BayHStA Staatsrat 163
6 Blätter. Unterschriften des Königs und der Minister. Protokoll: Kobell.
Anwesend:
Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Hompesch.
Geheime Räte: Graf v. Preysing; Ignaz Graf v. Arco; Graf v. Toerring-Gutenzell; v. Zentner; Johann Nepomuk v. Krenner; Freiherr v. Stengel; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; Schenk; Freiherr v. Asbeck; Feuerbach.
Entwurf des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches
Vortrag Feuerbachs über die Titel 16, 18, 19, 20, 21 und 22 des 3. Buches des EABG. Einleitend behandelt er die Abgrenzung von Faustpfand und Hypothek; sodann verliest er die einzelnen Artikel, die im Geheimen Rat diskutiert und teilweise modifiziert werden.
{1r} [1.] Der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Freiherr von Montgelas, der bei Verhinderung Seiner Majestät des Königs {1v} und Seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen die auf heute angeordnete Sizung des geheimen Raths praesidirte, forderte den königlichen geheimen Rath von Feuerbach auf, da kein anderer dringender Vortrag für den geheimen Rath bearbeitet, mit jenen Titeln des neuen bürgerlichen Gesezbuches fortzufahren, die mit den Titeln über das Hypothekenwesen, welche einer näheren Prüfung unterliegen, nicht in Verbindung stehen1136.
In Folge dieser Aufforderung äußerte der königliche wirkliche geheime Rath von Feuerbach, daß er den sechszehenten Titel des Gesezbuches von dem Faustpfande1137 dem geheimen Rathe zur Berathung vorlegen werde, zuvor aber müße er das Sistem, wornach dieser Titel bearbeitet worden und die Abweichungen auseinander sezen, die bei dieser neuen Gesezgebung gegen die vorige sich ergeben.
Faustpfand und Hypothek seien in dem alten Rechts Sisteme sowohl in dem Objecte als in den rechtlichen Wirkungen eines und daßelbe gewesen. {2r} Dieselbe Sachen, welche man zu Hypotheken bestellte, konnten auch zum Faustpfande bestellt werden, eine bewegliche Sache konnte Gegenstand einer Hypothek, und umgekehrt alle unbewegliche Sachen, selbst der Substanz nach, konnten Gegenstand eines Faustpfandes sein. Ferner seie die Hypothek so wie das Faustpfand, dieses mochte aus einer beweglichen oder aus einer unbeweglichen Sache bestellt sein, ein dingliches Recht gewesen, das heißt ein gegen jeden Dritten wirkendes Vorzugs Recht.
Der einzige Unterschied zwischen Hypotheken und Faustpfand war dieser, das Faustpfand war bedingt durch den wirklichen Besiz des Schuldners. Der Gegenstand der Hypothek blieb in dem Besiz des Schuldners, und gab dem Gläubiger blos ein Recht zum Besiz; das Faustpfand entstand daher durch wirkliche Übergabe, die Hypothek durch bloße Verschreibung.
Dieses Sistem konnte nicht stehen bleiben, sobald {2v} das alte Sistem der heimlichen Hypotheken aus dem Gesezbuche ausgehoben wurde, denn der Grundsaz: ein dingliches Recht, d.h. ein gegen einen Dritten wirkendes Vorzugsrecht erfordere Publizität dieses Vorzugs Rechtes und diese Publizität könne bei Immobilien nur erwirkt werden durch die Eintragung.
Aus dem Gesagten ergäben sich folgende Unterschiede der neuen Gesezgebung mit der alten in Bezug auf Hypothek und Faustpfand, die das Ganze sehr vereinfachten. 1) Hypothek finde nur statt an Immobilien. Faustpfand nur an Mobilien. Wenn daher auch Immobilien zum Faustpfande in den Besiz des Gläubigers gegeben würde, so seien doch nur die Früchte Gegenstand des Pfandes, nie aber die Substanz, diese könne nur durch eine Hypothek belastet werden. 2) Die Hypothek seie ein dingliches gegen jeden Dritten wirkendes Vorzugs Recht, mit welchem eine Vindikazion verbunden. Das Faustpfand gebe keine {3r} rei vindicatio1138, sondern nur ein Retentions Recht, denn es habe keine Publicitaet. 3) Die Hypothek entstehe durch den Akt, wodurch die Retention ihren Anfang nehme, durch die Übergabe (traditio). 4) Die Dauer der Hypothek hänge daher von dem Besize nicht ab, sie gehe als Real-Last mit dem Gute in die Hände jedes Besizers über. Die Dauer des Faustpfandes hänge, da dieses nur ein Retentions Recht seie, von dem fortdauernden Besize ab, und vorbehaltlich der persönlichen und poßitiven Klage auf Rükgabe des Pfandes gegen denjenigen, der durch unerlaubte Handlungen dem Gläubiger den Ersaz entzogen hat.
Nach dieser Einleitung las der königliche geheime Rath von Feuerbach folgende Capitel des 16ten Titels von dem Faustpfande ab. 1. Capitel Allgemeine Bestimmungen Art. 2182 bis 2197. 2tes Capitel Von dem willkührlichen Faustpfande überhaupt Art. 2197 bis 2205. {3v} 3tes Capitel Von der Verpfändung einer fruchtbringenden Sache überhaupt, und dem Nuzungs-Pfande insbesondere.
Jeden Art. begleitete geheimer Rath von Feuerbach mit den erforderlichen Erklärungen um die Gründe seiner Fassung beurtheilen zu können.
Mehrere Mitglieder des geheimen Raths machten bei verschiedenen Stellen über die Fassung der Art. Erinnerungen, und insbesondere wurde bei der Überschrift des 2ten Kapitels Von dem willkührlichen Faustpfande überhaupt bemerkt, daß diese nicht geeignet scheine, weil dieselbe vorausseze, daß eine Abtheilung aller Gattungen des Faustpfandes und mehrere Kapitel deßwegen nachkommen, wo doch nur das einzige hievon handle. Mehrere abgeänderte Überschriften dieses Kapitels wurden vorgeschlagen.
Bei dem § 22111139 von dem eigentlichen Nuzungs Pfande oder der Antichresis wurde erinnert, daß es auf dem {4r} Lande in verschiedenen Kreisen sehr häufig geschehe, daß von einem Bauern gegen Aufnahme eines Kapitals, einen Aker oder ein anderes Stük Feld auf gewiße Jahre zur vollkommenen Benuzung an einen Dritten zu überlassen, bis Kapital und Zinsen durch diese noch auf Jahre bestimmte Benuzung abgetragen sei. Aus diesem Grunde scheine es nöthig, bei einem paßenden Kapitel einzuschalten, daß die Partheien sich verabreden können, daß sich die Früchte eines Nuzungs Pfandes auch mit dem Kapital kompensieren können.
Bei dem Art. 2213, 2214 und 22151140 wurde bemerkt, daß es nicht räthlich scheine, die darin enthaltene Bestimmungen in dem Gesezbuche auszusprechen, weil noch nicht bestimmt, was gesezliche oder erlaubte Zinsen seien. Die Lösung dieser Fragen seie eine der schwersten Aufgaben und erfordere eine reife durchdachte Deliberation, denn so gewiß es seie, daß das Geld als Waare {4v} betrachtet werden könne, so gewiß seie es auch, und habe durch Vorgänge in Frankreich und Oesterreich bewiesen, daß gesezliche Zinsen bestimmt und Geseze gegen den Wucher gegeben werden müßten; allein, bis die dabei eintretende Rüksichten erwogen und die Vorzüge und Hinderniße dieser Geseze durchdacht, und berathen, scheine es zwekmäsiger, keine Bestimmung, die darauf hindeutet, auszusprechen, weil sonst der Richter in seinen Urtheilen gehindert werde; bei einem ähnlichen Falle, wo von gesezlichen Zinsen im Gesezbuche die Rede gewesen, seie die Bestimmung hierüber aus diesen Gründen und vorzüglich deßwegen umgangen und blos allgemeine Normen angenommen worden, weil in einem Gesezbuche der Wert des Geldes, der dem Steigen und Fallen nach Umständen so oft unterworfen, nicht fest bestimmt werden könne, sondern diese Reglementar Verordnungen, die nach den Zeitverhältnissen gegeben werden, vorbehalten bleiben müsse. Statt dieser {5r} drei Kapitel scheine es dermal hinlänglich, wenn in dem Art. 22121141 beigefügt werde: „der Vertrag solle von dem Richter nur dann bestätiget werden, wenn er nichts Gesezwidriges enthält“. Wo aber die darin enthaltene Bestimmungen seiner Zeit in eine Reglementar Verordnung aufgenommen werden könnten.
Der königliche geheime Rath faßte wegen dem 16ten Titel Von dem Faustpfande folgende Beschlüsse. Die Überschrift des 2ten Kapitels Von dem willkührlichen Faustpfande überhaupt solle durch den geheimen Rath von Feuerbach abgeändert werden.
Der Art. 2198 solle auf folgende Art gefaßt werden: „Niemand kann eine andere als seine eigene Sache, eine fremde aber nur mit Einwilligung des Eigenthümers zum Pfande geben.“
In dem Art. 22051142 solle im Anfange körperlich oder unkörperlich ausgelassen werden.
In dem Art. 22091143 solle statt außer nebst gesezt werden.
In dem § 2211 oder einer sonst passenden Stelle eines früheren Art. solle beigefügt werden, {5v} „daß sich die Früchte auch selbst mit dem Kapital kompensiren können“.
Die Art. 2213, 2214 und 2215 sollen ganz ausgelaßen, und dafür der Art. 2212 dahin abgeändert werden, daß „die Verträge nur dann von dem Gerichte bestätiget werden, wenn sie nichts Gesezwidriges enthalten“.
Die nähere Fassung dieses Art. nach diesem Sinne wurde dem geheimen Rathe von Feuerbach übertragen.
Geheimer Rath von Feuerbach bemerkte dem geheimen Rathe, daß der 18te Titel Von persönlich bevorzugten Forderungen1144 und der 19te Titel Von dem unfreiwilligen Verkaufe der Güter zu Befriedigung der Gläubiger, oder von der Auspfändung1145, und der 20te Titel Von persönlicher Verhaftung in Civil Sachen1146 mit den früheren Titel über das Hypothekenwesen in genauer Verbindung {6r} stünden, und nicht vorgetragen werden könnten, bis die Commißion nach dem königlichen Auftrage das Sistem der Hypotheken geprüft, und darüber sich vereiniget habe.
Allein der 21te Titel Von dem Inhaben und dem Besizen1147, und der 22te Titel Von der Verjährung1148 könnten ohngeachtet der eintretenden näheren Discußion über das Hypothekenwesen dem geheimen Rathe vorgelegt werden.
Auf die erfolgte Zustimmung zum Vortrage des 21ten Titels, las geheimer Rath von Feuerbach die Art. 2400 bis 2419 dieses Titels ab, und begleitete dieselbe mit den nöthigen Erläuterungen.
Der geheime Rath fand bei den abgelesenen Art. des 21ten Titels nichts zu erinnern, und vereinigte sich, den 16ten und 21ten Titel des bürgerlichen Gesezbuches und die wegen ersteren von dem geheimen Rathe genommenen Beschlüsse Seiner Majestät {6v} dem Könige zur allerhöchsten Genehmigung allerunterthänigst vorzulegen1149.
Genehmigung durch den König.
Anmerkungen
Die rei vindicatio diente dem Schutz des Eigentums, wenn „eine totale Verletzung desselben geschehen [war], d. h. Entziehung des Besitzes“. Zu dessen Wiedererlangung diente die rei vindicatio als Eigentumsklage, „um die vollständige Anerkennung des Eigenthums zu erzwingen“. Grund der Klage war demnach das Eigentum, „ihr Zweck die Herausgabe der Sache als Folge davon“ (Sintenis, Civilrecht Bd. 1, S. 517). Die Eigentumsklage brachte somit „die Rechte des nichtbesitzenden Eigenthümers gegenüber dem besitzenden Nichteigenthümer zur Geltung“ (Dernburg, Pandekten Bd. 1, § 224, S. 512).
Ebd., S. 678: „Art. 2213 […]. Ist die Nutzbarkeit des Gegenstandes ungewiß und hängt deßen Ertrag ganz oder größtentheils vom Zufalle ab, so ist die Verabredung uneingeschränkt zuläßig, und die von dem Gläubiger bezogenen Früchte brauchen dem Kapitale nicht abgerechnet zu werden, wenn gleich dieselben das Maas erlaubter Zinsen überschreiten. Art. 2214. Wenn die zum Nuzungspfande zu gebende Sache nach dem ordentlichen Laufe der Natur regelmäßig gewiße Früchte hervorbringt, gleichwohl der Ertrag derselben nicht gleichförmig und mit vollkommener Gewißheit vorauszubestimmen ist, so ist der Vertrag zuläßig, wenn der ordentliche reine Ertrag des Pfandes nach einem allgemeinen Durchschnitte, die erlaubten jährlichen Zinsen nicht um ein Drittheil übersteigt. Art. 2215. Ist aber der Ertrag der Nuzungen vollkommen bestimmt und gleichförmig, wie Renten oder Zinsen einer Schuldfoderung, so ist der Vertrag ungültig, so weit der Betrag der Nuzungen das Maaß der erlaubten Zinsen überschreitet; der Ueberschuß ist von dem Capitale abzurechnen.“