BayHStA Staatsrat 262
10 Blätter. Unterschriften des Königs und des Geheimen Rates Ignaz Graf von Arco. Protokoll: Kobell.
Anwesend:
Geheime Räte: Ignaz Graf v. Arco; Graf v. Toerring-Gutenzell; Freiherr v. Weichs; v. Zentner; Graf v. Thurn und Taxis; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach; Graf v. Welsberg.
Vorsitz im Geheimen Rat
Ignaz Graf von Arco übernimmt den Vorsitz im Geheimen Rat.
{1r} Da der königliche geheime Rath Herr Graf von Preising, welche in der auf heute angeordneten geheimen Raths-Versammlung den Vorsiz zu führen beauftragt waren, durch Unpäßlichkeit gehindert, nicht erscheinen konnten, so übernahmen der im Dienstalter nachfolgende geheime Rath Herr Graf von Arco der ältere [d.i. Ignaz] den Vorsiz, auch waren statt des ebenfalls unpäßlichen Herrn geheimen Rath von Effner der geheime Rath Herr Graf von Törring in dem geheimen Rathe erschienen.
Herr geheimer Rath Graf von Arco der ältere [d.i. Ignaz] forderten, nachdeme durch den General-Sekretär [Kobell] die allerhöchste Entschließung auf das geheime Raths {1v} Protokoll vom 6ten vorigen Monats abgelesen war1364, die geheimen Räthe Grafen von Tassis, Freiherrn von Asbek und Grafen von Welsperg auf, die bearbeiteten Rekurs-Gegenstände vorzutragen.
Diesem zu Folge erstatteten
Forstservituten (R)
Mehrere Gemeinden im Regenkreis wünschen die Ablösung von Forstdienstbarkeiten und haben Rekurs zum Geheimen Rat ergriffen. Thurn und Taxis trägt an, dem Gesuch der Beschwerdeführer zu entsprechen. Der Geheime Rat lehnt den Antrag ab und beschließt, die Entscheidung des Generalkommissariats zu bestätigen.
1. Herr geheimer Rath Graf von Tassis in Sachen der Gemeinden Schönau, Pondorf, Gaisthal, Gammer-Gaisthal und Weiding1365 gegen die Gutsherrschaft von Frauenstein1366 wegen Ablösung von Forst-Servituten schriftlichen Vortrag, worin Dieselben die geschichtlichen Verhältniße dieser Streitsache, und die hierin ergangenen Erkenntniße der untern Instanzen aus den Akten ausführten, und den Antrag machten, daß: da aus den angegebenen Gründen sowohl der Augenschein als die hiebei geschehene Verhandlungen einer Nullität keinem Zweifel unterlägen, und da die weitere Rezeßen in Appellatorio sich auf die oben erwähnten bezögen, so verdienten solche keine Würdigung mehr, besonders aus dem Grunde, daß sich die Frauensteinsche Unterthanen, besonders in ihrer Vorstellung an die höchste Stelle, dem Geseze und den gerichtlichen Verhandlungen vom 4en November 1809 hinsichtlich des Holz-Regulativ angeschloßen.
Es seie daher mit Beiziehung des durch das Gesez bestimmten Oberforsters und zweier {2r} Gemeinde-Glieder aus jeder Gemeinde der von den Rekurrenten erbetene Augenschein zu wiederholen, das Purifikazions-Object durch einen verpflichteten Geometer in einen Plan aufnehmen zu laßen, und nach dem unterm 4ten November 1809 gemachten Holz-Regulativ die ganze Wald-Purifikazion nach dem Hoffuß zu vertheilen. Wegen dem Petitum der Viehweide wären die Rekurrenten an die Kulturs-Verordnung zu verweisen.
Geheimer Rath Graf von Tassis lasen den hiernach entworfenen Reskripts-Aufsaz ab. Geheimer Rath Graf von Arco der ältere [d.i. Ignaz] verfügten über diesen Antrag die Umfrage.
Alle übrigen Mitglieder des geheimen Rathes stimmten diesem Antrage des Referenten nicht bei, da sie die angeführten Gründe, wodurch eine Nullität der bisherigen Verhandlungen bewiesen werden wollte, nicht für hinreichend hielten, um dieselbe auszusprechen, und die rekurrirenden Gemeinden den erfolgten Kontumazial-Bescheid1367 durch ihre wiederholte Weigerung, bei dem Augenscheine zu erscheinen, selbst veranlaßet, indeme sie hiezu unter Praejudiz gefordert worden, und keine Folge geleistet.
{2v} Alle Herrn geheimen Räthe entschieden sich daher gegen den Antrag des Referenten, daß das Erkenntniß des General-Kommißariats des Regenkreises vom 21 Oktober vorigen Jahres zu bestätigen seie.
Nach diesem, von der Mehrheit gefaßten Schluße wurde dieser Gegenstand von dem königlichen geheimen Rathe entschieden1368.
Verkaufserlaubnis (R)
Welsberg trägt zur Streitsache der Pfragner und Nagelschmiede in Landshut, betreffend den Verkauf von Nägeln, vor. Er fordert, die Rekurrenten abzuweisen und die Entscheidung des Generalkommissariats zu bestätigen. Der Geheime Rat folgt dem Antrag Welsbergs.
2. Über die Gewerbs-Streitsache der Fragner1369 und Nagelschmiede zu Landshut über das Befugniß zum Nägelverkauf, erstatteten geheimer Rath Graf von Welsperg schriftlichen Vortrag, worin Dieselben den Veranlaß dieser Streitsache auseinander sezten, die Erkenntniße der einschlägigen untern Instanzen anführten, und den Antrag machten, daß aus den in dem Vortrage umständlich entwikelten Gründen mit Abweisung der Rekurrenten lediglich die Entscheidung des General-Kommißariats [des Isarkreises] vom 2ten September vorigen Jahres zu bestätigen [!].
In Folge hierüber verfügten Umfrage erklärten sich alle königliche Herrn geheimen Räthe mit dem Herrn Referenten verstanden
und so wurde der mit diesem Antrage übereinstimmende abgelesene Reskripts-Entwurf von dem königlichen geheimen Rathe bestätiget1370.
Kriegskostenbeitrag (R)
Thurn und Taxis trägt in Sachen Andreas Hauf gegen die Gemeinde Titting, Kriegskostenbeiträge betreffend, vor. Er beantragt, den Rekurs abzuweisen, da der vorgeschriebene Streitwert nicht erreicht wird. Haufs Anwalt soll wegen der fehlerhaften Rekursschrift gerügt werden. Carl Maria Graf von Arco spricht sich dafür aus, dies zu unterlassen, weil durchaus fraglich ist, ob Hauf tatsächlich der Steuerpflicht unterliegt. Der Geheime Rat genehmigt den Antrag mehrheitlich.
3. In Sachen des Andreas Hauf zu Seuversholz1371 Landgerichts Eichstädt {3r} gegen die Gemeinde Titting1372 wegen Kriegskosten Konkurrenz, erstattete geheimer Rath Graf von Tassis schriftlichen Vortrag, worin Dieselben den Veranlaß dieses Rekurses entwikelten, und nach Anführung der in dieser Sache von den untern Instanzen erlaßenen Erkenntnißen den Antrag machten: diesen Gegenstand quoad formalia als nicht zum königlichen geheimen Rathe geeignet, zu verbescheiden, da die Summe, welche nur 57 bis 60 fl. betrage, nicht appellabel seie1373. Aus diesen Gründen hätten Sie als Referent es für überflüßig gefunden, in die Materialien der Sache einzugehen, glaubten aber, daß dem Anwalde des Haufs durch das General-Kommißariat aufzugeben wäre, die Kosten der Rekurs-Schrift dem Hauf zu restituiren und demselben bei schärferer Strafe zu untersagen, künftig die höchste Stelle mit Rekurs Schriften zu behelligen, wenn die Summe des Gegenstandes nicht appellabilis seie.
Herr geheimer Rath Graf von Tassis lasen den hiernach entworfenen Reskripts-Aufsaz ab. Herr geheimer Rath Graf von Arco verfügten hierüber die Umfrage. Alle Herrn geheimen Räthe mit Ausnahme des Herrn geheimen {3v} Rath Grafen Carl [Maria] von Arco erklärten sich für den Antrag des Referenten und den vorgelegten Reskripts-Entwurf.
Herr geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco aber, welche zwar auch auf Abweisung des Rekurses wegen Abgang der appellablen Summe stimmten, *erklärten sich* [Korrektur von Kobells Hand] für Auslaßung des Beisazes, indeme sie den Advokaten wegen Verfertigung der Rekurs-Schrift nicht für so straffällig hielten, da durch den Spruch des General-Kommißariates ein jus perpetuum fundiret werde, und die Frage allerdings einer Untersuchung unterliegen könnte, ob steuerbare Gründe ohne den Besiz eines Haußes die Folge der Konkurrenz zu den Kriegs-Bedürfnißen einer Gemeinde nach sich ziehen. Diese Frage seie selbst nach den Bestimmungen des Gemeinde Edictes zweifelhaft1374.
Nach der Mehrheit der Stimmenden
wurde der Antrag des Referenten und der vorgelegte Reskripts Entwurf von dem geheimen Rathe genehmiget1375.
Gewerbestreit (R)
Die Tuchmacher und Lodenweber in München streiten über die Befugnis, Tuch an das Militär zu liefern. Welsberg beantragt, das Gesuch der Tuchmacher abzuweisen. Carl Maria Graf von Arco spricht sich gegen den Antrag aus; den Lodenwebern soll nicht erlaubt werden, Tuch herzustellen und zu verkaufen. Der Geheime Rat genehmigt Welsbergs Antrag mehrheitlich.
4. Wegen der Gewerbs-Streitsache der Tuchmacher und Loderer1376 in München, über das Recht der Tuchlieferung für das königliche Militär, erstatteten Herr geheimer Rath Graf von Welsperg schriftlichen Vortrag, und entwikelten darin die Veranlaßung dieses entstandenen Streites und die {4r} Ansichten, welche sowohl von der königlichen Polizei-Direction als dem General-Kommißariate des Isar-Kreises über diesen Gegenstand aufgestellt und den von den beiden Stellen erfolgten Entscheidungen zum Grunde gelegt worden1377.
Nach Anführung der hiebei zu berüksichtigenden Gründen, und nach Untersuchung der Formalien und Materialien dieser Sache, machten Herr geheimer Rath Graf von Welsperg den Antrag, daß wenn nicht die Tuchmacher selbst aus den Materialien, wozu Sie sich ganz geneigt fänden, abgewiesen werden wollten, daß wenigstens aus den Formalien und wegen deserter Appellazion1378 die Entscheidung des General-Kreis Kommißariates vom 2en September vorigen Jahres lediglich bestätiget werden sollte.
Herr geheimer Rath Graf von Welsperg lasen den nach diesem Antrage verfaßten Reskripts Entwurf ab. Herr geheimer Rath Graf von Arco verfügten hierüber die Umfrage.
Die Herrn geheimen Räthe Graf von Törring, Freiherr von Weichs, Graf von Tassis, von Zentner, Freiherr von Asbek, und von Feuerbach stimmten mit dem Herrn Referenten.
Herr geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco äußerten, daß {4v} Sie weder in der richterlichen noch gesezgebenden Eigenschaft dem Antrage des Referenten beistimmen könnten. Nach gesezlichen Rüksichten könnten Sie die Vereinigung der Tuchmacher- und Loderer-Gewerbe nicht annehmen, da diese Verfügung der staatswirthschaftlichen, als möglich anerkannten Veredlung des Tuchmacher-Gewerbes widerstrebe, und statt dieses Gewerb zu heben, daßelbe noch mehr zurükwerfen, und die Absicht, im Lande die Erzeugung feinerer Tücher zu befördern, ganz vereiteln würde.
Diesen Gegenstand als Richter betrachtet, stünden den Lodereren die Zunft-Statuten offenbar entgegen, und sie seien zu klar, um gegen dieselbe den Loderern die Verfertigung des Tuches gestatten zu können1379. Die Tuchmacher hätten zwar die Fatalien versäumt, allein, da der geheime Rath in mehreren Fällen schon mit vieler Leichtigkeit restituiret habe, so würden Sie auch keinen Anstand nehmen, die Tuchmacher zu restituiren, und erkennen, daß die Loderer zu Verfertigung und zum Verkaufe von Tuch nicht berechtiget.
Nach dem Schluße der Mehrheit wurde
der Antrag des Referenten {5r} und der abgelesene Reskripts Entwurf von dem königlichen geheimen Rathe genehmiget1380.
Gewerbestreit (R)
Vortrag über die Streitsache zwischen den Brauern in Nördlingen und dem Hofwirt Schmidt. Dieser schadet angeblich den Brauern durch Einfuhr und Lagerung von grünem Bier. Thurn und Taxis beantragt, den Rekurs abzuweisen, weil kein Verstoß gegen einschlägige Verordnungen vorliegt. Der Geheime Rat genehmigt den Antrag.
5. Über den Rekurs der Bräuer zu Nördlingen wegen angeblicher Gewerbs-Beeinträchtigung durch den dortigen baierischen Hofwirth1381 Joachim Schmidt erstatteten Herr geheimer Rath Graf von Tassis schriftlichen Vortrag, und legten nach Anführung der Geschichte dieses Streites und der von den untern Instanzen hierin erlaßenen Erkenntnißen den Antrag vor.
In Erwägung, daß die Bräuer zu Nördlingen sich eigentlich nur deßwegen beschwerten, daß der dermalige Zapfenwirth1382 Schmidt das auf seiner Bräustadt zu Baldingen1383 gesottene Bier grün1384 nach Nördlingen führe und daselbst lagere, die von den Klägern angeführten Gründe und allerhöchste Verordnungen aber, wodurch sie erweisen wollten, durch diese Einfuhr eine Beeinträchtigung in ihrem Gewerbe zu erleiden, sich nur auf die Vermehrung der Bräuhäußer bezögen, dagegen die Bräustadt zu Baldingen schon längst bestehe, folglich die beigebrachten Gründe der Rekurrenten, da sie den Klaggegenstand nicht beträfen, auch nichts zu ihren Gunsten {5v} bewiesen.
In Erwägung, daß sich kein hinreichender Grund auffinden laße, warum den [!] rechtmäsigen Inhaber einer Bräustadt nicht frei stehen sollte, sein eigenthümliches Bier entweder schon reif oder noch grün nach der Stadt zu führen, und daselbst zu lagern, wenn es nur in Folge der allerhöchsten Verordnung vom 25. April vorigen Jahres zur Zeit des Verkaufes den vorgeschriebenen inneren Gehalt gegen die tarifmäsige Taxe habe1385, endlich da die obengedachte allerhöchste Verordnung vom 28 Juli 1807, wodurch mit Aufhebung alles Bierzwanges die Einfuhr des Bieres in die Städte und Märkte ganz frei gestattet, keine Ausnahme gegen die Einfuhr des grünen Bieres mache1386, und diese allerhöchste Entschließung durch die nachgefolgte vom 25 April vorigen Jahres weder aufgehoben noch beschränket werde, seien Sie der Meinung: daß die von dem General-Kommißariate des Oberdonau Kreises unterm 16 April vorigen Jahres gefaßte Erkenntniß bestätiget, und somit die Bräuer zu Nördlingen mit ihrem Rekurse abzuweisen seien.
Der mit diesem Antrage übereinstimmende Reskripts-Aufsaz {6r} wurde vom Herrn geheimen Rathe Grafen von Tassis abgelesen.
In Folge hierüber vom Herrn geheimen Rathe Grafen von Arco verfügter Umfrage, erklärten sich alle Herrn geheimen Räthe mit dem Herrn Referenten verstanden
und so wurde der Antrag und der vorgelegte Reskripts Entwurf von dem königlichen geheimen Rathe genehmiget1387.
Asbeck trägt über den Streit zwischen der Gemeinde Polsingen und den Besitzern des Kronhofs vor. Die Gemeinde verweigert einen Anteil an den zu verteilenden Gemeindegründen. Asbeck beantragt nach Würdigung der Rechtslage, die vorinstanzliche Entscheidung dahingehend zu ändern, daß den Kronhofsbesitzern ein ganzer Anteil anzuweisen sei. In der Abstimmung fordert Zentner, daß die Kronhofsbesitzer ihre Eigenschaft als Gemeindeangehörige nachweisen müssen, bevor weiter verfahren wird. Die Mehrheit schließt sich der Forderung Zentners an.
6. Über den Rekurs der Gemeinde Poldingen [!] Landgerichts Heidenheim1388 im Oberdonau Kreise gegen die Kronhofs-Besizer1389 daselbst Michael Strauß und Kaspar Schmutterer, Theilnahme an Gemeinde-Gründen betreffend, erstatteten Herr geheimer Rath Freiherr von Asbek schriftlichen Vortrag, und führten darin aus, die Veranlaßung dieses Streites, die Klage der dermaligen Kronhofs-Besizer wegen verweigertem Antheile an den Gemeinde-Gründen und Waldungen der Gemeinde Poldingen [!], die Exception der Gemeinde-Glieder, die Replik der Kronhofs-Besizer, und die von den untern Instanzen in dieser Sache erfolgte Entscheidungen und die Gründe worauf dieselbe gefaßt worden.
{6v} Aus den vom Herrn geheimen Rathe Freiherrn von Asbek in dem Vortrage entwikelten Ansichten waren dieselben der Meinung, daß: in so ferne das Erkenntniß erster und zweiter Instanz die Theilnahme der Kronhofsbesizer an den zu vertheilenden Gründen und Waldungen ausspreche, solches allerdings zu bestätigen seie, in so ferne es aber das Verhältniß dieser Theilnahme, nämlich die Hälfte deßen, was einem wirklichen Gemeinde-Gliede zukomme, festseze, mögte es aus folgenden Gründen zu modifiziren sein.
In der in dem allegirten Edicte begründeten Voraussezung, daß die Kronhofs Besizer Mitglieder von Polsingen seien, müße auch einem jeden derselben diese Eigenschaft mit allen anklebenden Lasten und Verbindlichkeiten ungetheilt zukommen, ohne alle Rüksicht auf den größeren oder kleineren Besitzthum, oder auf den Hoffuß, denn außer deßen würde es auch ½, ¼, 1/8 Gemeinde Mitglieder geben. Könne dieses nicht angenommen werden, so seie auch kein Grund vorhanden, die Kronhofsbesizer von einem ganzen Antheile in den zu vertheilenden Gemeinde Gründen auszuschließen, denn da sich in dem § 27 des Edictes der Maaßstab der Vertheilung {7r} nach den Kulturs Gesezen richte1390, welche ausdrüklich bestimmten, daß in Erwägung, „daß das durchgehends gleiche Gemeinde-Recht durch den zufällig großeren oder kleineren Besizthum und durch die ungleiche Benuzung der Gemeinde-Glieder nicht verändert oder aufgehoben werden könne, künftig, wo sich die Theile auch selbst vereinigten, oder besondere frühere Verträge in Mitte lägen, immer der gleichheitliche Maaßstab zum Grunde gelegt werden sollte. Verordnung vom 4. Juni 1805 Regierungsblatt S. 690“1391 in dem vorliegenden Falle aber eines solches Vertrages in den Verhandlungen durchaus keine Erwähnung geschehe, vielmehr die Gemeinde Mitglieder von Polsingen unter sich über einen gleichheitlichen Theilungs-Maaß-Stab vollkommen einig zu sein scheinen, und selbst der landgerichtliche Bescheid sich nicht auf einen solchen Vertrag, sondern auf die ganz irrige Voraussezung, daß die beiden Kronhofsbesizer ein Gemeinde-Recht getheilt besäßen, und auf die ganz unrichtige Anwendung einer ehemaligen Ansbachschen Provinzial Verordnung, welche Besizern von Halbhäußern nur {7v} ein halbes Gemeinde-Recht zuerkennen, stüze, welche Provinzial Verordnung ohnehin den Bestimmungen des Edictes über das Gemeindewesen1392 weichen müße, so könne auch den Kronhofs Besizern ein ganzer Antheil an den zur Vertheilung bestimmten Gemeinde-Gründen nicht versagt werden.
Nach diesen Ansichten müßten Sie Freiherr von Asbek darauf antragen: das Erkenntniß des Landgerichts Heidenheim vom 12ten Juli, bestätiget von dem General Kommißariate unterm 10 Oktober vorigen Jahres dahin zu reformiren: „daß den Kronhofs Besizern, und zwar einem jeden derselben ein ganzer Gemeinde-Theil wie den übrigen Gemeinde-Gliedern zu Polsingen, an den jezt oder künftig zur Vertheilung kommenden öden Gründen und an der Gemeinde-Waldung zustehe.“
Herr geheimer Rath Graf von Arco ließen über diesen Antrag abstimmen.
Die Herrn geheimen Räthe Graf von Törring und Freiherr von Weichs vereinigten sich mit dem Referenten.
Herr geheimer Rath von Zentner bemerkten, daß Sie die Frage: ob die Kronhofsbesizer wirkliche Gemeinds-Glieder von Polsingen seien, nicht für so {8r} ausgemacht annahmen, und folglich denenselben die Theilnahme an den Gemeinde-Nuzungen nicht so leicht zusprechen könnten, als es in dem Vortrage des Referenten des General-Kommißariates geschehen, denn es scheine Ihnen ungewiß, und noch nicht hinlänglich hergestellt, ob die Bedingungen des Gemeinde-Edictes so erfüllet seien, um den Kronhofsbesizern die Rechte eines Gemeinde-Gliedes zuzuerkennen.
Sie müßten aus diesen Rüksichten dafür stimmen, daß vor allem, ehe eine definitive Erkenntniß gefaßt werde, die Kronhofsbesizer durch das General-Kommißariat angewiesen würden, in einer peremtorischen Frist1393 zu beweisen, nicht nur, daß sie in der Gemeinde Polsingen besteuerte Gründe beseßen, sondern auch, daß sie nach § 5 des Gemeinde-Edictes1394 als ein Theil der Gemeinde angesehen und behandelt worden seien.
Durch diesen Zweifel aufmerksam gemacht, änderten die Herrn geheimen Räthe Graf von Törring und Freiherr von Weichs Ihre bereits gegebene Abstimmung, und vereinigten sich mit dem Herrn geheimen Rathe von Zentner.
Referent Herr geheimer Rath Freiherr von Asbek äußerten {8v} selbst, daß Ihnen dieser Zweifel bei Bearbeitung des vorliegenden Gegenstandes aufgestoßen, Sie sich aber bei den Ansichten des General-Kommißariates zum Antrage auf eine definitive Entscheidung entschloßen. Inzwischen könnten Sie sich zu dem angetragenen Interlocut1395 sehr wohl verstehen.
Mit dem Antrage des Herrn geheimen Rath von Zentner verstanden, erklärten sich die Herrn geheimen Räthe Graf von Tassis, von Feuerbach und Graf von Welsperg.
Herr geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco waren einer entgegen gesezten Meinung, und fanden die Entlaßung eines Interlokutes aus zwei Ursachen nicht für geeignet: 1) weil bereits zwei Entscheidungen der untern Instanzen vorlägen, und 2) weil der geheime Rath selbsten das Criterium nicht angeben könne, wornach in Folge des Gemeinde Edictes die Eigenschaft eines Gemeinde-Gliedes sich beurtheilen laße. Sie müßten nach dem Gehörten vielmehr darauf stimmen, daß reformando erkannt werde, die Kronhofsbesizer seien weder dermal noch künftig berechtiget, einen Antheil an den Gemeinde-Gründen oder Waldungen zu fordern.
{9r} Die Mehrheit der Herrn geheimen Räthe entschied sich für die Meinung des Herrn geheimen Rath von Zentner, und
so wurde beschloßen, diesen Gegenstand hiernach zu verbescheiden1396.
Holzbezug (R)
Welsberg ist Berichterstatter in der Streitsache zwischen Kleinbegüterten und Ganzbauern in Dettenheim. Er beantragt, die Entscheidung des Generalkommissariats zu bestätigen. Der Geheime Rat folgt dem Antrag.
7. Wegen dem Streite zwischen den Kleinbegüterten der Gemeinde Dettenheim1397 in der Grafschaft Pappenheim gegen die Ganzbauern daselbst, den doppelten Holzbezug1398 aus den Gemeindewaldungen betreffend, erstatteten Herr geheimer Rath Graf von Welsperg schriftlichen Vortrag und legten das Factum und die Geschichte dieses Streites, so wie die deßwegen erfolgten Erkenntniße der untern Behörden vor, und machten nach Abgebung Ihres Gutachtens, worin Sie die Frage untersuchten, ob die Kleinbegüterten zu Dettenheim durch den in erster Instanz errungenen Sieg, oder durch die nachgefolgte kommißarische Abweisung mehr gewinnen oder verlieren? den Antrag: mit Abweisung der Rekurrenten die Entscheidung des General-Kommißariats [des Oberdonaukreises1399] d. do. 12 August 1811 lediglich zu bestätigen.
Nachdem aber das General-Kommißariat unterlaßen {9v} die in seinem Antrage entworfene Entscheidungs Gründe den Partheien hinaus zu geben, mithin den Kleinbegüterten zu ihrem Rekurse Anlaß gegeben habe, so glaubten Sie, daß demselben diese vorschriftswidrige Unterlaßung zu ahnden wäre.
Der hiernach entworfene Reskripts-Aufsaz wurde vom Herrn geheimen Rathe Grafen von Welsperg abgelesen. Da alle Herrn geheimen Räthe in Folge der vom Herrn geheimen Rathe [Ignaz] Grafen von Arco verfügten Umfrage mit dem Antrage des Herrn Referenten verstanden sich erklärten
so wurde der abgelesene Reskripts Entwurf von dem königlichen geheimen Rathe genehmiget1400.
Kauf eines Bauernguts (R)
Thurn und Taxis prüft, ob der Verkauf eines Bauerngutes an den Juden Abraham Jonas vor dem Erscheinen einer einschlägigen Verordnung, die derartige Veräußerungen verbietet, abgeschlossen war. Er trägt an, den Kauf zu genehmigen; der Geheime Rat folgt dem Antrag mehrheitlich.
8. In Sachen des Dollmanschen Hofverkaufs zu Klosterzimmern1401 im Bezirke der Justiz Kanzlei Oettingen-Wallerstein an den Juden Abraham Jonas, legten geheimer Rath Graf von Tassis den von der Polizei Section bearbeiteten Akten-Auszug vor, und äußerten, nachdeme derselbe seinem ganzen Inhalte nach abgelesen war, daß sich aus demselben folgende zwei Fragen für den vorliegenden Fall ergäben. 1) Wurde der Kauf des Juden Abraham Jonas vor dem 22 August 18071402 ratifiziret oder nicht? 2) Ist der Kauf in seinen {10r} vorausgegangene Verhandlungen in formeller und materieller Hinsicht gültig oder ungültig?
Nach Beantwortung dieser Fragen machten Herr geheimer Rath Graf von Tassis den Antrag, den Kauf des Juden Abraham Jonas gegen die Entscheidung des General Kommißariats des Oberdonau Kreises zu bestätigen, dem vormaligen Besizer Dollmann aber, wenn er sich durch den Verkauf des Gutes verkürzet glaube, an den Rechtsweg zu verweisen.
Der mit diesem Antrage übereinstimmende Reskripts Entwurf wurde vom Herrn geheimen Rathe Grafen von Tassis abgelesen.
Herr geheimer Rath Graf von Arco verfügten über diesen Antrag die Umfrage. Die Herrn geheimen Räthe Graf von Törring und Freiherr von Weichs stimmten auf Bestätigung des Erkenntnißes des General Kommißariats des Oberdonau Kreises, da der Kauf bei Erscheinung des allerhöchsten Reskriptes vom 22 August 1807 noch nicht als vollendet betrachtet werden könne.
Die Herrn geheimen Räthe von Zentner, Graf Carl [Maria] von Arco, Freiherr von Asbek, von Feuerbach und Graf von Welsperg waren mit den Ansichten des Referenten verstanden, und beurtheilten den Kauf nach der Ratification des Untergerichts, welche vor Erscheinung des allerhöchsten {10v} Reskriptes vom 22 August 1807 erfolget, für gültig geschloßen und vollendet, nur waren Sie der Meinung, daß der dem Reskripts-Aufsaz angefügte Beisaz wegen Offenlaßung des Rechtsweges für den vormaligen Gutsbesizer Dollmann zu umgehen seie, da derselbe hierin eine Aufforderung zu einem neuen Prozeße finden könnte, und ihme die Antretung des Rechtsweges ohnehin frei stehe, wenn er sich durch den Verkauf seines Gutes verkürzet glaube.
Nach dieser Mehrheit
wurde von dem königlichen geheimen Rathe gegen die Entscheidung des General-Kommißariats des Oberdonau-Kreises der Kauf des Dollmannschen Gutes durch den Juden Abraham Jonas als gültig erkannt1403.
Der König bestätigt die Entscheidungen des Geheimen Rates (5. März 1812).
Anmerkungen
Zur Hofmark Frauenstein in Spätmittelalter und Früher Neuzeit vgl. Mages, Oberviechtach, S. 103-108.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 471.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 471.
Die VO betr. die „Vervollständigung der Kompetenzregulirung des königlichen geheimen Rathes in administrativ, polizeilich und finanziellen Gegenständen“ vom 8. August 1810 legte in Tit. I, Art. 2, RegBl. 1810, Sp. 644, als „gravirliche Summe“, das heißt Gegenstands- bzw. Streitwert, 400 Gulden fest.
Gemäß dem „Edikt über das Gemeinde-Wesen“ vom 24. September 1808, § 34, RegBl. 1808, Sp. 2411f., hatten die Gemeinden als „Theile des Staats […] an allen Staats-Lasten Antheil zu nehmen, und insonderheit sich den Konkurrenzen zu unterziehen, welche schon durch allgemeine Verordnungen bestimmt sind, oder von den dazu authorisierten Staats-Behörden entweder auf den ganzen Staat, oder einzelne Theile desselben vertheilt werden“
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 471.
Vgl. die Auszüge aus dem Beschluß der Polizeidirektion München vom 9. November 1811 und der Entschließung des Generalkommissariats des Isarkreises vom 2. September 1811, gedruckt bei Schlichthörle, Gewerbsbefugnisse Bd. 2, S. 417f., Dok. 3 a) u. Dok. 3 b).
Eine Rechtssache nicht durchführen, eine Klage fallen lassen: Heumann, Handlexicon, S. 142 s.v. Deserere.
Vgl. Schlichthörle, Gewerbsbefugnisse Bd. 2, S. 42, der mit Bezug auf vorliegende Entscheidung des Geheimen Rates vom 2. März 1812 die neue, vormals ausschließlich dem Tuchmachergewerbe zugestandene Befugnis der Lodenweber anführt, „Tücher zum Bedarfe der k. bayr. Armee auf deren Bestellung, jedoch ausschließend nur für solche, [zu] verfertigen“.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 471.
„Grün“ war das Winterbier, das nicht im Bierkeller der Brauerei, sondern im Hauskeller des Wirtes vor dem Ausschank nachgärte, so Teich, Bier, S. 296f. Als grünes Bier bezeichnete man auch das Bier am Ende des Gärungsprozesses, bevor es auf Fässer gezogen wurde, vgl. Meyer, Bierbrauerei, S. 175 § 111.
Die VO vom 25. April 1811, RegBl. 1811, Sp. 617-634, regelte die Herstellungs- und Abgabepreise des Biers, die von Seiten des Staates auf der Grundlage einer detaillierten Kostenrechnung genau vorgegeben waren. Dazu kamen Strafnormen für den Fall der Mißachtung der Vorschriften. Insbesondere Tit. II, Art. 3, Sp. 627, formuliert die Erwartung an die Brauer, Bier in guter Qualität zu erzeugen, während die Wirte verpflichtet waren, das Bier nicht zu verfälschen und „in seinem ursprünglichen Gehalte an den Konsumenten“ abzugeben.
Die VO betr. die „allgemeine Gleichstellung und Erhebungsart der Bier- und Branntwein- oder Malz-Aufschläge“ vom 28. Juli 1807 verbot, RegBl. 1807, Sp. 1295f., § XXXIII, indem sie die Aufhebung des „Bier-Abnahms-Zwanges“ verfügte, „alle Bannausübungen der Bräuereien“. Auch sollte „die freie Einfuhr des Bieres in die Städte und Märkte auf keine Art beschränkt oder erschweret“ werden.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 471.
„Edikt über das Gemeinde-Wesen“ vom 24. September 1808 (RegBl. 1808, Sp. 2405-2431), § 27: „Alle Gemeinde-Glieder haben Anspruch auf die Gemeinde-Gründe; – die Benuzung wird nach dem zufälligen Bedürfnisse eines jeden Einzelnen bemessen. Der Maßstab der Vertheilung richtet sich nach den Kultur-Gesezen“ (Sp. 2410).
Annähernd wörtliches Zitat aus der VO betr. die „Kultur der Gemeindegründe und Waldungen“ vom 4. Juni 1805, RegBl. 1805, Sp. 689f., hier Sp. 690.
„Edikt über das Gemeinde-Wesen“ vom 24. September 1808, RegBl. 1808, Sp. 2405-2431.
Perem[p]torische Frist: eine abschließende Frist; vgl. Heumann, Handlexicon S. 409 s.v. Perimere; DRW Bd. 10, Sp. 601 s.v. peremptorisch.
Gemäß dem „Edikt über das Gemeinde-Wesen“ vom 24. September 1808, § 5, gehörten „Inleute und Miethe-Leute, welche zwar in der Markung der Gemeinde besteuerte Gründe oder Rechte“ besaßen, „aber anderwärts ihren Wohnsiz“ hatten, nicht zu den Mitgliedern einer Gemeinde (RegBl. 1808, Sp. 2406f.).
Vgl. VO betr. die „Territorial-Eintheilung des Königreichs“ vom 23. September 1810, RegBl. 1810, Sp. 809-816, hier Sp. 812.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 471.
Unter diesem Datum erschien im 36. Stück des Regierungsblattes eine VO betr. den „Güterverkauf der Juden“ vom 4. August 1807, RegBl. 1807, Sp. 1329-1331, die eine in der Oberpfalz seit 1799 geltende Verordnung auf das ganze Königreich ausdehnte. Auslöser waren Berichte der Fränkischen Landesdirektion darüber, „welche Mißbräuche und Gefährden von den Juden bei Güterzertrümmerungen auf dem Lande getrieben“ würden, Sp. 1329. Daher wurde unter Androhung empfindlicher Strafen verfügt, daß „Juden, ohne Ausnahme, zu künftiger Behebung solch gemeinschädlichen Unwesens bei Gutszertrümmerungen, überhaupt bei Veräußerungen liegender Gründe von allen deßfallsigen Kauf- und Tausch-Kontrakten, wie auch von allen hierin von ihnen bisher gepflogenen Unterhandlungen für allezeit ausgeschlossen seyn“ sollten, Sp. 1330.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 471.