BayHStA Staatsrat 211
11 Blätter. Unterschriften des Königs und der Minister. Protokoll: Kobell.
Anwesend:
Staats- und Konferenzminister: Graf v. Montgelas; Graf v. Reigersberg.
Geheime Räte: Graf v. Preysing-Hohenaschau; Ignaz Graf v. Arco; Graf v. Toerring-Gutenzell; v. Zentner; Graf v. Thurn und Taxis; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; v. Schenk; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach; Graf v. Welsberg.
Bestätigung eines Beschlusses des Geheimen Rates
Montgelas teilt mit, der König habe den Antrag des Geheimen Rates vom 7. Februar genehmigt, in Landeskultursachen den Fristenlauf weniger streng zu handhaben und die damit verbundene Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erleichtern.
{1r} 1. Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas, welche bei Verhinderung Seiner Majestät des Königs und Seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen in der {1v} auf heute Frühe um 10 Uhr angeordneten geheimen Raths-Versammlung den Vorsiz führten, eröfneten dem versammelten geheimen Rathe, daß der in der lezten Sizung vom 7ten dieses wegen den Fatalien und der zu erleichternden Restituzion in integrum gefaßte Beschluß256, als Gutachten des königlichen geheimen Rathes Seiner Majestät dem Könige allerunterthänigst vorgelegt worden, und der von dem geheimen Rathe wegen den Fatalien aufgestellte Grundsaz die allerhöchste Bestätigung erhalten habe.
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz-Minister Herr Graf von Montgelas forderten hierauf die geheimen Räthe Grafen von Tassis, von Krenner den jüngeren [d.i. Franz] (der statt des durch Unpäßlichkeit verhinderten geheimen Rath von Krenner des älteren [d.i. Johann Nepomuk] einen Vortrag abzulesen übernommen hatte) und Grafen von Welsberg auf, die bearbeitete Rekurs-Sachen257 vorzutragen.
Verteilung von Gemeindewäldern (R)
Franz v. Krenner trägt in einer Streitsache zwischen Friedrich Feth und den Gemeinden Oberndorf und Weiher um die Verteilung von Gemeindewaldungen vor. Krenner trägt an, die Beschwerde Feths zum Geheimen Rat abzuweisen. Die Mehrheit der Mitglieder des Geheimen Rates schließt sich an. Die Sache soll nicht an die Justizstellen verwiesen werden, vielmehr ist die einschlägige Entscheidung des Generalkommissariats des Mainkreises zu bestätigen.
2. Geheimer Rath von Krenner der jüngere las den Vortrag ab, welcher von dem geheimen Rathe von Krenner dem älteren in der Rekurs-Sache des {2r} Bauguts Besizers Friedrich Feth zu Weiher258, gräflich Schönbornschen Hintersaßen im Patrimonial Gericht Sommersfelden259 [!], vormals bambergschen Landgericht Hochstädt260 dermalen im Rezat Kreise gegen die Gemeinde zu Oberndorf und Weiher die dortige Abtheilung der Gemeinds Waldung betr. bearbeitet worden.
In diesem Vortrage wurde die Geschichte und der Veranlaß dieses Streites ausgeführt, die Sentenz des Landgerichts als Justiz-Amt und des General-Kommißariats des Main Kreises vorgelegt, die Gründe ausgehoben, welche benannter Feth in seiner an die allerhöchste Stelle übergebene Rekursschrift vorgelegt, und welche das General-Kommißariat des Rezat-Kreises, wohin mittlerweile das Landgericht Höchstädt zugetheilt worden261, in seinem Begleitungs Bericht angeführt, die Meinung des Referenten aber dahin angegeben, daß er glaube, es komme in dieser Sache auf die Erwägung zweier Gesichtspuncte an.
1mo Ob Rekurrent in der Hauptsache selbst wirklich, oder in dem für gravirt zu halten, daß eine richterliche reformatoria262 eintreten könne {2v} 2) und im Falle, wenn er gar nicht, oder nicht hinlänglich gravirt sein sollte, ob deßen Abweisung zum Reßort des königlichen Appellazions Gerichts in Bamberg, oder zum königlichen geheimen Rathe gehörig sei?
Nach Würdigung dieser zwei Gesichtspuncte machte Referent den Antrag, den Rekurrenten mit seinem, nach Lage der Akten, mit Rüksicht auf die bestehende Kulturs Geseze ob defectum gravaminis unstatthaft ergriffenen Rekurse abzuweisen, demselben jedoch vorzubehalten, vor der Hand auf seine Kosten eine neue Vermeßung der Gemeinde-Waldungen vornehmen zu laßen und wenn er sich hiebei, doch nur nach dem Typus der Übereinkunft vom 11 Februar 1808 zu Recht erweislich verkürzt befinden sollte, den Ersaz deßen, was ihme vermög der gedachten Übereinkunft annoch gebühren würde, noch zu fordern. Die bisher erlaufene Streit Kösten habe für dermal der Rekurrent, weil er kein hinlängliches Gravamen nachweisen konnte, allein abzuführen.
Über diesen Antrag verfügten Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz {3r} Minister Herr Graf von Montgelas die Umfrage, und forderten den geheimen Rath von Krenner den jüngeren [d.i. Franz] zuerst auf, seine Meinung abzugeben.
Herr geheimer Rath von Krenner erklärte sich für den Antrag des Referenten.
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg äußerten: Sie hielten diesen vorgetragenen Fall für einen rein rechtlichen Gegenstand, der nicht zur Beurtheilung der administrativ Stellen sich eigne, da nicht mehr von der Kultur sondern von einer Entschädigungs-Klage wegen dem, dem Rekurrenten abgelokten Beitritt zu dem geschloßenen Vertrag die Rede sei.
Die administrativ Stellen hätten nach ihrem Wirkungs Kreise diese Sache, so weit sich dieselbe auf die Kultur der Waldgründe bezogen, beendiget, und die daraus folgende, mit der Kultur in keiner Verbindung stehende Entschädigungs Klage müßte nun eben so zur Kompetenz der Justiz-Stellen verwiesen werden.
Sie tragen daher darauf an, diesen unstatthaften Rekurs {3v} ab, und zur geeigneten Justiz Stelle zu verweisen. Mit dieser Ansicht des Herrn Grafen von Reigersberg Excellenz vereinigten sich die Herrn geheimen Räthe Grafen von Preising, von Arco der ältere [d.i. Ignaz], von Törring, von Zentner und Graf von Tassis.
Die geheimen Räthe Graf von Arco der jüngere [d.i. Carl Maria], von Schenk, Freiherr von Asbek und von Feuerbach stimmten dafür, die Entscheidung des General Kommißariats lediglich zu bestätigen, weil darin schon die Hinweisung zu den Justiz-Stellen enthalten. Zu dieser Meinung gieng auch Herr geheimer Rath von Krenner der jüngere über. Die Herren geheimen Räthe Freiherr von Aretin und von Effner waren der Meinung, den Rekurs ohne allen Beisaz abzuweisen. Geheimer Rath Herr Graf von Welsberg vereinigte sich mit dem Antrag des Herrn Referenten.
In Folge dieser Abstimmungen war die Mehrheit der Mitglieder für die Meinung, den Rekurs ab, und an die geeignete Justiz Stelle zu verweisen. Da aber in {4r} der Entscheidung des General-Kommißariats das Nämliche liegt, und im Grunde alle Abstimmungen in dem Zweke zusammen trafen, es auch für die erwähnte Kulturs Sache einige nachtheilige, nicht in der Absicht des geheimen Rathes liegende Folgen haben könnte, wenn die Sache durch einen geheimen Raths-Schluß directe an die Justiz-Stellen hingewiesen würde,
so wurde sich vereinbaret, die Entscheidung des vormals bestandenen General Kommißariats des Main-Kreises vom 18ten Juni 1810 simpliciter zu bestätigen.
Verweigerte Quartiersabgabe (R)
In der Streitsache zwischen der Gemeinde Hürnheim und Wiesenbeitzern zu Schmähingen beantragt Welsberg, die Beschwerde der Gemeinde abzuweisen und die Entscheidungen der Vorinstanzen zu bestätigen. Der Geheime Rat folgt dem Antrag.
3. Über die Rekurs Beschwerde der Gemeinde Hirnheim263 wider verschiedene Wiesen-Besizer zu Schmähingen264 wegen verweigerter Quartiers Anlage265 erstattete der königliche geheime Rath Herr Graf von Welsberg schriftlichen Vortrag, und bemerkte, daß in dieser Sache bereits zwei gleichlautende Entscheidungen vorliegen, und über den von der sachfällig gewordenen Gemeinde Hirnheim zur allerhöchsten Stelle ergriffenen Rekurs von der Ministerial Lehen- und Hoheits Section Bericht und Akten abgefordert, welche ihme sodann nebst einem umständlichen Vortrag der Section, worin ebenfalls auf Abweisung der Gemeinde angetragen werde, zum Referat zugetheilt worden.
{4v} Bei diesen Umständen und nach vorausgeschikter Erinnerung, daß über die Formalien nichts zu bemerken komme, glaube er Graf von Welsberg sich auch in merita kürzer faßen zu können.
Graf von Welsberg legte die Geschichte und den Veranlaß dieses Streites, so wie den Gang, den dieser Prozeß bei den zwei Instanzen genommen, aus den Akten vor, und machte, nachdem er seine Gründe angeführt, den Antrag, in dieser Rekurs Sache die beide Entscheidungen der ersten Instanz vom 9ten Juni, und des General-Kommißariats vom 7en September 1810 mit Kompensirung der Kösten vollkommen zu bestätigen. Der nach diesem Gutachten verfaßte Reskripts Aufsaz an das General-Kommißariat des Oberdonau-Kreises wurde abgelesen.
Auf die von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz-Minister Herrn Grafen von Montgelas über diesen Antrag verfügte Umfrage, vereinigten sich alle Mitglieder des geheimen Rathes mit der Meinung des Herrn Referenten
und so wurde der abgelesene, mit dem Antrage übereinstimmende Reskripts Aufsaz an das General Kommißariat des Oberdonau-Kreises von dem königlichen geheimen Rathe genehmiget.
Thurn und Taxis trägt in der Streitsache zwischen den Söldeninhabern und den Bauern in Meringerzell um Aufteilung eines Wiesengrundes vor. Da das Eigentum der Bauern an der Wiese nicht feststeht, kann ein Teilungsprozeß nicht eingeleitet werden. Die Entscheidung des Generalkommissariats ist zu bestätigen.
{5r} 4. In Sachen der Söldner zu Mehringerzell266 Landgerichts Friedberg contra die Bauernschaft allda, die Kultur- und Vertheilung eines Wießgrundes betreffend, erstattete der königliche geheime Rath Herr Graf von Tassis schriftlichen Vortrag, worin derselbe die Geschichte und den Veranlaß dieser Streitsache, so wie deßen Gang bei dem Landgericht und dem General Kommißariat267 heraushob, und die Gründe anführte, welche die Appellanten zu Unterstüzung ihrer gestellten Bitte angebracht.
Nach näherer Ausführung der bei dieser Streitsache vorwaltenden Umständen und nach Beurtheilung der Frage, ob die streitige Gründe Eigenthum der Bauern sind oder nicht, welche Referent als eine reine Justiz-Sache annahm und der Meinung war, daß in so lange, bis nicht im Wege Rechtens erkannt sei, der zur Abtheilung verlangte Grund seie ein Gemeinds Grund, von einem Gemeinde Theilungs Prozeß nicht die Rede sein könne, machte Graf von Tassis den Antrag: 1) das zweit richterliche Erkenntniß des General Kommißariats zu bestätigen, 2) die Kosten wegen Mangel an muthwilliger Streitsucht zu kompensiren, und 3) die ordnungswidrige Prozedur des Landgerichts Friedberg {5v} zu ahnden.
Der nach diesem Antrage verfaßte Reskripts Aufsaz von dem Herrn Grafen von Tassis [wurde] abgelesen, und nach der von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz-Minister Herrn Grafen von Montgelas veranlaßten Abstimmung
einstimmig von dem königlichen geheimen Rathe genehmiget.
Aufteilung eines Angers (R)
Thurn und Taxis trägt in der Streitsache zwischen der Gemeinde Poxdorf einerseits, der Gemeinde Königsfeld und dem Fiskus andererseits vor. Es geht um die Verteilung eines Angers. Fünf Geheime Räte glauben im Anschluß an den Vortrag des Referenten zunächst nicht abstimmen zu können, weil sie sich nicht ausreichend informiert sehen. Erst nach Verlesung der einschlägigen Dokumente schließen sie sich der Meinung der übrigen Geheimen Räte an, so daß ein einstimmiger Beschluß zustande kommt.
5. In Sachen der Gemeinde Boxdorf contra die Gemeinde Königsfeld268 Landgerichts Hollfeld im Mainkreise und den königlichen Fiscus als Eigenthümer der Zentendorfer Schäferei wegen Vertheilung des Boxdorfer Angers zur Kultur, erstattete der königliche geheime Rath Herr Graf von Tassis schriftlichen ausführlichen Vortrag, und führte die geschichtliche Verhältniße aus den Akten an, welche dieser Streitsache zum Grunde liegen, so wie er auch für nothwendig fand, in den schon 1½ Jahr andauernden Prozeß wegen dem Maaßstab der Vertheilung dieses Angers und die eingetretene Gemeinde Differenzien, der selbst bis zu dem Reichshofrath gekommen, zurük zugehen, weil derselbe auf die Entscheidung der vorliegenden Rechtssache den größten Einfluß habe.
Nachdem dieses durch Herrn Grafen von Tassis bewerkstelligt {6r} war, legte derselbe die neuere Verhandlung des Landgerichts Hollfeld269 und des General Kommißariats des Mainkreises und die Appellazions Schrift vor, welche innerhalb der Fatalien von der Gemeinde Königsfeld bei dem geheimen Rathe eingereicht worden.
Herr geheimer Rath Graf von Tassis gieng nun zu seinem Antrage in dieser Sache über, und bemerkte, daß rüksichtlich der Formalien die Partheien sich keiner Übertretung von gesezlichen Förmlichkeiten schuldig gemacht, die Fatalien sowohl als die Legitimazionen gehörig salviret und in Richtigkeit gebracht seien, wohl aber habe das Landgericht mehrere wesentliche Unförmlichkeiten begangen, welche allerdings eine Ahndung verdienten.
Quoad Materialia beruhe nach der Meinung des Herrn Referenten der Prozeß auf der Frage: was haben die Appellanten durch den Bescheid von 1651, das Vergleichs Protokoll von 1714, und die Dekrete der Regierung und des Domkapitels von 1718 und 1791 erwiesen270?
Graf von Tassis zeigte, daß sie nach seiner Ansicht alles bewiesen wie die Sachen liegen, nichts aber, wie die Partheien argumentiren, denn er halte {6v} die Verordnung vom 9ten November 1809 [!] für die Basis der Entscheidung. In dieser Verordnung seie ein Jahr als praeclusiver271 Termin für die Praesentazion der reichsgerichtlichen Prozeße festgesezt272. Diesen hätten die Partheien fruchtlos verstreichen laßen, wenigstens nicht darauf exzipiret273, und ihre ganze Deduction laße diese Contumacia274 auch mit allem Grunde vermuthen, folglich erwachse das Urtheil von 1651 in rem judicatam275, und der Appellanten jus compascui illimitatum276 folge nothwendig daraus, da jener Bescheid keine Einschränkungen des Hutrechtes enthalte.
Aus mehreren in dem Vortrage weiter ausgeführten rechtlichen factischen Umständen bewies Graf von Taßis, daß diese Streitsache am 9ten November 1806 wirklich noch bei dem Reichshofrathe anhängig war, und daß in den Akten keine Spur von einer wirklichen Reasumtion277 deßelben sondern blos von Vergleichs Versuchen vorkomme, welche durante Prozeße auch bei dem Unterrichter tentirt werden können, und woraus nie eine Verzichtleistung auf Appellazion oder irgend ein Recht erfolge.
Die Erklärung der Königsfelder Gemeinde vom 26 Juni 1653 {7r} enthalte, wenn sie auch quoad formalia zu Recht beständig sei, durch das Wort, bis zur Reaßumirung ausdrüklich nur ein Provisorium, keineswegs aber eine Verzichtleistung auf ihr aus dem Bescheid von 1651 erwachsenes Recht.
Übrigens scheinen dem Referenten der Bescheid von 1651 ausgenommen, alle übrige von beiden Partheien produzirte Protokolle zwär [!] ächt aber nicht relevant. Aecht seien sie, denn sie lägen bei den Gerichts Akten, und hätten also allezeit Praesumzionen juris278 für sich, allein irrelevant blieben sie nichts destoweniger, weil weder anno 1653 noch 1714 die ganze Gemeinde bei den Verhandlungen gegenwärtig gewesen, und Deputirte immer ein Vollmacht nöthig gehabt, wenn gleich im 17ten Jahrhundert nach damaligen Gesezen die Unterschrift der Partheien und des Aktuars Vormerkung keine Essentiale eines Protokolls gewesen; und durch die amtliche Autorität ersetzt worden.
Übrigens enthalte die Bemerkung, der von den Boxdorfern geschehenen Prohibition sowohl in einem besondern Protokoll als am Ende des Vergleichs Aufsazes den besten Beweis gegen die Consumation des Vergleiches und alle die {7v} spätere Regierungs- und Domkapitlische Dekrete enthielten kein Wort von einer geschehenen Ratification, sondern alle sprächen nur von der Ungleichheit eines Vergleichs, und die Genehmigung des Domkapitels habe nicht umgangen werden können.
Was nun den Zeugenbeweis betreffe, so sei derselbe von Seite des Fiscus erschöpfend und vollständig auf sein unbeschränktes Doppelhutrecht geführt worden, desto irrelevanter seie aber der Gegenbeweis der Gemeinde Boxdorf gewesen, welcher ein jus prohibendi, das aus dem seltenen Gebrauche des gegentheiligen Rechtes niemals folge, auf keine Weise erwiesen habe.
Über die Quantitaet der Entschädigungs Theile scheinen die erstere Außagen der Schäzleute am ächtesten zu urtheilen, und der Widerruf in der Folge bei dem einen wenigstens durch Induction des Amts bewirkt zu sein. Daß die Gemeinde Boxdorf Eigenthümerin des Angers sei, und denselben beßer benuzen könne, werde nicht widersprochen. Ihre Ansprüche auf einen Vorzug in dieser Hinsicht vor den Königsfeldern litten keinen Zweifel, seien auch in der Natur der Sache und Billigkeit gegründet.
Der Antheil des Fiscus seie {8r} nur bestritten, weil derselbe in den zwei richterlichen Erkenntnißen auf 3/8 des oberen und ½ des untern Angers bestimmt, und dagegen von keiner Parthei appellirt worden.
Die Prozeßkosten endlich betreffend, so müßten diese wohl kompensirt werden, da zwei verschiedene Urtheile der untern Instanzen vorlägen. Demnach scheine von dem geheimen Rathe das Erkenntniß dahin abgefaßt werden zu müßen, „daß dem Fiscus 3/8, der Gemeinde Boxdorf 3/8 und der Gemeinde Königsfeld 2/8 des oberen Angers, den leztere nur allein in Anspruch nehme, von dem untern Anger hingegen dem Fiscus die Hälfte und der Gemeinde Boxdorf die Hälfte mit Kompensazion der Unkosten zuerkannt werde“.
Auf die in dem ersten richterlichen Bescheid der Gemeinde Boxdorf auferlegte Entschädigung an den Fiscus von 12 Simmern279 Korn könne keine Rüksicht genommen werden, weil das General Kommißariat in seinem Erkenntniß davon abstrahire, und der Fiscus nicht dagegen appelliret, folglich jeder Anspruch dieser Art ipso facto dadurch niedergeschlagen werde.
{8v} Als Folge der von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas verfügten Umfrage wurde in den Akten nachgesehen, ob die Gemeinden Boxdorf und Königsfeld den von Seiner Majestät dem Könige in der Verordnung vom 9. November 1806 gesezten Termin von einem Jahre zu Prosequirung der bei den Reichsgerichten anhängig gewesenen Streit-Sachen haben vorbeigehen laßen oder nicht280, und da sich bezeuget, daß der Streit wirklich innerhalb dieses Zeitraumes fortgesezt worden, folglich die Entscheidung nicht in Rechtskraft übergegangen, so stimmten Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg, dann die Herrn geheimen Räthe Grafen von Preising, von Arco der ältere [d.i. Ignaz], von Törring, von Zentner, von Krenner der jüngere [d.i. Franz], Freiherr von Aretin und von Schenk auf Bestätigung des Erkenntnißes des General-Kommißariats des Mainkreises vom 29 Dezember 1809, und auf einen Verweis für das Landgericht Hollfeld mit Umgehung des von dem geheimen Raths Referenten vorgeschlagenen neuen Maaßstabes der Vertheilung.
Die geheimen Räthe Graf {9r} Carl [Maria] von Arco, von Effner, Freiherr von Asbek von Feuerbach und Graf von Welsberg aber erklärten, sie fänden sich außer Stande, in dieser Sache abzustimmen, weil sie durch den Vortrag des Referenten von den Protokollen und Verhandlungen von den Jahren 1651 und 1653, dann von den Vergleichen von 1714 und die hierauf verfolgt sein sollende Ratificationen nicht gehörig unterrichtet worden, und eine genaue Kenntniß dieser Aktenstüke um so nothwendiger sei, als ohne diese der vorgetragene Gegenstand nicht beurtheilet noch weniger darüber abgestimmt werden könne.
Bei diesen Äußerungen erklärten Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas, daß Sie sich außer Stande gesezt sähen Majora auszusprechen, da fünf Mitglieder des geheimen Rathes sich geäußert, sie könnten wegen nicht zureichender Informazion nicht stimmen. Sie glaubten, bei diesen Verhältnißen müße reproponirt werden.
Als die Herrn geheimen Räthe sich zu einer Reproposizion dieser Sache verstanden hatten, suchte Geheimer Rath Graf von Arco die Protokolle und Vergleiche in den Akten auf, worauf es nach der Ansicht der fünf Herrn geheimen Rathe, die nicht abstimmen zu können sich geäußert, {9v} vorzüglich ankomme, las dieselbe ab, und da sich daraus zeigte, daß sie gar nicht von Erheblichkeit, und keineswegs in solcher Form abgefaßt, daß sie Glauben verdienen, eine Ratification des Vergleichs aber gar nicht existire, so giengen die Herrn geheimen Räthe Graf Carl [Maria] von Arco, von Effner, Freiherr von Asbek von Feuerbach und Graf von Welsberg zu der Meinung über, welche die übrige Herrn geheimen Räthe geäußert, indem sie sich nun für hinlänglich unterrichtet erklärten, und so wurde einstimmig
von dem geheimen Rathe beschloßen das Erkenntniß des General-Kommißariats des Mainkreises vom 9ten Dezember 1809 zu bestätigen und dem Landgerichte Hollfelden sein Verfahren verweisen zu laßen.
Gewerbebeeinträchtigung (R)
Thurn und Taxis berichtet über den Streit zwischen mehreren Schiffsmeistern zu Obernzell und dem Handelsmann Sezinger in Untergriesbach. Der Geheime Rat stimmt dem Antrag zu, Sezinger zu erlauben, Waren auf eigenen Schiffen zu exportieren.
6. Geheimer Rath Graf von Tassis erstattete in Sachen der 4 Schiffmeister zu Oberzell281 gegen den Mathias Sezinger bürgerlichen Handelsmann zu Grießbach282 wegen Gewerbs-Beeinträchtigung schriftlichen Vortrag, worin derselbe den Veranlaß und die Geschichte dieser Streit-Sache auseinander sezte, die gerichtliche Verhandlungen der ersten und zweiten Instanz so wie ihre Erkenntniße mit den Entscheidungs Gründen vorlegte, die Zunftverfaßung der Schiffmeister, in so weit {10r} sie auf diesen Fall anzuwenden, anführte, und bemerkte, daß ad formalia nichts zu erinnern sei, daß aber das Landgericht Wegscheid283 sich einige Unförmlichkeiten habe zu Schulden kommen laßen. Quoad Materialia komme es hier auf zwei Fragen an. 1) Ist Sezinger Eigenthümer der von ihm verführten Waaren 2) Darf er als solcher diese Waaren auf eigenen Schiffen in das Ausland verführen.
Nachdem Graf von Tassis diese beide Fragen beantwortet hatte, machte derselbe den Antrag, zu erkennen, daß dem Rekurrenten die eigene Verschiffung seiner eigenen und erkauften Producten rechtlich zustehe, daß aber auf der andern Seite die Schiffmeister gegen Excesse des Sezingers gesichert, der Transport fremder Waaren und um Lohn aber möglichst verhindert werden müße, worüber das General Kommißariat zu wachen habe.
Die in dem Vortrage berührte spezielle Erlaubniß, zum eigenen Holztransport des Haußes Lendt et Comp. in Wien, eigne sich nicht zur Kompetenz des geheimen Rathes, und seie hierauf nichts zu beschließen. Eben so könnten die der Rekursschrift noch beigelegten zwei Briefe des Sezinger als nicht produzirte {10v} Nova nicht berüksichtiget werden, und die weitere Beschwerde des Sezinger wegen des Lendgeldes, die weder bescheiniget noch instruirt sei, müße ad separatum verwiesen werden.
Auf die über diesen Antrag von Seiner Excellenz, dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas verfügte Umfrage wurde einstimmig
von dem königlichen geheimen Rathe beschloßen, in der vorgetragenen Sache zu erkennen, daß dem Sezinger das Recht zustehe, sowohl seine eigene als erkaufte Landes-Produkte auf eigenen Schiffen gegen die gewöhnliche Abgaben in das Ausland frei zu verführen.
Von der angetragenen Verweisung der Beschwerde des Sezinger wegen dem Lendgelde ad separatum solle Umgang genommen werden.
Kriegskostenbeiträge (R)
Thurn und Taxis berichtet über den Streit zwischen einigen Gemeindemitgliedern und der Gemeinde Wolfersdorf wegen der Verteilung von Kriegslasten. Antragsgemäß stimmt der Geheime Rat zu, die Entscheidung erster Instanz zu bestätigen.
7. In Sachen des Erhard Federle et Cons. zu Wolfersdorf gegen die dortige Gemeinde wegen Konkurrenz zu Kriegs Lasten, erstattete der königliche geheime Rath Graf von Tassis schriftlichen Vortrag, und führte darin den Veranlaß dieser Streitsache, so wie das Verfahren des Landgerichts Pfaffenhofen284 als erste, und des General-Kommißariats des {11r} Naab-Kreises als zweite Instanz an, hob die Erkenntniße dieser beiden Instanzen nebst den Entscheidungs-Gründen aus, und machte, nachdem er die Rekurs-Schrift der Appellanten im Auszuge mitgetheilt hatte, aus mehreren vorgelegten Gründen den Antrag, die Entscheidung des Landgerichts als erste Instanz zu bestätigen, sohin zu erkennen, daß die Kastlische Unterthanen in Kriegs-Lasten nach dem von der Landesherrschaft bestimmten Hoffuß in Zukunft anrepartirt werden sollen, wo sie das für das Vergangene zu viel Bezahlte im Rechtswege reklamiren könnten.
In Folge der von Seiner Excellenz, dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas über diesen Antrag verfügten Umfrage, und auf die von dem Herrn geheimen Rath von Krenner dem jüngeren [d.i. Franz] gemachte Bemerkung, daß der Anspruch, die Kastlische Unterthanen können das für das Vergangene zu viel Bezalte im Rechtswege reklamiren, zu großem Druke der Gemeinde und zu manchen Nachtheilen führen, und deßwegen nur a die litis moto angewendet werden könne, wurde einstimmig beschloßen, {11v} den Bescheid des Landgerichts Pfaffenhofen als ersten Instanz zu bestätigen, und in deßen Folge zu erkennen, daß dem Erhard Federle et Cons. unbenommen bleiben solle, die allenfalls zu viel bezalte Quartiers-Kösten, jedoch nur a die litis moto zu reklamiren.
Bestätigung der vom Geheimen Rat entschiedenen Rekurssachen durch den König (17. Februar 1811).
Anmerkungen
Gemeint ist das den Grafen von Schönborn-Wiesentheid zugehörige, 1807 gebildete königlich bayerische Patrimonialgericht Pommersfelden. Vgl. Hofmann, Höchstadt-Herzogenaurach, S. 154f.
Das 1804 gebildete, 1808 dem Mainkreis zugeteilte Landgericht Höchstadt wurde im Zuge der neuen Kreiseinteilung 1810 dem Rezatkreis zugeordnet. Vgl. VO betr. die „Organisation der Landämter im Fürstenthum Bamberg“ vom 16. November 1804, RegBl. Franken 1804, S. 273; VO betr. „die Territorial-Eintheilung des Königreichs Baiern“ vom 21. Juni 1808, RegBl. 1808, Sp. 1481-1486, hier Sp. 1482; VO betr. die „Territorial-Eintheilung des Königreichs“ vom 23. September 1810, RegBl. 1810, Sp. 809-816, hier Sp. 810.
Eine sententia reformatoria ist ein das vorige Urteil ab- oder umänderndes Urteil. Hofstätter, Juristisches Wörterbuch, S. 385.
Anlage hier im Sinne von Abgabe, vgl. Adelung, Wörterbuch Bd. 1, Sp. 329 s.v. A.; DWB Bd. 1, Sp. 389 s.v. A.
Das Landgericht Friedberg gehörte von 1808 bis 1810 zum Lechkreis, danach zum Isarkreis. Vgl. VO betr. „die Territorial-Eintheilung des Königreichs Baiern“ vom 21. Juni 1808, RegBl. 1808, Sp. 1481-1486, hier Sp. 1484; VO betr. die „Territorial-Eintheilung des Königreichs“ vom 23. September 1810, RegBl. 1810, Sp. 809-816, hier Sp. 814.
Königsfeld gehörte vor dem Übergang an Bayern zum Territorium des Hochstifts Bamberg. [Bundschuh], Lexikon Bd. 3, Sp. 180f.
Praeclusiv: rechtsausschließend; ein präclusiver Termin markiert die Frist, nach deren Ablauf eine Rechtshandlung ausgeführt sein muß. Hofstätter, Juristisches Wörterbuch, S. 333 s.v. p.
Die VO betr. die „Prozesse bey den vormaligen Reichsgerichten“ vom 9. November 1806 [!], RegBl. 1806, S. 473, bestimmte, daß Parteien, die ihre bei den vormaligen Reichsgerichten anhängigen Prozesse fortzusetzen wünschten, dieses Begehren binnen eines Jahres „vom Tage dieser Bekanntmachung“ an bei den Justizstellen anzuzeigen hatten.
Excipiren: einwenden, erwidern. Hofstätter, Juristisches Wörterbuch, S. 178.
Contumacia: Ungehorsam, insbesondere das Ausbleiben oder Nichterscheinen vor Gericht, vgl. Schweizer, Fremdwörterbuch, S. 124 s.v. Contumaz; Neues allgemeines Handwörterbuch Bd. 1, S. 184f. s.v. Contumaz; Hofstätter, Juristisches Wörterbuch, S. 125.
Res judicata: eine rechtskräftig entschiedene Sache, Neues allgemeines Handwörterbuch Bd. 2, S. 427 s.v. res; Hofstätter, Juristisches Wörterbuch, S. 370 s.v. r. j.
Jus compascui (Koppelweide, Koppelhut) ist „die Mehreren auf denselben Grundstücken gemeinschaftlich zustehende Weide oder das gemeinsame Weiderecht. […] Eine Koppelweide ist ferner vorhanden, wenn Zweien oder Mehreren eine Weidegerechtigkeit auf einem fremden Gute zusteht“. Häberlin, Einleitung, S. 258; vgl. Gundling, Discourse, S. 733: „[…] ein Recht, Vermöge dessen, 2. und mehrere Nachbarn, aus Freundschaft, Einander die Weide, auf ihren Aeckern und Fluren, verstatten“.
Litis reasumtio bezeichnet die Wiederaufnahme eines Rechtsstreits. Hofstätter, Juristisches Wörterbuch, S. 274 s.v.
Praesumtio juris ist die gesetzliche, d.h. die in den Gesetzen selbst angezeigte Vermutung. Hofstätter, Juristisches Wörterbuch, S. 337 s.v. p. j.