BayHStA Staatsrat 242
13 Blätter. Unterschriften des Königs, des Kronprinzen und der Minister. Protokoll: Kobell.
Anwesend:
Kronprinz Ludwig.
Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Reigersberg.
Geheime Räte: Graf v. Preysing-Hohenaschau; Ignaz Graf v. Arco; Graf v. Toerring-Gutenzell; Freiherr v. Weichs; v. Zentner; Johann Nepomuk v. Krenner; Graf v. Thurn und Taxis; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; v. Effner; v. Schenk; v. Feuerbach; Graf v. Welsberg.
Veräußerung von Stiftungs- und Kommunalvermögen zur Schuldentilgung
Johann Nepomuk von Krenner beantragt, daß Vermögenswerte von Kommunen nicht zum Zweck der Schuldentilgung veräußert werden dürfen. Ein Schuldentilgungsplan soll die Gläubiger beruhigen. Montgelas beschäftigt sich eingehend mit dem Antrag, den er ablehnt. In der Umfrage wird das Staatsziel, die Gemeinden zu erhalten, betont. Die Mehrheit der Geheimen Räte folgt Montgelas, und so wird beantragt, daß gegen verschuldete Gemeinden das übliche Vollstreckungsverfahren nicht durchgeführt wird. Statt dessen ist die Kommunalkuratel von der Forderung in Kenntnis zu setzen; diese wird die Regulierung der Schulden veranlassen bzw. einen Schuldentilgungsplan entwerfen.
{1r} 1. Da Seine Majestät der {1v} König der auf heute angeordneten geheimen Raths-Versammlung nicht beiwohnten, so wurde von Seiner Königlichen Hoheit dem Kronprinzen, Höchstwelche den Vorsiz führten, geheimer Rath von Krenner der ältere [d.i. Johann Nepomuk] aufgerufen, den bearbeiteten lytographirten Vortrag wegen Veräußerung der Stiftungs- und Kommunal-Realitäten zum Behufe der Schuldentilgung, der dem Protokoll beiliegt, zu erstatten905.
Geheimer Rath von Krenner der ältere genügten, dieser höchsten Aufforderung durch Ablesung dieses Vortrages, worin Dieselben den Veranlaß, der diese zur Entscheidung vorliegende Frage motiviret, anführten, die Ansichten des Justiz Ministeriums, der Departemental-Sizung des Ministeriums des Innern, und des Ministeriums des Innern selbsten vorlegten, und mit dem allerunterthänigsten Antrag Ihren Vortrag endigten, daß Sie dafür stimmen müßten, daß die Realitäten der Kommunen ja auch ihre Aktiv-Kapitalien (von den milden Stiftungs Güther seie {2r} in dem jüngsten Sekzions Antrage selbst nicht mehr die Rede gewesen) im Allgemeinen für gerichtlich unveräußerlich erkläret werden sollen, wobei aber zugleich unter Autorität der Regierung (wie bereits versprochen worden) ein genereller Schuldentilgungs Plan für dieselben hergestellt, und die Kreditorschaft (die hiebei weder an Intereße noch Kapital etwas verlieren dürfte), sich hiemit zu beruhigen verpflichtet werden solle.
Referent giengen demnach in Ihrer Meinung aus den angegebenen Gründen von jener der Ministerial Sekzion der Stiftungen in zweifacher Weise und zwar darin ab, daß a) die gerichtliche Unveräußerlichkeit des Gemeinde-Vermögens nicht blos auf 15 oder 20 Monate (inner welchen man nämlich mit dem Schuldentilgungs Plane der Kommunen fertig zu werden hoffe) beschränkt, respec die Veräußerlichkeit nur in so lange suspendirt, sondern daß die Unveräußerlichkeit des {2v} fraglichen Vermögens vielmehr unbedingt ausgesprochen werden solle, und daß hiernächst b) davon Umgang zu nehmen seie, daß die Gerichts-Stellen neuerdings in dem Falle mit der Execution oder Veräußerung sollten verfahren können, wenn die aufgestellten Tilgungs Plane nicht würden eingehalten werden.
Referent rechtfertigten und motivirten diesen Ihren zwar für die Kreditoren der Gemeinde hart scheinenden Antrag (bei dem aber doch dieselben weder an Intereßen noch Kapital etwas verlieren, nur sich nach Ermeßen der Regierung allenfalls billige Fristen-Zalungen gefallen laßen müßten, mit folgenden drei Gründen, weil nämlich 1) die Gemeinden in ihren Schulden-Sachen wohl nicht härter als die Privaten behandelt werden könnten. 2) Weil die von dem Referenten in Antrag gebrachte gerichtliche Unveräußerlichkeit des Kommunal-Vermögens bereits gesezlich ausgesprochen und endlich {3r} 3) wenn sie nicht ausgesprochen wäre, nach deßelben Überzeugung noch ausgesprochen werden müßte, welche Sie in Ihrem Vortrage noch weiter ausführten.
Seine Königliche Hoheit der Kronprinz geruheten, über diesen Antrag des Referenten abstimmen zu laßen.
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas führten in Ihrer Abstimmung aus, wie äußerst wichtig der zur Entscheidung vorliegende Gegenstand seie, die Kommunen, selbst als moralische Personen betrachtet, könnten den Pflichten und Obliegenheiten sich nicht ganz entziehen, an welche die Privaten bei eingegangenen Verbindlichkeiten gebunden, und doch gestatte die Lage des größten Theiles der Kommunen im Königreiche wegen ihrem zu beträchtlichen Schuldenstande nicht, daß ohne ihren gänzlichen Umsturz die strenge Ausübung der gerichtlichen Formen ganz eingehalten werde, wo im {3v} Gegensaze ihre Verhältniße durch die während der eingetretenen Kriege gemachten Anlehen mit dem Intereße von andern Unterthanen des Reiches so sehr verwebt seien, daß eine zu auffallende Begünstigung des einen den Ruin des andern zur Folge haben würde.
Diese lezte Rüksicht, und das Intereße, welches der Staat an den dabei betheiligten Familien nehmen müße, rechtfertige das strenge Votum eines der Mitglieder der Departemental Sizung des Ministeriums des Innern. Inzwischen laße sich mit voller Gewißheit behaupten, daß, wenn das Gemeinde-Vermögen zu Tilgung der ohne ihr Verschulden und in dem äußersten Drange der kriegerischen Verhältnißen gemachten Schulden, den Vollstrekungs-Verfügungen der Gerichte allgemein und unbedingt unterworfen werde, alle Gemeinden bei dem durch langwierige Kriege gehäuften Schulden-Stande, und bei der größten Theils anzunehmden Zalungs-Unfähigkeit der Kommunal-Kaßen zu Grunde gerichtet, und es bald dahin kommen würde, daß {4r} sich alles Real-Vermögen der Gemeinden in den Händen ihrer Gläubiger befinden, und dadurch die ergiebigste Quelle zu Bestreitung der Kommunal-Bedürfniße mit einmal vernichtet werde, woraus die nothwendige Folge entstehen würde, daß diese Bedürfniße in der Zukunft durch erhöhete Steuer Beischläge gedekt und die schon gegenwärtig beinahe unerschwingliche Gemeinde-Anlagen und Konkurrenzen noch mehr vervielfältiget, sohin der Ruin der Gemeinden und vieler Privaten unausbleiblich herbeigeführt werden müßte, indeme auch das Vermögen vieler Privaten in subsidium verschrieben worden.
Diese vereinte Rüksichten hätten Sie (Grafen von Montgelas) bewogen, das Signat auf den ersten Antrag der Departemental Sizung des Ministeriums des Innern zu sezen, und auch jezt noch giengen Sie von dem Grundsaze aus, daß in dem vorliegenden Gegenstande die wichtige administrative Rüksichten die Oberhand behalten müßten, um nicht mit einmal den {4v} größten Theil der Gemeinden des Reichs der Gant906 zu unterwerfen, welcher Satz noch mehr dadurch bestärkt werde, wenn man sich die Ohnmöglichkeit denke, die Executions Erkenntniße der Gerichten gegen Gemeinden bei dieser vorgestellten Lage zu vollstreken.
Die vervielfältigte Veräußerungen der Güther und Objecte der Kommunen würden den Werth derselben so sinken machen, daß Schuldner und Gläubiger zu gleicher Zeit ihrem unvermeidlichen Ruine näher gebracht, und ein Heer von Prozeßen den Gemeinde Verband im Staate, der für denselben von so hohem Intereße seie, auflösen werde.
Ihren Ansichten und Ihrer Überzeugung nach würden auf dem entgegen gesezten Wege alle diese Nachtheile beseitiget, die Erhaltung der Gemeinden gesichert, und das Intereße der Privaten befördert, wenn von den Gerichten der Tilgungs Plan der auf den Staat bereits übernommenen Kommunal-Schulden der größeren Gemeinden nicht gefährdet, und die vorgeschlagene Modalitäten auch bei dem noch herzustellenden {5r} Schuldentilgungs-Plane der übrigen verschuldeten Gemeinden beobachtet würden.
Ihr bestimmter Antrag gehe daher dahin: nicht auszusprechen, daß die Realitäten der Kommunen oder ihre Aktiv Kapitalien gerichtlich unveräußerlich seien, denn dieser Ausspruch würde für die Gemeinden selbst, für ihren Kredit in künftigen Fällen und für den Staat von bedeutendem Nachtheile sein, wohl aber würden Sie durch das Justiz Ministerium alle Gerichts-Stellen des Königreichs anweisen laßen, daß bei der gegenwärtigen, durch die so schnell aufeinander gefolgten anhaltenden Kriege herbeigeführten Lage, in welcher die meisten Gemeinden im Königreiche sich befinden, in Fällen, wo gegen verschuldete Gemeinden auf Verkauf ihrer Realitäten von den Gläubiger angedrungen werde, das gewöhnliche executive Verfahren nicht statt finde, sondern das richterliche Verfahren in diesen Fällen sich lediglich auf das Erkenntniß über die Liquidität der Schuld zu beschränken habe, und die {5v} Execution durch Veräußerung einer Gemeinde Realität nicht erkannt werden dürfe.
In solchen Fällen wäre die einschlägige Kommunal-Kuratel durch die Gerichts-Stellen von der gestellten Klage auf Execution in Kenntniß zu sezen, und ihr zu überlaßen, die Bezalung der als liquid erkannten Schuld in angemeßenen Fristen durch geeignete Mittel zu veranlaßen, oder wenn der Schuldenstand einer Gemeinde so bedeutend seie, daß die vorhandene Mittel die fristenweise Berichtigung der Schuld in kürzeren Zeiträumen nicht gestatteten, einen angemeßenen Schuldentilgungs-Plan für diese Gemeinde in möglichst kurzer Zeitfrist zu verfaßen, dem alle Schuldner, welche dadurch für Kapital und Zinsen gedekt sein müßten, sich zu unterwerfen hätten. Diese Fristenzalungen oder Schulden Tilgungs Plane für die beklagte einzelne Gemeinde wären sohin den Gerichts-Stellen vorzulegen, welche hiernach zu verfahren, und nur in dem Falle ermächtiget sein sollten, das geeignete executive Verfahren eintreten zu laßen, wenn die darin festgesezte Verbindlichkeiten nicht eingehalten werden sollten.
{6r} Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg gaben das beiliegende Votum zu Protokoll, welches Sie ablasen907.
Geheimer Rath Graf von Preising äußerten, von der Nothwendigkeit überzeugt, die Gemeinden aufrecht zu erhalten, daß Sie sich mit den Ansichten Seiner Excellenz, des königlichen geheimen Staats- und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Montgelas vereinigten.
Geheimer Rath Graf von Arco der ältere [d.i. Ignaz] waren der Meinung, daß obschon streng rechtlich es außer allem Widerspruche seie, daß die Gemeinde so gut wie jeder Privatmann sich in Schuldensachen dem richterlichen Verfahren unterwerfen müßten, so träten bei denselben nach den vorgelegten Umständen solche außerordentliche Rüksichten ein, daß ohne Ruin der Gemeinden dieses nicht statt haben könne. Sie glaubten daher, daß der Staat sich damit beschäftigen müße, welche Mittel bei der Unvermögenheit der Gemeinden noch übrig blieben, um ihre Schulden zu deken, und daß {6v} ein Schuldentilgungs-Plan hergestellt und bis dahin jede gerichtliche Execution suspendirt bleiben solle. Bis dieser Schuldentilgungs Plan bearbeitet und vorgelegt wäre aber nichts zu bestimmen.
Geheimer Rath Graf von Toerring schilderten, wie wichtig für den Staat die Erhaltung der Gemeinden seie, und vereinigten sich aus dieser Rüksicht mit der Meinung Seiner Excellenz des geheimen Staats- und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Montgelas in der Art, daß der allgemeine Schuldentilgungs Plan für die Gemeinden längstens in drei Jahren vollendet, und so wie er für eine Gemeinde beendiget, succeßive in Ausübung gebracht, sohin ein stillschweigendes Moratorium für alle Gemeinden bis zu diesem Zeitpunkte den Gerichts-Stellen insinuiret, die Zinsenzalung aber inzwischen nicht suspendirt werden sollte. Gegen den Antrag des Referenten müßten Sie sich erklären, da derselbe dem Kredite der Gemeinden und der Privaten gleich nachtheilig.
Geheimer Rath Freiherr von Weichs erklärten sich in der Voraussezung, daß die Zinsen fortbezalt, und die Kapitalien der Gemeinden-Gläubiger {7r} gesichert bleiben für den Antrag des Referenten.
Geheimer Rath von Zentner äußerten, daß der zur Berathung gegebene Gegenstand nicht nach den bestehenden Gesezen und nach dem gewöhnlichen richterlichen Verfahren behandelt werden könne, sondern auf Mittel und Wege gedacht werden müße, wie die Gemeinden erhalten, und die wohl erworbenen Rechte der Privaten nicht verlezt werden. Die vorgeschlagene gerichtliche Unveräußerlichkeit der Gemeinde Realitäten würden Sie nicht aussprechen, indeme diese dem Kredite der Gemeinden für die Zukunft sehr nachtheilig werden könnte. Der Zustand der Gemeinden erheische eine außerordentliche Maaßregel, und diese scheine Ihnen am zwekmäsigsten in dem Vorschlage zu liegen, den Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas gemacht. Den Gerichts-Stellen bleibe dadurch die ordentliche Erkenntniß über die Liquidität der Schuld, und nur wenn das executive Verfahren in dem gewöhnlichen {7v} gerichtlichen Laufe eintrete, werde Einhalt gemacht, und durch den Kronfiskalen die administrative Stelle, welche allein die Kräften der Gemeinden und ihre disponiblen Mittel kenne, in Kenntniß gesezt, um entweder eine Fristenzalung zu reguliren, oder einen Schulden-Tilgungs Plan vorzulegen. Diesen zu prüfen und zu veranlaßen könne weder Sache des Finanz Ministeriums noch der Gerichts-Stellen sein, denn zu wenig mit den individuellen Verhältnißen bekannt, würden Sie zu sehr den Vorschriften der Gerichts-Ordnung folgen, und die Gemeinde dadurch zu Grunde richten. Moratorien im Allgemeinen zu ertheilen, seie zu viel, weil mehrere Gemeinden deren vielleicht nicht bedürften, und diesen den Gläubigern und Gemeinden zu wenig Sicherheit gewährten, indeme sie nach Verlauf des Moratoriums sich wieder in gleicher Verlegenheit befinden würden. Sie vereinigten sich deßwegen vollkommen mit dem Vorschlage des Herrn Ministers Grafen von Montgelas Excellenz, daß in Gemeinden-Schulden-Sachen die Gerichts-Stellen über die Liquidität der Schuld zwar {8r} erkenne, aber bei der Execution nur nach den Vorschlägen der administrativen Stellen verfahren sollen.
Geheimer Rath Graf von Tassis stimmten in der Voraussezung, daß die Zinsenzalung nicht gehemmt werde, für die von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas geäußerte Meinung.
Geheimer Rath von Krenner der jüngere [d.i. Franz] äußerten, daß wenn man die Folgen sich versinnliche, welche in Schulden Sachen der Gemeinden aus dem gewöhnlichen gerichtlichen Verfahren sich ergeben würden, alle Gemeinden des Reiches, welche überschuldet, in kurzer Zeit auf die Gant kommen müßten, da aber dieses aus höheren Rüksichten nicht zugegeben werden könne, so müßten zwekmäsige Maaßregeln dagegen und solche Einleitungen getroffen werden, welche die Erhaltung der Gemeinden sicherten. Diese Einleitungen aufzusuchen und zu führen, könnte nicht den Justiz-Stellen nicht dem Justiz Ministerium {8v} überlaßen werden, weil diese die Bedürfnißen der Gemeinden und die allenfalls ihnen zuzuwendenden Mittel nicht zu beurtheilen, nicht die Zeit zu berechnen im Stande seien, innerhalb welcher die Gemeinden ihren Wohlstand erheben und ihre Schulden bezalen könnten. Sie glaubten daher, daß die von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas vorgeschlagene Maaßregeln ohne Verlezung der Gesezen könnten angenommen, und den Gerichts-Stellen die gerichtliche Execution der Gemeinde Realitäten untersagt werden.
Geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco verbreiteten sich in Ihrer Abstimmung über die Fragen, worin bestehet das Vermögen der Kommunen? Was hat das Finanz-Vermögen ihnen genommen? Warum können die Steuerbeischläge ohne große Beschwerden nicht mehr entrichtet werden? Und wovon sollen die für Lieferungen und Vorspann908 gemachte Gemeinde-Schulden getilget werden?
Nach Auseinandersezung {9r} dieser Fragen kamen Dieselben auf folgende Anträge: 1) Die angetragene Unveräußerlichkeit im Executions-Zuge hat nicht statt. Diese Maaßregel würde um so auffallender und empörender sein, als man ja den größten Theil des Gemeinde Vermögens im administrativen Wege täglich veräußere. 2) Moratorien auf 10 Jahre, wo es derselben bedarf, jedoch mit Einhaltung der Zinsenzalung. 3) Rükgabe an die Gemeinden ihres früher bezogenen Antheiles an den indirekten Auflagen, als Lokal-Bierpfenning, Fleischaufschlag, Straßen-Pflasterzoll pp. 4) Da, wo es keiner Moratorien bedarf, regulire man Fristen für die einzelnen Gläubiger, und wenn er sich damit nicht zufrieden stellt, verbinde man mit dieser Maaßregel die gesezliche Verfügung „daß der Gläubiger, welcher auf eine ihme speziell verhypothezirte Kommunal Realität die Execution extrahiret, das Object in dem vollen Schäzungs Werthe anzunehmen habe, {9v} auf den Fall, wo diese Summe nicht durch die Subhastazion909 erhalten werden sollte“. 5) Wo concursus creditorum entstehet, habe es auf einen von dem Ministerium des Innern und der Finanzen gemeinschaftlich zu regulirenden Schulden Tilgungs Plan anzukommen, welcher bei den Gerichtshöfen einregistrirt werden soll.
Geheimer Rath von Effner äußerten, die von dem Referenten vorgeschlagene Maaßregel, so wie sie liege, schreite nicht nur gegen alles Strenge sondern gegen jedes Recht, und hemme den Lauf der Gerichts Pflege. Sie entspreche dem liberalen Geiste der baierischen Regierung nicht, und könne daher nach Ihren Ansichten nie angenommen werden. Ihnen scheine jede außerordentliche Maaßregel unnöthig, und wegen der immer damit verbundenen Abweichung von dem Geseze bedenklich, und Sie glaubten, daß man auf dem, in dem bis jezt bekannten Falle eingeschlagenen Wege zum gleichen Ziele gelange.
Der vorgelegte einzelne Fall, der einzige, welcher {10r} die gegenwärtige wichtige Deliberazion veranlaße seie durch Ministerial Einschreitungen so geführt, daß alle Ansichten und Wünsche erreichet, und weder die Gemeinden überworfen, noch die gegründeten Rechten der Privaten verlezt seien. Sie würden daher nach gleichen Ansichten in jedem einzelnen sich ergebenden Falle verfahren laßen, und jede allgemeine Maaßregel die in manchen Rüksichten bedenklich werden könnte, umgehen.
Geheimer Rath von Schenk glaubten, daß die Gerechtigkeit nicht verlezt werde, wenn er die Kommunen die ohne ihr Verschulden in solche Zalungs-Verlegenheiten gekommen, begünstige, und ihnen gestatte, ihre Schulden in Fristen zu tilgen. Alles komme nur darauf an, daß diese richtig eingehalten würden. Daß dieses geschehe, seie Sorge der Ministerien, welche die Mittel zu prüfen und zu ergänzen, im Stande seien, und den Gemeinden das zu ersezen, was ihnen hiezu mangle. Inzwischen scheine Ihnen eine allgemeine Maaßregel für den Augenblik nicht dringend, und es könnte hinlänglich sein, {10v} wenn die Gemeinden und Schuldner der Sorgfalt der Regierung empfohlen und übergeben, sohin in jedem einzelnen Falle mit Vorsicht gehandelt würde. Um inzwischen zu verhindern, daß von den Justiz-Stellen dem als nothwendig herzustellenden Schuldentilgungs Plane nicht entgegen gearbeitet werde, vereinigten Sie sich mit der Meinung des Herrn Ministers Grafen von Montgelas Excellenz.
Geheimer Rath von Feuerbach stimmten ebenfalls für die Annahme dieser Modalitäten, da die politische Rüksichten für die Erhaltung der Gemeinden bei dieser Deliberazion die Oberhand verdienten, und dabei doch von dem Saze ausgegangen werde, daß die wohlerworbenen Rechten der Privaten nicht verlezt werden. Auch fänden Sie die gemachten Vorschläge den strengen Rechten nicht entgegen.
Geheimer Rath Graf von Welsperg äußerten, da die politischen und staatsrechtlichen Ansichten über den vorgetragenen Gegenstand bereits hinlänglich entwikelt worden, so glaubten Sie, hierüber nichts mehr anführen zu brauchen, {11r} und Sie vereinigten sich daher mit den Vorschlägen Seiner Excellenz des königlichen geheimen Staats und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Montgelas.
In Folge dieser Abstimmungen, und der dadurch von der Mehrheit angenommenen Meinung Seiner Excellenz des königlichen geheimen Staats und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Montgelas wurde von dem königlichen geheimen Rathe
beschloßen, an Seine Majestät den König den allerunterthänigsten Antrag zu machen, daß bei der gegenwärtigen Lage, in welcher sich durch die so schnell aufeinander gefolgten anhaltenden Kriege die meisten Gemeinden des Königreiches rüksichtlich der zu außerordentlichen Leistungen kontrahirten Schulden befinden, durch das königliche Justiz Ministerium sämmtliche Justiz Stellen anzuweisen wären, daß in Fällen, wo gegen verschuldete Gemeinden auf Bezalung dieser Schulden, und Verkauf ihrer Realitäten angedrungen werde, das gewöhnliche executive Verfahren nicht statt finde, sondern in diesem Falle das richterliche Verfahren sich lediglich {11v} auf das Erkenntniß über die Liquidität der Schuldforderungen zu beschränken habe, und die Execution zu Veräußerung einer Gemeinde Realität nicht erkannt werden dürfe.
In diesen Fällen wäre die einschlägige Kommunal Curatel durch die Gerichts-Stellen von der gestellten Klage auf Execution in Kenntniß zu sezen, und ihr zu überlaßen, die Bezalung der als liquid erkannten Schuld in angemeßenen Fristen durch geeignete Mittel entweder zu veranlaßen, oder wenn der Schuldenstand einer Gemeinde so bedeutend seie, daß die vorhandene Mittel diese fristenweise Berichtigung der Schuld in kürzeren Zeiträumen nicht gestatten, einen angemeßenen Schulden-Tilgungs-Plan für diese Gemeinde in möglichst kurzer Zeitfrist zu verfaßen, dem alle Schuldner, welche aber dadurch für ihr Kapital und Zinsen gedekt sein müßten, sich zu unterwerfen hätten.
Diese angeordnete Fristen Zalung oder der bestimmte Schuldentilgungs Plan wären sohin den Gerichts Stellen {12r} vorzulegen, welche hiernach zu verfahren, und nur in dem Falle ermächtiget werden sollten, das geeignete executive Verfahren eintreten zu laßen, wenn die darin festgesezten Verbindlichkeiten nicht eingehalten werden sollten.
Dem Ministerium des Innern wäre diese allerhöchste Entscheidung zur Anweisung der General-Administrazion der Kommunen mitzutheilen, und durch dieselbe an der Herstellung eines allgemeinen Schuldentilgungs Planes unausgesezt fortfahren zu laßen, wobei auch der Grundsaz auszusprechen, daß die Zinsenzalung nicht sistiret werden dürfte.
Als Seine Königliche Hoheit der Kronprinz, und der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas die geheime Raths Sizung hierauf verlaßen hatten, wurde
Verteilung von Gemeindegrund (R)
Die vormals im Fürstentum Ansbach gelegene Gemeinde Trommetsheim ist in einen Streit um die Verteilung von Gemeindegrund verwickelt. Wie in ähnlichen Fällen spricht sich Weichs dafür aus, die Entscheidung der ersten Instanz zu bestätigen, die der zweiten Instanz aber aufzuheben, auch wenn sie auf Grundlage der bayerischen Landeskulturgesetze ergangen ist. Der Geheime Rat folgt dem Antrag.
2. unter Vorsiz des königlichen geheimen Staats- und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Reigersberg Excellenz von dem königlichen geheimen Rathe Freiherrn von Weichs wegen der Gemeinde-Gründe Vertheilung zu Trommetsheim910 Landgerichts Weisenburg im Oberdonau-Kreise {12v} schriftlichen Vortrag worin Sie nach Anführung der aktenmäsigen Verhältnißen dieses Streites und des Erkenntnißes der 1ten und 2ten Instanz den Antrag vorlegten, daß, nachdem schon mehrere Praejudizien bei dem königlichen geheimen Rathe vorhanden, wo in dergleichen Rekurs-Sachen, welche von Gemeinden, die vormals zu Ansbach gehörten911, auf das dort übliche Herkommen und das erholte Gutachten von Sachverständigen gesprochen worden, Sie auch dermal dafür sich erklären müßten, den in Baiern bestehenden Kulturs Gesezen entgegen sententiam secundae [sc. Instanz] aufzuheben, und jene der ersten Instanz zu bestätigen.
In Folge der von Seiner Excellenz, dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Reigersberg über diesen Antrag verfügten Umfrage
wurde derselbe von allen Mitgliedern einstimmig angenommen912.
Verteilung von Gemeindewald (R)
Die Kleingütler in Penting streiten mit den Großgütlern wegen der Verteilung des Gemeindewaldes. Weichs beantragt, die Entscheidung der zweiten Instanz zu bestätigen. In der Mehrheit folgen die Geheimen Räte dem Antrag.
3. In Sachen der Kleingütler {13r} zu Penting913 Landgerichts Neunburg im Regen-Kreise gegen die Großgütler, dermalen das General Kommißariat des Regenkreises wegen der Gemeinde-Holzabtheilung in Penting, erstattete der königliche geheime Rath Freiherr von Weichs schriftlichen Vortrag, und führten die Gründe an, aus welchen dieselbe sowohl von dem Landgerichte in erster, als dem General Kommißariate in zweiter Instanz mit ihren Beschwerden abgewiesen worden, und motivirten durch die leztere Ihren Antrag, die Sentenz der zweiten Instanz in der Haupt-Sache zu konfirmiren, rüksichtlich der Kösten aber diese dahin zu reformiren, daß diese kompensirt werden sollen.
Bei der von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Reigersberg über diesen Antrag verfügten Umfrage erklärten sich alle Mitglieder mit Ausnahme der geheimen Räthe von Effner und von Schenk für die durchgängige {13v} Konfirmazion der Sentenz der 2ten Instanz, weil wegen der Kösten keine Beschwerden vorliegen.
Die geheimen Räthe von Effner und von Schenk waren aber der Meinung, diesen Gegenstand mit Aufhebung der beiden Sentenzen an die Justiz Stellen zu verweisen, weil sich derselbe nach Ihren Ansichten dahin, und nicht zu den Kulturs Stellen eigne.
Nach der Mehrheit der geheimen Raths Mitglieder
wurde die Sentenz der zweiten Instanz durchgängig bestätiget914.
Bestätigung der Anträge des Geheimen Rates sowie Genehmigung der Entscheidungen in Rekurssachen durch den König (21. Oktober 1811).
Anmerkungen
Gant bezeichnet einerseits „den auf das Betreiben eines Gläubigers gerichtlich angeordneten öffentlichen Verkauf von Sachen eines Schuldners […] gegen Höchstgebot“, andererseits das entsprechende Verfahren. Da dabei die Rechte weiterer, „vorrangig zu befriedigender Gläubiger am Erlös“ festgestellt werden mußten, wurde der Begriff Gant im süddeutschen Raum zur Bezeichnung für den Konkurs. Vgl. Forster, Art. G., in: HRG2 Bd. 1, Sp. 1932-1934, Zitate Sp. 1932, 1933; DRW Bd. 3, Sp. 1161 s.v. G.; DWB Bd. 4, Sp. 1282-1285 s.v. G.
„Unter Subhastation im weiteren Sinne versteht man diejenige Veräußerung, die der Veräußerer nach vorgängiger öffentlicher Bekanntmachung mit Mehreren verhandelt und mit demjenigen unter ihnen, der ihm die annehmlichsten Bedingungen stellt (das Meiste bietet), abschließt“. Veräußerungsform war insbesondere die öffentliche (Zwangs-)Versteigerung. Vgl. Merkel, Art. Subhastation, Zitat S. 601.
Das um 1800 etwa 60 Untertanen zählende Pfarrdorf Trommetsheim gehörte zum „Fraisch- und Stationsbezirk“ des ansbachischen Oberamts Gunzenhausen. [Bundschuh], Lexikon Bd. 5, Sp. 583 f. s.v. Trometzheim.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 1643. Beschwerdeführer waren Johann Georg Renner und Streitgenossen, Gegner Georg Lastenheimer und Streitgenossen.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 1643f.