BayHStA Staatsrat 232

11 Blätter. Unterschriften der Minister. Protokoll: Kobell.

Anwesend:

Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Reigersberg.

Geheime Räte: Graf v. Preysing-Hohenaschau; Graf v. Törring-Gutenzell; Freiherr v. Weichs; v. Zentner; Johann Nepomuk v. Krenner; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; v. Schenk; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach; Graf v. Welsberg.

Quartierkosten (R)

Welsberg beantragt, den Rekurs der Gemeinde Dentlein, die mit der Gemeinde Erlmühle wegen Quartierkosten im Streit liegt, abzuweisen. Die Entscheidungen der unteren Instanzen sind zu bestätigen. Der Geheime Rat folgt mehrheitlich dem Antrag.

{1r} [1.] Bei Verhinderung Seiner Exzellenz des königlichen geheimen Staats- und Konferenz-Ministers Herrn Grafen von Montgelas im Anfange der auf heute angeordneten geheimen Raths Versammlung zu erscheinen, wurde unter Vorsiz Seiner Exzellenz des königlichen geheimen Staats- und Konferenz-Mi-{1v}nisters Herrn Grafen von Reigersberg von dem königlichen geheimen Rathen Grafen von Welsperg in der Rekurs-Sache der Gemeinde Dentlein635 gegen die Gemeinde Erlmühl Landgerichts Feuchtwang Rezatkreises wegen eines Quartierkostenbeitrages von 21 Morgen Holz schriftlicher Vortrag erstattet.

Graf von Welsperg führten in diesem Vortrage den geschichtlichen Veranlaß dieser Streitsache, und die deßwegen erfolgten Entscheidungen der beiden untern Instanzen an, legten das Gutachten vor, welches in dieser Sache von der Lehen- und Hoheits Sekzion des auswärtigen Ministerial Departements abgegeben worden, und äusserten ihre Gründe, aus welchen sie sich mit der Meinung der Lehen- und Hoheits Sekzion, diesen Gegenstand an die Justiz-Stellen zu verweisen, nicht vereinigen konnten, sondern darauf antragen müßten, im administrativen Wege zu erkennen, daß die Gemeinde Dentlein mit ihrer Rekurs-Beschwerde ob defectum formalium und wegen der nicht appellablen Summe abzuweisen, und es sohin bei der Erkenntniß der beiden untern Instanzen zu belaßen seie. Den nach diesem Antrage verfaßten Reskripts Aufsaz lasen Graf von Welsperg ab.

Sein Excellenz der königliche {2r} geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg ließen hierüber abstimmen.

Die königlichen geheimen Räthe Graf von Preysing, Graf von Törring, von Zentner, von Krenner der ältere, *Krenner der jüngere [d.i. Franz], Carl [Maria] Graf von Arco* [Ergänzung am Seitenrand] von Schenk, Freiherr von Asbeck und von Feuerbach vereinigten sich mit der Meinung des Referenten, jedoch dahin, daß der Rekurs simpliciter ohne Anführung der Ursachen abzuweisen seie, Geheimer Rath von Krenner der ältere [d.i. Johann Nepomuk] erklärten sich zwar für Anführung der Ursachen und Aufnahme derjenigen, daß die Summe nicht appellabel seie.

Gegen den Antrag des Referenten stimmten die königlichen geheimen Räthe Freiherr von Weichs, Freiherr von Aretin und von Effner, und waren der Meinung, diesen Gegenstand nach dem Gutachten der Lehen- und Hoheits-Sekzion zu den Justiz-Stellen zu verweisen, da die Frage, zu welcher Markung das Holz quaest. gehöre, praejudicial seie, nicht von den Administrativ Stellen entschieden werden könne, sondern als Zivilrechts Sache vor die Justizstellen gehöre.

Geheimer Rath Freiherr von Aretin fügten ihrer Abstimmung bei, daß sie diese Meinung nicht {2v} aus Vorliebe für das Gutachten der Lehen- und Hoheits Sekzion, wovon Sie Vorstand zu sein die Ehre hätten636, sondern aus Überzeugung geäussert.

Nach dem Ausspruche der Mehrheit

wurde der Antrag des Referenten von dem königlichen geheimen Rathe bestätiget, doch wären in dem Reskripts-Aufsaze die angegebene Ursachen auszulassen, und der Rekurs simpliciter abzuweisen637.

Fideikommisse und Majorate

Johann Nepomuk v. Krenner setzt seinen Vortrag über die Fideikommisse, die künftig in Majorate umgewandelt werden sollen, mit Verlesung der §§ 58 bis 117 fort. Einleitend betont Montgelas den Zweck der Majorate: Sie müssen mit Vorzügen ausgestattete ‚Staatsinstitute‘ sein, nicht nur rechtlich gebundene Vermögensmassen in den Händen von Privaten. Asbeck unterstreicht die Forderung, aus dem Adel eine herausgehobene Funktionselite der Monarchie zu machen. Größere Diskussionen entstehen hinsichtlich der Rechte und Pflichten bzw. der persönlichen Rechte der Majoratsbesitzer. Es geht dabei vor allem um die kontrovers diskutierte Wiederverleihung von Gerichtsrechten an die Patrimonialgerichtsherren und erbrechtliche Fragen.

2. Als Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz-Minister Herr Graf von Montgelas in der geheimen Raths Versammlung erschienen waren, foderten dieselben den Geheimen Rathen von Krenner den älteren [d.i. Johann Nepomuk] auf, den Vortrag wegen Aufhebung der Fideikommisse und Bildung der neuen Majorate fortzusezen638.

Zu Genügung dieses Aufrufes lasen Geheimer Rath von Krenner der ältere von dem II. Kapitel Begünstigung der Majorats-Errichtung aus vormaligen Fidei Kommissen, § 58, 59, 60 und 61 vor, und bemerkten, daß diese Bestimmungen aus dem Transizions-Sisteme herüber genommen worden, weil durch das Edikt vom Jahre 1808 ausgesprochen worden, daß die {3r} Majorate salva legitima639 errichtet werden sollen, und in Übereinstimmung mit diesem Grundsaze kein anderer Ausweg gefunden worden, die von der Regierung beabsichtete Begünstigung der Majorats Errichtung zu erreichen. Geheimer Rath von Krenner der ältere trugen aus den Sections Protokollen die Discussionen vor, welche deßwegen statt gehabt, und entwikelten die verschiedene Ansichten, so hierüber geäussert worden.

Nachdem Seine Exzellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz-Minister Herr Graf von Montgelas in einer gedrängten Darstellung sich wiederholt über den eigentlichen Zweck des Majorats Institutes geäussert und mit Beziehung auf Ihre schon früher entwikelten Ansichten die Nothwendigkeit lebhaft ausgeführet hatten, diesem Institute, wenn es als Staats Institut etwas sein und etwas nuzen sollte, eine andre Stellung zu geben, als aus diesen beiden Entwürfen hervorgehe; dasselbe müsse von allen zivilrechtlichen Bestimmungen frei- und dem Glanze und des Ansehens würdig, so hergestellet, mit solchen Vorzügen verbunden werden, daß es ein wirkliches Staats Institut {3v} werden könne, denn ohne diese Vorbedingung habe es für den Staat gar kein Interesse, ob eine Anzahl von Güter in den Händen von Privaten in gebundener Masse sich befinde, und ob viele oder wenige Majorate, die nach den gegebenen Bestimmungen, wo nicht alle, doch die meisten den Keim ihrer Auflösung in sich tragen, errichtet werden, verfügten Seine Exzellenz die Umfrage über den § 58 und die damit in Verbindung stehende § 59, 60 und 61.

Seine Exzellenz, der geheime Staats- und Konferenz-Minister Herr Graf von Reigersberg, die königlichen geheimen Räthe Graf von Preysing, von Törring, Freiherr von Weichs, von Zentner, von Effner, von Schenk und von Feuerbach vereinigten sich mit der von der Mehrheit der vereinigten Sekzionen angenommenen Fassung dieser vier §en, wobei geheimer Rath von Effner die Schwierigkeit auseinander sezten, mit welcher die vereinigten Sekzionen zu kämpfen gehabt, und daß es nach Lage der Sache nicht möglich gewesen, der Klippe der Inkonsequenzen ganz auszuweichen.

Geheimer Rath von Krenner der {4r} jüngere fanden diese Begünstigung rüksichtlich der Legitima640 bei den aus Fideikommissen errichtet werdenden Majoraten so inkonsequent und nach juridischen Ansichten so wenig zu rechtfertigen, daß sie sich gegen die Meinung der Sekzionen erklärten, und dafür stimmten, diese 4 §en auszulassen, und die aus Fidei Kommiß- oder Allodial Güther errichtet werdende Majorate rüksichtlich der Legitima ganz gleich zu halten.

Geheimer Rath Carl [Maria] Graf von Arco bezogen sich auf Ihre zu dem Sekzions Protokoll No VI gegebene Abstimmung, erklärten sich jedoch für die von der Mehrheit der Sekzions-Mitglieder angenommenen [!] Fassung, diese §en wenn die Majora der geheimen Raths Mitglieder dabei stehen blieben.

Geheimer Rath Freiherr von Aretin bezogen sich ebenfalls auf Ihre in den Sekzions Sizungen geäusserte Meinung, und stimmten auf 2/3 der Legitima, weil dadurch die Kinder und Nachgeborne der Majorats-Errichter nicht so sehr verkürzet, und denjenigen, deren Eltern Majorate aus Allodial {4v} Güter errichten, mehr gleichgehalten würden.

Geheimer Rath Freiherr von Asbeck äusserten folgendes zu Protokoll: In so ferne die Errichtung der Majorate aus höheren Rüksichten betrachtet werde, seie es wesentlich nothwendig, diese Einrichtung durch die möglichste Vortheile zu begünstigen, der Majorats-Masse eine ihrem Zweke möglichst festeste Grenze zu geben.

Nun werden aber, wie Ihnen scheine, aus der jezigen Stellung des Adels diese höhere Rüksichten beinahe so gut als verlassen, denn der Adel, so wie er erscheint und erscheinen wird, werde kein Adel der Monarchie sein, und aus seiner geringen innern Haltung keiner werden könne, es seie nichts als ein Institut von Familien, wovon der Einfluß auf den Staat durchaus unbedeutend.

Wie man nun von diesem Gesichtspunkte ausgeht, der aber nach Ihrer Überzeugung nie der wahre sein sollte, finden Sie die Meinung des Geheimen Raths Carl [Maria] Grafen von Arco unwiderlegbar richtig und in allen Beziehungen konsequent; denn sie kennen keine grösere Inkonsequenz, {5r} als das Transizions Sistem aufzuheben und dessen Wirkungen auf das neuere Sistem herüberzutragen.

Geheimer Rath Graf von Welsperg blieben bei Ihrer in den Sekzions Sizungen ge­äusserten Meinung.

In Folge der Mehrheit der

Abstimmungen wurden diese vier §en nach der von der Majorität der Sekzionen angenommenen Fassung beibehalten.

Geheimer Rath von Krenner der ältere fuhren fort die § 62 bis 67 abzulesen und diejenige Bemerkungen vorzutragen, welche vorzüglich über den § 64 (alt 69) in den Sekzions Sizungen nach dem Protokoll VII erhoben worden.

Hierdurch veranlasset, verfügten Seine Exzellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas über diese §en die Umfrage.

Seine Exzellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz-Minister Herr Graf von Reigersberg, die königlichen geheimen Räthe Grafen von Preysing, von Törring, Freiherr von Weichs, von Zentner, Freiherr von Aretin, von Effner und von Schenk stimmten ohnbedingt für die Fassung, so von der Majorität der Sekzions Mitglie{5v}der rüksichtlich dieser §en angenommen worden.

Geheimer Rath von Krenner der Jüngere [d.i. Franz] erklärten sich aus den nemlichen Gründen, die sie wegen den § 59 bis 62 angeführt, gegen diese Fassung, und fanden hiernach stärkere Beweise Ihren Antrag zu wiederholen, das ganze Kapitel auszulassen.

Geheimer Rath Carl [Maria] Graf von Arco schloßen sich zwar auch an die Mehrheit der geheimen Räthe an, bezogen sich aber in der Hauptsache auf Ihre in der Sekzions Sizung rüksichtlich dieser §en geäusserten Meinung.

Geheimer Rath Freiherr von Asbeck vereinigten sich mit den von dem geheimen Rathe Carl [Maria] Grafen von Arco in der Sekzions Sizung entwikelten Ansichten.

Die geheimen Räthe von Feuerbach und Graf von Welsberg blieben bei ihren in der Sekzions Sizung geäusserten Meinung [!].

Nach dem Schluße der Mehrheit

wurden die §en 62 bis 67 nach der von der Majorität der Sekzions-Mitglieder vorgeschlagenen Fassung angenommen.

Der dritte Abschnitt {6r} Von der Vergröserung der Majorate §en 67 bis 71 welche Geheimer Rath von Krenner der ältere vortrugen

blieben ohne Erinnerung.

Dem IIn Titel von den Rechten und Pflichten der Majorats-Besizer 1ter Abschnitt Von den Rechten der Majorats Besizer und ihren Angehörigen vorzüglich in Beziehung auf ihre Personen §en 71 bis 78 welche Geheimer Rath von Krenner vortrugen, wurden die Erinnerungen der vereinigten Sekzionen, so in dem Protokoll XIII enthalten, und die Bemerkung beigefügt, daß diese nach dem den Sekzionen mitgetheilten allerhöchsten Beschluß Seiner Majestät des Königs vom 6n Juni verfaßet, und daß darin die allerunterthänigste Erinnerungen aufgenommen, welche die Sekzionen rüksichtlich einiger noch nicht allergnädigst genehmigten Vorzüge der Majorats Besizer anführen zu müssen sich aufgerufen gefunden.

Seine Exzellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz-Minister Herr Graf von Montgelas liesen über die {6v} §en 71 bis 78 abstimmen.

Seine Exzellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg gaben das dem Protokoll beiliegende Votum ab641. *Beilage I* [Randbemerkung]

Geheimer Rath Graf von Preysing stimmten mit der Fassung dieser Artikel so die Sekzionen vorgeschlagen, und äusserten, sie könnten sich nicht überzeugen, daß die Adelige weniger Vertrauen verdienten, als die Landrichter.

Geheimer Rath Graf von Törring bemerkten, nach Ihren Ansichten glaubten Sie nicht, daß diese von Seiner Majestät dem König bereits allergnädigst genehmigte Vorzüge einer nochmaligen Abstimmung unterliegen könnten, sondern daß diese sich nur auf die Faßung beschränken müße; mit der Faßung so die Sekzionen vorgeschlagen, seien Sie verstanden.

Rüksichtlich der von Seiner Exzellenz dem Herrn Justiz Minister wegen der Gerichtsbarkeit der Adeligen vorgelegten Äusserungen fügten Sie ihrer Abstimmung einige Bemerkungen bei, nach welchen diese Äusserungen auf nicht ganz richtigen Voraussezungen beruhen dürften. Auch kamen dieselbe auf den in der Sekzions Sizung schon gemach{7r}ten Vorschlag zurük, die Herrschaftsrichter erst nach zurükgelegten fünf Probejahren für inamovibel642 zu erklären.

Geheimer Rath Freiherr von Weichs erklärten sich auf den Fall, daß man über diese §en noch votiren könne, für die von Seiner Exzellenz dem Herrn Justiz-Minister gegebene Ansichten.

Geheimer Rath von Zentner vereinigten sich mit der von den Sekzionen angenommenen Fassung dieser §en.

Geheimer Rath von Krenner der ältere glaubten, daß diese §en keiner ferneren Votation unterliegen könnten, da Seine Majestät der König dieselbe bereits allergnädigst genehmiget.

Geheimer Rath von Krenner der jüngere [d.i. Franz] stimmten mit den Sekzionen, nur bemerkten Sie, daß die Fassung des § 74 etwas unbestimmt seie, weil man daraus nicht abnehmen könne, daß der Umfang, wie es das Edict über die Patrimonial Gerichtsbarkeit vorschreibe, in uno continuo fortgehen müße, und nicht unterbrochen sein dürfte, welcher Beisaz die zu große Anzahl dieser Gerichtsbarkeiten verhindere, auch werde nötig sein, rüksichtlich {7v} der finanziellen Verhältnisse der Majorats Besizer am Schluße des § 74 nebst den General Kommissariaten und Appellazions Gerichten auch die Finanz-Direkzionen, und nach den Landgerichten die Rentämter aufzuführen.

Geheimer Rath Carl [Maria] Graf von Arco äusserten, Sie seien mit der von den Sekzionen vorgeschlagenen Fassung dieser §en verstanden, denn wenn das Majorats Institut etwas werden solle, so seie es nothwendig, Ihnen diese Vorzüge einzuräumen, und sie vorzüglich als geborne Mitglieder der Nazional Repräsentazion zu erklären.

Rüksichtlich der Ihnen wieder gegeben werdenden Zivil Gerichtsbarkeit lasse sich vieles für das vorzügliche dieser Maasregel anführen, und Sie glaubten beweisen zu können, daß solche mit mehr Vorzügen als Nachtheilen verbunden.

Sie kamen bei diesem Veranlaß auf die schon geäusserte Idee zurück, zum Wohle der Unterthanen und zu Ersparung für die Staatskassen, allen Gemeinden und Privaten diese Gerichtsbarkeit in geschlossenen Bezirken {8r} zurükzugeben, denn daß die Unterthanen sich hiebei besser als bei der gegenwärtigen Justiz Einrichtung stehen, seie ausser allem Zweifel, und durch die ziemlich allgemeine Stimme bestätiget – da der Landrichter mit anderen Geschäften so überhäuft, daß er dem Interesse der Unterthanen in ihren Zivil-Streitsachen nicht folgen könne, wenn er auch wolle.

Geheimer Rath Freiherr von Aretin äusserten sich mit der von den Sekzionen vorgeschlagenen Fassung dieser §en verstanden und glaubten, daß wenn man dem allgemeinen Wunsche der Unterthanen nachgehen würde, derselbe sich bestimmt für die Zurückgabe der Gerichtsbarkeit an die Patrimonial Gerichtsherrn aussprechen würde, auch seien die Mißbräuche, welche damit nach den gegenwärtigen Voraussezungen verbunden, nicht so groß, als man glaube, und auch die Landgerichte hievon nicht ganz frei.

Geheimer Rath von Effner bemerkten, daß wenn es noch erlaubt sei, über diese §en zu votiren, so mißkennten Sie zwar nicht, daß wichtige Gründe ent{8v}gegen stehen, eines der ersten Regalien die Gerichtsbarkeit an Privaten zu geben; allein da es nicht viele sein werden, und diese solchen Bestimmungen unterworfen werden, daß die meiste Gefahr hiebei verschwinde, so vereinigten Sie sich um so mehr mit der von den Sekzionen vorgeschlagenen Fassung dieser §en, als bereits dem Grafen von Wreden diese Gerichtsbarkeit verliehen worden643, und es doch hart sein würde, dieselbe den ersten Famillen des Reiches, welche dieselbe öfters titulo oneroso akquiriret und bereits besessen, zu entziehen. Wegen der Ausdehnung der Rükgabe der Gerichtsbarkeit an alle Patrimonial Gerichtsherrn aber behielten Sie sich vor, seiner Zeit Ihre Bemerkungen hierüber vorzulegen.

Geheimer Rath von Schenk entwikelten Ihre Idee über das Majorats Institut überhaupt, und fanden es nothwendig diesen Großen des Reiches, wenn sie nach der angenommenen Normalrente dieses sein können, die angetragene Vorzüge zuzugestehen, denn nur dadurch, und wenn das Institut der Majorate erhoben werde, seie der Zwek, {9r} den man beabsichte, zu erreichen. Sie vereinigten sich mit der Fassung dieser §en so wie die Sekzionen solche vorgeschlagen.

Geheimer Rath Freiherr von Asbeck vereinigten sich ebenfalls mit der vorgeschlagenen Fassung dieser §en nur fanden Sie diese Vorzüge zu unvollständig.

Auch geheimer Rath von Feuerbach stimmten für die Fassung der § nach dem Vorschlage der Sekzionen, und fanden Sie rüksichtlich der Bestimmungen des § 74 eine nähere Auseinandersezung nothwendig, weil sonst die Majorats-Besizer sich anmasen könnten, diese Gerichtsbarkeit weiter als es in der Absicht der Regierung liege, auf allen ihren zerstreuten und entfernten Güther ausüben zu wollen.

Geheimer Rath Graf von Welsperg stimmten für die von den Sekzionen vorgeschlagene Fassung dieser §en.

Übereinstimmend mit diesen Äusserungen und nachdem die Erinnerungen der geheimen Räthe von Krenner des Jüngeren [d.i. Franz] und von Feuerbach angenommen waren

wurden die § 71 bis 78 nach der von den Sekzionen vorgeschlagenen Fassung beibehalten, in § 74 jedoch {9v} folgende Beisäze beliebt: nach den Worten im Anfange den Majorats Besizer in dem Ganzen solle beigefüget werden „arrondirten Umfange“, nach General Kommissariaten und Appellazions Gerichten „General Kommissariaten, Appellazions Gerichten und Finanz Direkzionen“, und nach Landgerichten „und Rentämter“.

Geheimer Rath von Krenner lasen die §en 78 bis 113 ab.

Bei dem § 102 äusserten Geheimer Rath von Krenner der Jüngere [d.i. Franz] den Wunsch, daß die Stelle, wegen einer weiteren Leib- und Erbrechts-Verleihung ausgelassen werden möchte, weil nach § 103 die Oekonomien ohnehin von diesem Befugniß ausgeschlossen, und folglich der Majorats-Besizer doch keine andere als die bestehende und heimfallende Leibrechte vergeben könne, und man nicht wisse, was das neue Zivil Gesezbuch hierüber bestimmen werde.

In der Fassung dieser §en wurde nichts geändert, als daß auf {10r} Erinnerung des Geheimen Raths Freiherrn von Aretin, es werde nötig sein, im § 95 der Renten Ablösung zu erwehnen, dem § 95 Lit. c folgender Beisaz gemacht wurde: und endlich c. in dem Falle der Renten Ablösung oder wo p.

Aus Veranlaß der §§ 113 bis 118 welche Geheimer Rath von Krenner der ältere vortrugen, bemerkten Geheimer Rath Carl [Maria] Graf von Arco, daß nach den Bestimmungen des § 113 der Fall denkbar seie, wo ein Vater von mehreren ehelich erzeugten Kinder, nach dem Ableben seiner Frau, eine Person, mit der er früher vor seiner Verheurathung einen Sohn erzeuget, eheliche, und der durch diese nachgefolgte Heurath und legitimirte Sohn, der für diesen Stand gar nicht erzogen, aus Schwäche des Vaters oder aus andern Rüksichten zum Nachtheile der ehelichen Kinder in dem Majorate sukzedire.

Dieses scheine Ihnen nicht nur unbillig gegen die in der Ehe erzeugten Kinder und der {10v} Moralität zuwider, und erfodere nach Ihren Ansichten eine nähere Bestimmung für diesen Fall.

Seine Exzellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas liesen über diese Bemerkung abstimmen, und foderten den geheimen Rath von Krenner auf sich zuerst zu äussern.

Geheimer Rath von Krenner sen. fanden diesen Fall sehr möglich, und waren der Meinung, daß um die Anwendung des Gesezes auf denselben zu beschränken, es zwekmäsig sein werde, in einem eigenen § die zu Begegnung dieses Falles nötig werdende Ausnahmen zu bestimmen.

Seine Exzellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz-Minister Herr Graf von Reigersberg, die geheimen Räthe von Zentner, Freiherr von Aretin, von Effner, von Schenk, Freiherr von Asbeck, von Feuerbach und Graf von Welsperg waren nicht dieser Meinung, sondern glaubten, die gegenwärtige Fassung {11r} des § 113 seie erschöpfend, und umfaße alles, was die Moralität erheische, denn dem Falle, so geheimer Rath, Carl [Maria] Graf von Arco, angeführet, könne eben so leicht ein anderer entgegen gesezt werden, wo der [!] Succession dieses vor der Ehe erzeugten und durch die nachgefolgte Heurath legitimirten Sohnes in das Majorat ganz geeignet seie.

Der gegebene Fall werde sich selten ereignen, und in einem Geseze könne man nicht alle mögliche Fälle entscheiden, ohne zu sehr in Privat- und Famillen Verhältnisse einzugreifen.

Die geheimen Räthe Grafen von Preysing, von Törring und Freiherr von Weichs vereinigten sich mit der Ansicht des Geheimen Raths von Krenner des älteren.

Geheimer Rath von Krenner der Jüngere [d.i. Franz] und mit Ihnen Geheimer Rath Carl [Maria] Graf von Arco waren der Meinung, keinen eigenen § zu bilden, sondern dem § 113 beizusezen, daß nur die durch nachgefolgte Heurath legitimirten Söhne, welche von der {11v} nemlichen Mutter, mit der auch nachher eheliche Kinder erzeuget worden, im Majorate sollten sukzediren können, wodurch die Rechte der ehelichen Kinder gegen die mit einer andern Mutter erzeugte uneheliche salviret würden.

Da die Mehrheit der Stimmenden sich für die gegenwärtige Fassung des § 113 entschied,

so wurde sowohl dieser als auch die folgenden § 114, 115, 116 und 117 beibehalten

und die Sizung für heute mit dem § 117 beschlossen644.

Anmerkungen

635

Dentlein am Forst, Landkreis Ansbach, Mittelfranken; Erlmühle, Gemeinde Dentlein.

636

Mit Einrichtung der Lehen- und Hoheitssektion im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten 1808 wurde Aretin zum Vorstand dieser „oberste[n] Zentralbehörde“ für die „Gegenstände des inneren Staats-Rechtes“ bestellt. Vgl. OE betr. die „Anordnung einer Lehen- und Hoheits-Sektion bei dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten“ vom 25. August 1808, RegBl. 1808, Sp. 1939-1953, Zitat Sp. 1940, und die Personalliste, Sp. 1974-1978.

637

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 1010.

638

Vgl. Protokoll Nr. 27 (Geheimer Rat vom 18. Juli 1811), TOP 4.

639

Salva legitima: unbeschadet des gesetzlichen Pflichtteils.

640

Pflichtteil.

641

Graf von Reigersberg, „Beylage zu den [!] geheimen Raths Protocoll vom 25en Juli 1811“, datiert 24. Juli 1811, 7 Bll., BayHStA Staatsrat 232. Teildruck bei Schimke, Regierungsakten, Nr. 20, S. 134-137. Paraphrase der Ausführungen Reigersbergs bei Ernst, Adel, S. 206-210.

642

Die Inamovibilität als „staatsgesezliche Regel“ bedeutet, „daß kein Staatsdiener sein Amt nicht anders verliehren könne, ausser er werde durch richterliche Entscheidung wegen pflichtwidriger Handlungen desselben für unwürdig erklärt“. [Georgii], Anti-Leviathan, S. 335. – Die Konstitution für das Königreich Westphalen vom 15. November 1807 schrieb in Tit. XI, Art. 50 vor, daß die Ernennung der Richter auf Lebenszeit erst nach einer Probezeit von fünf Jahren erfolgen durfte, Rob, Regierungsakten, Nr. 1, S. 55.

643

Vgl. Protokoll Nr. 5 (Geheimer Rat vom 31. Januar 1811).

644

Zum Fortgang: Protokoll Nr. 29 (Geheimer Rat vom 1. August 1811), TOP 2.