BayHStA Staatsrat 288

10 Blätter. Unterschriften des Königs und des Ministers. Protokoll: Kobell.

Anwesend:

Staats- und Konferenzminister: Reigersberg.

Geheime Räte: Freiherr v. Weichs; v. Zentner; Graf v. Thurn und Taxis; Franz v. Krenner; Freiherr v. Aretin; v. Effner; v. Feuerbach; Graf v. Welsberg.

{1v} In der nach dem allerhöchsten Befehle Seiner Majestät des Königs auf heute angeordneten geheimen Raths-Versammlung wurden die königliche Herrn geheimen Räthe Freiherr von Weichs, Graf von Tassis, von Effner und Graf von Welsperg von Seiner Excellenz, dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Reigersberg, welche den Vorsiz führten, aufgerufen, die zur {1v} Entscheidung bearbeitete Gegenstände vorzutragen. In Folge dieser Aufforderung erstatteten

Mauthinterziehung (R)

Thurn und Taxis berichtet über den Streit zwischen Johann Michael Rückner und dem Hallamt Bamberg. Es geht um die Konfiskation von Rauchtabak als Folge einer Mauthinterziehung. Der Berichterstatter fordert, den Entscheid der Steuer- und Domänensektion zu bestätigen. Der Geheime Rat folgt dem Antrag.

1. Herr geheimer Rath Graf von Tassis in Sachen des Johann Michael Rükner zu Hallstadt1996 gegen das königliche Hallamt Bamberg wegen konfiszirten 643 Pfund Rauchtabak schriftlichen Vortrag, und legten dadurch und durch Ablesung des bei dem königlichen Maut- und Hall Oberamte Bamberg abgehaltenen Protokolles die Geschichte dieses Konfiskazions Falles vor, so wie dieselben auch die von den beiden ersten Instanzen gefaßte Erkenntniße nebst den Entscheidungs Gründen anführten.

Herr geheimer Rath Graf von Tassis äußerten hierauf quoad materialia, daß sowohl die Fatalien eingehalten als auch summa appellabilis vorhanden, indeme durch eine allerhöchste Verordnung bestimmt seie, daß bei Maut-Defraudazionen zu den 400 fl. nicht nur der Betrag der Haupt-Summe, sondern auch jener der Nebenstrafen mit einzurechnen komme1997. Quoad materialia machten Sie aus den in dem Vortrage angegebenen Entscheidungs Gründen, und da von dem klein stazionirten Rükner die aufgekommene {2r} die aufgekommene [!] Defraudazion ohnstreitig geschehen, den Antrag, das Erkenntniß der Steuer- und Domainen Section durchaus zu bestätigen.

Den nach diesem Antrage ausgefertigten Reskripts Aufsaz lasen Herr geheimer Rath Graf von Tassis ab. Einstimmig wurde in Folge verfügter Umfrage dieser Antrag von allen Herrn geheimen Räthe angenommen, und

sohin der abgelesene Reskripts Entwurf von dem königlichen geheimen Rathe genehmiget1998.

Weiderecht (R)

Weichs berichtet über den Streit zwischen Paul Hammerer in Auhof und Kleingütlern in Mörlach. Es geht um ein Weiderecht. Der Berichterstatter beantragt, Hammerer an die erste Instanz zu verweisen. In der Umfrage vertritt Zentner die Ansicht, daß der Geheime Rat nicht über die zuständige Instanz zu entscheiden hat, sondern einzig die Entscheide des Generalkommissariats zu bestätigen oder abzuändern hat. Der Geheime Rat schließt sich der Ansicht Zentners an und formuliert ein entsprechendes Reskript an das Generalkommissariat.

2. Wegen der Beschwerde des Paul Hammerer, Auhofsbesizers nächst Hilpoltstein im Oberdonau Kreise gegen die Kleingütler Johann Franz, Peter Mendle, Johann Majer et Consorten zu Merlach1999 wegen des von ersterem behauptet werdenden Weidrechts auf den Merlacher Espannen erstatteten Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs schriftlichen Vortrag.

Dieselben kamen zunächst auf jenen früheren Streit zurük, welchen benannter Auhofsbesizer im Jahre 1790 mit mehreren Gemeinden wegen Schaafweide gehabt und zeigten, wie derselbe {2v} im Jahre 1790 bei dem Landgerichte, im Jahre 1802 bei der Regierung von Neuburg, und im Jahre 1808 bei der Justiz Stelle in Ulm in lezter Instanz entschieden worden, und unterrichteten dann den königlichen geheimen Rath von dem Verlaufe des gegenwärtigen Streites, bis derselbe zur allerhöchsten Stelle gekommen, durch Ablesung des in dieser Sache bereits erstatteten Referates2000 und der von den Administrativ- und Justiz Stellen erfolgten Erkenntnißen.

Nach Würdigung dieser Streit Sache und der dieselbe begleitenden Umständen und nach Anführung Ihrer Gründen machten Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs den Antrag, dem General Kommißariate des Unterdonau Kreises zu reskribiren, daßelbe habe dem Paul Hammerer durch das Landgericht Hilpoltstein eröfnen zu laßen, wie sein gestelltes Gesuch dieß Orts zu bestimmen, welcher Instanz die Entscheidung seines Prozeßes in benanntem Gegenstande zustehe, nicht statt habe, und derselbe mit seinem weiteren Begehren mit Vertheilung der befraglichen Espannen Instand zu halten {3r} an die geeignete erste Instanz verwiesen werde.

Des Herrn Ministers Grafen von Reigersberg Excellenz verfügten über diesen Antrag die Umfrage. Herr geheimer Rath von Zentner äußerten Ihre Meinung dahin, daß Sie nicht glaubten, daß der geheime Rath über die Frage, bei welcher Instanz der an die Justiz Stelle gekommene Prozeß über die Präjudizial Frage: ob Hammerer ein Recht zur Weide habe oder nicht? eingeleitet werden solle, entscheiden könne, sondern sich darauf beschränken müße, die Entscheidungen des General Kommißariates, gegen welche der Rekurs eigentlich ergriffen worden, entweder zu bestätigen oder zu reformiren.

Nach dieser Voraussezung und nach Lage der Akten würden Sie daher das Erkenntniß des General Kommißariats vom 10 Mai 1811, wodurch dieser Gegenstand zu den Justiz Stellen verwiesen worden, bestätigen, ohne sich aber in die Bestimmung einer Instanz einzulaßen, wogegen Sie jenes vom 26 April 1811 dahin reformiren würden daß mit Vertheilung der Espannen so lange Instand {3v} so lange Instand [!] gehalten werde, bis die Präjudizial Frage durch die Gerichts Stelle entschieden.

Herr geheimer Rath Graf von Tassis suspendirten Ihr Votum, weil Dieselben als ehemaliger General Kommißär in dieser Sache bereits gesprochen2001.

Herr geheimer Rath von Krenner gaben den Wunsch zu erkennen, daß der königliche geheime Rath zu Beförderung der Entscheidung dieser Streit Sache die Instanz bestimmen mögte, welche nunmehr zu sprechen, vereinigten sich aber mit der Meinung, daß bis zu erfolgter Entscheidung der Präjudizial Frage mit Vertheilung der fraglichen Espannen Instand gehalten werde.

Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin erklärten sich in der Haupt Sache mit den Ansichten des Herrn geheimen Rath von Zentner verstanden, nur schlugen Sie folgende Faßung der geheimen Raths Entscheidung vor: „Seine Majestät der König hätten sich in dem geheimen Rathe umständlichen schriftlichen Vortrag erstatten laßen, und wollten es bei den beiden Entscheidungen des {4r} General Kommißariats vom 10 Mai und 26 April 1811 dergestalten belaßen, daß diese Streit Sache an die geeignete Justiz Stelle verwiesen, bis zu erfolgter Entscheidung aber mit der Vertheilung der Espannen Instand gehalten werde.“ Für diese Faßung spreche das Formulare, und die beiden Erkenntniße des General Kommißariats würden dabei als eines angesehen.

Die Herrn geheimen Räthe von Effner, von Feuerbach und Graf von Welsperg vereinigten sich mit den vom Herrn geheimen Rathe von Zentner über die Hauptsache gegebenen Ansichten und mit der von demselben vorgeschlagenen Faßung.

Nach dieser Abstimmung wurde von dem königlichen geheimen Rathe beschloßen

dem General Kommißariate des Oberdonau Kreises zu eröfnen, daß Seine Majestät der König den Beschluß des General Kommißariats vom 10 Mai 1811 bestätiget, jenen vom 26 April 1811 aber dahin abgeändert haben, daß bis zur Entscheidung der Präjudizial-Frage mit Vertheilung der Espannen Instand gehalten werde2002.

Schadensersatz (R)

Thurn und Taxis berichtet über den Streit zwischen Anton Häußler in Unterroth und der Gemeinde Ritzisried. Es geht um Schadensersatz in einem Fall von Weidenutzung. Der Berichterstatter erkennt keinen Anspruch auf Schadensersatz. Der Geheime Rat beschließt mehrheitlich, Häußler wegen Nichterreichens der Berufungssumme abzuweisen.

3. In Sachen des Anton Häußler zu Unterroth2003 Landgerichts Illerdießen gegen die Gemeinde Rizisried2004 {4v} gräflich Fuggerischen Untergerichts Weißenhorn wegen Weid Schadens Ersaz erstatteten Herr geheimer Rath Graf von Tassis schriftlichen Vortrag, in welchem Dieselben die Veranlaßung dieses Streites, die bisher erfolgten Erkenntniße der untern Instanzen nebst den Entscheidungs Gründen und die Bitte des Rekurrenten anführten, welche darin bestehe, contra lapsum fatalium in integrum restituirt zu werden, und die richterliche Kompetenz in dieser Sache auszusprechen.

Herr geheimer Rath Graf von Tassis bemerkten quoad formalia, daß dieser Gegenstand ein unbezweifelter Kulturs Streit seie, sonach in Beziehung auf Schadens Ersaz wegen versäumten Fatalien und Umgehung der geeigneten Behörde auf Desertionem zu erkennen sein werde, da Rekurrent keine solche neuere Gründe angegeben, welche eine Restituzion und eine nähere Würdigung der Materialien zur Folge haben könnten.

Herr geheimer Rath Graf von Tassis lasen den hierauf entworfenen Reskripts Aufsaz ab.

Auf die über diesen Antrag verfügte Umfrage stimmten die Herrn geheimen Räthe Freiherr von Weichs und von Zentner {5r} auf Bestätigung des Erkenntnißes des General Kommißariats des Iller Kreises.

Die Herrn geheimen Räthe von Krenner, von Effner, von Feuerbach und Graf von Welsperg erklärten sich aber für die vom Herrn geheimen Rathe Freiherrn von Aretin abgegebene Meinung, daß das Gesuch des Rekurrenten wegen der zur Appellazion nicht hinreichenden Summe als nicht devolut2005 abgewiesen werden müße, indeme bei diesem Rekurse, wobei nur um den Schaden nicht um das Recht zur Weide gestritten werde, nicht in Desertionem gesprochen werden könne, sobald die gesezmäsig vorgeschriebene Summe um die Appellazion ergreifen zu können2006, mangle.

Übereinstimmend mit dieser von der Mehrheit entwikelten Ansicht

erfolgte die Entscheidung des königlichen geheimen Rathes, und es wurde die Abweisung des Rekurrenten beschloßen, da keine hinlängliche Summe zur Berufung vorhanden2007.

Metzger in Nürnberg (R)

Effner berichtet über den Streit um den Anspruch auf die Schlachtbänke im vorderen Schlachthaus, den die „Altenbankmetzger“ in Nürnberg erheben. Insbesondere stellen sich zwei Fragen. Erstens, ob sich die Nutzung der Schlachtbänke aus Eigentumsrechten ergibt. Zweitens ist zu prüfen, ob die Verfügung der Polizei, wonach Schlachtbänke nicht vererbt werden können, aufrecht zu erhalten ist. Effner hält den Geheimen Rat in dieser Sache nicht für kompetent; zuständig sind vielmehr die Justizstellen. Vier Geheime Räte sowie der Minister Reigersberg schließen sich Effners Ansicht an, drei Geheime Räte sind dagegen. Der Antrag an den König bildet das differierende Meinungsbild ab. Der König verordnet, daß der Antrag dem Ministerium des Inneren zugestellt wird.

4. Wegen dem Vorrechte der sogenannten Altenbank Mezger in Nürnberg auf die Bänke im vorderen Schlachthauße daselbst lasen Herr geheimer Rath von Effner den Vortrag ab, der {5v} rüksichtlich dieser Sache bei der Ministerial Polizei Section erstattet worden, und sezten dadurch den königlichen geheimen Rath von der Geschichte des über dieses Vorrecht entstandenen Streites und der deßwegen erfolgten Entscheidungen der untern Instanzen in Kenntniß.

Herr geheimer Rath von Effner bemerkten, wie in vorliegender Gewerbs und Polizei Sache zwei Fragen zu entscheiden wären: 1) Sind die sogenannten Altenbank oder Erbbank Mezger im Besize wohlerworbener und wirklicher Eigenthums Rechten auf dem Nuzgebrauch der Bänken im vorderen Schlachthauße, oder sind sie nur Pächter dieser Bänken, und haben in lezter Hinsicht polizeiliche Verfügungen und Abänderungen statt. 2) War die Polizei Verfügung, nach welcher die bisherige Observanz, daß die Kinder und Wittwen die Bänke ihrer Väter und Männer wieder erhielten, als mit der dermaligen Gewerbs Verfaßung unverträglich abgestellt wurde, zwekmäsig oder soll es bei der alten Observanz belaßen werden. Die königliche Polizei Section habe die ganze Sache zur Kompetenz {6r} des königlichen geheimen Rathes geeignet gehalten, weil es sich von Eigenthums Rechten handle2008, welche die Altenbank Mezger angesprochen, und es seie dieselbe, da auch die Departemental Sizung gleicher Meinung gewesen, zum geheimen Rathe gegeben worden.

Aus den in dem Vortrage enthaltenen Gründen glaubten Herr geheimer Rath von Effner, daß nach Ihrem Dafürhalten die Entscheidung dieser beiden Fragen sich nicht zur Kompetenz des geheimen Rathes eigne, und suchten diese Ihre Meinung durch Widerlegung jener Ansichten zu rechtfertigen, welche die Polizei Direction und mit ihr das Stadt Commißariat in Nürnberg dann der Referent der Polizei Section aufgestellt. Durch die vorgelegte Gründe geleitet waren Referent wiederholt der Meinung, daß die Entscheidung der ersten Frage zur Kompetenz der Justiz Stellen und nicht des geheimen Rathes sich eigne.

Die Entscheidung der zweiten Frage falle von selbst dermal weg, weil die erste Frage präjudizial seie, und von der kompetenten Obrigkeit erst entscheiden werden müße. Nur in dem Falle, wenn das Urtheil über die Eigenthums Rechte der Altenbank Mezger zum Reßort der {6v} Justizstelle gehöre, würde die zweite Frage als cohaerent mit der ersten zugleich vom geheimen Rathe entschieden werden müßen. Sie seien daher der unzielsezlichen Meinung, daß die gegenwärtige Akten dem Ministerium des Innern mit der Aeußerung wieder zurükzugeben seien, daß die Entscheidung der Frage: ob den Altenbank Mezgern auf die vorderen Bänke ein nuzbares Eigenthums Recht gebühre, zu der Justiz Stelle geeignet gehalten werde. Übrigens bleibe es dem Ministerium anheim gestellt, ob die rekurrirende Mezgerschaft auf diesen Justizweg wolle ausdrüklich verwiesen oder nur erwartet werden, ob sie selbst diesen Weg einschlagen werde, oder ob nicht zu Vermeidung dieses Streites es bei der alten Observanz und bisher eingeführten Benuzung dieser Bänke, welche nach Ihrer Meinung eben nicht so directe gegen die dermalige Gewerbs Verfaßung anstoße, belaßen werden wolle.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg ließen über diesen Antrag abstimmen.

{7r} Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs erklärten sich mit dem Referenten verstanden.

Herr geheimer Rath von Zentner bemerkten, nach welchen Ansichten dieser Gegenstand bei der Departemental Sizung des Ministeriums des Innern beurtheilet, und aus welchen Gründen derselbe an den geheimen Rath gebracht worden. Die Frage: ob eine Gewerbs Streitigkeit zur Kompetenz der Justiz- oder Administrativ Stellen sich eigne, gehöre offenbar zum geheimen Rathe und müße von demselben entschieden werden. So wie Sie als Mitglied des geheimen Rathes die vorliegende Sache beurtheilten glaubten Sie allerdings mit dem Referenten, daß der Gegenstand nicht zu den Administrativ Stellen sondern zu jenen der Justiz gehöre, darin aber seien Sie mit dem Referenten verschiedener Meinung, daß Sie den Gegenstand nicht an das Ministerium des Innern mit der angetragenen Aeußerung zurükgeben, sondern durch den geheimen Rath die Entscheidungen der Administrativ Stellen als inkompetent aufheben und erkennen laßen würden, daß der gegenwärtige Streit als eine Justiz Sache zu den Justiz Stellen sich eigne.

{7v} Herr geheimer Rath Graf von Tassis vereinigten sich mit der Meinung des Herrn geheimen Rath von Zentner.

Herr geheimer Rath von Krenner äußerten eine jener des Referenten und der bisherigen Votanten entgegen gesezte Meinung, und glaubten nicht, daß dieser Gegenstand als eine Justiz Sache zu betrachten, sondern daß die Untersuchung und Entscheidung des vorliegenden Falles als eine Polizei Sache blos zum Ministerium des Innern gehöre, und an daßelbe lediglich zurükzugeben seie, welches sohin beurtheilen würde, ob diese Vorrechte der Altenbank-Mezger als staatsschädlich aufgehoben werden müßten oder ob es beim Alten belaßen werden könnte. Der geheime Rath könne hierin als Administrativ Richter nicht sprechen, da keine Kläger und keine Beklagte vorhanden, und der Gegenstand nicht nach den für die Administrativ Justiz gegebenen Vorschriften instruiret worden, noch so habe instruiret werden können.

Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin giengen bei Ihrer Abstimmung von gleichen Ansichten wie Herr geheimer Rath von Krenner aus, und beurtheilten die Gründe für überwiegend, {8r} nach welchen dieser Gegenstand nicht zu den Justiz Stellen geeignet angenommen wird, da weder von einem wahren noch einem nuzbaren Eigenthume die Rede sein könne, sondern die hier eingetretene Verfügung mit jener etwas ähnliches habe, welche wegen den Gewerben überhaupt eingetreten, und wogegen niemal der Justizweg einzuschlagen gestattet worden. Ihren Ansichten nach walte hier kein Eigenthums Streit ob, und könne keiner obwalten, Sie würden daher den Gegenstand an das Ministerium des Innern jedoch nur mit der Aeußerung zurükgeben, daß der geheime Rath denselben nicht zur Administrativ Justiz gehörig beurtheile, sondern die Entscheidung lediglich dem Ministerium des Innern überlaße. Wenn Sie über die Hauptsache selbst sich zu äußern hätten, so würden Sie für Annahme des Vorschlages der Neumetzger stimmen.

Herr geheimer Rath von Feuerbach waren mit dem Referenten der Meinung, daß der geheime Rath in dem gegenwärtigen Falle nicht kompetent seie, und nicht sprechen könne, indeme derselbe Ihren Ansichten {8v} nach eine reine Justiz Sache seie. Sie vereinigten sich mit dem Antrage des Referenten.

Herr geheimer Rath Graf von Welsperg äußerten die Meinung, daß Sie den geheimen Rath für den vorliegenden Fall vollkommen kompetent beurtheilten, und nach der allerhöchsten Verordnung über die Kompetenz des geheimen Rathes2009 sich nicht überzeugen könnten, daß nach vorläufig anzuordnender Administrativ Instrukzion der Fall der gekränkten Gewerbs Rechten der Altenbank Mezger in Nürnberg einer andern Stelle als dem geheimen Rathe zur Entscheidung zustehe. Sie würden daher die vorläufige Instrukzion im administrativ Wege den untern Instanzen auftragen, und wenn hiegegen die Appellazion ergriffen würde, die richterliche Entscheidung des geheimen Rathes eintreten laßen.

Diese Abstimmungen gaben eine überwiegende Mehrheit von 5 Stimmen für den Saz: daß der vorliegende Fall nicht zur Kompetenz des geheimen Rathes sondern zu jener der Justiz Stellen sich eigne, welcher Saz auch von des Herrn Ministers Grafen von Reigersberg Excellenz in Folge der Mehrheit {9r} als Beschluß des geheimen Rathes ausgesprochen wurde.

Da aber über die Art, wie diese Meinung des geheimen Rathes der einschlägigen Stelle eröfnet werden solle, sich eine Verschiedenheit in der Abstimmung ergab, indeme nämlich einige dieser fünf Stimmenden diesen Beschluß als Erkenntniß des geheimen Rathes ausgefertiget, andere aber denselben dem Ministerium des Innern als Aeußerung des geheimen Rathes nach des Referenten Vorschlag eröfnet haben wollten, so verfügten Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg über die zweite Frage eine wiederholte Umfrage.

Alle Herrn geheimen Räthe blieben bei ihrer schon geäußerten Meinung, und es wurde sohin nach einer Mehrheit von drei Stimmen, nämlich jener der Herrn geheimen Räthen Freiherr von Weichs, von Effner und von Feuerbach der Beschluß des geheimen Rathes dahin ausgesprochen

daß nach der Meinung des Referenten ein allerunterthänigster Antrag vorgelegt werden solle

indeme die Herrn geheimen Räthe von Zentner und Graf von Tassis {9v} durch ein Erkenntniß des geheimen Rathes die Entscheidung der Administrativ Stellen aufheben und aussprechen wollten, daß der vorliegende Gegenstand zu den Justiz Stellen gehöre, die Herrn geheimen Räthe von Krenner und Freiherr von Aretin aber den Gegenstand nicht zur Kompetenz des geheimen Rathes, und nicht zu jener der Justiz Stellen, sondern lediglich zur Entscheidung des Ministeriums des Innern geeignet beurtheilten, wogegen Herr geheimer Rath Graf von Welsperg für die Kompetenz des geheimen Rathes in dem vorliegenden Falle stimmten, und demselben nach vorläufiger Instruirung im Administrativ Justiz Wege die Entscheidung zuständig glaubten.

Holzverkauf (R)

Welsberg berichtet über den Streit zwischen den berechtigten und den nicht berechtigten Holzhändlern in Vöcklabruck. Er beantragt, den Entscheid des Generalkommissariats des Salzachkreises zu bestätigen. Der Geheime Rat folgt dem Antrag.

5. Über den Rekurs der berechtigten gegen einige unberechtigte Holzhändler im Landgerichte Vöklabruck2010 im Salzach Kreise wegen Holz-Verkauf erstatteten Herr geheimer Rath Graf von Welsperg schriftlichen Vortrag, in welchem Sie zuerst die zweifache Ansicht dieser Streit Sache entwikelten, und äußerten, daß, da in dieser Sache ein vollständig und den Akten ganz getreuer Vortrag der Polizei Section {10r} vorliege, Sie glaubten, denselben in Ihrem Vortrage aufnehmen zu können.

Herr geheimer Rath Graf von Welsperg lasen diesen Vortrag der Polizei Section ab, und machten, nachdeme Sie auch Ihre Ansichten über jene des General Kommißariats und der Ministerial Polizei Section vorgelegt, und die Anstände wegen den Fatalien auseinander gesezt hatten, den Antrag, daß der geheime Rath, wenn er in dieser Sache schon als Justiz Behörde handle, den Anstand der Formalien allerdings als eine geschehene Sache übergehen könne, und daher das Erkenntniß des General Kommißariats vom 4 April 1811 zu bestätigen. Übrigens glaubten Herr geheimer Rath Graf von Welsperg, daß nach dem Antrage der Polizei Section dem Finanz Ministerium von der Sache Nachricht zu ertheilen wäre, um dem Förster Eichsleben in Timmelkam2011 allen ferneren Holz-Handel, so lange er in Forstdiensten stehet, zu untersagen.

In Folge verfügter Umfrage suspendirten Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs Ihr Votum, weil Sie rüksichtlich ihres Gutes im Salzach Kreise betheiliget.

{10v} Die übrigen Herrn geheimen Räthe aber erklärten sich für die Bestätigung des Erkenntnißes des General Kommißariats des Salzachkreises vom 4 April 1811.

Es wurde sohin von dem königlichen geheimen Rathe beschloßen, dieses Erkenntniß des General Kommißariats des Salzachkreises vom 4 April vorigen Jahres zu bestätigen2012.

Der König verordnet, daß der Antrag des Geheimen Rates zu TOP 4 dem Ministerium des Inneren zugestellt werden soll; ferner bestätigt er die Entscheidungen des Geheimen Rates zu TOP 1, TOP 2, TOP 3 und TOP 5 (29. September 1812).

Anmerkungen

1996

Hallstadt, Landkreis Bamberg, Oberfranken.

1997

So normiert in der VO betr. die „Vervollständigung der Kompetenzregulirung des königlichen geheimen Rathes in administrativ, polizeilich und finanziellen Gegenständen“ vom 8. August 1810, Tit. I Art. 3, RegBl. 1810, Sp. 644. Weitere Bestimmungen hinsichtlich der Mautstraffälle traf die VO betr. die „neue Zoll- und Maut-Ordnung, nebst den damit verbundenen Tarifen“ vom 23. September 1811, §§ 119-134, RegBl. 1811, Sp. 1386-1390.

1998

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 1650.

1999

Mörlach, Ortsteil von Hilpoltstein, Landkreis Roth, Mittelfranken.

2000

Vgl. Protokoll Nr. 29 (Geheimer Rat vom 1. August 1811), TOP 1.

2001

Das Landgericht Hilpoltstein wurde 1808 dem Altmühlkreis zugeteilt; als Generalkommissär fungierte Thurn und Taxis (RegBl. 1808, Sp. 1859/1860). In der Kreisreform 1810 ging der Altmühlkreis mit Ausnahme des Landgerichts Riedenburg im Oberdonaukreis auf. Vgl. VO betr. die „Territorial-Eintheilung des Königreichs Baiern“ vom 21. Juni 1808, RegBl. 1808, Sp. 1483; VO betr. die „Territorial-Eintheilung des Königreichs“ vom 23. September 1810, RegBl. 1810, Sp. 812.

2002

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 1650.

2003

Unterroth und Illertissen, Landkreis Neu-Ulm, Schwaben.

2004

Ritzisried, Ortsteil von Markt Buch, Landkreis Neu-Ulm, Schwaben.

2005

Wenn ein Rekurs als nicht devolut abgewiesen wird, wird er für wirkungslos erklärt. Vgl. Wilster, Handwörterbuch S. 66 s.v. Devolutivus effectus.

2006

An den geheime Rat konnte ab einem Streitwert von 400 Gulden appelliert werden, vgl. VO betr. die „Vervollständigung der Kompetenzregulirung des königlichen geheimen Rathes in administrativ, polizeilich und finanziellen Gegenständen“ vom 8. August 1810, Tit. I Art. 2, RegBl. 1810, Sp. 644.

2007

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 1650.

2008

Gemäß VO betr. die „Vervollständigung der Kompetenzregulirung des königlichen geheimen Rathes in administrativ, polizeilich und finanziellen Gegenständen“ vom 8. August 1810, Tit. I Art. 2 Nr. 17, RegBl. 1810, Sp. 644, hatte der Geheime Rat die Entscheidungskompetenz bei „Beschwerden, die aus einer durch das Verfahren der Unterbehörden entstandenen Kränkung des Eigenthums entspringen“, sofern die Berufung an das Appellationsgericht nicht gestattet war.

2009

RegBl. 1810, Sp. 642-646.

2010

Vöcklabruck, Politischer Bezirk Vöcklabruck, Oberösterreich.

2011

Timelkam, Politischer Bezirk Vöcklabruck, Oberösterreich.

2012

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 1650.