BayHStA Staatsrat 179
10 Blätter. Unterschriften des Königs, des Kronprinzen und der Minister. Protokoll: Kobell.
Anwesend:
König Max Joseph; Kronprinz Ludwig.
Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Morawitzky; Hompesch.
Geheime Räte: Graf v. Preysing; Ignaz Graf v. Arco; Graf v. Toerring-Gutenzell; Johann Nepomuk v. Krenner; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach.
Befreiung der Staatsdiener vom Dienst in der Nationalgarde
Grundlage von Arcos Vortrag ist die Vorschrift der Verordnung vom 6. Juli 1809, wonach Staatsdiener entweder persönlich bei der Nationalgarde dienen müssen oder sich gegen Gebühr von einem anderen Nationalgardisten vertreten lassen dürfen. Daraus haben sich nachteilige Folgen für die Verwaltung ergeben, insbesondere weil Staatsdiener ohne Genehmigung der vorgesetzten Ministerien Offiziersstellen bei der Nationalgarde angenommen haben. Arco beantragt daher, daß Beamte nur dann persönlich bei der Nationalgarde dienen dürfen, wenn sie eine ministerielle Erlaubnis eingeholt haben. Montgelas beginnt die Diskussion, indem er auf die Notwendigkeit hinweist, eine Nationalgarde zu unterhalten. Da diese ebenso wie die reguläre Armee nicht über ausreichend viele Offiziere verfügt, habe man vorgeschlagen, die Offiziersstellen bei der Nationalgarde mit Staatsdienern zu besetzen. Dies sei allemal besser, als „Bauern zu Offizieren zu machen“. Wenn der König die gegenwärtige Organisation der Nationalgarde verändern wolle, so solle dies unverzüglich geschehen. Montgelas beantragt, die Staatsdiener nicht mehr in die Nationalgarde einzuziehen; ferner ist sicherzustellen, daß die 3. Klasse der Nationalgarde nie außer Landes Kriegsdienst leistet. Morawitzky schließt sich dem Antrag an. Hompesch hält eine funktionierende Staatsverwaltung für ebenso wichtig wie eine Nationalgarde, so daß er die Verwendung von Staatsdienern bei der Nationalgarde in Friedenszeiten ablehnt. Anders verhält es sich im Krieg. Er fordert, daß Staatsdiener nur mit Bewilligung des vorgesetzten Ministeriums in die Nationalgarde eintreten dürfen. Im übrigen gibt er zu bedenken, daß in Anbetracht der angespannten Finanzlage, die eine militärische Doppelstruktur nicht erlaube, und des höheren Kampfwertes den regulären Truppen der Vorzug zu geben sei. Die Mehrheit der Referenten folgt dem Antrag Montgelas’, worauf der König beschließt, eine entsprechende Verordnung zu erlassen.
{1v} 1. Nachdem Seine Majestät der König die auf heute allergnädigst angeordnete Sizung des geheimen Rathes eröfnet, ertheilten Allerhöchstdieselben dem geheimen Rathe Grafen Carl von Arco den Befehl, den für den geheimen Rath bearbeiteten Vortrag wegen Ausnahme der Staatsdiener von dem persönlichen Dienste bei der Nazionalgarde zu erstatten1445.
In Befolgung dieses allerhöchsten Auftrages las der königliche geheime Rath Graf Carl von Arco den anliegenden über diesen Gegenstand verfaßten schriftlichen Vortrag ab, und erläuterte darin die Gründe, die nach seiner und der zusammengesezten geheimen Raths Sekzionen Ansicht1446 eine Abänderung der Stelle veranlaßen würden, wodurch in der am 6ten Juli d. J. wegen Errichtung der Nazional-Garde ergangenen Verordnung die Obliegenheit sämmtlicher Staatsdiener ausgesprochen worden, die sie betreffende Dienste bei der Nazional-Garde entweder persönlich zu leisten, oder diese durch andere Nazional-Gardisten gegen Bezalung der bestimmt {2r} werdenden Summe leisten zu laßen1447.
Mit den lebhaftesten Farben stellte Graf Carl von Arco die Folgen dar, die aus dieser Obliegenheit der Staatsdiener für den Staatsdienst und die ganze innere Organisazion des Staates hervorgehen müßten, und nachdem er einige neuere Beispiele vorgelegt, wo Staatsdiener mit Hintansezung ihrer Dienstobliegenheiten und ohne die Bewilligung der ihnen vorgesezten Ministerien Offiziers Stellen bei der Nazional-Garde angenommen haben, und nachdem derselbe die verschiedene Ansichten welche die königliche Ministerien über die dabei zu beobachtende Grundsäze hegten, entwikelt, und er alle vorliegende Gründe zusammengestellt1448, machte er den Antrag, durch eine königliche allerhöchste Erklärung zu bestimmen, daß die mittel- und unmittelbaren Staatsdiener keine persönliche Dienste bei irgend einer Klaße der Nazional Garde zu leisten befugt sein sollen, wenn sie nicht hiezu vorläufig die allerhöchste Bewilligung {2v} auf Antrag des Ministeriums zu dem sie gehören, erhalten haben würden.
Über die Ursache, welche ihn Referenten veranlaßet zu sezen bei irgend einer Klaße der Nazional Garde äußerte sich derselbe in der Folge seines Vortrages, und las zu Begründung seiner Meinung einen Auszug aus dem Jahres-Berichte ab, den er als Vorstand der Polizei Section an das Ministerium des Innern über diesen Punkt erstattet1449, und fügte hinzu, daß so lange die Grenz-Linie des Unterschiedes zwischen dem Dienste der 2ten und 3ten Klaße der baierischen Nazional Garde nicht schärfer als es bisher in der Verordnung vom 6ten Juli d. J. geschah, gezogen sein werde, es nothwendig sein dürfte, in der obigen Erläuterung die Worte bei irgend einer Klaße stehen zu laßen. Er Referent glaube übrigens, daß diese Leuterazion genüge, ohne den Nro 3 des 2ten § der Verordnung vom 6ten Juli d. J. bestimmt abzuändern1450, besonders wenn im Falle eines zukünftigen Krieges den General-Kreis-Kommißariaten und General Kommandanten {3r} bestimmt aufgetragen werden würde, daß die 2te Klaße der Nazional-Garde in keinem Falle außerhalb ihres Burgfriedens und Dorffluren verwendet werden dürfe.
Seine Majestät der König geruheten die geheime Staats- und Konferenz Minister und die geheimen Räthe aufzurufen, über diesen Antrag ihre Abstimmungen abzugeben.
Der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Graf von Montgelas äußerte, daß hier zwei Fragen zu entscheiden vorliegen: 1) die Obliegenheit der Staatsdiener zum wirklichen Dienste bei der Nazional-Garde, und 2) die Beschränkung der Dienst-Obliegenheiten der 3en Klaße der Nazional-Garde.
Obschon gegenwärtig die wichtigere Frage, ob die Nazional-Garde ihrem Zweke und der Absicht der Regierung, dadurch die Streitkräfte des Staates zu erhöhen, noch ihrer gegenwärtigen Organisazion entspreche, und ob nicht viele bedenkliche Übel damit verknüpfet, so sehr sie auch mit den vorgetragenen Punkten verbunden {3v} nicht in Berathung könnte genommen werden, da diese Frage näher und umständlicher untersucht und geprüft werden müßte, so glaube er doch die eintretende Nothwendigkeit der Errichtung einer Nazional-Garde näher beleuchten zu müßen.
Die Konstituzion des Königreichs bestimme die Errichtung einer Nazional-Garde1451, und das Beispiel aller benachbarten Staaten rechfertige diese Maaßregel, die durch den Aufruhr in den südlichen Kreisen des Reichs und durch die finanzielle Schwierigkeiten, die stehende Armee zu vermehren, noch dringender geworden.
Er kenne alle Einwürfe die dagegen zu machen, und so gegründet auch einige davon sein mögten, so erfordere demnach die Tendenz des Jahrhunderts außerordentliche Maaßregeln. Noch seien ohngeachtet des Friedens die Aussichten an den Grenzen des Reichs nichts weniger als friedlich, und selbst Oesterreich verdoppele gegenwärtig noch seine Anstrengungen, um sich zu einem neuen Kampfe zu bereiten, daßelbe habe alle Mannschaft der Landwehr mit dem Militäre {4r} vereiniget, und zwinge dadurch seinen Nachbarn, in den ergriffenen Maaßregeln in nichts nachzulaßen.
Die Organisazion der Nazional Garde im Königreiche Baiern habe die stehende Armee mit Reserve Bataillons vermehrt, und der Drang der Umstände werde zeigen, in wie weit diese Maaßregel noch ferner ausgedehnt werden müße, die ergriffene und ausgeführte Idee der Nazional-Garde seie das wohlfeilste Mittel die Armee zu verstärken und wenn man die Einrichtung derselben zergliedere, so würde man sich überzeugen, daß bei den erschöpften Kaßen und der sinkenden Population kein anderer Ausweg in dem nun vielleicht nur auf kurze Zeit geendigten Kriege zu ergreifen übrig geblieben. Die stehende Armee habe Mangel an Offizieren, die Nazional Garde seie in dem nämlichen Falle, und um diesem leztern abzuhelfen, und um nicht genöthiget zu sein, Bauern zu Offizieren zu machen, habe man vorgeschlagen, Staatsdiener auf welche die Regierung mehr Vertrauen als auf Bauern und Bürgers-Söhne haben müßte, zu Offiziere zu ernennen.
{4v} Finde man diese Verfügung für die übrige Staatszweke zu nachtheilig und finde man die Bewaffnung der Nazional-Garden zu bedenklich, so bleibe nichts übrig, als die Frage, was derselben zu substituiren, gründlich und umständlich zu erörtern, und die Mittel vorzuschlagen, auf welch zwekmäsigere Art die Kraft der stehenden Armee erhöhet und vermehrt werden könnte.
Die Errichtung der Nazional Garde nach ihrer gegenwärtigen Eintheilung könne als ein provisorisches durch den Drang der Umstände veranlaßtes Gesez angesehen werden, und Seiner Majestät dem Könige stehe es frei, jede zwekmäsig glaubende Veränderung darin zu treffen, nur müßte er anrathen, diese Veränderungen oder eine dafür zu substituirende Maaßregel bald zu bestimmen, daß man in dieser Ungewißheit nicht durch neuere Ereigniße überrascht werde.
In dieser Voraussezung habe er die Meinung, daß die in wirklichen Staatsdiensten stehende Individuen, um den Staatsdienst in seinen einzelnen Branchen nicht zu hemmen, von der Obliegenheit {5r} bei der Nazional-Garde Dienste zu leisten, völlig losgesprochen werden könnten und daß auch die Dienstes-Obliegenheit der 3ten Klaße der Nazional-Garde dahin ausdrüklich beschränkt werde, daß dieselbe nie gegen den äußeren Feind Kriegsdienste zu leisten angehalten, sondern nur zum Dienste in ihren Ringmauern und Dorffluren, so wie zu Escorten außer den Grenzen der Städte, Märkte und Dörfer im Falle des Bedarfes verwendet werden sollen.
Mit dieser Meinung übereinstimmend äußerte sich der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Graf von Morawizky.
Der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Freiherr von Hompesch äußerte daß er in einem Staate die Civil-Administrazion und den ungestörten Gang derselben für eben so wichtig und nothwendig halte, als die Herstellung einer imponirenden Militär Macht, und daß er aus dieser Ursache die Verwendung der Staatsdiener zu Offiziren bei der Nazional-Garde nach hergestelltem Frieden und ohne Vorwissen und {5v} und [!] Genehmigung ihrer unmittelbar vorgesezten Behörde und des einschlägigen Departements für dienstzerstörend ansehe.
Im Falle des Krieges und wo dem Vaterlande von außen oder durch Aufruhr im Innern nahe Gefahr drohe, seie jedes andere Geschäft der Vertheidigung des Vaterlandes untergeordnet, und alles solle in diesem Zeitpunkte zu den Waffen greifen, um seinen Heerd, sein Vaterland zu retten, allein im Frieden den Staatsdiener von seinen Berufs-Geschäften abziehen und ihn für den Militärstand und die Nazional-Garde verwenden zu wollen halte er für schädlich.
Mehrere Beispiele dieses Mißstandes hätten das Finanz-Ministerium veranlaßt, seine Ansichten hierüber in zwei Noten dem Ministerium der auswärtigen Geschäfte vorzulegen, und auch gegenwärtig müße man sich hierauf beziehen und dem Antrage beistimmen, daß keinem Staatsdiener erlaubt sein solle, ohne Bewilligung des ihme vorgesezten Ministeriums eine Stelle bei der Nazional Garde anzunehmen doch glaube er {6r} daß dieselben zu Erleichterung der übrigen Gemeinds Glieder einen verhältnißmäsig zu bestimmenden Beitrag leisten könnten, auch müße ausgesprochen werden, wer unter den Bediensteten zu persönlichen Diensten oder zum Geldbeitrage angehalten werden könne.
Er Freiherr von Hompesch glaube immer, daß die ganze Errichtung und Eintheilung der Nazional Garde, deren 1ten Klaße bereits so gut wie der Armee einverleibt worden sei, bei der Hauptfrage der definitiven Einrichtung der Konskripzion in nähere Überlegung gezogen werden müße und daß diese im genauen Zusammenhange mit der Entscheidung über die Größe der Armee und die Anzahl der Linien Truppen stehen müße.
Der Staat habe bis jezt mehr auf die Militärmacht verwendet, als seine Kräfte und das zu beobachtende Gleichgewicht eigentlich erlaubten, und wenn auch die finanziellen Kräfte in der dermaligen Lage des Königreichs in so lange keine Vermehrung der stehenden Armee gestatten werde, als das Königreich keinen neuen Zuwachs an Länder erhalte, so wäre es um so augenscheinlicher, {6v} daß die doppelte Ausgaben der Vermehrung der Armee und der Mobilisirung der Nazional Garde in dem nämlichen Zeitpunkte unmöglich bestritten werden könnten, auch scheine ihm die Erfahrung des lezten Krieges zu beweisen, daß eine Compagnie regulärer Truppen mehr auszurichten im Stande, als 10 Compagnien Land Miliz oder Nazional Garden.
In Rüksicht auf das Volk und des mannichfaltigen Drukes welchen daßelbe durch den Krieg erlitten habe, wäre es wünschenswerth, ihme sobald wie möglich die Früchte des hergestellten Friedens genießen zu laßen, welches daßelbe erwarte.
Von den übrigen Abstimmenden, worunter einige auf Reluition der persönlichen Dienste der Staatsdiener durch Geldbeiträge und auf Beschränkung der Dienst-Obliegenheiten der 3ten Klaße der Nazional-Garde auf ihren Burgfrieden und ihre Dorffluren antragen, und unter welchen geheimer Rath Freiherr v. Aretin in einem eigenen Voto die Einwürfe des Referenten wegen Widerspruch in der Verordnung vom 6ten Juli d. J. zu widerlegen suchte1452 und vorschlug, die allenfalls {7r} angenommen werdende Leuterazionen im Geiste dieser Verordnung vom 6ten Juli zu erlaßen, vereinigte sich die Mehrheit mit der Abstimmung des königlichen geheimen Staats- und Konferenz Ministers Grafen von Montgelas und in Übereinstimmung mit dieser sich ergebenen Mehrheit der Stimmen
entschieden Seine Majestät der König, daß durch eine Erläuterung der Verordnung vom 6. Juli d. J. erklärt werden solle, daß die im wirklichen Staatsdienste stehende Individuen von der Obliegenheit bei der Nazional Garde irgend einer Klaße Dienste zu thun völlig losgesprochen, und daß auch die Dienstes-Obliegenheit der 3ten Klaße der Nazional-Garde ausdrüklich darauf beschränkt werden solle, daß dieselbe nie gegen den äußeren Feind des Staates Kriegsdienste zu leisten angehalten sondern nur in Kriegs Zeiten zu Militärdiensten innerhalb des Bezirkes ihrer Stadt- Markt oder Dorfs-Grenzen, so wie auch im Falle des Bedarfes zu Escorten außer diesen Grenzen verwendet werden solle1453.
Gewerbeverleihungen
Vortrag Arcos über die Frage, ob den Patrimonialgerichtsherren eine Entschädigung für das ihnen entzogene Recht zusteht, mit Besitzwechselabgaben behaftete Gewerbe zu verleihen. Auslöser war eine Beschwerde der Familie Egloffstein, die aufgrund zweier Verordnungen um die Jahreswende 1806/07 dieses überkommene Recht verloren hatte. Arco kommt zu dem Ergebnis, daß der Geheime Rat im vorliegenden Fall nicht kompetent ist. Prinzipiell ist er der Ansicht, daß adeligen Gutsbesitzern, die Laudemien von radizierten Gewerben beziehen, der Fortbezug erlaubt werden sollte. Zukünftig sollen derartige Laudemien aber nicht mehr vereinbart werden können. In der Aussprache vertreten Montgelas und Morawitzky die Ansicht, daß den Gutsherren der Genuß der Konzessionsgelder nicht entzogen werden kann. Hompesch vertritt die gegenteilige Ansicht. Der Geheime Rat folgt Hompesch.
2. Der königliche geheime Rath Graf Carl von Arco unterrichtete Seine Majestät den König {7v} daß er über die Fragen
1) gebühret den Patrimonial-Gerichtsherrn, welchen vor Erscheinung der königlichen Verordnungen vom 5ten Jänner1454 et 16 Merz 18071455 die Verleihung der Gewerbe als ein Ausfluß derselben zustand, eine Entschädigung für jene Fälle, wo diese Gewerbe mit Laudemien belegt waren, und folglich zum Grundeigenthume dieser Gutsherrn gehörten? 2) Welche Entschädigung und vom [!] wem? 3) können Sie, wenn ihnen die Ansprüche auf Entschädigung aberkannt werden, zur fernern Besteuerung für diese ihnen seit 1807 entgangene grundherrliche Renten, wie es bisher geschah, verhalten werden bei der Ministerial Section des Innern einen Vortrag erstattet1456 und bereit seie, denselben dem versammelten geheimen Rathe vorzulegen.
Auf die erfolgte Bewilligung Seiner Majestät des Königs las Graf Carl von Arco den anliegenden schriftlichen Vortrag ab1457, und äußerte, daß diese Fragen durch einen bei dem Ministerium {8r} des Innern vorliegenden und noch unentschiedenen Rechts Fall der Familie von Egloffstein, die im Mainkreise begütert, zur Sprache gekommen.
Diese ehemals reichsritterschaftliche Familie hätte nämlich zu Kunreuth, zu Egloffstein und zu Mühlhausen mehrere vereinigte Zünfte gehabt, wobei ihr nach der älteren Verfaßung und selbst nach der Subjizirung der Reichsritterschaft die Aufnahme der Meister[,] die Entscheidung der Zunftstreitigkeiten und der Bezug der Taxen[,] Sporteln [und] Aufnahmgelder gebühret, welche sie im jährlichen Ertrage für sich auf 43 fl. fränkisch und für ihre Beamten auf 32 fl. fränkisch in Anschlag bringen.
Durch die am 31en Dezember 1806 erfolgte königliche Declaration über die Verhältniße der subjizirten Reichsritterschaft1458, und durch die am 5en Jänner 1807 erschienene allgemeine Verordnung über die Gewerbs-Verleihungen der Patrimonial-Gerichte1459 habe die Familie Egloffstein diese Bezüge verloren, und seie deßwegen bei der vormaligen Landes Direkzion Bamberg beschwerend aufgetreten.
{8v} Nachdem Graf Carl von Arco die Folgen, welche diese Beschwerde der Familie von Egloffstein gehabt, auseinander gesezt, legte er dem königlichen geheimen Rathe seine Anträge vor, womit auch die Section sich vereiniget.
Des Grafen Carl von Arco Anträge giengen dahin 1) daß sich der einzelne Fall der Familie Egloffstein nicht zur Kompetenz und Judicatur des geheimen Rathes eigne; 2) daß den adeligen Gutsbesizern, welche Laudemien von radizirten Gewerben bezogen, das ist von solchen Gewerbern die auf Häußern ruhen, welche durch besondere bedeutende unbewegliche und von denselben nicht wohl zertrennliche Verrichtungen zu Ausübung des betreffenden Gewerbes hergerichtet werden müßten, diese Laudemial-Bezüge fortan zu belaßen wären, ohne daß jedoch für die Zukunft bei dergleichen neu entstehenden Häußern und Gewerben dergleichen Laudemien mehr stipulirt werden können. Da nunmehr seit 1807 das Recht der Gewerbs Verleihung ganz und ohne Ausnahme {9r} an die königliche Landes Stellen übertragen worden sei1460. 3) Daß aber, falls dieser Laudemial Bezug als ohne Entschädigung forthin unstatthaft erkannt werden sollte dieser da, wo er in den Steuer Faßionen erscheint, aus denselben gestrichen, und hiefür eben so wenig als für die aus dem vormaligen Gewerbs-Verleihungs-Rechte der adeligen Güterbesizer ihnen oder ihren Beamten zugefloßene Revenüen irgend eine Steuer von dem Staate erhoben werden dürfe.
Seine Majestät der König erforderten die Meinungen Ihrer geheimen Staats- und Konferenz Minister und der übrigen geheimen Räthe über die vorgetragene Gegenstände, worauf der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Graf von Montgelas sich äußerte daß er mit dem 1ten und 3ten Antrage der geheimen Raths Section sich vereinige, daß er aber die Überzeugung habe, daß ohngeachtet der vorliegenden königlichen Declaration und der erschienenen Verordnungen der Genuß der Konzessions-Gelder und die Ausübung des Rechtes, dieselbe bei den {9v} realen Gewerbs-Gerechtigkeiten unter Aufsicht der obern Polizei Stellen zu reguliren, den Gutsherrn nicht entzogen werden könnte, sondern daß diesen vielmehr die Nuzbarkeit zu belaßen wäre.
Mit dieser Meinung einstimmig äußerte sich der geheime Staats und Konferenz Minister Graf von Morawizky.
Der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Freiherr von Hompesch äußerte, daß nach seiner Ansicht des Gegenstandes er vollkommen den Anträgen der Section beistimme.
Er halte für eben so billig, daß da wo Gewerbsgenüße aufhören, dieselbe auch nicht besteuert werden können, als daß der Werth derselben bei solchen nach ihrem Umfange mehr reellen und in Realitäten bestehenden Gewerbe im Laudemial Anschlage bleiben sollen, daß aber bei künftigen Konzeßionen und für die Folge, so wie die Section es umständlich auseinander gesezet, kein erworbenes Recht mehr bestehen könne, und die Gewerbs Konzeßionen nach den Polizei Verordnungen behandelt, und keine Konzeßions-Gebühren den Patrimonial Herrn mehr gestattet werde, indem nach Einführung der Zoll- und Gewerbs Patente diese Staats-Gefälle ohngeschmälert aufrecht erhalten werden müßten {10r} und man den Gewerbsmann nicht wohl zu einer doppelten Abgabe anhalten könne.
Von den übrigen geheimen Räthen unter welchen der geheime Rath Graf Törring Guttenzell als bei den Laudemial Bezügen selbst Betheiligter sich der Abstimmung enthielt, stimmten vier mit dem königlichen Minister Grafen von Montgelas, und fünf Mitglieder mit dem königlichen Minister Freiherrn von Hompesch nach den Anträgen der Section, und da folglich die Mehrheit sich für die Meinung der Section entschied
so bestätigten auch Seine Majestät der König die in dem Vortrage enthaltenen und von der Section des geheimen Rathes angenommene Anträge.
Die heutige Sizung wurde hiemit geschloßen.
Genehmigung der Entschließungen durch den König.
Anmerkungen
C[arl] Gr[af] Arco: „Vortrag für den königlichen geheimen Rath. Die Ausnahme der Staatsdiener von dem persönlichen Dienste bei der Nazional Garde betr[effend]“ vom 3. November 1809, 25 gez. Seiten, BayHStA Staatsrat 179 (hiernach zit.); weitere Exemplare: Staatsrat 8221 und 8235 Nr. 12. – Vgl. oben Nr. 39 (Geheimer Rat vom 20. Juli 1809), TOP 2.
Arco hatte seinen Standpunkt am 6. November 1809 in einer Sitzung der Sektionen des Innen-, Justiz- und Finanzministeriums mit den Geheimen Räten abgestimmt. Das Sitzungsprotokoll liegt beim Protokoll Nr. 49 (Geheimer Rat vom 9. November 1809; BayHStA Staatsrat 178).
„Organische Verordnung über die Errichtung einer National-Garde“ vom 6. Juli 1809, RegBl. 1809, Sp. 1093-1112, hier § 37 Abs. 2 (Sp. 1110): „[…] Da aber die Staatsdiener, Aerzte und Geistlichen durch die nicht minder wichtigen Geschäfte ihres Berufes gröstentheils gehindert sind, an dem wirklichen Dienste [der 3. Klasse der Nationalgarde] Antheil zu nehmen, so soll es denselben gestattet seyn, die sie trefenden Dienste durch andere eingereihete National-Gardisten versehen zu lassen […].“ – Arco wies in seinem Vortrag vom 3. November 1809 (BayHStA Staatsrat 179) insbesondere darauf hin, daß die zitierte Bestimmung des § 37 mit den §§ 13 und 25 kollidierte, was im Zuge der Beratungen im Geheimen Rat nicht korrigiert worden war.
In seinem Vortrag (BayHStA Staatsrat 179, S. 17-22) brachte Arco vier Argumente vor, die gegen die zu weite Ausdehnung der Dienstpflicht in der Nationalgarde sprachen. Erstens schien ihm der Plan, „die ganze waffenfähige Mannschaft eines Staates in den Waffen zu üben, sie zu bewaffnen und wenn auch, nebst der bereits schon bestehenden Linien Armee nur zum vierten Theil in das Feld zu stellen, und im Felde damit zu operiren, zu ausgedehnt, als daß er mit Erfolge je ausgeführt werden könnte. Kein Staat, selbst nicht der blühendste wird je diese Aufgabe in die Länge bestehen. Das Sinken seiner Produkzions- und Erwerbsfähigkeit, und folglich die Abnahme seiner inneren Kraft, und der Mittel dieses Riesengebäude zu erhalten, würde die unerläßliche Folge dieser Maasregel sein“. Zweitens fürchtete Arco, die Bewaffnung der Bevölkerung könne der „Regierung“ gefährlich werden: „Wie lange wird wohl ein vollständig bewaffnetes – und in den Waffen wohlgeübtes Volk gehorchen, wenn die Gesetze und Verordnungen ihm lästig scheinen, und die Mittel ihm zu Gebote stehen, den Gehorsam zu verweigern? Welche innere polizeiliche Sicherheit wird da noch bestehen, wo ein jeder bewaffnet ist?“ Drittens würden, so Arco, Qualität und Intensität der administrativen Arbeit erheblich beeinträchtigt, wenn man den Beamten längere Abwesenheiten erlauben würde, um die Dienstpflichten in der Nationalgarde zu erfüllen. Viertens lehnte Arco die Stellung von Ersatzleuten ab, weil der mit ungewisser Qualifikation versehene „Miethling“ (bzw. „Söldling“) weniger leistungsfähig sei als der ordentlich bestellte Staatsdiener. Auch wirke es „nachtheilig auf das Ansehen und die Ehre des Dienstes, wenn er gleichsam mit Bewilligung der Regierung in Pacht gegeben werden“ könne.
Auszug aus dem Jahresbericht der Polizeidirektion an das Ministerium für das Etatsjahr 1808/09 unter der Überschrift: „Nachtheilige Wirkungen, welche von der zu grosen Ausdehnung der Dienstsphäre der Nazionalgarde III. Klaße zu besorgen stehen“, BayHStA Staatsrat 179 (weitere Exemplare: Staatsrat 8221 und 8235 Nr. 13).
„Die National-Garde theilt sich in drei Klassen, nach den Graden der Ansprüche, welche an ihre Verbindlichkeit zur Landes-Vertheidigung gemacht werden: […] II. die Klasse derjenigen, welche nur in Zeiten wirklicher Gefahr aufgeboten werden, innerhalb der Grenzen des Reiches die Sicherheit und Ordnung gegen innere und äußere Feinde handzuhaben; III. die Klasse derjenigen, welche lediglich zur Erhaltung der Ruhe und Sicherheit innerhalb der Grenzen ihrer Landgerichts-Bezirke verpflichtet sind, und in der Regel gegen den äusseren Feind nicht dienen“ („Organische Verordnung über die Errichtung einer National-Garde“, RegBl. 1809, Sp. 1094, § 2).
Konstitution des Königreichs Bayern vom 1. Mai 1808, Tit. VI § 5: „[…] Zur Erhaltung der Ruhe in Kriegs-Zeiten wird eine National-Garde […] errichtet werden“ (RegBl. 1808, Sp. 999; AK Bayerns Anfänge, S. 332).
„Organische Verordnung über die Errichtung einer National-Garde“ vom 6. Juli 1809, RegBl. 1809, Sp. 1093-1112.
VO betr. die „Gewerbs-Verleihungen der Patrimonial-Gerichte“ vom 5. Januar 1807, RegBl. 1807, Sp. 55-58.
VO betr. die „Gewerbsverleihungen“ vom 16. März 1807, RegBl. 1807, Sp. 523-527.
Das Sitzungsprotokoll der Geheimratssektionen des Innen- und des Finanzministeriums vom 6. November 1809 liegt bei dem Protokoll Nr. 49 (Geheimer Rat vom 9. November 1809; BayHStA Staatsrat 178).
Arco paraphrasiert in seinem Vortrag vom 6. November an dieser Stelle folgende einschlägige Vorschriften: „F. Handwerks-Polizey. 1. Die Aufsicht über das Zunftwesen steht, mit Ausschlusse der niedern Gerichts-Behörden, einzig der oberen Polizei-Behörde zu. 2. Ueber die Annahme neuer Handwerker ist von den Patrimonial-Gerichten mit Gutachten an die einschlägige Landesstelle zu berichten, von welcher die Annahme, nach vorgängiger Prüfung der gesetzlich vorgeschriebenen Eigenschaften, und mit Rücksicht auf das Bedürfnis des Distriktes und Wohnortes, abhängt“. VO betr. „[d]ie der königlichen Souverainität unterworfene Ritterschaft und ihre Hintersassen“ vom 31. Dezember 1806 (RegBl. 1807, Sp. 193-218, hier Sp. 202).
RegBl. 1807, Sp. 55-58.
VO betr. die „Gewerbs-Verleihungen der Patrimonial-Gerichte“ vom 5. Januar 1807, RegBl. 1807, Sp. 56f., Art. 1: „Sowohl die Verleihung neuer, als die Wiederbesezung erlöschender Gewerbs-Gerechtigkeiten, liegt außer dem Wirkungskreise der Patrimonial-Gerichte“ (Sp. 56f.).