BayHStA Staatsrat 236

13 Blätter. Unterschriften des Königs und der Minister. Protokoll: Kobell.

Anwesend:

König Max Joseph.

Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Reigersberg.

Geheime Räte: Graf v. Preysing-Hohenaschau; Ignaz Graf v. Arco; Graf v. Törring-Gutenzell; Freiherr v. Weichs; v. Zentner; Graf v. Thurn und Taxis; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; v. Effner; v. Schenk; v. Feuerbach.

Auslieferung des Wolf Bomeisel an Baden

Weichs berichtet über das Gesuch des Stadtvogteiamts Heidelberg, den jüdischen Kaufmann Bomeisel auszuliefern, der sich aus Baden entfernt hat, weil er Schulden nicht begleichen kann. Nach Prüfung der Umstände kommt Weichs zu dem Ergebnis, Bomeisel nebst Familie als bayerische Untertanen nicht ausliefern zu lassen. In der Umfrage unterstützen neun Stimmen, darunter Reigersberg, den Antrag. Zwei Geheime Räte bestreiten, daß Bomeisel bayerischer Untertan ist. Der König folgt der Meinung der Mehrheit: Bomeisel wird nicht ausgeliefert.

{1r} [1.] Seine Majestät der König, Allerhöchstwelche der auf heute angeordneten Versammlung {1v} des geheimen Rathes beizuwohnen geruheten, ertheilten dem geheimen Rathe Freiherrn von Weichs den Auftrag, den bearbeiteten Vortrag wegen Auslieferung des Wolf Bomeisl an die badensche Regierung zu erstatten.

Zu Genügung dieses allerhöchsten Befehles legten geheimer Rath Freiherr von Weichs in einem schriftlichen Vortrag die geschichtliche aktenmäsige Verhältniße dieses Wolf Bomeisel721 vor, zeigten, auf welche von eben der badenschen Regierung beigebrachte Zeugniße und unter welchen Bedingungen demselben von Seiner Majestät dem Könige unterm 10 Dezember 1808 in Gemeinschaft mit dem Gutsbesizer Christian Frey zu Mosbach722 die Errichtung einer inländischen Tuch- und Kasimir Fabrik in Mosbach ertheilt, und ihme eine förmliche Real Konzeßion auf die dazu zu etablirenden Gebäude zugesichert worden, wenn die erforderliche Herstellung derselben seiner Zeit nachgewiesen sein würde.

Freiherr von Weichs entwikelten in diesem Vortrage, aus welchen von dem Bomeisel angegebenen Ursachen zu Errichtung dieser Fabrik von demselben gar keine Einschreitungen gemacht worden, {2r} und wie nachher von dem badenschen Stadtvogtei-Amt Heidelberg durch ein Schreiben die Verhaftung und Auslieferung des erwähnten Bomeisel nebst seiner Frau und allen ihren Effecten nachgesucht worden, weil beide Bomeiselsche Eheleute große Schulden kontrahiret hätten, als Wucherer graviret, und zalungsflüchtig geworden.

Welche Antwort das Landgericht hierauf ertheilet, welche weitere Folgen diese nachgesuchte Auslieferung des Wolf Bomeisel gehabt, dann nach welchen Ansichten dieselbe sowohl von dem General-Kommißariate als den verschiedenen königlichen Ministerien beurtheilet, ferner, welche Weisungen dießfalls erlaßen, und wie dieser Gegenstand an den königlichen geheimen Rath gekommen, um an Seine Majestät den König ein rechtliches Gutachten über die Frage zu erstatten: ob nach den Grundsäzen und Gesezen des Staates die Auslieferung statt finden solle oder nicht? hierüber verbreiteten sich Freiherr von Weichs in ihrem Vortrage, und äußerten nach Anführung aller Gründe, die für die Auslieferung {2v} aufgestellt worden, und jener so nach Ihren Ansichten derselben entgegen stehen, und nach Beantwortung der hieraus sich ergebenden verschiedenen Fragen, Ihre Meinung dahin, daß Seiner Majestät dem Könige allerunterthänigst angeraten werden müßte, den baierischen Unterthanen Bomeisel und seine Familie an Baden nicht ausliefern zu laßen.

Unangenehm seie es, daß das General Kommißariat des Isar-Kreises dem badenschen Directorium von der erfolgten allerhöchsten Entschließung, welche diese Auslieferung bereits befohlen, in Kenntniß gesezt habe. Allein bei den vorgelegten Verhältnißen, und da man übersehen habe, die Bescheinigung der Auswanderung aufzulegen, würde gleichwohl dem badenschen Directorium die Nichtauslieferung des erwähnten Bomeisel zu notifiziren, und demselben durch das General-Kommißariat blos die protokollmäsig angegebene Zalungs-Vorschläge des erwähnten Bomeisel, welche Freiherr von Weichs ablas, als Antwort auf sein Schreiben zuzusenden sein.

Freiherr von Weichs untergab der allerhöchsten Entscheidung, ob man dieser Antwort die {3r} neueste königliche Verordnung wegen Vollstrekung fremdrichterlicher Erkenntniße abschriftlich beilegen laßen wolle723; das badensche Directorium werde daraus entnehmen, was es rüksichtlich der Bomeiselschen Gläubiger in der Rheinpfalz zu veranlaßen habe.

Um diesen Gegenstand, der wegen dem anzunehmenden Grundsaze und seiner Folgen wegen wichtig wird, hinreichend zu untersuchen, und alles zu erschöpfen, was die deßwegen geäußerte verschiedene Ansichten berichtigen kann, erlaubten Seine Majestät der König, daß das an das General-Kommißariat des Isar-Kreises unterm 10ten Dezember 1808 erlaßene Reskript, auf deßen Inhalt es bei der zu entscheidenden Frage, ob Bomeisel als baierischer Unterthan zu beurtheilen, vorzüglich ankommt, der Antrag der Ministerial-Polizei Section, nebst den Gründen dafür und dagegen, und endlich die von dem Justiz Ministerio in dieser Sache erlaßene Note, welche den Akten nicht beigelegen, abgelesen wurden, und geruheten nachher, über den Antrag des Referenten umzufragen.

Da der königliche geheime {3v} Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas durch Geschäfte verhindert, in der Sitzung noch nicht erschienen waren, so stimmten der allerhöchsten Aufforderung zu Folge der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg, und äußerten, daß Sie mit dem Referenten um so mehr allerunterthänigst antragen müßten, daß der Wolf Bomeisel nicht ausgeliefert werde, als nach Ihren Ansichten derselbe durch die erhaltene Personal Konzeßion und die erworbene Ansäßigkeit baierischer Unterthan wiederholt geworden, *sein Domicil da mit Vorwissen der badenschen Regierung gewählt habe* [Ergänzung auf der rechten Blatthälfte] und als solcher auf den Schuz des Staates gleich den übrigen Unterthanen Anspruch zu machen berechtiget. Gewinnen werde der Staat durch die Rükbehaltung dieser Familie nicht, allein der Grundsaz, die Unterthanen des Staates gegen Auswärtige zu schüzen, seie zu heilig und in seinen Folgen zu wichtig, als daß Sie zu deßen Verlezung auch bei minder vortheilhaften Umständen anrathen könnten. Ohnbenommen bleibe es übrigens der badenschen Regierung wegen der kontrahirten Schulden des Bomeisel in der Rheinpfalz, und wegen den demselben allenfalls zu Last liegenden {4r} wucherischen Handlungen bei den königlichen Gerichts-Stellen die erforderliche Einleitung zu treffen.

Nach gleichen Ansichten stimmten die königlichen geheimen Räthe Grafen von Preising, von Arco der ältere [d.i. Ignaz], von Tassis, von Krenner der jüngere [d.i. Franz], von Effner und von Feuerbach.

Geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco erklärten sich zwar auch dafür, daß Bomeisel nicht auszuliefern wäre, allein aus dem Grunde, weil Sie glaubten, daß Bomeisel nie aufgehört habe, baierischer Unterthan zu sein, denn die Abtretung eines Landes stemple deßen Bewohner noch nicht zu Unterthanen des neuen Souverains, nur der bei allen Regierungen, wo nichts besonderes in Verträgen bestimmt, angenommene fortgesezte 10jährige Aufenthalt in dem Lande gebe ihm diese Eigenschaft, und bis zu diesem Zeitpunkte bleibe er nur temporärer Unterthan, der während dieser Zeit in seinen vorigen Unterthans Verband zurüktreten könne.

Gegen den Antrag des Referenten und gegen die Verweigerung der Auslieferung stimmten die geheimen Räthe von Zentner und von Schenk.

{4v} Ersterer äußerten, Sie glaubten nicht, daß Bomeisel als baierischer Unterthan angesehen werden könne, auf seinen Geburts-Ort komme es nicht mehr an, denn er habe das forum originis724 und die davon sich herleitende Rechte verzogen und neue Unterthans Rechte nach seiner Zurükkunft noch nicht erworben, die erhaltene bedingte Personal-Konzeßion stemple ihn nicht zum Unterthanen und seine Ansäßigmachung seie nicht vollzogen, da er der Bedingung eine Fabrik zu errichten, kein Genüge geleistet, das Gut nicht auf ihn umgeschrieben, sondern die vielmehr deßwegen geschehene Gerichts-Handlungen als null und nichtig erklärt worden, auch beweise der Ankauf eines Gutes noch nichts, denn jeder Fremde könne ein Gut in Baiern kaufen, ohne dadurch seinem fremden Unterthans Verbande zu entsagen. Zweifelhaft bleibe es auch, ob der Bomeisel isolirt, und wenn er nicht den Gutsbesizer Frey zur Seite gehabt, die Conceßion erhalten haben würde, denn es widerspreche den bestehenden Regierungs Grundsäzen, neue Juden-Familien im Reiche aufzunehmen.

Aus diesen Gründen, und nach Lage der Sache könnten {5r} Sie den Bomeisel nicht als baierischen Unterthan ansehen, und da seine Auslieferung von einem befreundeten Staate, der in ähnlichen Fällen die Reziprozität beobachten werde, begehret worden, so würden Sie derselben statt geben.

Geheimer Rath von Schenk fanden die Frage, ob Bomeisel baierischer Unterthan seie, ebenfalls zweifelhaft, und beantworteten dieselbe verneinend, stimmten daher für Auslieferung des Bomeisel.

Da die Mehrheit mit neun Stimmen gegen zwei sich für die Nichtauslieferung des Wolf Bomeisel erklärte

so geruheten Seine Majestät der König allergnädigst auszusprechen, daß Wolf Bomeisel und seine Familie als baierische Unterthanen beurtheilet, und folglich an die badensche Regierung nicht ausgeliefert werden solle.

Gerichtsverfahren gegen den Rentbeamten Visino

Effner prüft, ob der Rentbeamte Joseph Visino wegen nicht korrekter Kassenführung vor Gericht zu stellen ist. Er bejaht die Frage. Der Geheime Rast genehmigt den Antrag einstimmig. Der König folgt dem Antrag.

2. Auf Befehl Seiner Majestät des Königs erstattete der königliche geheime Rath von Effner über die Frage: Soll der Rentbeamte Visino725 von Teisbach726 wegen Kaße Rükstand vor Gericht gestellt werden? schriftlichen Vortrag, der dem Protokoll beiliegt727, worin Sie die Geschichte dieses Kaße-Rükstandes {5v} und den Inhalt der administrativen Untersuchungs Akten vorlegten, das bei der Steuer- und Domainen Section wegen diesem Gegenstande abgegebene Gutachten, und die Beantwortung folgender drei Fragen anführten: 1) Was liegt dem untersuchten Beamten zur Last? 2) In wie weit hat er das, was ihme zu Last liegt, durch seine Verantwortung und aufgestellte Gegenforderungen eledirt und gehoben? 3) Wie ist hiernach gegen den Beamten zu verfahren.

Geheimer Rath von Effner bemerkten, Sie hätten das sehr gründlich bearbeitete Votum des Referenten der Steuer- und Domainen Section aus der Ursache umständlich hier angeführt, damit Sie sich hierauf in Ihrem Antrage beziehen könnten, um nicht unnöthige Wiederholungen machen zu müßen.

Die zwei zu entscheidende Fragen: Ob im vorliegenden Falle ein Kriminal Verbrechen zur Untersuchung vorliege? und ob zureichender Verdacht gegen den Beamten Visino aus den Akten erscheine? hätten sich durch Ihren Vortrag bis zur Überzeugung von selbst {6r} erwiesen.

Das crimen residui728 seie in seinem vollen Umfange durch Entziehung der Amts Gelder aus den Amts-Kaßen und Verwendung derselben zum Privatgebrauche begangen worden, und auf gleiche Art habe sich das Verbrechen der Fälschung durch Verfaßung und Einsendung einer unwahren, von dem Beamten unterzeichneten Fehlanzeige, in der Absicht, die Regierung zu hintergehen, gebildet. Die Einrede der Kompensazion hebe das crimen residui nur zum Theil, und es bleibe noch eine bedeutende Summe über Abzug der Gegenforderungen übrig. Die Entschuldigung der Anwesenheit und des Mangels an bösem Vorsaze bei dem crimen falsi729 hebe dieses Verbrechen und deßen Strafbarkeit nicht auf. In wie weit es die leztere mildere, seie der Entscheidung des Richters zu überlaßen. Sie nähmen daher keinen Anstand, dahin gehorsamst anzutragen: daß der Rentbeamte Visino wegen obengedachten Verbrechen vor Gericht gestellt werden solle.

Seine Majestät der König geruheten, über diesen Antrag abstimmen {6v} zu laßen, und der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg und alle geheimen Räthe erklärten sich einstimmig für die Meinung des Referenten.

Seine Majestät der König geruheten hierauf zu entscheiden, daß der Rentbeamte Visino zu Teisbach wegen den ihme zu Last liegenden Verbrechen vor Gericht gestellt werden solle.

Indigenat – Staatsbürgerrecht – Staatsbürgereid

Zentner beginnt einen über zwei Sitzungstage laufenden Vortrag. Die ersten vier Gegenstände sollen in einem Edikt zusammen geregelt werden. Der Entwurf wird verlesen und diskutiert.

3. Nach Aufforderung Seiner Majestät des Königs erstattete der königliche geheime Rath von Zentner über folgende in Verbindung stehende Gegenstände I. das Indigenat, II. das Staats-Bürgerrecht, III. die Leistung des Staats-Bürger-Eides, IV. die Rechte der Forensen und Fremden in Baiern, V. die allgemeine Erblands-Huldigung, VI. die Auflösung der Landschaft in Salzburg schriftlichen Vortrag, der so wie die hierauf Bezug habende verschiedene Edikte dem Protokoll beiliegt730, und bemerkten, daß Sie die vier erste Gegenstände in ein Edikt zusammen gefaßt, und wenn Seine Majestät der König es allergnädigst erlaubten, Sie jeder Abtheilung des {7r} Vortrages die sich hierauf beziehenden [Abteilungen] des Edictes beifügen würden.

Nachdem diese Bewilligung von Seiner Majestät dem Könige erfolgt war, lasen geheimer Rath von Zentner aus dem Vortrage denjenigen Theil ab, der auf das Indigenat sich beziehet731, und legten sodann den ersten Titel des entworfenen organischen Edictes vor, der ebenfalls von dem Indigenat handelt732.

Die Artikel I733, II734 und III735 des Edictes würden wohl keiner Erinnerung unterliegen, da die von den geheimen Räthen Grafen von Törring und Grafen Carl [Maria] von Arco in der Sekzions Sizung vorgeschlagene Faßung des Artikel I von der Mehrheit nicht angenommen worden.

Dem Artikel IV736 fügten geheimer Rath von Zentner die Bemerkung bei, daß hier ein Unterschied zwischen der Naturalisazion durch ein Gesez und durch ein königliches Dekret aufgenommen worden, der das Ministerium in seinen Anträgen zu einem königlichen Dekrete, wodurch jemand die Naturalisazion erhalte, gewißermaßen auf bestimmte Fälle beschränke, welches aber bei der Naturalisazion durch ein Gesez nicht der Fall seie, indem dieses ohne alle Beschränkung gegeben werden könne.

{7v} Dieser Unterschied seie in den Sectionen angenommen worden, weil er auf richtigen Voraussezungen beruhe, und nur von dem Grafen von Törring der Wunsch geäußert worden, daß auch der königliche geheime Rath vernommen werden mögte, wenn jemand durch ein Dekret das Indigenat erhalten sollte; welchem Wunsche auch die Mehrheit beigetreten.

Der weiteren Erinnerung des Grafen von Törring, daß der Antrag zu Ertheilung des Indigenats von dem Ministerium des Innern und nicht jenem der auswärtigen Verhältniße ausgehen müße, habe keine weitere Folge gegeben werden können, weil die Ministerial Instrukzion diesen Gegenstand dem auswärtigen Ministerium zutheile.

Geheimer Rath von Krenner erlaubten sich die Erinnerung, daß der Nachsaz in Litt. D dieses Artikel, und sein Domicil ein Jahr lang darin gehabt, nicht anlokend seie, um Fremde zum Ankauf von Güther in Baiern aufzumuntern, denn nach dieser Bestimmung wiße derjenige, der sich ankaufe, ein Jahr lang nicht, was er seie. Sie glaubten, daß um in die Güthererwerbung einigen Reiz zu legen, dieser Nachsaz {8r} auszulaßen wäre.

Nach einigen Widerlegungen der gegen diesen Saz angegebenen Gründen, indem nämlich diese Bestimmung staatswirthschaftlich von Nuzen sein könne, da sie Fremden den Vortheil zusichere, einen Zeitlang noch ihren fremden Unterthans Verband beizubehalten, und sich zuerst umzusehen und zu überlegen, ob es ihnen vortheilhaft, das baierische Indigenat zu erwerben, welches vielleicht mehrere Ausländer anziehen dürfte, verstanden sich geheimer Rath von Zentner zu Auslaßung dieses Nachsazes.

Auch geheimer Rath von Feuerbach machten die Bemerkung, daß im Anfange dieses Artikel der Ausdruk, gewöhnlichen Wohnsiz, zu Mißdeutungen Anlaß geben könnte, und es unnöth [!] scheine, das gewöhnlich beizufügen, weil in dem Entwurfe des neuen bürgerlichen Gesezbuches der Grundsaz ganz bestimmt ausgesprochen sei, was unter Wohnsiz verstanden werde.

Diese Erinnerung hatte den Antrag des geheimen Rath von Zentner zur Folge, in Artikel IV das Wort gewöhnlich bei Wohnsiz auszulaßen.

Nachdem Seine Majestät der König die Ansichten der {8v} königlichen geheimen Staats und Konferenz Minister Grafen von Montgelas und von Reigersberg, welch ersterer während diesem Vortrag in der geheimen Raths-Sizung erschienen war, und der anwesenden geheimen Räthe über diese 4 Artikel des Edictes und der dagegen gemachten Erinnerungen erholt hatten

geruheten Allerhöchstdieselben, diese Artikel I, II, III und IV des 1en Titels des Edictes mit folgenden Aenderungen anzunehmen: In Nro 2 des Artikel IV solle bei Wohnsiz das Wort gewöhnlichen und in Litt. D der Saz und sein Domicil ein Jahr lang darin gehabt ausgelaßen werden.

Geheimer Rath von Zentner trugen die folgenden Artikel V bis XI [!], welche den ersten Titel dieses Edictes bilden737, vor, und lasen nach dem Art VI einen besonders lytographirten Vortrag, der dem Protokoll beiliegt738, wegen den Auswanderungen nach dem Artikel XI des mit Würzburg abgeschloßenen Pariser Staats-Vertrages739 ab, worin dieselbe die Verhältniße auseinander sezten, {9r} welche rüksichtlich der von dem würzburgischen Abgeordneten aufgeworfenen Frage eintreten, ob unter den Unterthanen, denen eine dreijährige Auswanderungs Erlaubniß und Vermögens Deportation in dem Art II des erwähnten Vertrags bedungen worden, nur ganze Familien und nicht auch einzelne Individuen und militärpflichtige Unterthanen zu verstehen seien, und als Gutachten anführten, daß obschon diese Ausdehnung nicht in dem Wortlaute des Vertrages liege, diesem Artikel, den Würzburg nach dem Berichte des General Kommißariats des Mainkreises vom 24. Juli 1811 gegen Beobachtung der Reziprozität auch auf einzelne Individuen und Unterthans Söhne auszudehnen geneigt, und diese Ausdehnung für Baiern vortheilhaft seie, den vorgeschlagenen weiteren Sinn beizulegen, und derselbe in vorkommenden Fällen darnach um so mehr anzuwenden, als in Baiern der 21jährige Sohn nach der Konstituzion als volljährig740, folglich in so weit als selbstständig zu betrachten sei, daß er unabhängig von seiner Familie frei über sich disponiren könne.

Referent und die vereinigte geheimen Raths Sectionen {9v} hätten jedoch geglaubt, daß dieser Gegenstand nicht in das Gesez aufzunehmen, sondern lediglich als zur Exemtion des Vertrages gehörig zu betrachten seie, wornach es bei der allgemeinen Faßung des Art VI Titel I über das Indigenat zu belaßen wäre. Entstünden aus obiger Auslegung günstige Praejudizien, so werde dieser Artikel in seiner Anwendung darnach interpretirt. Erhalte dieses Gutachten die Genehmigung Seiner Majestät des Königs so könnte das von der Lehen und Hoheits Section entworfene Reskript bei dem auswärtigen Ministerium ausgefertiget werden, zu welchem Ende die Akten zu remittiren seien.

Seine Majestät der König geruheten sowohl über die Faßung der Artikel 5741, 6742, 7743, 8744, 9745 und 10746 des 1ten Titels des Edictes, als über den besondern Vortrag wegen der Execution des mit Würzburg geschloßenen Staats Vertrages, die Meinung der königlichen Herrn Minister und geheimen Räthen zu erholen, und da sich dieselbe durchgehends mit dem Referenten einverstanden erklärten, und nur in Art VI {10r} eine deutlichere Faßung vorgeschlagen wurde

so nahmen Seine Majestät der König die vorgelegte Faßung der Artikel 5, 6, 7, 8, 9 und 10 des ersten Titels des Edictes mit der Aenderung an, daß im Artikel 6 statt der Stelle oder solche Individuen, welche an andere Souverains übergegangenen Landes­theilen zugehören gesezt werde „oder solche Individuen, welche Landes-Theilen, die an andere Souverains übergegangen sind, zugehören“.

Auch genehmigten Seine Majestät der König das vorgetragene Gutachten in Beziehung auf die Execution des mit Würzburg abgeschloßenen Staats Vertrages, und wollen, daß das von der Lehen und Hoheits Section entworfene Reskript bei dem auswärtigen Ministerium ausgefertigt, und zu diesem Ende die einschlägige Akten dahin zurükgegeben werden.

Geheimer Rath von Zentner lasen nun den Theil des Vortrages, der von dem Staatsbürgerrechte handelt747, und die hierauf Bezug habende Artikel 11748, 12749, 13750 und 14751 des zweiten Titels des Edictes ab.

Gegen den Litt a des Artikel 14 {10v} erhoben geheimer Rath von Krenner der jüngere [d.i. Franz] das Bedenken, daß diese Bestimmung mit jenen des Edictes wegen dem Gemeinde-Wesen in offenbarem Widerspruche stehe, indem da ausgedrükt werde, daß jeder angeseßene Innwohner Mitglied des Gemeinde sei752, und hier erfordert werde, daß er zu Aufnahme als Gemeinde Mitglied das 21te Jahr zurükgelegt und den vorgeschriebenen Eid geleistet habe.

Geheimer Rath von Krenner der jüngere gaben zu erwägen, welche Nachtheile dadurch einem inländischen Gutsbesizer oder auch einem im Lande sich ankaufenden Fremden, der das 21te Jahr noch nicht zurükgelegt, rüksichtlich seiner auf dem Gute haftenden Real-Rechten zugehen würden.

Diese Bemerkung wurde anfangs als nicht gegründet widersprochen, indem hier nicht von Real Rechten, die auf dem Gute haften, sondern von den persönlichen Rechten des Besizers, die er vor dem zurükgelegten 21ten Jahre und vor dem geschwornen konstituzionellen Eide753 nicht ausüben könne, die Rede seie, als aber dieselbe nachher von mehreren Mitgliedern aufgefaßt, durch Beispiele erläutert und ihre Richtigkeit in so weit hergestellt wurde, daß die Bestimmungen der Litt a und d eine deutlichere Faßung erhalten müßten, {11r} so machten geheimer Rath von Zentner den Vorschlag, den Litt a auszulaßen, und Litt. d als Litt. a mit folgender Faßung heraufzusezen: nach nämlich a) zur Ausübung der öffentlichen Rechte in einer Gemeinde, z. B. zu Berathschlagungen über Gemeinde-Angelegenheiten, zu Verwaltungs Stellen in den Gemeinden.

Auch den Litt. e des Artikel 14 wurde entgegen gesezt, daß nach deßen Inhalt künftig kein junger Mann vor dem 21ten Jahr Offizier in der Armee werden könnte, welches vielleicht für den Dienst der Armee selbst bedenklich, und für das Avançement der Offiziere sehr nachtheilig werden könnte, indeme ein solches mit 21 Jahren als Lieutenant eintretendes Individuum erst bei späten Jahren es bis zum Hauptmann bringen würde.

Zu Begegnung dieses Einwurfes machten geheimer Rath von Zentner den Vorschlag, in Litt. e nichts zu sezen, als zu Staats-Aemtern, und die Unterscheidung der bürgerlichen und Militär-Aemter auszulaßen, wodurch dieser Anstand am leichtesten beseitiget werde.

Seine Majestät der König ließen über die den zweiten Titel des Edictes bildende vier Artikel und die dabei {11v} gemachte Erinnerungen abstimmen, und da die königliche Herrn Minister und die anwesenden geheimen Räthe sich mit der vom geheimen Rathe von Zentner vorgeschlagenen abgeänderten Faßung vereinigten

so genehmigten Seine Majestät der König die Faßung der Artikel 11, 12, 13 und 14 des zweiten Titels des Edictes mit folgenden vorgeschlagenen Aenderungen: Litt A des Artikel 14 solle ausgelaßen, und Litt. D als Litt. a mit der Faßung heraufgesezt werden: nach nämlich a) zur Ausübung der öffentlichen Rechte in einer Gemeinde, z. B., zu Berathschlagung über Gemeinde Angelegenheiten, zu Verwaltungs Stellen in den Gemeinden.

Der Litt. e aber solle mit Weglaßung der Worte bürgerlich und Militärs nur aussprechen e. zu Staats-Aemtern.

Die dritte Abtheilung des Vortrages, von Leistung des Staats-Bürger-Eides754, und die damit in Verbindung stehende Artikel 15 bis 25755, dritten Titels des Edictes756 wurden vom geheimen Rathe von Zentner abgelesen, und in Folge der von Seiner Majestät dem Könige verfügten Umfrage von sämmtlichen Mitgliedern {12r} des königlichen geheimen Rathes als zwekmäsig und den Absichten entsprechend beurtheilet, nur rüksichtlich der Artikel 21757 und 22758 Folgendes erinnert: daß im Artikel 21 nach der in Artikel 14 getroffenen Aenderung die Worte oder zu irgend einer Ansäßigmachung ausgelaßen werden müßten.

Einige Mitglieder waren der Meinung, der ganze Artikel 21 könnte als überflüßig ganz wegbleiben, allein die meisten äußerten sich für deßen Beibehaltung mit Hinweglaßung der angegebenen Worte, weil er zu Ründung des ganzen Titels zwekmäsig, und die Wiederholung dieser Bestimmungen ganz wohl geschehen könne.

Gegen den Artikel 22 wurde von Seiner Majestät dem Könige bemerkt, daß es bei dem Militär Fälle gebe, wo die Beurlaubung des Gemeinen wegen Exceßen, so derselbe in seinem Geburts Orte begangen, nicht mehr statt finde. Wie würde es in diesem Falle mit der Eidesleistung gehalten?

Dieser allerhöchsten Erinnerung die schuldigste Auflösung zu geben, und um allen übrigen gegen die für die Armee aufgestellte Form der Ablegung des Unterthans Eides erhobenen {12v} Anständen zu begegnen, wurde vom geheimen Rathe von Zentner vorgeschlagen, und von den übrigen Mitgliedern des geheimen Rathes angenommen, daß die Leistung des Unterthans Eides der Ingebornen und das Indigenat erwerbenden Gemeinen immer bei dem Regimente geschehen, und die Bestimmungen des Artikel 22 hiernach abgeändert werden sollten.

Der Bemerkung des geheimen Staats- und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Montgelas, ob dieser Unterthans-Eid nicht mit jenem verbunden werden könnte, den der Gemeine bei seiner Aßentirung zu der Fahne schwöre, wurde entgegen gesezt, daß in der Regel die junge Mannschaft vor dem 21ten Jahre aßentirt werde, und folglich ein solcher, wenn er den Unterthans Eid schon abgelegt, und zur Übernahme eines väterlichen Gutes berufen werde, der Konstituzion zuwider759 vor dem 21ten Jahre die öffentlichen Rechte eines Gemeinde Gliedes genießen würde.

Seine Majestät der König genehmigten die vorgetragene Faßung der Artikel 15760, 16761, 17762, 18763, 19764, 20765, 23766 und 25767 [!] des dritten Titels des Edictes.

In dem Artikel 21 deßelben Titels sollen die Worte oder zu irgend einer Ansäßigmachung ausgelaßen {13r} und der Artikel 22 nach dem gemachten Vorschlage wie folgt gefaßt werden: „Artikel 22. Auch die in Unserer Armee dienende Eingeborne, so wie auch jene, welche das Indigenat erlangt haben, müßen nach zurükgelegtem 21ten Jahre bei dem Kommandanten ihres Regiments oder Bataillons unter Beiziehung des Auditors diesen Eid leisten; die darüber abgehaltene Protokolle werden sodann den betreffenden Civil-Obrigkeiten zur Eintragung in die Staats-Bürger-Register mitgetheilt.“

Als geheimer Rath von Zentner den in der geheimen Raths Sizung vom 22ten Juni 1809768 schon erstatteten Vortrag769 über die rechtlichen Verhältniße der baierischen Unterthanen und Gutsbesizer, welche zugleich in einer persönlichen oder dinglichen Verbindung mit fremden Staaten stehen, oder in solche treten wollen, wiederholt abgelesen hatten, um Seine Majestät den König und den versammelten geheimen Rath von dem geschichtlichen Hergang, von den eingetretenen Verhältnißen {13v} und den aufgestellten Grundsäzen in Kenntniß zu sezen:

so befahlen Seine Majestät der König, daß die heutige Sizung damit geschloßen, und in der künftigen mit der 4ten Abtheilung des Vortrages wegen den Rechten der Forensen und Fremden in Baiern fortgefahren werden solle770.

Bestätigung der „Beschlüße“ durch den König (ohne Datum).

Anmerkungen

721

Zur Biographie des Schutzjuden und Kaufmanns Wolf Löw Bomeisel einzelne Mitteilungen bei Mehnert, Juden, S. 148-150.

722

Mosbach, Landkreis Neckar-Odenwald-Kreis, Regierungsbezirk Karlsruhe, Baden-Württemberg.

723

VO betr. die „Vollstreckung fremdrichterlicher Erkenntnisse“ vom 2. Juni 1811, RegBl. 1811, Sp. 745-748.

724

Forum originis meint den Gerichtsstand, der sich nach dem Geburtsort bestimmt. Steinsdorff, Wörterbuch, S. 142 s.v. Forum domicilii, originis.

725

Joseph Visino, Gerichtsschreiber in Teisbach, 1803 Rentbeamter. Protokolle Bd. 2, Nr. 96 (Staatsrat vom 23. März 1803), TOP 3, S. 453-462, hier S. 457, 460.

726

Teisbach, Stadt Dingolfing, Landkreis Dingolfing-Landau, Niederbayern.

727

[Johann Nepomuk] von Effner, „Vortrag in dem geheimen Rathe über die Frage: Soll der Rentbeamte Visino von Teisbach, wegen Kasse-Rückstand vor Gericht gestellet werden?“, lithographierter Text, 12 S., BayHStA Staatsrat 236.

728

Das crimen de residuis bezeichnet nach Paul Johann Anselm Feuerbachs Definition „die Verwendung des anvertrauten öffentlichen Eigenthums zu Privatzwecken“; es gehört damit „zu den besondern Verbrechen der Staatsbeamten“ (Lehrbuch, S. 304, § 382).

729

Crimen falsi: Fälschung. Steinsdorff, Wörterbuch, S. 89 s.v.

730

Zentner, „Vortrag zum königlichen geheimen Rathe über folgende in Verbindung stehende Gegenstände I. Das Indigenat II. Das Staatsbürgerrecht III. Die Leistung des Staatsbürgereides IV. Die Rechte der Forensen und der Fremden in Baiern V. Die allgemeine Erblandes-Huldigung VI. Die Auflösung der Landschaft von Salzburg“, lithographierter Text, 28 S., BayHStA Staatsrat 236; weitere Exemplare: Staatsrat 252; Staatsrat 2489.

731

Ebd., S. 1-10.

732

Zentner, „Organisches Edict über das Indigenat, das Staatsbürgerrecht, die Rechte der Forensen, und der Fremden in Baiern“, lithographierter Text, 18 S., BayHStA Staatsrat 2489 (weiteres Exemplar: Staatsrat 252), hier S. 1-6: „I. Titel. Von dem Indigenat.“

733

Ebd., S. 1: „Artikel I. Zum vollen Genusse der bürgerlichen Privat- und öffentlichen Rechte in Baiern wird das Indigenat erfodert.“

734

Ebd.: „Artikel II. Das Indigenat wird entweder durch die Geburt, oder durch die Naturalisirung erworben. Diejenigen, welche weder auf die eine noch die andere Weise dasselbe in Baiern erlangt haben, sind Fremde.“

735

Ebd., S. 1f.: „Artikel III. Vermög der Geburt steht das baierische Indigenat zu: 1.) Jedem der in Baiern geboren, und dessen Vater ein Eingeborner, oder dessen Mutter eine Eingeborne ist, 2.) den im Auslande gebornen Kindern, deren Vater oder Mutter zur Zeit ihrer Geburt das baierische Indigenat hatte. 3.) Den Kindern, welche von Eltern abstammen, die des baierischen Indigenats verlustig geworden sind, wenn dieselben zu einer Zeit geboren wurden, wo ihre Eltern das Indigenat noch hatten, und entweder ihren gewöhnlichen Wohnsiz in Baiern beibehalten haben, oder wenn sie im Auslande sich befinden, nach erlangter Volljährigkeit innerhalb eines Jahres erklären, in Baiern ihren Wohnsiz errichten zu wollen, und auch in Jahres Frist von dieser Erklärung an gerechnet, sich wirklich in Baiern niederlassen. 4.) Den [!] von einem eingebornen Vater zwar abstammenden aber im Auslande gebornen unehelichen Kinde, wenn dasselbe in gesezlicher Form anerkannt worden ist.“

736

Ebd., S. 2f.: „Artikel IV. Durch Naturalisazion wird das Indigenat erlangt: 1.) Wenn eine Ausländerin einen Baier heurathet. 2.) Wenn ein Fremder seinen gewöhnlichen Wohnsiz in Baiern wirklich genommen, und während 10 Jahren ununterbrochen fortgesezt hat; jedoch muß derselbe während dieser Zeit sich wegen eines Verbrechens keine Strafe zugezogen, und die Entlassung aus dem fremden Unterthans Verbande erhalten haben. 3.) Durch ein der Konstituzion gemäß verfaßtes und publizirtes Gesez. 4.) Durch ein auf Antrag Unseres Ministeriums der auswärtigen Verhältnisse mit Vernehmung des Geheimen Raths von Uns eigenhändig unterzeichnetes Dekret. Der Fremde, für welchen ein solcher Antrag an Uns gemacht werden darf, muß entweder a.) dem Staate wichtige Dienste leisten, oder bereits geleistet haben, oder b.) ausgezeichnete Talente, Erfindungen, eine nüzliche Industrie in irgend einem Nahrungszweige in denselben bringen, oder c) bedeutende Etablissements darin errichten, oder d) durch den Ankauf eines beträchtlichen Guts sich ansässig gemacht und sein Domizil ein Jahr lang darin gehabt haben.“

737

Das bedeutet: Artikel V bis einschließlich X.

738

Zentner, „Vortrag zum königlichen geheimen Rathe. Die Auswanderungen nach dem Artikel XI des mit Würzburg abgeschlossenen Pariser Staats-Vertrages betreffend. […] Ad Artikel VI Tit. I des Edikts über das Indigenat“, lithographierter Text, 6 S., BayHStA Staatsrat 236.

739

Der Pariser Vertrag zwischen dem Königreich Bayern und dem Großherzogtum Würzburg vom 26. Mai 1810 bestimmte in Art. 11: „Allen wechselseitig durch den gegenwärtigen Staatsvertrag dem einen oder dem andern der beiden hohen Theile überlassenen Unterthanen wird eine Zeitfrist von drei Jahren gestattet, innerhalb welcher sie gegenseitig auswandern, ihre Güter und sonstiges Vermögen veräußern und den Erlös davon ganz abgabenfrei exportiren dürfen.“ Druck des Pariser Vertrages bei Chroust, Großherzogtum, Nr. 5, S. 39-44, hier S. 43. Regest: Hofmann, Franken, S. 65 Nr. 35. Zur Genese des Vertrags und der Ausführungsbestimmungen: Chroust, Geschichte, S. 227-240. Der in Paris abgeschlossene Grenz- und Purifikationsvertrag wurde nicht veröffentlicht, doch wurde der neue Grenzverlauf alsbald bekannt gemacht. Druck des bayerischen „Besitzergreifungs-Patent[s] zur Vollziehung des mit dem Großherzogthum Würzburg abgeschlossenen Grenz-Vertrags“ vom 11. September 1810: RegBl. 1810, Sp. 862f. Vgl. Winkopp (Hg.), Der Rheinische Bund 17, S. 45-54 Nr. 5 (Druck der einschlägigen bayerischen und würzburgischen Patente).

740

Die Volljährigkeit wurde aus Tit. I § 8 der Konstitution für das Königreich Bayern vom 1. Mai 1808 abgeleitet, wonach „[e]in jeder Staatsbürger, der das ein- und zwanzigste Jahr zurückgelegt hat, […] schuldig [ist], vor der Verwaltung seines Kreises einen Eid abzulegen, daß er der Konstitution und den Gesezen gehorchen – dem Könige treu seyn wolle“ (RegBl. 1808, Sp. 989 = DVR Nr. 286, S. 657).

741

Zentner, „Organisches Edict […]“, BayHStA Staatsrat 2489, S. 3: „Artikel V. Durch den blosen Besiz oder eine zeitliche Benuzung liegender Gründe, durch Anlegung eines Handels, einer Fabrik, oder die Theilnahme an einem von beiden, ohne Naturalisazion durch ein königliches Dekret, oder ein Gesez, oder die Erfüllung der Bedingungen des Artikel IV werden die Indigenats Rechte nicht erworben.“

742

Ebd., S. 3f.: „Art VI. Auch Fremde, welche in Baiern sich aufhalten, um ihre wissenschaftliche Kunst oder industrielle Bildung zu erlangen, oder sich in Geschäften zu üben, oder solche Individuen, welche an andere Souverains übergegangener Landestheile zugehören, können auf die Rechte eines Einheimischen keine Ansprüche machen, wenn sie nicht das Indigenat nach den Bedingungen des Artikel IV erlangt, oder der allenfalls in dem Abtretungs Vertrage festgesezten Zeitfrist zum auswandern sich bedient haben, und in das Königreich in der Absicht zurükgekehrt sind, sich allda niederzulassen, wo sie sodann nach erfolgter wirklicher Niederlassung in die Rechte der Einheimischen wieder eintreten.“

743

Ebd., S. 4f.: „Artikel VII. Das auf die eine oder die andere Art erworbene Indigenat geht verloren, 1.) durch die im Auslande erworbene Naturalisazion, 2.) durch Annahme fremder Zivil- oder Militair-Dienste, 3.) durch Annahme eines Gehalts, einer Pension, oder eines öffentlichen Ehrenzeichens von einer fremden Regierung, ohne Unsere ausdrükliche Erlaubniß, 4.) durch Auswanderung ohne Unsere Genehmigung, 5.) durch jede Niederlassung im Auslande, woraus die Absicht nicht zurükzukehren, erhellet. 6.) Durch Reisen mit einem Aufenthalte im Auslande, von mehr als einem Jahre, ohne Unsere ausdrückliche Erlaubniß; 7.) durch Anerkennung einer fremden Gerichtsbarkeit, ausser den durch Gesez, Herkommen oder Verträge bestimmten Fälle; 8.) durch Heurath einer Baierin an einen Ausländer; 9.) durch den bürgerlichen Tod.“

744

Ebd., S. 5: „Artikel VIII. Wer das Indigenat verloren hat, wird in Ansehung des Genusses der bürgerlichen Privatrechte als Fremder beurtheilt.“

745

Ebd., S. 5f.: „Artikel IX. Das verlorne Indigenat wird auf folgende Art wieder erlangt: 1.) wenn eine Baierin, welche durch Heurath das Indigenat verloren hat, als Wittwe nach Baiern zurükkehrt, und ihren ständigen Wohnsiz allda nimmt, 2.) wer durch Annahme auswärtiger Ämter, Würden, Gehälter oder Dekorazionen des Indigenats verlustig geworden ist, sich jedoch aus Baiern nicht zugleich entfernt hat, erlangt die verlornen Rechte wieder, sobald er nachher die königliche Genehmigung oder Begnadigung nachgesucht und erhalten hat. 3.) Wer zugleich ausser Baiern sich aufgehalten, erlangt nur dann seinen vorigen Zustand wieder, wenn er über dieses mit königlicher Erlaubniß nach Baiern zurückgekehrt ist, und seinen ordentlichen Wohnsiz allda errichtet hat.“

746

Ebd., S. 10: „Artikel X. Das wieder erlangte Indigenat wirkt nur von dem Zeitpunkte an, wo alle zu dessen Wiedererlangung vorgeschriebenen Bedingungen vollkommen erfüllt sind, und kann nur in Ansehung der nach diesem Zeitpunkte angefallenen Rechte geltend gemacht werden.“

747

Zentner, „Vortrag zum königlichen geheimen Rathe […]“, BayHStA Staatsrat 236, S. 10f.

748

Zentner, „Organisches Edict […]“, BayHStA Staatsrat 2489, S. 6: „II. Titel. Von den Staatsbürgerrechten. Artikel XI. Das baierische Staatsbürgerrecht wird durch das Indigenat dergestalt bedingt, daß jenes ohne dieses nicht ausgeübt werden kann, und mit dem Verluste des lezten zugleich verloren geht.“

749

Ebd.: „Artikel XII. Nebst diesem wird aber auch noch die konstituzionelle Volljährigkeit, nemlich das zurükgelegte 21te Jahr erfodert.“

750

Ebd.: „Artikel XIII. Ferner muß der in dem I. Titel § VIII der Konstituzion [RegBl. 1808, Sp. 989] vorgeschriebene Eid geleistet sein.“

751

Ebd., S. 6f.: „Artikel XIV. Nur derjenige Baier, welcher diesen sämmtlichen gesezlichen Bedingungen Genüge geleistet hat, kann auf die Rechte eines baierischen Staatsbürgers Ansprüche machen, nämlich a) zur Aufnahme in bürgerliche Gemeinden, b) zur Theilnahme an den allgemeinen Kreisversammlungen, Kreis Deputazionen und der Nazional Repräsentazion, c) zur Fähigkeit für die Kreisdeputazionen und die Nazional-Repräsentazion ernannt zu werden, d) zu Verwaltungsstellen in den Gemeinden, e) zu bürgerlichen und Militair Staatsämtern, f) zu Kron- und Hofämtern, g) zu geistlichen Pfründen.“

752

Vgl. Edikt über das „Gemeinde-Wesen“ vom 24. September 1808, §§ 3-4, RegBl. 1808, Sp. 2406 = DVR Nr. 311, S. 889.

753

Konstitution für das Königreich Bayern vom 1. Mai 1808, Tit. I § 8, RegBl. 1808, Sp. 989 = DVR Nr. 286, S. 657.

754

Zentner, „Vortrag zum königlichen geheimen Rathe […]“, BayHStA Staatsrat 236, S. 11-13.

755

Das bedeutet: Artikel XV bis einschließlich XXIV.

756

Zentner, „Organisches Edict […]“, BayHStA Staatsrat 2489, S. 7-11: „III. Titel. Von der Leistung des Staatsbürgereides.“

757

Ebd., S. 9: „Artikel XXI. Niemand wird zu dem Diensteide, zu einer Gemeinde, Kreis- oder Nazional Versammlung oder zu irgend einer Ansässigmachung zugelassen, der sich nicht ausgewiesen hat, daß er den allgemeinen Staatsbürger-Eid abgelegt hat.“

758

Ebd., S. 9f.: „Artikel XXII. Auch die in Unserer Armee dienenden Landessöhne müssen nach zurükgelegtem 21n Jahre bei der geeigneten Zivil-Obrigkeit diesen Eid leisten, und sich darüber bei dem Chef ihres Regiments oder Bataillons ausweisen. Die geeignete Obrigkeit ist entweder das Landgericht oder Herrschaftsgericht oder das Polizeikommissariat, wo sie in die Konskripzionsliste eingetragen sind. Von den in der Armee dienenden nicht Eingebornen, welche jedoch das Indigenat erlangt, und das konstituzionelle Alter erreicht haben, wenn sie nicht durch Güterbesiz in einer Gemeinde sich ansässig gemacht haben, wird dieser Eid bei der einschlägigen Zivilobrigkeit des Orts, wo ihr Regiment oder Bataillon seine gewöhnliche Garnisons Stazion hat, geleistet. Im Frieden muß diese Eidesleistung während der auf das 21e Jahr folgenden ersten Urlaubszeit geschehen, worüber die Regiments- und Bataillons-Chefs und die einschlägigen Zivil-Obrigkeiten zu wachen haben. Bei einem Eintrit [!] in den Krieg aber und während desselben, wo keine Beurlaubung mehr statt findet, wird dieser Eid vor dem Regiments- oder Bataillons-Chef in Gegenwart des Auditors geleistet, und das darüber abgehaltene Protokoll der einschlägigen Zivil-Obrigkeit zum Eintragen in das Staatsbürgerregister zugesendet.“

759

Vgl. Konstitution für das Königreich Bayern vom 1. Mai 1808, Tit. I § 8, RegBl. 1808, Sp. 989 = DVR Nr. 286, S. 657.

760

Zentner, „Organisches Edict […]“, BayHStA Staatsrat 2489, S. 7f.: „Artikel XV. Jeder eingeborne Baier, und jeder, der das baierische Indigenat nach den Bestimmungen Tit. I Artikel III und IV erlangt, und das 21ste Jahr zurückgelegt hat, muß, um der Staatsbürgerrechte fähig zu werden, an dem Orte seines gewöhnlichen Wohnsizes in das Staatsbürger Register sich eintragen lassen, und den in der Konstituzion Tit. I § VIII [RegBl. 1808, Sp. 989] vorgeschriebenen Eid in der allda bestimmten Formel: Der Konstituzion und den Gesezen zu gehorchen, dem Könige treu zu sein, persönlich leisten.“

761

Ebd., S. 8: „Artikel XVI. Diese Eidesleistung ist eine wesentliche Bedingung des Staatsbürgerrechtes, und muß deshalb von jedem Baier, der das Artikel XV bemerkte Alter erreicht hat, ohne Unterschied des Standes und Ranges geschehen.“

762

Ebd.: „Artikel XVII. Selbst die Prinzen Unseres Hauses sind davon nicht ausgenommen, jedoch leisten sie diesen Eid nach zurükgelegtem 18ten Jahre, wo ihre konstituzionelle Volljährigkeit eintrit [!], und unmittelbar in Unsere Hände. Über diesen Akt soll jedesmal von Unserem Minister der auswärtigen Verhältnisse ein besonderes Protokoll geführt werden, welches in dem Reichsarchiv hinterlegt wird.“

763

Ebd.: „Artikel XVIII. Auch die Majorats Besizer legen diesen Eid unmittelbar in Unsere Hände ab, und erlangen darüber einen von Unserem Ministerium der auswärtigen Verhältnisse ausgefertigten Akt, welcher an dem Orte ihres Majorats-Sizes in das allgemeine Staatsbürgerregister eingetragen werden muß.“

764

Ebd.: „Artikel XIX. Die Eidesleistungen der übrigen nicht eximirten Einwohner geschehen in den Landgerichten vor dem Landrichter, in den Städten und gröseren Märkten vor der Polizei Direkzion oder dem Kommissariate, und in den Herrschaftsgerichten vor dem Herrschaftsrichter.“

765

Ebd., S. 8f.: „Artikel XX. Bei diesen Behörden müssen besondere Staatsbürgerregister angelegt werden, in welche jede Eidesleitung mit Bemerkung des Tags, Monats und Jahrs und des Bewohners, welcher den Eid geleistet hat, und in wessen Gegenwart er geleistet worden ist, eingetragen wird. Das Register muß von dem, welcher den Eid abgelegt hat, unterschrieben werden, und wenn er des Schreibens unkündig ist, so muß statt desselben ein Zeugen [!] unterschreiben.“

766

Ebd., S. 10: „Artikel XXIII. Diese Eidesleistung soll mit Würde vorgenommen werden, es soll derselben allzeit eine belehrende Erinnerung an die mit dem Staatsbürgerrechte verbundene Pflichten, so wie an die auf die Verbrechen gegen den Staat gesezte Strafen vorgehen, und dabei eine feste Anhänglichkeit an Regent und Vaterland eingeprägt werden.“

767

Muß heißen: Artikel 24. – Ebd., S. 11: „Artikel XXIV. Diese Anordnungen, sowohl in Beziehung auf die Anlage der Huldigungs-Register, als auf die einzelnen Leistungen des Staatsbürgereids sollen für die Zukunft von dem Zeitpunkte an, wo die allgemeine Erblandes-Huldigung vorgenommen sein wird, in Wirkung gesezt werden, und die übrigen organischen Verordnungen Tit. I und II über das Indigenat und die Staatsbürgerrechte haben sogleich nach ihrer Bekanntmachung durch das Regierungsblatt verbindliche Kraft.“

768

Protokolle Bd. 3, Nr. 37 (Geheimer Rat vom 22. Juni 1809), S. 418-421, TOP 1.

769

Zentners Vortrag im Geheimen Rat am 22. Juni 1809 lag ein umfangreicher Text zugrunde: „Vortrag über das rechtliche Verhältniß der baierischen Unterthanen und Gutsbesizer, welche zugleich in einer persönlichen oder dinglichen Verbindung mit fremden Staaten stehen, oder in solche treten wollen“, lithographierter Text, 44 S., BayHStA Staatsrat 236.

770

Zum Fortgang: Nr. 34 (Geheimer Rat vom 12. September 1811), TOP 1.