BayHStA Staatsrat 159
11 Blätter. Unterschriften des Königs, des Kronprinzen und der Minister. Protokoll: Kobell.
Anwesend:
Kronprinz Ludwig.
Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Morawitzky; Hompesch.
Geheime Räte: Graf v. Preysing; Ignaz Graf v. Arco; Graf v. Toerring-Gutenzell; v. Zentner; Johann Nepomuk v. Krenner; Freiherr v. Stengel; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; Schenk; Freiherr v. Asbeck; Feuerbach.
Paßwesen
Graf Arco, Vorstand der Polizeisektion, trägt über die gesetzliche Regelung des Paßwesens vor. Der Gegenstand ist bereits in der Polizeisektion des Innenministeriums sowie in der Sektion des Inneren des Geheimen Rates erörtert worden, woraus ein Verordnungsentwurf entstanden ist. Arco bespricht die Grundsätze und die Gliederung des Entwurfs. Erster Diskussionspunkt ist die Frage, ob Inländer für Reisen im Inland einen Paß benötigen, was Arco bejaht. Der Geheime Rat hingegen erklärt sich in der Mehrheit gegen die Ausweispflicht. Es folgen weitere Diskussionen und Anträge zu Regelungen, die in das Ausland reisende Inländer sowie nach Bayern ein- und wieder ausreisende Ausländer, auch Militärs, betreffen. Aufgrund der Beratungen im Geheimen Rat kommt es zu zahlreichen Änderungen im Detail.
{1v} 1. Da Seine Majestät der König gehindert waren, der auf heute Frühe allergnädigst angeordneten geheimen Raths Sizung beizuwohnen, so eröfneten Seine Königliche Hoheit der Kronprinz als Praesident der Sizung dieselbe mit der Frage an den ältesten Staats Minister, welcher Gegenstand als der dringendste zuerst vorzunehmen sein mögte.
Der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Freiherr von Montgelas bemerkte hierauf Seiner Königlichen Hoheit, daß der geheime Rath und Vorstand der Polizei Section [Carl] Graf von Arco über das Paßwesen im Königreiche Baiern einen Vortrag zu erstatten bereit sei, der wegen vielen Rüksichten dringend und zuerst vorzunehmen sein dürfte.
Seine Königliche Hoheit der Kronprinz forderten den Grafen von Arco auf, diesen Vortrag zu erstatten, und äußerten den Mitgliedern {2r} des geheimen Rathes, wie Höchstsie wünschten, daß der Vortrag ganz abgelesen und dann erst über die einzelne Grundsäze und darin angenommene Bestimmungen nach Aufruf abgestimmt werden mögte.
Der königliche wirkliche geheime Rath und Vorstand der Polizei Section Graf von Arco erstattete in Folge dieser Aufforderung schriftlichen Vortrag über die Legislation des Paßwesens für das Königreich Baiern und bemerkte, wie er es für nothwendig halte, über das Sistem dieses vorgeschlagen werdenden Reglements und über die in dem Vortrage der Polizei Section nicht bestimmt ausgedrükte Motive einige Vorerinnerungen vorauszuschiken1044.
Der Gegenstand der heute der Berathung des geheimen Rathes vorgelegt werde, seie bereits bei dem Ministerium des Innern der Polizei Section und der geheimen Raths Section des Innern vorgetragen und geprüft worden.
{2v} Leztere habe mehrere Bemerkungen und Erinnerungen gegen das aufgestellte Sistem und einige Beisäze zu der gesezlichen Verordnung gemacht, die er dem geheimen Rathe nachher vortragen werde.
Graf von Arco las die Begriffe über das Paßwesen im Allgemeinen vor, und führte die Vortheile aus, die ein zivilisirter Staat daraus ziehen kann1045.
Die Hauptrüksicht, die dabei zu nehmen, seie, daß dasselbe dem Staate diese Vortheile verschaffe, ohne a) eine zu theuere Regie zu veranlaßen, b) noch in einen für den Privaten zu lästigen Druk auszuarten.
Nach diesen Hauptansichten habe die Polizei Section das gegenwärtig vorliegende Project eines Reglements bearbeitet und in dem Iten Capitel die Bestimmungen festgesezt, die der reisende Inländer im Inlande dann im II. Capitel {3r} die derselbe bei seinen Reisen in das Ausland zu beobachten habe. Das III. Capitel bestimme die Formen welche Ausländer, die nach Baiern und von da wieder in das Ausland reisen, zu befolgen, und welche Strafen darauf gesezt werden, wenn Inn- oder Ausländer diese Vorschriften übertreten. Das IV Capitel enthalte die allgemeine Vorschriften a) wegen den Behörden, die Päße ertheilen können, b) wegen den Personen, an welche Päße ertheilt werden können, c) wegen der Form der Päße, d) wegen den französischen Päßen im Etschkreise, e) wegen der Aufsicht der Polizeibehörden, f) wegen der Taxen für die Päße und der Material Verrechnung derselben.
Geheimer Rath Graf von Arco führte die Bemerkungen der geheimen Raths Section des Innern über diese sistematische Eintheilung des Reglements des Paßwesens an, und {3v} äußerte, daß dieselbe vorzüglich den Grundsaz bestritten, daß der Inländer, der in dem Königreiche reiset, mit einem Passe versehen sein solle und auf eine vollkommene Freiheit für den Inländer angetragen, innerhalb den Grenzen des Königreichs zu reisen, wohin seine Verhältniße oder seine Neigung ihn führten.
Sollte jedoch von Seiner Majestät dem Könige der Grundsaz angenommen werden, so wäre die Section [des Inneren des Geheimen Rates] der Meinung, daß a) nicht die Distance von 30 Stunden, wie die Polizei Section angetragen, sondern die Übertretung der Grenzen der Kreise die Erholung eines Passes nach sich ziehen, und daß b) die fahrende Holz- und Schrannen Bauern, Karrer und Salzfuhrleute den Boten rüksichtlich der Paßfreiheit aßimilirt werden sollten.
Herr Graf von Arco gab seine Gründe an, aus welchen er für die Ertheilung {4r} der Päße an reisende Inländer und für die Beibehaltung einer Streke von 30 Stunden von dem Woh[n]orte der Inländer um ohne Paß reisen zu können sich erkläre1046, und las, um das Sistem im Ganzen übersehen und beurtheilen zu können von dem 1ten Capitel der Verordnung für reisende Inländer im Inlande die Art. 1, 2 und 3 inclus. ab1047.
Seine Königliche Hoheit der Kronprinz erforderten von den königlichen geheimen Staats und Konferenz Ministern und den geheimen Räthen über die Fragen[:] Sollen die Inländer, wenn sie in dem Königreiche reisen mit Päßen versehen sein oder nicht? Sollen die Grenzen der Kreise oder die Streke der 30 Stunden als Distance angenommen werden, wo der Inländer ohne Paß im Inlande nicht mehr reisen kann? ihre Abstimmungen.
Die königliche geheime Staats und Konferenz Minister {4v} und die königliche geheimen Räthe legten durch ihre Stimmen ihre Ansichten vor, einige äußerten sich bestimmt gegen den ersten Grundsaz, daß Inländer Päße im Inlande haben sollen, andere glaubten, daß eine solche Maaßregel nicht in einem ruhigen Zustande ergriffen werden sollte, um der Nazion nicht Mißtrauen zu zeigen, und blos eine Folge von Unruhe, Unsicherheit oder politischer Nothwendigkeit sein könnte. Einige erklärten sich für den Grundsaz als eine nothwendige Folge der Verhältniße worin man sich befinde, und als die einzige Maaßregel, welche die Regierung in den Stand seze, eine zwekmäsige Polizei Aufsicht in dem ganzen Königreiche herzustellen.
Die Mehrzahl der Mitglieder erklärten sich aber auf den Fall, daß der Grundsaz von Seiner Majestät dem Könige angenommen würde, für die Meinung der geheimen Raths Section, daß nicht eine Streke von 30 Stunden, sondern die Grenze der Kreise als Distance bestimmt werden {5r} wo der Inländer ohne Paß im Inlande nicht mehr reisen kann1048.
Nachdem Seine Königliche Hoheit der Kronprinz die Stimmen sämmtlicher Mitglieder gesammelt hatten, ergab sich daß
durch die Mehrheit von dreizehen Stimmen gegen drei der Grundsaz, „daß die Inländer zu ihren Reisen im Inlande Pässe zu nehmen angehalten werden sollen“ von dem geheimen Rathe verworfen und die Weglaßung des 1ten Kapitels und der Art. 1, 2, 3 so wie aller folgenden Stellen, die sich hierauf beziehen, aus der Verordnung beschlossen wurde.
Da es jedoch Fälle geben kann, wo auch diese Maaßregel von der obersten Staatsgewalt ergriffen werden muß; so vereinigte sich der geheime Rath zu dem Beisaze in der Verordnung „daß Seine Majestät der König Sich vorbehalten, nach Beschaffenheit besonderer Umstände temporäre bis {5v} zu ihrem Widerrufe wirkende Verordnungen über die Verbindlichkeit der im Inlande reisenden Inländer Päße zu nehmen, auf Vortrag der Ministerien der auswärtigen Angelegenheiten und des Innern zu erlassen“.
Der königliche wirkliche geheime Rath Graf von Arco bemerkte daß nach diesem Beschlusse des geheimen Raths von dem weitern Antrage der geheimen Raths Section des Innern wegen den Schrannen Bauern etc. Umgang genommen werden könnte und gieng zu dem 2ten Abschnitte der Verordnung Bestimmungen für Inländer die in das Ausland reisen und zu dem zweiten Grundsaze nämlich den Stellen über, die den Inländern Pässe in das Ausland ertheilen können1049.
Es frage sich hier, ob blos gesezt werden wolle von seiner unmittelbar vorgesezten Polizeibehörde, oder ob diese näher und im Einzelnen ausgedrükt, und ob nach der Meinung der geheimen Rathes {6r} Section des Innern bei dieser Enumeration der Stellen auch die Mediat- Unter- und Patrimonial Gerichte aufgenommen werden sollen.
Seine Königliche Hoheit der Kronprinz erforderten über diese Frage die Abstimmungen der königlichen geheimen Staats und Konferenz Minister und der geheimen Räthe, und da diese einstimmig der Meinung waren, daß die Stellen in der Verordung bestimmt ausgedrükt und den Mediat- Unter- und Patrimonial Gerichten auch die Befugniß ertheilt werden solle, Päße in das Ausland unter der Visa des General Kreis Kommißärs zu ertheilen
so faßte der geheime Rath den Beschluß, nach den Worten Art. 4 von seiner unmittelbar vorgesezten Polizeibehörde nämlich dem Polizei Kommißariate oder dem Landgericht beifügen zu lassen „oder dem Mediat- Unter oder dem Patrimonial Gerichte“.
Graf Carl von Arco fuhr fort die übrige Art. dieses 2ten Abschnittes 5 bis 9 inclus. abzulesen {6v} und die Gründe die derselben Faßung veranlaßt, auseinander zu sezen.
Der geheime Rath fand hiebei nichts zu erinnern, nur bestimmte derselbe, daß in dem Art. 6 statt Pässe gesezt werden solle „Autorisationen“1050.
Bei dem III. Abschnitte Art. 10 bis 15 inclus. Bestimmungen für Ausländer, welche nach Baiern und von da wieder in das Ausland reisen den der königliche geheime Rath Graf von Arco ablas, bemerkte derselbe, daß er in dem Art. 12 den Mediat- Unter- und Patrimonial Gerichten die Befugniß, die Pässe der Fremden die in das Land kommen, zu visiren1051, nicht einräumen, sondern diese blos auf die Landgerichte oder Polizei Kommißariate beschränken dagegen aber würde er in dem Art. 14 die Mediat- Unter- oder Patrimonial Gerichte nach den Landgerichten wieder einschalten weil dieses eine Erleichterung {7r} für jeden Fremden zur Folge haben werde.
Bei dem § 15 seie von der geheimen Raths Section des Inneren der Antrag gemacht worden, daß nach den Worten Art. 15 alle fremde Handels Leute beigefügt werde „oder Fuhrleute“1052. Er vereinige sich mit diesem Antrage, weil derselbe zur Begünstigung der fremden die Messe besuchenden Kaufleute gereiche.
Bei den Berathschlagungen, die unter den geheimen Räthen über diesen 3ten Abschnitt entstanden, äußerten sich einige Mitglieder gegen die Fassung des Art. 12, indeme er den eintretenden fremden Reisenden zu viele Beschränkungen auflege, und mancher Reisende die Austritts Station oder den Weeg den er nehmen wolle, gar nicht im voraus bestimmen könne.
Seine königliche Hoheit der Kronprinz sahen sich durch diese Aeußerungen veranlaßt, die Stimmen der königlichen geheimen Staats- und {7v} und [!] Konferenz Minister und der geheimen Räthe über die Faßung des Art. 12 und über die vorgelegte Anträge des Grafen Carl von Arco zu erholen.
Die Mehrheit der stimmenden Mitglieder des geheimen Rathes erklärte sich für Beibehaltung der abgelesenen Faßung des Art. 12 und vereinigte sich mit den Anträgen des Referenten, daß a) die Visirung der Pässe der in das Land eintretenden Fremden nicht auf die Mediat- Unter- und Patrimonial-Gerichte ausgedehnt werden, sondern diese den Landgerichten und Polizei-Kommißariaten vorbehalten bleiben solle, b) in dem Art. 14 aber nach den Polizei Commißariaten und Landgerichten auch die Mediat- Unter- und Patrimonial Gerichte beigefügt, und c) in dem Art. 15 nach fremden Handelsleuten zugesezt werde „Fuhrleute“. Auch solle die Stelle im Anfange des Art. 15 {8r} in das Land kommen dahin abgeändert werden: „welche aus dem Auslande kommen“.
Der königliche wirkliche geheime Rath und Vorstand der Polizei Section Graf von Arco trug dem geheimen Rathe das IVte Capitel Allgemeine Vorschriften über das Paßwesen mit seinen Unterabtheilungen vor, und las die solche Vorschriften enthaltende Art. 16 bis 26 inclus. ab.
Nachdem hierüber in dem geheimen Rathe die Berathungen gepflogen, und die Mitglieder über die verschiedene Ansichten sich benommen hatten,
wurden von dem geheimen Rathe folgende Abänderungen dieser abgelesenen Art. beschlossen: Der Art. 16 solle nach seiner gegenwärtigen Fassung1053 ganz umgangen, und dafür nur gesezt werden daß in dem Art. 4 diejenige Behörden, welche Pässe ertheilen können, benannt sind.
In dem Art. 17 solle der {8v} Zwischensaz (mit Ausnahme der in dem Art. 3 und 4 bestimmten Fällen) ausgelaßen werden1054.
Der Anfang des Art. 18 bis zu den Worten die übrigen nach den Art. solle hinweggelaßen, auch sich nicht auf den Art. 6 bezogen werden1055.
Auch solle in dem nämlichen Art. statt den Worten Allen im Art. 16 genannten Unterbehörden des Königreichs mitgetheilt gesezt werden: „an die General Kreis Kommißariate für sich und zu weiterer Vertheilung an alle geeignete Unterbehörden ihres Kreises ausgestellt“1056.
Nach dem Art. 18 solle wegen den Konservatorien der zurükbleibenden Blätter ein eigener Art. eingeschaltet, und darin bestimmt werden, daß solche bei den General Kreis-Kommißariaten deponirt, und von den Unterbehörden alle Vierteljahre dahin eingeschikt werden müßen. Die Fassung dieses neuen {9r} Art. wurde dem Referenten überlaßen1057.
In dem Art. 19 solle beigefügt werden, nach Haupt der Familie: „jedoch muß die Zahl dieser Mitglieder der Familie und der Dienstboten auf dem Passe eingetragen sein“1058.
Der Art. 201059 wegen den französischen Päßen im Etschkreise solle ganz ausgelassen werden, weil durch das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten den General-Kommißariaten des Eisak- und Etsch Kreises Formulare von Pässen in deutsch[er] und französischer Sprache werden zugeschikt werden, und keine ausdrükliche Bestimmung für den Gebrauch derselben nöthig scheint.
Aus diesem Grunde solle auch der Zwischensaz in dem Art. 8 (die Grenzen, wovon unten Art. 20 die Rede ist ausgenommen) weggelassen werden.
Wegen den Taxen für {9v} die Päße sollen in dem Art. 22 folgende Bestimmungen statt der angetragenen1060, aufgenommen werden:
Diese Taxe ist dreierlei a) für einen mit eigenem Gefährde, oder mit Lohnkutsche oder mit Extra Post Fahrenden von 1 fl. für den Paß, b) für den Reitenden oder mit dem Postwagen Fahrenden 24 kr., c) für den Fußgänger oder jene die zu Wasser reisen 6 kr.
Auch solle die Klasse der bezalten Taxgebühren oder ob sie an notorisch Arme unentgeldlich ertheilt worden, auf dem Passe bemerkt werden.
Die Visirung der Pässe solle unentgeldlich geschehen, auch solle bei den Reglementar Bestimmungen über die Erholung dieser Taxgebühren den untern Beamten, die bei dem Paßwesen beschäftiget zu ihrer Aufmunterung und zum Lohne ihrer {10r} Bemühungen ein Antheil entweder der Bruto Einnahmen, oder des Überschusses nach Pro Cent ausgeworfen werden.
Die Bestimmung wegen den doppelten Pässen des Etschkreises am Schlusse des Art. 22 solle ganz weggelaßen, und über die Einnahme der Taxgebühren der Paß ausstellenden Behörde Folgendes ausgesprochen werden: „Die paßausstellenden Behörden nehmen jene Gebühren ein, und verrechnen sie für das königliche Aerarium“1061.
Der geheime Rath fand sich zu dieser lezten Aenderung durch den vorgelegten Grund eines seiner Mitglieder veranlaßt, daß es eine doppelte und beschwerliche Verrechnung und Controlle zur Folge haben würde, wenn die Mediat- Unter und Patrimonial Gerichte diese Paßgebühren einnehmen und es zwekmäsiger und mehr in dem Sistem sei, wenn auch diese gegen Erhaltung der Formulare die Taxgebühren dem königlichen {10v} Aerar verrechneten und einlieferten.
Bei dem Art. 23 solle wegen jenen Handwerksburschen die nach Frankreich reisen, da diese nach den Aeußerungen der französischen Regierung nebst ihren Wanderungs Bücher auch Pässe haben müßen, sich auf die deßhalb im vorigen Jahre erschienene Verordnung bezogen werden1062.
Der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Freiherr von Montgelas machte die Erinnerung, daß in der Verordnung nicht bestimmt sei, wie es mit den Militär Päßen, welche Offiziere benachbarter Staaten von den Militärstellen erhielten, gehalten werden solle: da diese Fälle öfters eintreten und schon manchmal Anstände darüber entstanden, so würde es zwekmäsig sein, auch hierüber einige Vorschriften auszusprechen.
Die königliche geheime Staats und Konferenz Minister und geheimen Räthe waren auch der Meinung, daß man Art. 10 beisezen könnte: „bekannte Civil- und Militär Behörden“1063.
Da aber nach diesem {11r} allgemeinen Ausdruck des Art. 10 auch die Militärpäße der benachbarten Staaten an den Grenzen respectirt werden müßen, und die Visirung aller selbst der Militär-Päße in der Regel nie einer andern Behörde als der Civil-Stelle übertragen werden kann, eine ausdrückliche Bestimmung mehrerer Anstände veranlassen könnte, auch Verordnungen hierüber bereits bestünden; so glaubten die Mitglieder des geheimen Rathes, daß es bei der Faßung des Art. 10 belaßen und wegen den Militär Päßen kein Beisaz zu machen wäre.
Der königliche geheime Rath theilte diese Meinung wegen den Militär Päßen und beschloß: das gegenwärtige Protocoll und die darin enthaltenen Beschlüße Seiner Majestaet dem Koenige zur allerhöchsten Bestätigung allerunterthänigst vorzulegen1064.
Anmerkungen
BayHStA Staatsrat 8221 („Vortrag über das Paßwesen in Baiern“, paginiert, 13 Seiten, nicht datiert, weiteres lithographiertes Exemplar: BayHStA Staatsrat 1971) enthält die schriftliche Fassung des hier protokollierten Vortrags des Vorstands der Polizeisektion. Wie ein Textvergleich ergibt, griff Arco darin Formulierungen aus dem „Allerunterthänigste[n] Vortrag [d]ie Legislazion des Paßwesens für das Königreich Baiern betr[effend]“ vom 1. März 1809 auf (ebd., weiteres lithographiertes Exemplar: Staatsrat 1971, paginiert, 10 Seiten; fortan zit. als „Allerunterthänigster Vortrag“). Dabei handelt es sich um die Ausarbeitung, die Arco am 1. März in der Sektion des Inneren des Geheimen Rates vortrug, um den Verordnungsentwurf der Polizeisektion zur Diskussion zu stellen. Das dazugehörige Protokoll in Staatsrat 1971, 4 Bll., nicht paginiert, hier Bl. [1r-3r]. Anwesend waren Johann Nepomuk v. Krenner, Georg Friedrich v. Zentner, Joseph August Graf v. Toerring-Gutenzell, Johann Adam Freiherr v. Aretin sowie Carl Maria Graf v. Arco.
„Allerunterthänigster Vortrag“, S. 1f. (Unterstreichungen nicht übernommen): „§ 1. Niemand wird in Abrede stellen, daß ein wohl eingerichtetes Paßwesen in einem civilisirten Staate beinahe zum Bedürfniß geworden seie; indeme es ihm einerseits den Vortheil gewährt die Auswanderung seiner eigenen Unterthanen ohne seinem Vorwissen und Einwilligung beinahe unmöglich zu machen, andererseits aber die Möglichkeit verschaft [!], fremden Unterthanen und Ausländern nur in so ferne er es zulässig findet den Zutritt in das Land zu gestatten und selbst die nach Beobachtung der gegebenen Vorschriften zugelassenen Ausländer während ihres Aufenthaltes in dem Lande leichter und genauer zu surveilliren. § 2. So wie das Paßwesen aber dem Staate die obenerwehnten Vortheile zusichert, gewährt es aber andererseits auch dem Inn- und Ausländer den Vortheil der Sicherheit seiner Person vor allen überflüssigen und ihm beschwerlichen Untersuchungen über seinen Stand, Herkunft und politische Existenz, sobald er den durch die Paßlegislation gegebenen Vorschriften Genüge geleistet hat.“
Laut der schriftlichen Vortragsfassung formulierte Arco als Grundsatz: „Der Verkehr und die Reisen der Inländer innerhalb der Gränzen von Baiern sollte so frei und ungebunden, als immer möglich, erhalten werden“. Dem entsprach die Einrichtung einer 30-Stunden-Zone, in der es erlaubt war, ohne Paß zu reisen, „weil es in diesem Bezirk jedem möglich sein wird, den Obrigkeiten auf Verlangen seine Ansässigkeit und seinen Stand zu beweisen“ („Allerunterthänigster Vortrag“, S. 1f.).
Die entsprechenden Passagen des Entwurfs einer „Verordnung die Reise Pässe betreffend“ (paginiert, 16 Seiten, nicht datiert, BayHStA Staatsrat 8221, weiteres lithographiertes Exemplar Staatsrat 1971) lauteten (S. 1f.): „1. Jeder Inländer von mehr als 18 Jahren der im Inlande sich über 30 Stunden von seinem Wohnorte entfernt, muß mit einem von dem Polizei Commissariate der Landgerichte seines Wohnortes in der unter Artikel 18 bestimmten Form ausgestellten Passe versehen sein, welchen er an dem Ziele seiner Reise bei der betreffenden Polizeibehörde vorzuzeigen, und zur Rükreise oder Fortsezung seiner Reise visiren zu lassen hat. Es versteht sich, daß mit keinem solchen Passe in das Ausland gereist werden kann. 2. Personen, welche wegen besondern der ausstellenden Behörde bekannten Geschäften denselben Weg öfter im Jahr zu machen haben, kann für das ganze Jahr hiefür ein Paß ertheilt werden; ordentlich aufgenommene fahrende Bothen brauchen für ihre Person keinen Paß. 3. Jeder reisende Innländer, welcher in der eben festgesezten Entfernung von seinem Wohnorte ohne den vorgeschriebenen Paß betreten wird, wird von der Polizei-Behörde arretirt, und, wenn er nicht durch zwei angesessene unverdächtige Individuen sich über seine Person legitimiren kann, an seinen Wohnort zurükgeliefert; woferne er aber dieses kann, und sonst kein Verdacht gegen selben existirt, von der Behörde, bei welcher er angehalten wurde, mit einem Passe zu Fortsezung seiner Reise versehen werden, in welchem Passe jedoch deutlich bemerkt werden muß, daß selber den Reisenden, aus Mangel eines von seiner ordentlichen Obrigkeit ausgestellten Passes, unter den eben gedachten Umständen ertheilt worden sei.“
Diese Regelung ging auf einen Vorschlag Zentners zurück, den er in der Sektionssitzung vom 1. März 1809 vorgetragen hatte (BayHStA Staatsrat 1971, nicht paginiert, B. [1v]). Dieser Ansicht traten Aretin und Toerring-Gutenzell bei, „doch lezterer mit der Bemerkung […], daß bey einem solchen Reglement der Anschein einer Einkerkerung der Bürger und Unterthanen nicht zu vermeiden sey“ Zentner bemerkte dazu, „daß einzelne bisher bemerkte Mißbräuche keine allgemeine den Unterthanen beschwerliche Gesetze erheischen dürften“. Die Abstimmung erbrachte den Konpromißvorschlag, einen Paß für Inländer nur dann vorzuschreiben, wenn sie den Kreis ihres Wohnortes verließen. Dieser Paß sollte sodann im ganzen Königreich gelten. Für Reisen innerhalb des Kreises war kein Paß erforderlich (ebd., Bl. [1v-2r]).
Der Entwurf lautete (ebd., S. 3, Art. 4): „Jeder königliche Unterthan, welcher in das Ausland reist, muß mit einem von dem General Kreis Kommissariate, in dessen Bezirke er wohnt, ausgestellten, oder mit einem von seiner unmittelbaren vorgesezten Polizei Behörde, nemlich dem Polizei Commissariate, oder Landgerichte ausgestellten, und von dem General[Ergänzung über der Zeile: kreis]kommissariate visirten Passe in der vorgeschriebenen Form versehen sein.“
Artikel 6 des Entwurfs (ebd., S. 3f.) erlaubte den Generalkreiskommissariaten, „[d]en an der Gränze wohnenden Unterthanen oder Handelsleute[n], welche vielen Verkehr in das benachbarte Ausland haben, […] *Pässe* [durchgestrichen; über der Zeile korrigiert zu „Authorisationen“] auf ein Jahr giltig, für mehrere Reisen [zu] ertheilen“.
Ebd., Art. 12, S. 6: „Der Fremde, der […] in das Land kommt, hat seinen Paß bei dem ersten Landgerichte, oder Polizei Commißariate, dessen Sitz er betritt, visiren, und dabei den Ort, wo er sich in Baiern aufzuhalten gedenkt, oder, wenn er nur durch das Land reiset, den Weg, welchen er nehmen, und die Austritts Stazion, bei der er es verlassen will, bemerken zu lassen.“
Artikel 16 der Entwurfsfassung (ebd., S. 8f.) lautete: „Nur die General Kreis Kommissariate und die ihnen untergeordneten Polizei Direkzionen und Commissariate, und Landgerichte und die Justiz Kanzleien mediatisirter Fürsten können nach der vorstehenden Vorschrift Pässe visiren, und ausfertigen. Allen übrigen königlichen Behörden, und besonders allen Patrimonial Gerichten ist dieses untersagt.“
Die hier getilgte – in der veröffentlichten Version (RegBl. 1809, Sp. 1705f., Art. 18) jedoch inhaltlich wieder aufgenommene – Passage (ebd., S. 9f., Art. 18) lautet: „Alle, nach den Art. 1, 2, 3 auszufertigenden Pässe für inländische Reisende welche im Inlande reisen, haben die unter Lit A. beigefügte Form; die Formularien dazu werden auf Veranstaltung der General Kreis Commißariate gedrukt, und von diesen an die Unterbehörden in verhältnißmäsiger Anzahl ausgetheilt.“
Die unmittelbar anschließende Entwurfsfassung (ebd., S. 10) lautete: „Alle übrigen nach den Artikeln 4, 6 [aufgrund des Antrags des Geheimen Rates – siehe oben im Text – gestrichen] und 14 auszustellenden Pässe in das Ausland werden in deutscher Sprache, und zwar nur auf die Formulare, welche von dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten in erforderlicher Anzahl und in fortlaufenden Nummern an alle im Art. 16 genannten Unterbehörden des Königreichs mitgetheilt werden, ausgestellt; wenn eine Unterbehörde die ihr mitgetheilte Formularien beinahe verbraucht hat, so hat selbe von dem General Kreis Commissariate, und dieses bei dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten eine weitere Anzahl in Zeiten abzufordern […].
Artikel 19 der verkündeten Fassung (VO betr. die „Reise-Pässe“ vom 16. März 1809, RegBl. 1809, Sp. 1697-1712, hier Sp. 1707) antwortet auf die Frage, „[w]o die zurückbleibenden gleichlautenden Blätter aufzubewahren sind“: zunächst verblieben sie bei den paßausstellenden Behörden, am Ende des Quartals gingen sie an die Generalkreiskommissariate. – Gleichlautende Blätter entstanden, indem „[j]eder Paß […] auf die zwei in einem Bogen enthaltene Formulare gleichlautend eingetragen“ wurde. Sodann wurde zwischen die beiden Formulare „der Vor- und Zuname des Reisenden mit großen Buchstaben dergestalt geschrieben, daß der Name durch die Vertical-Linie des Bogen durchschnitten, und folglich, wenn die zwei Theile des Bogen auseinander geschnitten werden, sowohl auf dem Passe, als auf den zurückbleibenden Blatte die Hälfte der Buchstaben sichtbar ist; das eine Blatt bildet nun den Paß, und das andere wird bei dem Amte zurückbehalten“ (Art. 18, ebd., Sp. 1706).
Der Art. 20 (ebd., S. 11f.) berechtigte das Generalkommissariat des Etschkreises zur Ausgabe französischer Pässe an „nach Italien reisende Unterthanen“, sofern sie nicht von den Bestimmungen der Artt. 8 und 9 (RegBl. 1809, Sp. 1701f.) erfaßt waren.
Artikel 24 der verkündeten Fassung (RegBl. 1809, Sp. 1709).
Mit Verordnung vom 23. Oktober 1808 wurden die „nach Frankreich wandernden diesseitigen Handwerks-Gesellen“ angewiesen, an der Grenze neben dem Wanderbuch auch einen „von einem französischen diplomatischen Agenten visirten Reisepaß“ vorzuweisen (RegBl. 1808, Sp. 2585).