl. Das Feuer hat zwei Gesichter, S. 87-92.
VO betr. die „Vervollständigung der Kompetenzregulirung des königlichen geheimen Rathes in administrativ, polizeilich und finanziellen Gegenständen“ vom 8. August 1810, publiziert am 18. August (RegBl. 1810, Sp. 642-646).
LO 1616, Buch II Tit. 10 Art. 2: „[…] Demnach vnd dieweil man den Lein vnd Hanff selten gen Marckt bringt / auch einem jeden nit gelegen ist / mit / so wenig / als er gemainlich bawt / die Marckt zu besuechen / so wöllen wir / daß füran den Müllern vnd andern / so auß dem Lein vnd Haniff Oel machen / denselben an den Häusern zu kauffen vnuerwehrt sey / und wie vor / vnuerhindert zugelassen werde / doch daß sie das Oel den Innwohnern vnserer Fürstenthumben / die deß ausserhalb deß Fürkauffs nottürfftig seind / verkauffen / oder zu freyen Jar- vnd Wochenmärckten führen“ (S. 524).
Das heutige Graun (Curon Venosta) im Vinschgau (Provinz Bozen, Region Trentino – Südtirol, Italien) ist nicht mit dem im Protokoll benannten Ort identisch, sondern im Jahr 1950, bedingt durch die Anlage des Reschensees, eines Stausees, unweit vom ursprünglichen Ort neu entstanden. Das Seitental Langtaufers (Valle Lunga) ist eine Fraktion der Gemeinde Graun. Haid heißt heute St. Valentin auf der Haide (San Valentino alla Muta).
RegBl. 1810, Sp. 643. Vgl. Nr. 61 (Geheimer Rat vom 2. August 1810), TOP 5 in der Anm.
VO vom 8. August 1810, Tit. II Art.1, RegBl. 1810, Sp. 645.
Bekanntmachung der in dieser Sitzung erledigten Rekurssachen (TOP 3, 4, 5, 6 u. 7): RegBl. 1810, Sp. 1482f.