BayHStA Staatsrat 295

10 Blätter. Unterschriften des Königs und des Ministers. Protokoll: Kobell.

Anwesend:

Staats- und Konferenzminister: Reigersberg.

Geheime Räte: Graf v. Preysing-Hohenaschau; Graf v. Toerring-Gutenzell; Freiherr v. Weichs; v. Zentner; Graf v. Thurn und Taxis; Franz v. Krenner; v. Effner; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach.

{1r} Da nach dem allerhöchsten Befehle Seiner Majestät des Königs in der auf heute angeordneten geheimen Raths Versammlung Rekurs Gegenstände vorgetragen und entschieden werden sollten, so forderten Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz-Minister Herr Graf von Reigersberg, welche den Vorsiz führten, die {1v} königliche Herrn geheimen Räthe Freiherrn von Weichs und von Feuerbach auf, die bearbeitete Rekurs Sachen vorzutragen.

Dieser Aufforderung zu Folge erstatteten

Weidentschädigung (R)

Weichs berichtet über den Streit zwischen der Gemeinde Wilhermsdorf und J. A. Reinhard, Besitzer eines Schafzuchtbetriebs. Es geht um Weidentschädigung auf Feldern, die anderweitig landwirtschaftlich verwertet werden. Nach Prüfung der Umstände kommt Weichs zu dem Ergebnis, daß der vorliegende Entscheid des Generalkommissariats des Rezatkreises zu bestätigen ist. In der Umfrage zeigt sich ein differenziertes Meinungsbild, doch folgt eine Mehrheit der Geheimen Räte dem Antrag des Berichterstatters.

1. Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs in Sachen der Gemeinde Wilhermsdorf Landgerichts Kadolzburg2090 im Regenkreise [!]2091 gegen den Schäferei Besizer Johann Andreas Reinhard daselbst wegen verlangter Weidentschädigung auf die in der Fructification stehende Felder schriftlichen Vortrag, wodurch Sie den königlichen geheimen Rath von der Entstehung dieses Streites, von der unter der vorigen Regierung in Ansbach wegen dem Weidrechte auf den in der Fructification stehenden Feldern erlaßenen Verordnung, von den unter eben dieser Regierung erfolgten richterlichen Entscheidungen, und dann von denjenigen unterrichteten, welche unter der gegenwärtigen Regierung im Verfolge dieses Streites von dem Landgerichte und dem General-Kommißariate nach eingetretenen gerichtlichen Verhandlungen erfolget.

Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs führten die Gründe an, welche die rekurrirende Gemeinde Wilhermsdorf in ihrer an den {2r} königlichen geheimen Rath gekommenen Appellazions Schrift angebracht, und bemerkten quoad formalia, daß nach den Praesentationen auf dem Ministerial Bureau der auswärtigen Angelegenheiten die Fatalien um einen Tag versäumt seien, in Rüksicht der Hauptsache aber seie bei diesem Streite offenbar nicht die Frage über die Weidenschafts Befugniße, wie das General Kommißariat ganz richtig bemerke, sondern daß dieser Streit die dem Beklagten durch drei Instanzen zugesprochene Weidentgangs-Entschädigung betreffe, folglich als ein Streit um das Eigenthum zu betrachten, und daher nicht zur Kompetenz der Administrativ- sondern der Justiz-Stellen sich eigne. Unterdeßen, da auch von diesem Richter nichts anderes zu erwarten, als daß die Kläger auf der Stelle abgewiesen würden, so machten Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs den Antrag, *nach vorhergehender Restituzion des Rekurrenten gegen die um einen Tag versäumte Fatalien* [Ergänzung auf der rechten Blatthälfte] aus den von dem General-Kommißariate des Rezatkreises angeführten Gründen das Erkenntniß deßelben zu bestätigen.

Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs fügten diesem Antrage Ihre Ansichten wegen dem bei dem königlichen geheimen Rathe {2v} angenommenen Grundsaze bei, daß in der ehemaligen Provinz Ansbach die baierische Kulturs Geseze noch nicht eingeführt seien, und beurtheilten in Übereinstimmung mit denselben als nothwendig, daß, da die Administrativ Stellen in der ehemaligen Provinz Ansbach nach den gegenwärtigen und mehreren andern eingekommenen Akten die baierische Kulturs Geseze als eingeführt und gültig betrachteten, dieser Grundsaz ausgeschrieben, oder die schon anbefohlene Revision der Kulturs Gesezen beschleuniget und zu Ende gebracht werde. Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs legten den nach Ihrem Hauptantrage entworfenen Reskripts Aufsaz zu Bestätigung des General-Kommißariats Erkenntnißes vor.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg ließen über diesen Antrag abstimmen.

Die Herrn geheimen Räthe Grafen von Preising und von Törring vereinigten sich mit dem Antrage des Herrn Referenten, und lezterer glaubten, daß an Seine Majestät den König der allerunterthänigste Antrag zu machen wäre, die bereits anbefohlene Revision beschleunigen {3r} und vollenden zu laßen.

Herr geheimer Rath von Zentner beurtheilten den vorgetragenen Gegenstand nicht zur Justiz- sondern zur Kompetenz der Administrativ Stellen geeignet, und glaubten, daß derselbe nach den über die administrativ kontentiöse Gegenstände in der ehemaligen Provinz Ansbach bestehenden Geseze entschieden werden müßte.

Obschon Sie übrigens die von dem Referenten vorgelegte Ansichten nicht theilten, so seien Sie doch mit den daraus gezogenen Resultaten verstanden, und stimmten um so mehr auf Bestätigung des Erkenntnißes des General Kommißariats, als nicht mehr res integra vorhanden, und der Beklagte ein jus quaesitum auf die durch Verordnung des vormaligen Landesherrn von Ansbach ausgesprochene Entschädigung erhalten habe; wenn nicht drei unter der vorigen Ansbachschen Regierung erfolgte, in Rechtskraft übergegangene konforme Urtheile vorhanden, so würden Sie für eine Abschäzung der dem Beklagten zu leistenden Entschädigung angetragen haben, allein, nach der gegenwärtigen Lage dieses Streites müßte Ihren Ansichten nach das auf richtigen Gründen beruhende Erkenntniß des {3v} General Kommißariats des Rezatkreises bestätiget werden.

Herr geheimer Rath Graf von Tassis stimmten mit Herrn von Zentner.

Herr geheimer Rath von Krenner giengen bei Ihrer Abstimmung von andern, jenen des Referenten entgegen gesezten Ansichten aus, und äußerten, wie Sie die unter der vorigen Ansbachschen Regierung erlaßene Sentenzen nicht für eigentliche Urtheile, sondern für Executions Verordnungen annehmen könnten, die auf eine, nach den gegenwärtigen Regierungs-Grundsäzen nicht mehr bestehen könnende Verordnung des ehemaligen Landesherrn von Ansbach sich stüzten.

Die Frage seie: ob der gegenwärtige Regent von Ansbach eine solche, die Kultur in höchstem Grade niederschlagende Verordnung wie jene von 17792092 aufheben könne und aufgehoben habe. Der erste Theil dieser Frage unterliege wohl keinem Zweifel, so wie der zweite Saz derselben ebenfalls als ausgemacht anzusehen seie, denn wie drükend die durch die erwähnte Verordnung ausgesprochene Entschädigung von 2 fl. jährlich per Tagwerk für den Unterthan seie, zeige sich am ersten, wenn man die Summe, so sich {4r} daraus für den, der entschädiget werde ergebe, aritmetisch berechne. Nehme man die Felder einer so beträchtlichen Gemeinde wie Wilhermsdorf nur auf 300 Tagwerk an, sie könnten aber auch 600 und 1.000 Tagwerk betragen, so ergebe sich im ersten Falle für ein ausgegebenes Kapital von 2.700 fl. ein Ertrag von einem Kapital von 2.000 fl., der in dem weiteren Falle auf 30.[000] und 40.000 fl. steige; könnte die Regierung eine solche Entschädigung bestätigen. Sie glaubten in dem Ausspruche des General Kommißariats eine solche Ungerechtigkeit zu finden, daß sie auf Bestätigung deßelben nicht antragen könnten, sondern auf den § 1 des Mandates vom Jahre 1808 wegen der Entschädigung für den Entgang der Weide sich stüzend2093 dafür stimmen müßten, daß die Gemeinde zu nichts anderem angehalten werde, als dem Beklagten den ursprünglichen Erwerbs Preiß dieser Weidenschaft mit 2.700 fl. nebst den noch freiwillig angebotenen weiteren 300 fl. hinauszubezalen, und ihn so hinlänglich zu entschädigen.

Herr geheimer Rath von Effner bestritten bei Abgebung Ihrer Meinung den vom Herrn {4v} geheimen Rath von Krenner ausgesprochenen Saz: als ob für den Schäferei Besizer Reinhard keine förmliche Mandate vorhanden wären, denn daß diese Urtheile sich auf eine nun nicht mehr bestehende Verordnung des vormaligen Landesherrn in Ansbach stüzten, ändere die Natur vor dem Regierungs Wechsel gefällter Sentenzen nicht, und es seie gleichgültig, ob diese Sentenzen auf Verordnungen oder Geseze sich gründeten. Eben so seie auch die aritmetische Berechnung des Herrn geheimen Rath von Krenner wegen der ausfallenden Entschädigung nicht ganz richtig, denn nehme man auch die Felder der Gemeinde Wilhermsdorf auf 300 oder mehrere Tagwerke an, so werde die ausgesprochene Entschädigung von 2 fl. per Tagwerk nicht von allen Feldern sondern nur von jenen gegeben, die nach der Fructification brache lägen und mit Klee bebauet seien, und man könne höchstens nur ¼ dieser Felder, und dieses nicht wohl als mit Klee bebauet annehmen, wodurch sich die so hoch angesezte Entschädigung sehr vermindere, übrigens seie auch die Entschädigung welche sie wolle, so glaubten Sie nicht, daß eine {5r} die vorhandene drei Sentenzen entkräftende Entscheidung gegeben werden könne.

Mit dem Referenten waren Sie zwar der Meinung, daß der gegenwärtige Fall nicht nach Kulturs Gesezen sondern in dem Justizwege zu entscheiden, da der Beklagte im Besize der ihme zugesprochenen Entschädigung seie, vereinigten sich aber auch mit dem Referenten dahin, daß aus den angegebenen Gründen das Erkenntniß des General Kommißariats des Rezatkreises bestätiget werde.

Die Herrn geheimen Räthe Freiherr von Asbek und von Feuerbach stimmten mit Herrn geheimen Rath von Effner, und so wurde nach der Mehrheit

von dem königlichen geheimen Rathe beschloßen, das Erkenntniß des General-Kommißariats des Rezatkreises zu bestätigen2094.

Gewerbebeeinträchtigung (R)

Feuerbach berichtet über den Streit zwischen dem Tafernwirt Wild und dem Wirt Felser in Kasing. Es geht um die Frage, ob Felsers Gaststättenkonzession mehr als das Recht vorsieht, Bier in kleinen Mengen zu verkaufen. Feuerbach beantragt, den vorliegenden Entscheid des Generalkommissariats des Oberdonaukreises zu bestätigen. Der Geheime Rat folgt dem Antrag.

2. In der Streitsache des Tafern Wirthes Joseph Wild zu Kasing2095 Landgerichts Ingolstadt mit dem dasigen Wirthe Mathias Felser wegen Gewerbs Beeinträchtigung erstatteten Herr geheimer Rath von Feuerbach schriftlichen Vortrag, und bemerkten, daß es in dieser Streitsache hauptsächlich auf die Frage ankomme: „ob dem Wirthe Mathias Felser zu Kasing nebst dem Minuto Verkauf {5v} des Bieres auch das Recht Tanzmusik zu halten, Fremde zu beherbergen, und sie mit Fleisch und andern Speisen zu verpflegen zustehe, oder ob er nur die Bierschenks Gerechtigkeit habe?“ Die reale Bierschenks Gerechtigkeit werde ihme von dem Kläger Joseph Wild zu Kasing bestritten.

Herr geheimer Rath von Feuerbach legten die Geschichte dieser Streitsache und die gegebene Entscheidungen der untern Instanzen vor, und führten die Gründe an, aus welchen es den Anschein habe, als wäre das Erkenntniß des General Kommißariats [des Oberdonaukreises] zu reformiren, allein, nach den in dem Vortrage weiter angegebenen Gründen fanden Herr Referent dieselben dennoch nicht entscheidend, sondern glaubten dieselben, und vorzüglich auf die Verordnung vom 10 Juni 1805 (R. B. 1805 St. XXVII S. 372 [!])2096 sich stüzend darauf antragen zu müßen, das Erkenntniß des General-Kommißariats lediglich zu bestätigen. Herr geheimer Rath von Feuerbach lasen den mit diesem Antrage übereinstimmenden Reskripts Aufsaz ab.

{6r} Bei der von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Reigersberg verfügten Umfrage erklärten sich Herr geheimer Rath Graf von Preising mit dem Herrn Referenten verstanden.

Herr geheimer Rath Graf von Törring erbaten sich die Einsicht eines Erbrechts-Briefes und die Ablesung der Rekurs Schrift, nachdeme Sie geäußert, daß Sie sich nicht sogleich mit dem Antrage des Herrn Referenten vereinigen könnten, da es verschiedene Gattungen von vollkommenen und unvollkommenen Wirthschaften2097 gebe, und die Verhältniße der Gutsherrn so wie die Verordnung wegen den fundirten Gewerben hiebei berüksichtiget werden müßten.

Nachdeme dem Herrn geheimen Rathe Grafen von Törring die begehrten Aufschlüße vom Herrn Referenten gegeben und die in dem Vortrage angezogene Stellen aus den Noten zu dem Judiziar Codex abgelesen waren2098, so stimmten Dieselben mit dem Herrn Referenten, obschon Sie fanden, daß dem Rekurrenten Unrecht geschehen könnte, welches aber nach Lage der Sachen {6v} nicht zu ändern, und welches er sich selbst dadurch zugezogen zu haben scheine, daß er, wahrscheinlich um einer höheren Besteuerung zu entgehen, in dem Gewerbs Kataster sich nur als Bierschenks-Besizer habe eintragen laßen, und daß er überhaupt sein Recht schlecht vertheidiget habe.

Die Herrn geheimen Räthe Freiherr von Weichs, von Zentner, Graf von Tassis, von Krenner, von Effner und Freiherr von Asbek erklärten sich für den Antrag des Herr Referenten, nur bemerkten Herr geheimer Rath von Effner, ob die Aeußerung des Landgerichts, daß es in dem dortigen Bezirke gebräuchlich seie, daß die mit einer Bierschenke versehene Wirthe alle Tanzmusik halten, nicht eine Rüksicht in Ansehung des Mathias Felser verdiene, da der geheime Rath sich überzeuge, daß demselben zwar aus eigener Schuld, oder weil sein Advokat ihn übel versehen habe, zu hart geschehe.

In Folge dieser Abstimmungen

genehmigte der königliche geheime Rath den von dem Referenten vorgelegten Re­skripts Entwurf, wornach das Erkenntniß des General Kommißariats des Oberdonau Kreises lediglich bestätiget wird2099.

Verkauf von Brot (R)

Feuerbach berichtet über den Rekurs des Krämers d’Or und des Mehlhändlers Kopp. Streitgegenstand ist der von Seiten der Behörden untersagte Verkauf von Brot. Feuerbach beurteilt die beiden Fälle unterschiedlich, auch wenn d’Or und Kopp eine Streitgenossenschaft bilden. Der Geheime Rat folgt den Anträgen.

3. Herr geheimer Rath von Feuerbach erstatteten wegen dem Rekurse des Krämers Herrmann {7r} d’Or und des Melbers2100 Kopp im Schönfeld2101 wegen untersagtem Brodverkauf schriftlichen Vortrag.

Dieselben legten darin die Entstehung und die Geschichte dieses Rekurses so wie die Verhandlungen der untern Instanzen und die Entscheidungen der hiesigen Polizei-Direkzion und des General Kommißariats des Isar-Kreises vor, und bemerkten, daß ehe der Rekurs gegen das Erkenntniß des General Kommißariats bei der allerhöchsten Stelle eingereicht worden, der Hofpfistermeister Jacobi interveniendo für den Kaufmann d’Or, daß er bei dem Brodverkauf des Pfisterbrods geschüzt werden mögte, bei der Polizei Direkzion eingekommen, und eben so der Bäkermeister Späth zu gleichem Zweke für den Melber Kopp. Ferner befinde sich auch bei den Akten eine Erklärung der meisten Bewohner des Schönfelds, worin sie dem Kaufmann d’Or das Zeugniß beigelegt, daß er sie zu ihrer Zufriedenheit mit Brod versorgt.

Herr geheimer Rath von Feuerbach äußerten, es müße in dieser Rechts Sache jene des Rekurrenten d’Or von der des Melbers Kopp wohl unterschieden werden, wenn sie gleich litis consorten2102 seien.

Wegen dem Melber Kopp {7v} führten Sie an, daß demselben kein Recht zustehe, weises Brod zu baken, und zu verkaufen, seine Conceßion vom 7 Oktober 1809 laute blos auf Haußbrod2103, und es seie ihm ausdrüklich darin verboten, anders als Haußbrod Verleit zu geben2104. Bei diesen Verhältnißen und den weiters in dem Vortrage angegebenen Gründen machten Herr geheimer Rath von Feuerbach den Antrag, auf den von dem Melber Kopp ergriffenen Rekurs reformando des Urtheiles des General Kommißariates zu erkennen, daß Kopp zum Baken und Verkaufen des Haußbrods berechtiget seie, übrigens aber das Erkenntniß 2ter Instanz lediglich zu bestätigen.

Wegen dem Krämer d’Or seie in dem Vortrage bereits angeführt worden, daß derselbe sich nicht mit dem Brodbaken, sondern blos mit dem Verkaufe des Brods, das er von der Hofpfisterei2105 erhalten, bisher abgegeben habe, und daß blos die Frage zu entscheiden, ob er hiezu berechtiget oder nicht? Referent nahmen keinen Anstand, diese Frage aus den in dem Vortrage {8r} umständlich entwikelten Gründen bejahend zu entscheiden, und darauf anzutragen, daß wegen dem Krämer d’Or reformando sententiae secundae von dem königlichen geheimen Rathe erkannt werde, dem Krämer d’Or den Verkauf des Brods wie bisher zu gestatten.

In Folge verfügter Umfrage vereinigten sich alle Herrn geheimen Räthe mit Ausnahme des Herrn geheimen Rath von Effner mit den Anträgen des Herrn Referenten, Herr geheimer Rath von Effner aber suspendirten als Bewohner von Schönfeld und als hiebei betheiliget Ihr Votum.

Der königliche geheime Rath genehmigte die Anträge des Referenten und den damit übereinstimmenden Reskripts-Aufsaz an das General Kommißariat des Isarkreises2106.

Konfiskationen (R)

Weichs berichtet über den Streit zwischen dem Großhändler Neubronner in Kempten und dem Hallamt in Nürnberg. Es geht um die Konfiskation roher Häute, die von der Zollbehörde wegen Abgabenhinterziehung angeordnet wurde. Der Berichterstatter beantragt, die Entscheide der ersten und zweiten Instanz zu bestätigen. In der Umfrage gibt Krenner ein Sondervotum ab. Der Geheime Rat folgt dem Antrag des Berichterstatters.

4. Wegen des Rekurses des Andreas von Neubronner, Großhändlers in Kempten, gegen das königliche Hallamt in Nürnberg wegen konfiszirten zwei Ballen roher Häute, erstatteten Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs schriftlichen Vortrag, und äußerten, daß, da in dem bei der ersten Instanz abgehaltenen Protokolle die Hauptmomente, wodurch dieser {8v} Rekurs veranlaßt worden, enthalten, Sie es für zwekmäsig erachteten, dieses Protokoll abzulesen.

Nachdem Sie daßelbe abgelesen, die Entscheidungs Gründe und Beschwerde des Rekurrenten gegen die erkannte Konfiskazion vorgetragen, und die Erkenntniße der untern Instanzen nebst den Entscheidungs-Gründen angeführt hatten, äußerten Sie nach Entwikelung Ihrer Ansichten über den vorliegenden Fall Ihren Antrag dahin daß, obschon weder Frachtbrief noch die Essito Bolletten den Akten anlägen, und eben so wenig die neueste Maut Belegung der rohen Häuten per 3 fl. 45 kr. und 3 fl. 30 kr. dem geheimen Rathe offiziel bekannt seien, da die Declaration als Pelzwerk bei dem Mautamte von dem Rekurrenten eingestanden, das Pelzwerk in der Maut- und Zollordnung aber nur mit 15 kr. per Zentner Essito, wo hingegen jener für rohe Häute nach eben dieser Zoll- und Maut-Ordnung mit 15 fl. per Zentner belegt2107, sohin die Defraudazion durch die so auffallende Verkürzung des Aerars an der Essito Maut dargethan seie, die Sentenz der ersten und zweiten Instanz bestätiget werde.

{9r} Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs machten den königlichen geheimen Rath auf die Stelle des Gutachtens der Steuer- und Domainen Section aufmerksam, wodurch aus den miteingesendeten Akten wegen der Defraudazion des Johann Opiz, Rauchwaaren Händlers in Kempten anschaulicher gemacht wird, womit sie die ihnen zugestandene Begünstigung gegen den Sinn des hier analog anwendbaren 124 § der jüngsten Zollordnung zum Nachtheile des allerhöchsten Maut-Aerars aus verdektem Eigennuz zu Mißbräuchen kein Bedenken tragen.

Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs lasen die §§ 124 und 125 der jüngsten Zollordnung2108 und den mit Ihrem Antrage übereinstimmenden Reskripts-Aufsaz ab. Auf die von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats und Konferenz Minister Herrn Grafen von Reigersberg hierüber verfügte Umfrage äußerten sich alle Herrn geheimen Räthe, mit Ausnahme des Herrn geheimen Rath von Krenner mit dem Antrage des Herrn Referenten verstanden.

Herr geheimer Rath von Krenner, welche die §§ der Maut- und Zoll-Ordnung, so sich auf die Essito Belegung der Pelzwaaren und rohen Häuten beziehen, {9v} nachlasen2109, glaubten in der Undeutlichkeit der Bestimmungen, was als rohe Häute und was als Pelzwerk zu behandeln, einige Entschuldigung für den Rekurrenten zu finden, und waren der Meinung, daß derselbe mit der Konfiskazion der zwei Ballen roher Häuten verschont, und blos in der Nachzalung der höheren Essito-Maut verurtheilet werde.

Nach den Abstimmungen der Mehrheit

wurde von dem königlichen geheimen Rathe der Antrag des Referenten und der damit übereinstimmende Reskripts-Entwurf genehmiget2110.

Gemeinderecht (R)

Feuerbach berichtet über den Streit des Mehlhändlers Pemsel mit der Gemeinde Hersbruck. Pemsel beansprucht als Besitzer zweier Häuser ein doppeltes Gemeinderecht. Nach rechtlicher Prüfung der Umstände beantragt Feuerbach, die Pemsels Rechtsauffassung negierenden Entscheide der ersten und zweiten Instanz zu bestätigen. Der Geheime Rat bestätigt den Antrag.

5. Wegen dem Rekurse des Melbers Johann Georg Pemsel zu Hersbruck2111 gegen die dortige Gemeinde wegen doppeltem Gemeinderecht erstatteten Herr geheimer Rath von Feuerbach schriftlichen Vortrag, worin Sie äußerten, dieser Gegenstand betreffe einen Zwischen-Prozeß, der in der großen und sehr bedeutenden Gemeinde-Theilungs-Sache der Gemeinde Hersbruk im Rezat-Kreise zwischen dieser Gemeinde und dem Melber Johann Georg Pemsel entstanden; dabei seie allein die Frage zu entscheiden, {10r} ob diesem Pemsel, Kläger, Appellanten und Rekurrenten wegen zweien Gebäuden, die er in der Markung der Gemeinde Hersbruk besize, auch ein doppeltes Gemeinde Recht zustehe?

Pemsel habe diesen Prozeß in 1ter und 2ter Instanz mit Verurtheilung in die Kösten verloren, und hierauf innerhalb den gesezlichen Fatalien den Rekurs an die allerhöchste Stelle ergriffen.

Herr geheimer Rath von Feuerbach legten nun die Geschichte dieser Streit Sache und die Erkenntniße der beiden untern Instanzen nebst den Entscheidungs Gründen vor, und bemerkten, wie Sie nach Ihrem in dem Vortrage angegebenen Gründen, und da es dermal nicht auf die physische Beschaffenheit der Pemselschen Häußer vor dem Waßerthore, ob dieselben bewohnt werden könnten oder nicht? sondern lediglich auf die rechtliche Qualität und das rechtliche Verhältniß deßelben zu dem eigentlichen Wohnhauße des Rekurrenten ankomme, nicht anders als auf Bestätigung der beiden früheren Erkenntnißen Ihren allerunterthänigsten Antrag stellen könnten. Den mit diesem Antrage übereinstimmenden Reskripts Entwurf lasen Herr geheimer Rath von Feuerbach ab.

{10v} In Folge verfügter Umfrage erklärten sich alle Herrn geheimen Räthe mit dem Antrage des Herrn Referenten verstanden, nur bemerkten Herr geheimer Rath Graf von Törring, in dem Vortrage seie vorgekommen, daß der Melber Pemsel von diesem Hauße vor dem Waßerthore bisher alle Onera2112, wie von seinem Hauße in Hersbruk selbsten getragen, es Ihnen daher billig scheine, daß wenn ihme das Utile eines zweiten Haußes abgesprochen werde, derselbe auch von dem Onus befreiet werde.

Der königliche geheime Rath genehmigte die von dem Referenten angetragene Bestätigung der Erkenntnißen der beiden ersten Instanzen2113.

Der König bestätigt die Entscheidungen des Geheimen Rates (10. November 1812).

Anmerkungen

2090

Wilhermsdorf und Cadolzburg liegen im Landkreis Fürth, Mittelfranken.

2091

So im Original; richtig: Rezatkreis.

2092

Krenner nimmt vielleicht Bezug auf die VO betr. die „Begünstigung des Kleebaues“ vom 7. Juli 1779, gedruckt bei Arnold, Beiträge, Nr. 64, S. 144-146.

2093

VO betr. die „Erläuterung einiger Kultur-Verordnungen“ vom 15. März 1808, RegBl. 1808, Sp. 677-680, hier Sp. 678: „1) Von Aeckern während ihrer Fruktifikation, und von Wiesen während der Hägezeit soll die Weide, ohne Unterschied: ob sie auf Herkommen, Verjährung und darauf gegründeten Titeln, oder auf ausdrücklichen, besonderen Konzessionen und Verträgen mit den Eigenthümern beruhe, als bereits gesezlich erklärter Mißbrauch (General-Verordnung vom 24. März 1762) ohne Entschädigung weichen. Jedoch hat die Rückvergütung des ursprünglichen Erwerbspreises, und die Aufhebung der allenfalls für die Weide bedungenen jährlichen Praestationen allerdings statt.“

2094

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 1905.

2095

Kasing, Ortsteil von Markt Kösching, Landkreis Eichstätt, Oberbayern.

2096

Die VO betr. die „Wirthschaften“ vom 10. Juni 1805, RegBl. 1805, Sp. 732f., legte fest, „daß künftig weder in den Städten und Märkten, noch auf dem Lande eine vollkommene, oder unvollkommene Wirthschaft getrieben werden könne, welche nicht von der landesfürstlichen Stelle verliehen, oder bestätiget ist, und daß auch die Befugnisse solcher Wirthschaften sich ganz allein nach dem Inhalte dieser Verleihungs- oder Bestätigungs-Urkunden richten“. Der König verfügte ferner, „daß alle diejenigen, welche aus dem Titel unfürdenklicher Verjährung eine Wirthschaft ausüben, mit keiner landesfürstlichen Konzession versehen sind, […] sich bey Unserer Landesdirektion innerhalb zwey Monate hinreichend legitimiren sollen, welche sodann im erforderlichen Falle mit Vernehmung des Gerichts, und der Interessenten in den nächstfolgenden zwey Monaten ein Verzeichniß darüber herstellen, und an Uns mit gutächtlichem Berichte zur Bestätigung einsenden solle“. Die Gerichtsstellen durften fortan „keine possessorische oder petitorische Klage auf die Behauptung einer Wirthschaft“ annehmen, „welche nicht mit der landesfürstlichen Verleihungs- oder Bestätigungs-Urkunde belegt werden kann“.

2097

In einer vollkommenen Wirtschaft durfte der Wirt, anders als in einer unvollkommenen, neben dem gewöhnlichen Gaststättenbetrieb auch Hochzeiten und andere Feiern abhalten. Vgl. AnmCMBC Tl. 2, Kap. 8, § 20 (1) f, S. 1434.

2098

Die 1753 eingeführte Zivilprozeßordnung, der Codex Juris Bavarici Judiciarii, wurde alsbald nach Inkrafttreten von ihrem Autor Kreittmayr eingehend kommentiert und für die Gerichtspraxis ausgelegt. Die Anmerckungen uber den Codicem Juris Bavarici Judiciarii erschienen zuerst 1754 und wurden mehrfach neu aufgelegt, so 1755, 1778 und 1813.

2099

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 1905.

2100

Melber sind Mehlverkäufer bzw. Mehlhändler. DWB Bd. 12, Sp. 1990 s.v. Melber.

2101

Zur Lage des Schönfelds bei München siehe die von Heinrich Posselt gestochene, „München 1810“ betitelte Karte: Bayerische Staatsbibliothek Mapp. XI,446 = Digitalisat: URL: https://bavarikon.de/object/BSB-MAP-0000000MAPPXI446 (Aufruf: 22.1.2020). Vgl. Hübner, Beschreibung, S. 360, der mit Blick auf das Schönfeld „das mähliche Werden einer Vorstadt“ erkannte, ferner ebd. S. 339f.

2102

Consortes litis, „Streitgenossen, sind diejenige […], welche in einer bürgerlichen Rechtssache eine gemeinschaftliche Klage aus ein und eben demselben Rechtsgrunde anstellen, oder wider welche aus einerley Verbindlichkeit eine Klage zugleich angestellt wird“. Deutsche Encyclopädie, Bd. 6, S. 286 s.v. C. l.

2103

Hausbrot ist das für den gewöhnlichen Hausbedarf zubereitete, minder feine Brot. DWB Bd. 10, Sp. 654 s.v. H.

2104

Verleit geben bezeichnet vorliegend den Detailverkauf von Brot. Vgl. BWB Bd. 1, Sp. 1536.

2105

Hofbäckerei. DRW Bd. 5, Sp. 1310.

2106

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 1906.

2107

Vgl. Beilagen zur Zoll- und Mautordnung vom 23. September 1811, RegBl. 1811, Sp. 1419/1420, Nr. 142 (Kürschnerarbeiten „oder alle zum Gebrauch verfertigte Pelz-Arbeiten“), Sp. 1427/1428, Nr. 205 („Pelz-Waaren, oder alles ausländische Pelz- Rauch- und Futterwerk, welches nicht schon zur Kleidung oder anderm Gebrauch verarbeitet ist“), Sp. 1415/1416, Nr. 120 (rohe und unverarbeitete Häute, Bälge, Felle von Eseln, Ziegen, Hunden, Katzen, Schafen usw.).

2108

VO betr. die „neue Zoll- und Maut-Ordnung, nebst den damit verbundenen Tarifen“ vom 23. September 1811, RegBl. 1811, Sp. 1345-1392, hier Sp. 1387: „§ 124. Wer sich unrechtmäßiger Weise Rückvergütungen verschafft, oder zu verschaffen sucht, unterliegt nicht allein obigen höchsten Straf-Bestimmungen, sondern auch dem Personal-Arreste auf eigene Kösten, und für so viele Tage, als oftmal die Summe von acht Gulden in dem Strafgeld-Betrage enthalten ist. Wer die im Mautgesetze enthaltene Begünstigungen mißbraucht, unterliegt obigen Strafen mit Ausnahme des Personal-Arrestes, dagegen aber dem Verluste dieser Begünstiung auf immer. § 125. Die Ablage der Polleten wird durch die dem Zollpflichtigen ertheilte Maut-Weisungs-Briefe verificiret, diese müssen sowohl bei den kontrollirenden Aemtern, als auch an jener Postirung gefertiget, und unterschrieben werden, wohin die Polleten zur Ablage bestimmt sind. Blos diese Fertigung und Unterschrift rechtfertiget den Kommerzianten über die richtige Polleten Vor- und Ablage, und alle andere Beweise, die durch in- und ausländische Attestate, Zeugen-Aussagen etc. geführt werden, sind unzulässig und unzugiltig [!]. Wer sich also über die Polleten-Ablage auf diese Weise nicht legitimiren kann, unterliegt nach Maaßgabe des Falles, den darauf gesezten Strafen.“

2109

Vgl. Beilagen zur Zoll- und Mautordnung vom 23. September 1811, RegBl. 1811, Sp. 1415/1416, Nr. 120, Sp. 1419/1420, Nr. 142, Sp. 1427/1428, Nr. 205.

2110

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 1906.

2111

Hersbruck, Landkreis Nürnberger Land, Mittelfranken.

2112

Onus: Verbindlichkeit, Schuldigkeit, Hofstätter, Juristisches Wörterbuch, S. 307 s.v.

2113

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 1906.