BayHStA Staatsrat 217
12 Blätter. Unterschriften des Königs und der Minister. Protokoll: Kobell.
Anwesend:
Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Reigersberg.
Geheime Räte: Graf v. Preysing-Hohenaschau; Ignaz Graf v. Arco; Graf v. Toerring-Gutenzell; v. Zentner; Johann Nepomuk v. Krenner; Graf v. Thurn und Taxis; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; v. Schenk; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach; Graf v. Welsberg.
Bierpreis
Carl Maria Graf von Arco setzt seinen Vortrag über den Bierpreis fort. Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Frage, ob der Bierpreis von der Regierung vorgeschrieben werden oder sich unter Konkurrenzbedingungen bilden soll. Zur Einstimmung verliest Asbeck einen Aufsatz, in dem er für das Konkurrenzsystem wirbt. Bis auf Reigersberg, der unter bestimmten Umständen bereit wäre, das Konkurrenzsystem einzuführen, lehnen die Geheimen Räte Asbecks Ansichten schlichtweg ab. Die Diskussion der weiteren Frage, ob der Endverbraucherpreis nach dem Schank- oder dem Ganterpreis zu bilden ist, führt zu einer ausführlichen Stellungnahme des Referenten Arco. Nach der Mehrheit wird entschieden, den Abgabepreis nach dem Ganterpreis zu bilden. Der Bierzwang wird nicht wieder eingeführt.
{1r} Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas, welche bei Verhinderung Seiner Majestät des Königs in der auf heute angeordneten geheimen Raths Versammlung den Vorsiz führten, foderten {1v} den geheimen Rath Grafen Carl [Maria] von Arco auf, seinen Vorschlag abzugeben, wie über die wegen dem Biersaz noch zu lösende Fragen abzustimmen
Geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco legte seine Vorschläge vor, wie in der gegenwärtigen Sizung die Ordnung der noch anzuhörenden Abstimmungen einzuhalten, und welche Fragen bei der Votation über das Ganze aufzustellen334. Diese Ordnung ändere sich nur dadurch einigermaßen, daß geheimer Rath von Krenner der jüngere [d.i. Franz] eine lytographirte weitere Abstimmung *Beilage I* [Marginalie]335 und geheimer Rath Graf von Welsberg ein schriftliches Votum nachgebracht, und diese beide nun eingereichet werden müßten336.
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas äußerten, da die Mitglieder des geheimen Rathes alle Elemente dieses wichtigen Gegenstandes gehört, und in den früheren Sizungen sich mit den verschiedenen Gutachten und Berechnungen über den Saz des Biers sowohl, als über die dabei eintretenden Nebenrüksichten vertraut gemacht, so glaubten Sie, daß gegenwärtig zu Beurtheilung der Frage geschritten werden müße: a) Solle künftig ein Biersaz {2r} von der Regierung geschrieben, oder soll die Fabrication dieses Artikels der freien Konkurrenz überlaßen werden?
Seie diese Frage gelöset, dann könne man erst zu der zweiten und dritten, welche von der ersten abhängig, schreiten, und sich darüber bestimmen b) soll der Saz nach dem Schank- oder dem Ganter-Preiße bestimmt werden? und c) welche Mittel müßen angewendet werden, um diesen Verordnungen der Regierung Kraft zu geben, und das Verhältniß der Wirthe zu den Bräuern genau zu bestimmen? Ist hiezu der von dem Grafen von Arco dem älteren [d.i. Ignaz] vorgeschlagene Bierzwang wieder einzuführen, oder welch andere Mittel sind hiezu geeignet?
In Folge dieser Aeußerung foderten Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas den geheimen Rath Freiherrn von Asbek auf, seine lytographirte Abstimmung *Beilage II* [Marginalie] und seine darin angeführten Gründe zur freien Konkurrenz des ganzen Bier Fabrikazions-Wesens ohne alle Taxe von Seite der Regierung abzulesen337.
Als geheimer Rath Freiherr von Asbek dieser Aufforderung {2v} Genüge gethan, und in einem Nachtrage338 seine Ansichten und Vorschläge auch für den Fall vorgelegt hatte *Beilage III* [Marginalie], wo die Schwierigkeiten, die sich der freien Konkurrenz entgegen stellen, dem Tax Sisteme die Oberhand verschaffen und Taxen sein und bleiben müßten, und als auch geheimer Rath Graf von Arco der ältere [d.i. Ignaz] seine Ansichten über das Sistem der freien Konkurrenz entwikelt hatte339 *Beilage IV* [Marginalie] verfügten Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz-Minister Herr Graf von Montgelas die Abstimmung über die Frage: Soll künftig von der Regierung ein Biersaz geschrieben werden, oder solle bei der Fabrication und dem Verschleiße des Biers die ganz freie Konkurrenz eintreten?
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz-Minister Herr Graf von Reigersberg erinnerten in Ihrer dem Protokoll beiliegenden schriftlichen Abstimmung340 den Wunsch, *Beilage V* [Marginalie] daß in dieser für Baiern so wichtigen Sache kein definitiver Beschluß ohne die in der Konstituzion des Reichs ernannte Nazional-Representazion341 vernommen zu haben, gefaßt werden möge, und äußerten sich hierüber ausführlich. Über {3r} die vorgelegte Frage aber gaben Sie primaria Ihre Meinung dahin, daß um dem Konsumenten die wohlfeile Befriedigung des ersten Lebensbedürfnißes zu sichern, Sie provisorisch die Festsezung einer *nach den verschiedenen Kreyßen des Reichs zu regulirenden* [Ergänzung mit Bleistift auf der rechten Blatthälfte; andere Hand] Bier-Taxe *wie bisher geschah* [Ergänzung mit Bleistift auf der rechten Blatthälfte; andere Hand] als Maximum annehmen, dem Bräuer aber wohlfeileren Absaz nach seiner Willkühr unbedenklich gestatten würden. Im Falle jedoch, wie Sie bereits bemerkt, ein definitiver *von dem [!] bisherigen Verfahrung der Regierung abweichender, die verschiedene Verhältnißen in den Kreyßen nicht berüksichtigender* [Ergänzung mit Bleistift auf der rechten Blatthälfte; andere Hand] Beschluß begutachtet werden wollte, treten Sie secundario der Abstimmung des geheimen Rath Freiherrn von Asbek bei.
Geheimer Rath von Preising erklärte sich gegen das Sistem der freien Konkurrenz, und äußerte, über dieses Problem seien schon die Anstände diskutirt und gezeigt worden, daß just die Bierfabrik nothwendig unter eine höhere Aufsicht gestellt werden müße, wenn nicht die Bräuer die Wirthe, oder auch umgekehrt, einer den andern übervortheilen solle. Die Schrannen und Hopfenpreiße könne nur die Regierung vom ganzen Lande wißen, und dadurch könne eine billige Tariffe gemacht werden.
Geheimer Rath Graf von Arco der ältere [d.i. Ignaz] stimmte ebenfalls unter Beziehung auf die in seinem schriftlichen Voto geäußerten {3v} Gründen und Rüksichten gegen das Sistem der freien Konkurrenz und für eine Bier Taxe.
Geheimer Rath Graf von Törring äußerte, nach der Abstimmung Seiner Excellenz des Herrn Justiz Ministers [Reigersberg] würde er Bedenken tragen, über diesen Gegenstand seine Meinung vorzulegen, da er Besizer von fünf Bräuhäußern sei, und folglich als partheiisch erscheinen könnte, wenn er nicht das volle Bewußtsein und die Gewißheit hätte, der geheime Rath halte sich überzeugt, daß seine Pflichten gegen Fürst und Vaterland und das Intereße an dem gemeinen Wohle des Staates ihn allein leite, und jede eigennüzige Privat Absicht unterdrüke.
Wäre ein Staat neu zu bilden, so würden sie dem Vorschlage des Freiherrn von Asbek für die freie Konkurrenz vollkommen beistimmen, allein für einen schon bestehenden Staat, für die Lage, worin Baiern sich gegenwärtig befinde, könnte er dieses Sistem, welches sehr gewagt sei, und zu nicht zu berechnenden Folgen führen könnte, nicht anrathen, sondern er müße sich für einen Saz erklären.
Nach gleichen Ansichten stimmte geheimer Rath von Zentner, und {4r} erklärte sich aus den in dem beiliegenden schriftlichen Voto entwikelten Gründen *Beilage VI* [Marginalie] gegen das Konkurrenz Sistem und für die Bestimmung eines Sazes342.
Auch geheimer Rath von Krenner der ältere [d.i. Johann Nepomuk] erklärte sich für den Saz, indem das Wagestük der freien Konkurrenz theuerer und schlechteres Bier zur Folge haben, und nicht nur große Unzufriedenheit und vielleicht noch bedenklichere Folgen hervorbringen, und sicher mehrere Tausend jezt gut stehende Unterthanen zu Bettlern machen würde.
Geheimer Rath von Tassis stimmte wie geheimer Rath von Zentner, und schilderte seine Überzeugung lebhaft, daß aus der freien Konkurrenz allgemeine Unzufriedenheit entstehen würde.
Geheimer Rath von Krenner der jüngere [d.i. Franz] vereinigte sich mit den Ansichten, die geheimer Rath von Zentner in seiner schriftlichen Abstimmung entwikelt, und erklärte sich um so bestimmter für einen Saz, als der Versuch der freien Konkurrenz bei einem Gegenstande zu gewagt, der 3 Millionen Menschen rüksichtlich eines Lebens-Bedürfnißes intereßire und dem Staate 4 bis 5 Millionen Gulden jährlicher Einkünfte gebe. {4v} Auch seie eine Mittelperson zwischen dem Publicum und dem Bräuer, der Wirth, in dem Vortrage des Freiherrn von Asbek gar nicht berüksichtiget worden, die man nicht aus dem Auge verlieren dürfe, so wie die verschiedene Localitaeten der Städte und des Landes ganz entgegen gesezte Resultate liefern könnten. Im ersten Augenblike würde das Konkurrenz Sistem große Verwirrungen veranlaßen, und sicher das Bier viel theuerer und schlechter als bisher werden. Ob sich diese Gährung in der Folge noch sezen werde, seie eine bedenkliche nicht leicht zu lösende Frage.
Geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco äußerte, er könne von seiner gegebenen Meinung und von der gezeigten Nothwendigkeit eines Sazes, vorausgesezt, daß er auf billige Berechnungen beruhe, und die Konsumenten und Produzenten gleich berüksichtiget werden, aus den Gründen, die er gehört, nicht abgehen. Er erkläre sich daher für den Saz und gegen das Sistem der freien Konkurrenz.
Geheimer Rath Freiherr von Aretin erklärte sich ebenfalls für einen Saz und gegen die {5r} freie Konkurrenz, da er sich die Möglichkeit und Ausführbarkeit einer Konkurrenz in Beziehung auf das Verhältniß der kleineren Bräuer zu den größeren gar nicht versinnlichen könne, denn die Localitaet und große Verlags Capitalien entschieden hiebei das meiste, nicht zu berühren, wie sehr die Erträgniß des Staates durch den Aufschlag und die öffentliche Ruhe hiebei gefährdet werden könnten.
Von der theoretischen Richtigkeit des Vorschlages, so Freiherr von Asbek zu freien Konkurrenz gemacht, überzeugt, äußerte geheimer Rath von Effner, er würde dafür stimmen, wenn ein Versuch in dieser Sache nicht zu gewagt sei, und man voraussezen könne, es werde in der Anwendung nicht ungünstig auf eines der ersten Lebensbedürfniße des Publikums nicht nachtheilig auf die Staats Einnahmen wirken. Allein bei dem unsichern Resultate, das sich zeigen könne, erkläre er sich ebenfalls für die Bestimmung eines Sazes, würde aber dabei einen Schritt weiter gehen, und einen Mittelweg einschlagen, um die freie Konkurrenz, wenn man sie künftig nöthig und ausführbar finden sollte, vorzubereiten. Er würde nämlich zwar den Saz aussprechen, {5v} denselben aber weder als Minimum noch als Maximum erklären, sondern dem Bräuer nach seiner Konvenienz durch die Polizei gestatten laßen, auch Bier um einen höheren und um einen niederen Preiß als der Saz zu bräuen und abzugeben.
Geheimer Rath von Schenk theilte in seiner Abstimmung die Ansicht des geheimen Rath Grafen von Törring, daß wenn ein neuer Staat zu bilden wäre, er die freie Konkurrenz bei den Bierbräuern so wie bei allen übrigen Fabriken annehmen würde, denn daß dieses Sistem ausführbar sei, und nicht alle damit verbunden werden wollende nachtheilige Folgen habe, beweise die Erfahrung in England und Brabant. Allein bei einem schon gebildeten Staate, und bei den mannichfaltigen Rüksichten, die in diesem eintreten, stimme er für Beibehaltung eines Bier Sazes.
Die geheimen Räthe von Feuerbach und Graf von Welsberg vereinigten sich mit den Ansichten des geheimen Rath von Zentner, und stimmten für einen Saz.
Die Folge dieser Abstimmungen, nach welchen kein {6r} Mitglied des geheimen Rathes die Ansichten des Freiherrn von Asbek theilte, indem Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg nur secundario für dieselbe stimmten, war, daß nach der entschiedenen
Mehrheit beschloßen wurde, bei Seiner Majestät dem Könige allerunterthänigst darauf anzutragen, daß der Vorschlag zu einer freien Konkurrenz bei der Bier Fabrication nicht angenommen, sondern die Festsezung eines Bier Sazes nach den Berechnungen und Anträgen des geheimen Rathes, die in den früheren Protokollen vorgelegt worden, beibehalten werden mögte.
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas stellten nun die 2te und 3te Frage. 2) Soll die Bier Taxe nach dem Schank- oder Ganter-Preiß geschrieben werden?, und 3) soll der Bierzwang nach dem Vorschlage des Grafen von Arco des älteren [d.i. Ignaz] als Mittel, die Verfügungen der Regierung zu handhaben, wieder eingeführt werden, welche mit einander zusammenhängen, zur Discußion auf.
Geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco bemerkte, daß er sich {6v} aufgerufen fühle, dem versammelten geheimen Rathe seine Rechtfertigung über manche Stelle des heute Frühe vor der Sitzung erst vertheilten Voti des geheimen Rath von Krenner des jüngeren [d.i. Franz] mündlich vorzulegen, da es ihme nicht möglich sei, solches schriftlich zu thun, welches er bewerkstelliget haben würde, wenn ihme dieses Votum früher zugekommen.
Auch geheimer Rath Graf von Arco der ältere [d.i. Ignaz] machte die Mitglieder des geheimen Rathes aufmerksam, daß er bei dem gemachten Vorschlage der Wiedereinführung des Bier Zwanges nicht denjenigen im Auge gehabt, der vor dem Jahre 1799 bestanden343. Daß dieser nicht wieder eingeführt werden könne, davon halte er sich überzeugt, auch würde dieser nur für die adelige Bräuhäußer und nicht für alle anwendbar sein. Seine Absicht seie, diesen Zwang nach gewißen zu bestimmenden Arrondissements einzuführen, denn wenn man die Bräu Fabriken mit irgend einer Art von Zwange belege, so seie es gewiß unbillig, dagegen den Wirthen die volle Freiheit zu gewähren.
Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister foderten hierauf die geheimen Räthe von Krenner den jüngeren [d.i. Franz] {7r} auf, sein Votum wegen Annahme des Schank- oder Ganter-Preises344 *Beilage VII* [Marginalie], den Grafen von Welsberg, seinen Vorschlag durch Vervielfältigung der Ausschenker den Mißbräuchen der Wirthe Schranken zu sezen345 *Beilage VIII* [Marginalie], und den Grafen von Arco den älteren [d.i. Ignaz], seine endliche Zusammenstellung aller wegen dem Bräuwesen sich aus dem Gehörten ergebenen Fragen und ihre Beantwortung, abzulesen346. *Beilage IX* [Marginalie]
Als die beiden ersteren dieses bewerkstelliget, und geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco das Votum des Grafen von Arco des älteren [d.i. Ignaz] vorgelesen hatte, äußerte Graf Carl [Maria] von Arco, er könne nicht umhin, das Votum des geheimen Rath von Krenner des jüngeren [d.i. Franz] nach zwei Abtheilungen zu beleuchten. Erstens in Rüksicht auf einige Angriffe auf seine Person, und zweitens in Beziehung auf unrichtige Darstellung einiger Puncte der Haupt-Sache selbst.
Seite 12 mache geheimer Rath von Krenner der jüngere [d.i. Franz] dem Referenten den Vorwurf, als habe er auf einem Umwege die allerhöchste Absicht, den Bierzwang aufzuheben, so viel als möglich außer Wirkung sezen wollen.
Gegen diesen Ausfall auf {7v} Person glaube Referent durch Darstellung des Unlogischen dieses Sazes sich zu schüzen, denn gerade aus seinem Vortrage gehe der bestimmte Antrag hervor, den Bierzwang nicht wieder einzuführen, und er habe sich blos in seinen mündlichen Abstimmungen und nur in seiner nachträglichen Abhandlung subsidiarisch dazu verstanden, wenn das Mittel, nach dem Ganterpreiße zu schreiben, nicht angenommen, und auch kein anderer zwekmäsiger Vorschlag gefunden würde, den Mißbräuchen und Beschränkungen der Wirthe Schranken zu sezen.
Die Beschuldigung, als habe er den geheimen Rath durch eine falsche Darstellung induziren wollen, und nur für eine Klaße der Bräuer, die Adeligen geschrieben, widerlege sich von selbst, wenn man auf die Genauigkeit zurükgehe, mit welcher der ganze Hauptvortrag gefaßt und vorgetragen worden, auch werde man sich durch einen Rükblik auf den Vortrag überzeugen, daß er nicht wie Seite 18 gesagt werde, eine besondere Klaße habe begünstigen wollen.
Wegen der Einwendung Seite 14, daß das gute Bier nicht als oberster Zwek behandelt, wäre nur der Hauptvortrag nachzulesen, um sich zu überzeugen, {8r} daß die Verfertigung des guten Biers gerade als oberster Zwek aufgestellt aber dabei auch billiger und wahrer Saz und der geeignete Gewinn für den Wirth von 1 bis 3 Pfenningen nach Entfernung verschiedener Räume berüksichtiget werden.
Die Berechnung des jährlich getrunken werden sollenden Biers Seite 23 seie ganz übersezt, auch durch die folgende Säze nicht bewiesen, daß die Bräuer ihr Bier selbst in minuto347 jedesmal um den Detail Preiß hingeben werden, es könne geschehen, daß sie es auch im Fabrikpreiße verleit geben348, und wenn sie es nicht thun so glaube er, daß ihnen eben so der ganze Schankpreiß gebühre wie den Wirthen, mit denen sie gleiche Beschwerlichkeiten beim Ausschenken tragen müßten.
Die Behauptung Seite 25 seie unrichtig, denn mit Vorwißen der Polizei werde das Bier, so man in Gärten außerhalb der Stadt ausschenke, nicht um 1 oder 2 Pfenninge, sondern stets um einen Kreuzer über den Saz ausgegeben.
Nicht richtig seie die Behauptung Seite 28, daß die Bräuer zum Verschleiß von 5.000 Eimer Bier mit einer Kellerei ausreichen werden, und er seie überzeugt {8v} daß um 5.000 Eimer in minuto zu verschleißen, der Bräuer 3 und 4 Kellereien bedürfe, so wie er überhaupt große Anstände finde, dem gezogenen Resultate der 600.000 bis 800.000 Trinker bei den Bräuern beizupflichten, und er glaube mit Gewißheit angeben zu dürfen, daß 1/3 in den Städten ihr Bier bei den Wirthen trinken.
Nicht richtig seie die Behauptung Seite 29, daß der Wirth und nicht der Bräuer auf dem Lande das kleine Geschirr haben müße, und lezterer zum Minuto Verschleiß sich dieses nicht anzuschaffen brauche, denn es seie ausgemacht, daß beinahe überall die Bräuhäußer den Wirthen das kleine Geschirr liefern und unterhalten müßten, und der Bräuer nur dann beßer stehe, wenn er nebst seiner Bräuerei bedeutender Feldeigenthümer ist.
Ohne tiefer in die Widerlegungen dieses Voti einzugehen, beziehe er sich auf die nicht widerlegte Hauptgründe seiner Meinung für den Schankpreiß, die in der nachträglichen Abhandlung Litt. C ausgeführt, und finde sich um so weniger bestimmt, von diesem seinem Antrage abzugehen, als er auch selbst dem Vorschlag des geheimen Rath Grafen von Welsberg nicht {9r} beipflichten könne, den Bräuern das Befugniß einzuräumen, selbst Wirthe aufzustellen, indem dieses neue große Verwirrung in der polizeilichen Aufsicht über diese so sehr vermehrt werdende Ausschenks Orte hervorbringen, und eine größere Immoralität bei dem Volke veranlaßen würde.
Geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco äußerte, er müße in Folge dieser Gründe sich wiederholt für die Annahme des Schankpreißes erklären, oder aber, wenn dieser nicht angenommen werden wolle, dem Vorschlage des Grafen von Arco des älteren, ein Zwangs Recht gegen die Wirthe einzuführen, beipflichten, so viele Schwierigkeiten auch das lezte in der Ausführung finden würde.
Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas verfügten über beide Fragen Soll der Saz nach dem Schank oder Ganter Preiße geschrieben? Sollte im lezten Falle als Mittel zu Abstellung der Mißbräuche der Wirthe gegen lezteren, wieder ein Zwang eingeführt werden? als mit einander zusammenhängend die Umfrage.
{9v} Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg erklärten sich aus den in zwei schriftlichen Abstimmungen Beilagen X und XI angegebenen Gründen für die Festsezung des Sazes nach dem Ganter Preiß, und gegen den Bierzwang unter irgend einer Gestalt349.
Nach gleichen Ansichten stimmte geheimer Rath von Preising in einem schriftlichen Voto Beilage XII350.
Geheimer Rath Graf von Arco der ältere [d.i. Ignaz] stimmte für Festsezung des Sazes nach dem Schankpreiße und für Einführung eines Zwangs Sistems nach Arrondissements, um dadurch dem Mißbrauche der Wirthe Schranken zu sezen, und zwar aus folgenden Gründen. Die Ausschreibung des Schankpreißes seie konsequenter, denn alles Bier werde nach demselben getrunken, und wenn der Bräuer sein Bier in minuto ausschenke, so müße er auch die Ausgaben des Wirthes bestreiten. Gebe die Regierung einen zu geringen Preiß, so gestatte sie auch stillschweigend, daß schlechtes Bier gebraut werden darf.
Das Sistem der Gebundenheit ganz durchzuführen, seie das konsequenteste, weil es keinen andern {10r} Vorschlag gebe die Wirthe im Zaum zu halten. Der Vorschlag des Grafen von Welsberg seie practisch unausführbar, und was liege dem Wirthe, der wegen der Unterhaltung im Wirthshause und wegen der gesellschaftlichen Vereinigung immer vor dem Bräuer zu Absaz des Biers vieles voraus habe, daran, wo er sein Bier abnehme, wenn er überall gutes Bier erhalte, worauf zu wachen, bei einem hohen Saze die Pflicht der Polizei werde.
Geheimer Rath Graf von Törring äußerte, der Zwek der gegenwärtigen Berathung scheine ihme doppelt gewesen zu sein. Erstens die Herstellung einer sichern Berechnung zu Festsezung eines Sazes. Zweitens die Mittel, den Mißbräuchen der Wirthe Schranken zu sezen. Ersterer Zwek seie durch den Vortrag und die Beschlüße des geheimen Rathes erreichet, wegen lezterem scheinen ihme die gemachten Vorschläge unzureichend. Ohne sich daher in die Untersuchung derselben einzulaßen, erkläre er sich bestimmt für die Festsezung des Sazes nach dem Ganterpreiße, und glaube, daß von Wiedereinführung eines Zwanges um so weniger die Rede sein könne, {10v} als man hiezu keine feste Basis würde auffinden, und selbst wenige Gutsbesizer ihr Recht aus der Grundgerechtigkeit noch Jurisdiction würden herleiten können, und ein Zwangs Recht nach Arrondissements unmöglich sei. Er halte folgende Bestimmungen für wirksam gegen die Mißbräuche der Wirthe.
1) Aufhebung des ohnehin nie beobachteten Verbotes, Bier unter dem Reife unter dem Saz zu verleiten. 2) Daß kein Wirth unter dem Bräu Jahre ausstehen, noch wenn er versehen werden kann, fremdes Bier einlegen dürfe. 3) Daß er, so lange er schuldet, vor dem nächsten Jahr nicht austreten dürfe. 4) Daß das Executions Recht dem Landbräuhause gleich grundherrlichen Foderungen zustehe. 5) Daß die Location auch den grundherrlichen Forderungen gleich gestellt werde. 6) Daß jedem Bräuhauße auch zur Controlle der Wirthe, besonders in loco, das Schankrecht gebühre.
Geheimer Rath von Zentner erklärte sich nach einem schriftlichen Voto für Feststellung des Sazes nach dem Ganterpreiße, und gegen Einführung irgend eines Zwanges *Beilage XIII* [Marginalie]351.
{11r} Geheimer Rath von Krenner der ältere [d.i. Johann Nepomuk] äußerte, er habe bei den früheren Proposizionen geglaubt, sich mit dem Vorschlage des geheimen Rath Grafen Carl [Maria] von Arco, den Saz nach dem Schankpreiße zu bestimmen, vereinigen zu können, allein nach näherem Nachdenken und nach den dagegen angeführten Gründen gehe er von dieser Meinung ab, und erkläre sich für die Annahme des Ganterpreißes.
Auf den gehäßigen Bierzwang wieder zurükzukommen, dazu könne er nicht einrathen, und die Einführung eines Zwangsrechts nach Arrondissements würde noch strenger und auffallender sein, als der in Deutschland sonst bestandene Meilen-Bann. Rüksichtlich der Mißbräuche der Wirthe würde er sich principaliter mit dem Vorschlage des Grafen von Welsberg vereinigen, und accessorie die Vorschläge des Grafen von Törring nach derselben Prüfung annehmen.
Geheimer Rath Graf von Tassis stimmte mit dem Referenten Grafen Carl [Maria] von Arco mit Festsezung des Sazes nach dem Schankpreiße, wogegen er aber gegen die Wiedereinführung eines Zwanges sich erklärte.
Die geheimen Räthe von Krenner der jüngere [d.i. Franz], Freiherr von Aretin, von Effner und von Schenk stimmten für den Ganterpreiß als Taxe zum {11v} Biersaz und erklärten sich gegen allen Zwang.
Geheimer Rath Freiherr von Aretin legte die Resultate vor, die sich bei einem Zwange nach Arrondissements in Rüksicht auf die Verschiedenheit der Bevölkerung auf Quadrat Meilen und der minderen oder größeren Anzahl der Bräuhäußer auf einer Quadrat Meile ergeben.
Geheimer Rath Freiherr von Asbek stimmte mit dem Referenten Grafen Carl [Maria] von Arco auf Annahme des Schankpreißes zum Biersaz, und behielt sich wegen Einführung eines Zwangs Rechtes seine weitere Aeußerungen vor.
Die geheimen Räthe von Feuerbach und Graf von Welsberg erklärten sich für Bestimmung des Biersazes nach dem Ganterpreiße und gegen die Einführung des Zwanges.
Als Folge dieser Abstimmungen und nach der sich ergebenen Mehrheit wurde von dem geheimen Rathe
beschloßen, an Seine Majestät den König den allerunterthänigsten Antrag zu stellen: daß der Biersaz wie bisher nach dem Ganter- und nicht nach dem Schank-Preiße bestimmt, und der Vorschlag zu Wiedereinführung des Bierzwanges verworfen werden möge.
In der nächsten Sizung werde {12r} sich der geheime Rath mit den in Folge der gefaßten Beschlüße zu erlaßenden Instructions Artikel und den Mitteln beschäftigen, wie den Mißbräuchen der Wirthe Schranken zu sezen, und die Resultate hievon Seiner Majestät dem Könige allerunterthänigst vorlegen, wo inzwischen die Vorschläge, die geheimer Rath Graf von Törring in seiner Abstimmung angegeben, um den Mißbräuchen der Wirthe entgegen zu arbeiten, dem Referenten Grafen Carl [Maria] von Arco mittels Protokolls Auszug mitzutheilen wären, um bei seinem zu erstattenden Vortrage hierauf Rüksicht zu nehmen352.
Genehmigung der Anträge durch den König. Er erwartet „über die Anwendung der von Uns wegen Bestimmung des Biersazes bestätigten Grundsäze, so wie über die Mittel, den Mißbräuchen der Wirthe Schranken zu sezen, ohne auf das Zwangs Sistem zurück zu kommen, die weiteren Vorschläge“ des Geheimen Rates (1. April 1811).
Anmerkungen
Konstitution für das Königreich Bayern vom 1. Mai 1808, Tit. I § 2, RegBl. 1808, Sp. 987 = DVR Nr. 286, S. 656: „[…] Das ganze Königreich wird durch eine Nationalrepräsentation vertreten […]“. Näher ausgeführt wird diese Vorschrift in Tit. IV „Von der National-Repräsentation“ (ebd. Sp. 996f. bzw. S. 329).
Die aus der Perspektive des (entstehenden) Gewaltmonopols des Staates argumentierende Staatsrechtslehre sprach sich gegen den Bierzwang (die Pflicht, das Bier von einem bestimmten Brauer zu beziehen) aus, da sie in ihm ein ungültiges, dem Staat schädliches Privileg sah. Der Regent war demnach verpflichtet, es ohne Ersatz aufzuheben, so Fessmaier, Grundriß, S. 133, § 118. In der VO betr. die „Aufhebung des Bierzwanges in Baiern“ vom 20. Dezember 1799 (Drucke: RegIntBl. 1800, Sp. 5-8; MGS [N.F.] Bd. 1, Nr. V.47, S. 246f. Auszug: Schimke, Regierungsakten, Nr. 118, S. 597-599) führte der Kurfürst insoweit aus, der Bierzwang verstoße „gegen die natürliche Freyheit, gegen eine wohlgeordnete Landespolizey“, er bestehe „zur Schmälerung Unserer höchst landesherrlichen Gerechtsamen, zum Nachtheil des produzirenden Publikums, zum Ruin der Wirthe, und zur Werthsherabsetzung ihrer Güther“. Der Kurfürst beschloss daher, dem „in Baiern auf ein Staatszweckwidriges Herkommen gegründeten Bierzwange ein Ende zu machen“: „Wir heben also alle Art vom Abnahmszwange bey allen Gattungen Biers in Baiern – er mag auf dem Lande, in Städten und Märkten, aus dem Grunde der Grundherrlichkeit oder Gerichtsbarkeit, aus irgend einem sogenannten Privilegium oder einem vermeintlichen Juri prohibendi bestanden haben, – vom künftigen Sudjahre, d. i. von dem 29ten September 1800 anfangend, die sogenannten Märzenbierlosungen aber schon für dermal hiemit für ewige Zeiten förmlich auf; und gestatten allen Wirthen sowohl in Städten und Märkten, als auf dem Lande sich ihr Bier, aus welch immer einem inländischen Bräuhause beyzulegen, und Verleit zu geben; so wie auch alle Unterthanen zu Beylegung ihres Haustrunks an keine Braustätte und Wirthshaus gebunden seyn sollen“, zit. nach MGS (N.F.) Bd. 1, S. 246. Vgl. Protokolle Bd. 1, Nr. 45 (Staatskonferenz vom 20. Dezember 1799), S. 199, TOP 7; Nr. 120 (Staatsrat vom 30. September 1801), S. 435f., TOP 3.
Der Verkauf in minuto bzw. Minutoverschleiß meint den Verkauf in kleinen Mengen, siehe etwa VO betr. den „bewilligten Bier- und Brandwein-Minuto-Verschleiß der ständischen Bräuhäuser“ vom 21. Dezember 1804, RegBl. 1805, Sp. 49-51, hier Sp. 50, wonach den ständischen Brauerein erlaubt wird, „ihr selbst erzeugtes Bier und Brandwein nicht blos in groß und kleinen Fäßern an Privaten ohne Unterschied, sondern auch in Minuto und Maßweise zu Hause, und über die Gasse zu verkaufen“. Vgl. Minutierer, Kleinhändler (im Gegensatz zum Grossisten) und Minutien, Kleinigkeiten, Schweizer, Fremdwörterbuch, S. 323 s.v.
Verleit geben, Verleitgabe: Ausschank von Getränken, insbesondere Bier und Wein. Vgl. BWB Bd. 1, Sp. 1535f. s.v. verleitgeben; DWB Bd. 25, Sp. 775 s.v. Verleitgabe.