BayHStA Staatsrat 205

13 Blätter. Unterschriften des Königs und der Minister. Protokoll: Kobell.

Anwesend:

Staats- und Konferenzminister: Graf v. Montgelas; Graf v. Reigersberg.

Geheime Räte: Graf v. Preysing-Hohenaschau; Ignaz Graf v. Arco; Graf v. Toerring-Gutenzell; v. Zentner; Graf v. Thurn und Taxis; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; v. Schenk; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach.

Bürgersteige in München

Aretin trägt über die im Innenministerium umstrittene Frage vor, ob die Hauseigentümer in München rechtlich verpflichtet sind, auf eigene Kosten Trottoirs anzulegen. Er kommt zu dem Ergebnis, daß die Hauseigentümer gepflasterte „Neben-Pfade“ vor den Häusern auf eigene Kosten unterhalten müssen, nicht aber Trottoirs, das heißt durch Gitter, Stangen oder Pfähle von der Straße abgetrennte Gehwege. Während Justizminister Reigersberg auf der Finanzierungspflicht der Hauseigentümer besteht, folgen die Geheimen Räte mehrheitlich dem Antrag des Referenten.

{1r} 1. Da Seine Majestät der König der auf heute angeordneten geheimen Raths Sizung nicht beiwohnten, so riefen Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas den königlichen geheimen Rath Freiherrn von Aretin auf, den zum {1v} königlichen geheimen Rath verwiesenen Gegenstand, die Trottoirs in der Stadt München betreffend, vorzutragen.

Geheimer Rath Freiherr von Aretin erstattete wegen diesem Gegenstande, der bereits viele Einwohner der hiesigen Residenz-Stadt in Bewegung gesezt, und nunmehr der Beurtheilung des königlichen geheimen Rathes untergeben worden, ausführlichen schriftlichen Vortrag.

Derselbe legte hierin den Veranlaß auseinander, aus welchem die Frage über die Herstellung dieser Trottoirs an den geheimen Rath gekommen, und welche verschiedene Ansichten die Polizei Section, die Departemental-Sizung des Ministeriums des Innern, und Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas als Minister des Innern über diesen Gegenstand gehabt.

Seine Majestät der König hätten hierauf geruhet, wegen dieser Verschiedenheit der Meinungen die ganze Sache dem geheimen Rathe zur näheren Discussion zu übergeben, und ihme Freiherrn von Aretin seien die Akten am 21ten Dezember vorigen Jahres zum Vortrage zugetheilt worden.

Freiherr von Aretin äußerte, über die Formalien könne keine Erinnerung zu machen sein, und die Kompetenz des geheimen Rathes {2r} nicht in Frage gestellt werden. Um jedoch diesen Gegenstand, welcher, wie Erfahrung zeige, in so verschiedenem Lichte erscheine, desto genauer und richtiger beleuchten zu können, werde es gut sein, in die Veranlaßung weiter zurük zu gehen, und die verschiedene Meinungen ausführlich vorzutragen.

Geheimer Rath Freiherr von Aretin bewerkstelligte dieses, indem er bis zu dem Jahre 1806 zurükging, wo die Trottoirs zum erstenmal zur Sprache gekommen, und den Gang dieser Einrichtung bis zu dem neuesten Zeitpunkte der von dem Klaviermacher Dülken1 erhobenen Klage in der Verweisung dieses Gegenstandes zum königlichen geheimen Rathe verfolgte, und in dem Geschichtlichen dieser Sache sich um so umständlicher faßte, als eine reine Darstellung des bisherigen Verlaufs in einer Sache, wo es nicht auf juristische Ausführungen oder politische Raisonnements ankömmt, am meisten geeignet sein dürfte, von selbst auf das Gutachten zu führen, welches hierin abzugeben ist.

Damit dieses Gutachten desto mehr erleichtert werde, halte er für zwekmäsig, die Haupt-Thatsachen, welche in dem vorgetragenen Akten-Auszug umständiger ausgeführt sind, in kurzen Säzen zusammen stellen [!].

{2v} Nachdem Freiherr von Aretin diese kürzere Zusammenstellung in 26 Abtheilungen vorgetragen hatte, bemerkte derselbe, man könne aus diesen Thatsachen bestimmt die Schlußfolge ziehen, daß alle sich ergebene Anstände lediglich als eine Folge des ganz ungeeigneten Plan- [!] und rechtlichen mit sich selbst im Widerspruche stehenden Verfahrens der hiesigen Polizei Direction anzusehen seien, indeßen werde es bei gegenwärtigem Vortrage nicht darauf ankommen, daß man untersuche und bestimme, was die Polizei hätte thun und unterlaßen sollen, ob und wie die Trottoirs hätten sollen gemacht werden. Diese und andere größten Theils blos technische Fragen würden, ohne ein Gegenstand der dießeitigen Deliberationen zu sein, zur Prüfung und weiteren Einleitung lediglich den Polizei Behörden, Bau Kommißionen und Werkverständigen überlaßen werden müßen.

Der Zwek der heutigen Berathung scheine vielmehr dem Referenten eigentlich der zu sein, wie er in dem Ministerial Reskripte vom 11en August 1810 ausgedrükt: Ob und in wie weit die Haußbesizer dem strengen Rechte nach zu Herstellung der Trottoirs auf ihre Kosten angehalten werden könnten?

{3r} Diese Frage seie es eigentlich, worüber das Gutachten des hiesigen General-Kommißariats [sc. des Isarkreises] abgefordert worden, und darin scheine eigentlich dem Referenten der Grund zu liegen, warum Seine Exzellenz der Herr Minister des Innern [Montgelas] dem Aufsaze der Polizei der [!] Section Ihren Beifall versagt, und auf eine nähere Erörterung in dem königlichen geheimen Rathe den Antrag gemacht. Obschon sich auch die auf solche Art vereinfachte Frage in rechtlicher Hinsicht wiederum in mancherlei untergeordnete Fragen auflösen und dadurch zu weitläufigen Ausführungen Anlaß gegeben werden könnte, so scheine doch dem Referenten, daß solches mehr dazu dienen würde, den Gesichtspunct zu verrüken, und eine an sich einfache Sache zu verwiklen. Es werde daher geeigneter sein, sich an die historisch vorgelegte Thatsachen und die hieraus abgeleiteten Resultate zu halten, wodurch sich das Gutachten sehr abkürze und von selbst ausspreche.

Referent glaube, sein Gutachten auf folgende Säze beschränken zu dürfen, bei denen eine weitere Begründung überflüßig sein werde, da sie aus den bereits oben ausgeführten aktenmäsigen Verhältnißen von selbst fließen.

1) Die Haußbesizer von München {3v} sind schuldig, die verpflasterten Neben-Pfade an ihren Häußern auf eigene Kosten zu unterhalten. 2) Zur neuen Herstellung einer veränderten Art von Nebenpfaden auf ihre Kosten können sie rechtlich nicht angehalten werden. 3) Bei ohnehin nöthigen Reparazionen kann die Polizei die Höhe, Abdachung und ähnliche Modalitäten bei den Nebenpfaden anordnen, jedoch dürfen sie die Kosten der gewöhnlichen Pflasterung nicht übersteigen. 4) Wenn die Polizei aus allgemeinen Prinzipien der Verschönerung oder der größeren Bequemlichkeit eine andere Art von Nebenpfaden als die bisher eingeführte vorzüglicher findet, und die Haußeigenthümer zu dieser neuen Herstellung sich nicht selbst gutwillig einverstehen wollen, so muß sie für die Beischaffung der erhöheten Kosten aus andern Mitteln sorgen.

Hieraus ergebe sich also nach der Meinung des Referenten, daß die Polizei Direction die hiesigen Haußeigenthümer durch Strafgebote, Termins-Sezungen und Executions-Verfügungen zur Herstellung der Trottoirs nicht zwingen könne, sondern, wenn dieselbe gleichwohl für nüzlich und allgemein anwendbar gefunden würden, {4r} trachten müße, auf dem früher eingeschlagenen gütlichen Wege ihren Zwek zu erreichen, oder sonst für die nöthigen Fonds zu sorgen.

Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas verfügten über diesen Antrag die Umfrage.

Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg äußerten: Wer bisher das Pflaster vom Hauß des Eigenthümers an zu machen und auszubeßern verbunden gewesen, könne auch zur Errichtung der Trottoirs für diese Strecke angehalten werden, welche Trottoirs nichts anders seien, als eine zwekmäsige, den Fußgänger und den Haußeigenthümer gegen das Anfahren der Wägen an ihre Gebäude schüzende Pflasterung.

Wie die Trottoirs sollten angelegt werden, seie Sache der Polizei Behörden und Bau-Kommißionen. Ihren Vorschriften müße sich der zur Pflasterung Verbundene fügen. Dafür, daß die Vorschriften zwekmäsig, daß die Anordnungen der Polizei nicht allzu kostspielig nicht allzu lästig für die Privaten, habe das Ministerium des Innern zu sorgen. Wie die Polizei Behörden zu zwekmäsigem Benehmen bei Ausführung nüzlicher {4v} Verschönerungs Anstalten anzuweisen, wie sie zu schonendem Betragen künftig anzuhalten, liege ebenso in der Aufsicht des Ministeriums des Innern.

Aus diesen Gründen glaubten Sie, daß die Haußeigenthümer allerdings unter den gegebenen Voraussezungen zu Anlegung der Trottoirs angehalten werden könnten, auch fänden sie den in der Geschichtserzälung angeführten Vorschlag der Polizei Direction die gefährlichste Paßagen in der Stadt durch eiserne Gitter zu schüzen, nicht so unzwekmäsig, denn es seie *es werde dadurch an Raum gewonnen, indem eiserne Stangen nicht so viel Plaz nehmen, als Steine oder Holzpflöke, auch seie es* [Ergänzung von anderer Hand] nicht nöthig, daß dieselbe in einem fortlaufen, sondern sie könnten unterbrochen sein, und würden dann den davon erwartenden Vortheil gewähren. Daß die Trottoirs nicht in allen kleinen und beengten Straßen, sondern nur in denjenigen angelegt werden, wo der Raum solches für die Bequemlichkeit und Sicherheit gestattet, bedürfe wohl keiner näheren Ausführung, denn es liege in der Sache selbst, daß in Straßen, die nur den Raum haben, wo ein Wagen durchfahren kann, keine Trottoirs anzubringen seien.

Herr geheimer Rath Graf von Preising waren der Meinung, daß wenn die Anlegung der Trottoirs für nöthig und zwekmäsig befunden werden sollte, die Herstellung davon durch eine allgemeine Umlage auf die bestehende zwei Stadt Steuern gedekt und nach einem Plane gemacht werden.

Herr geheimer Rath Graf von Arco der ältere [d.i. Ignaz] vereinigten sich mit dem Referenten: daß die Haußeigenthümer nach den Rechten nicht zu Herstellung der Trottoirs {5r} angehalten werden könnten, auch erklärten Sie die Trottoirs selbsten für unnöthig zu dem Zweke, den man damit beabsichtige, und in allen kleinen Straßen für unausführbar, wodurch folglich die halbe Stadt mit Trottoirs versehen sein würde, und die übrige sie entbehren müßte.

Herr geheimer Rath Graf von Törring stimmten für den Antrag des Referenten.

Herr geheimer Rath von Zentner äußerte, das bisherige Verfahren der Polizei Direction seie den Rechten des Eigenthums zuwider, und um so zwekwidriger, als ohne allen Plan gehandelt worden. Wenn die Trottoirs zur Sicherheit der Fußgänger für nothwendig befunden würden, so müßten sie nach einem allgemeinen Plane, nach dem Raume der Straßen und so hergestellt werden, daß sie den Haußeigenthümern keine unnöthige und nicht mehr Kösten verursachten, als die ihnen nach dem bisherigen Stadtgebrauche zustehende Pflasterung der Nebenstraßen erheische, denn so wenig die Haußeigenthümer sich dagegen sezen könnten, das Pflaster auf den Pläzen vor ihren Häußern nach den Anordnungen der Polizei zur Sicherheit der Fußgänger und zur Reinlichkeit herzustellen und zu unterhalten, {5v} so wenig könnten sie gezwungen werden, zur Zierde der Stadt große Ausgaben zu machen. Jedoch werde bei Anlegung neuer Straßen und Ausführung neuer Gebäude hiebei auch auf Zierde und größere Bequemlichkeit Rüksicht genommen werden können.

Herr geheimer Rath Graf von Tassis theilte die Meinung des Herrn geheimen Rath von Zentner, und fügte dieser bei, er könne sich nicht vorstellen, wie der Zwek, die Sicherheit der Fußgänger ohne Posten von Holz oder Stein erreicht werden könne.

Herr geheimer Rath von Krenner der jüngere [d.i. Franz] vereinigte sich mit dem Antrage des Referenten, denn da die Trottoirs an den meisten Orten nur als Zierde anzusehen seien, und für die Sicherheit doch etwas anderes noch gemacht werden müße, so könne er sich nach den Rechten nicht denken, wie die Haußeigenthümer gezwungen werden könnten, die Trottoirs anzulegen, ja es könnte der Fall eintreten, wo an mehreren Orten in der Stadt es verboten werden müßte, Trottoirs zu machen. Den Grundsaz allgemein anzunehmen, daß bei Anlegung neuer Straßen oder Ausführung neuer Gebäude diese Trottoirs gemacht werden müßten, {6r} darauf könne er ebenfalls nicht antragen, sondern dieses müßte nach Umständen und nach Privat-Verhältnißen bestimmt werden.

Herr geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco äußerte, der Gegenstand der Trottoirs theile sich nach Ihrer Ansicht in 4 Fragen: 1) Was sind Trottoirs im eigentlichen Sinne? Und in welchen Städten sind sie mit Erfolg anwendbar. 2) War die Polizei Direction befugt, sie anzuordnen? 3) Welche Folgen sind von den gegenwärtig angelegten neuen Trottoirs zu erwarten? 4) Was ist dermal zu thun.

Ad 1) Trottoirs im eigentlichen Sinne seien Ihres Erachtens solche längs den Häußern in ununterbrochener Linie und rein horizontaler Fläche fortlaufende Fußpfade, welche den Fußgänger dergestalt vor den in der Straße zirkulirenden Wägen schüzen, daß es den leztern unmöglich gemacht werde, irgend einen Fußgänger zu beschädigen. Dieses könne nur durch zwei Mittel bezwekt werden, entweder durch Pflöke von Stein oder Holz, wie es bis zum Jahre 1810 bestanden, oder durch eine eigene Art von Pflasterung mit Quater2 oder Marmor Steinen mit einer Erhöhung von nahe an einem Schuhe wie in London.

{6v} Ad 2) Die Polizei Direction seie hiezu niemal befugt gewesen, denn es stehe ihr nie zu, ohne höhere Autorisation allgemeine Verordnungen zu machen, deßwegen habe auch die Polizei Section sie zur Verantwortung gezogen, der vorgelegte Entwurf seie aber nicht genehmiget worden. Auch seie richtig, daß die Trottoirs mehr schaden als nuzen würden, und geschehe durch die Verfügungen der Polizei Direction ein großer Eingriff in die Eigenthums Rechte.

Ad 3) Nichts als schlimme Folgen würden sich aus der Anlegung der Trottoirs ergeben, und der gegenwärtige Winter werde mehrere unglükliche Beispiele hievon liefern.

Die 4te Frage seie die schwierigste, denn zurükgehen könne man nicht wohl, und weiter mit dieser Anstalt auf dem angefangenen Wege fortzufahren, gehe auch nicht: es bleibe daher nichts übrig, als nach dem Antrage des Herrn Referenten auszusprechen, daß die Eigenthümer nicht zu Anlegung dieser Trottoirs gezwungen werden könne[n]. Das Ministerium des Innern und durch dieses die Polizei Direction müße suchen, die Sache in ein richtiges Geleise zu bringen, und es werde sich zeigen, ob es nicht nothwendig werde, für die Sicherheit der Fußgänger in engen Gäßchen {7r} durch Pfähle zu sorgen.

Die Herrn geheimen Räthe von Effner, von Schenk, Freiherr von Asbek und von Feuerbach beurtheilten diesen Gegenstand blos nach rechtlichen und nicht nach polizeilichen Ansichten, und vereinigten sich daher mit dem Antrage des Herrn Referenten, indem sonst in polizeilicher Hinsicht noch manche Erinnerungen zu machen wären.

Da die Mehrheit der Herrn geheimen Räthe sich für den Antrag des Herrn Referenten geheimen Rath Freiherrn von Aretin erklärte, so wurde beschloßen

an Seine Majestät den König den allerunterthänigsten Antrag zu machen, daß die hiesige Polizei Direction die Haußeigenthümer der Residenz Stadt durch Strafgebote, Termins-Sezungen und Executions Verfügungen zu Herstellung der Trottoirs nicht zwingen könne, sondern wenn dieselbe gleichwohl für nüzlich und allgemein anwendbar gefunden werden, trachten müße, auf dem früher eingeschlagenen gütlichen Wege ihren Zwek zu erreichen, oder sonst für die nöthigen Fonds zu sorgen.

Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas riefen die königlichen {7v} geheimen Räthe von Krenner den jüngeren [d.i. Franz] und Herrn von Effner auf, lezteren, seine bearbeitete Rekurs-Sache vorzutragen, und ersteren, für seinen durch Unpäßlichkeit verhinderten Bruder [Johann Nepomuk Gottfried v. Krenner] einen verfaßten Vortrag über einen Rekurs in Gewerbs-Streitigkeiten abzulesen. In Folge dieses Aufrufes erstattete

Kompetenzkonflikt (R)

Effner berichtet über den Rechtsstreit zwischen Leonhard Vogl und Jacob Reindl, der als Rekurssache zum Geheimen Rat gekommen ist. Da es sich um einen Streit aus dem Bereich der Landeskultur handelt, ist in zweiter Instanz das Generalkommissariat des Naabkreises zuständig, nicht das Appellationsgericht.

2. der königliche geheime Rath Herr von Effner über einen Kompetenz Konflikt zwischen dem königlichen General Kommißariate des Nabkreises dann dem Appellazions Gerichte in Amberg in der Streitsache zwischen Leonhard Vogl, Bauern zu Kreith3 dann Jacob Reindl daselbst, wegen eines abgegrabenen Fahrweges schriftlichen Vortrag, worin derselbe die Geschichte dieser Streitsache, die Replik, Duplik und den Bescheid des Landgerichts, dann des Appellazions-Gerichts des Nabkreises nebst den Entscheidungs Gründen anführte, und des Rekurses erwähnte, den benannter Vogl wegen Nichtigkeit und Inkompetenz des Appellazions Gerichts des Nabkreises zum königlichen geheimen Rathe eingab.

Aus mehreren Gründen, die Herr geheimer Rath von Effner anführte, stellte derselbe den Antrag, daß der vorliegende Streit und die Frage, ob Vogl an der Kultur seines Feld­raines durch des {8r} Reindls eingewendete Dienstbarkeit gehindert werden könne, ein entschiedener Kulturs Gegenstand seie, dahin zu entscheiden wäre, daß das Appellazions Gericht des Nabkreises als inkompetente Stelle hierin gesprochen, sohin deßen Spruch aufzuheben, und die weitere Verhandlung dieses Streites in zweiter Instanz dem General Kommißariate des Nabkreises zu übertragen seie.

Referent legte einen nach diesem Antrage verfaßten Reskripts Entwurf vor, welchen er ablas.

Auf die von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas verfügte Umfrage vereinigten sich Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg und alle Herrn geheimen Räthe einstimmig mit diesem Antrage, und so

wurde derselbe von dem königlichen geheimen Rathe angenommen, und der abgelesene Reskripts Entwurf genehmiget.

Kompetenzkonflikt (R)

Effner trägt über die Frage vor, ob eine Klage des ehemaligen Oetting-Spielbergschen Kontributionskassiers gegen die Finanzdirektion des Regenkreises in die Zuständigkeit der Justizstellen fällt. Ausgangspunkt waren unterschiedliche Ansichten des Justiz- bzw- des Finanzministeriums über die Vorgehensweise. Effner vertritt die Meinung, daß der Geheime Rat zu entscheiden hat, ob den Justizstellen die Entscheidungskompetenz zukommt. Justizminister Reigersberg folgt dem Antrag; er fordert zudem, daß der Fiskus seine rechtlichen Ansprüche durch alle gerichtlichen Instanzen verfolgen müsse. Finanzminister Montgelas widerspricht, weil dies die Staatstätigkeit verzögere. Die Mehrheit der Geheimen Räte folgt dem Antrag, der mit einer Änderung angenommen wird.

3. Über die Klage des ehemaligen Oetting Spielbergschen Kontributions Kaßiers Jacob Bockl, gegen die königliche Finanz Direkzion des Regen Kreises wegen Herausgabe einiger Rechnungs Belege, dermal {8v} die Frage ob diese Klage zur Kompetenz der Justiz Stellen gehöre oder nicht? erstattete der königliche geheime Rath Herr von Effner schriftlichen Vortrag.

Derselbe führte die Geschichte dieser Klagesache an, legte die Entscheidung der königlichen Finanz Direkzion nebst den Gründen hiezu vor, und entwikelte, wie dieser Gegenstand an das Appellazions Gericht in Neuburg gekommen, welche Aeußerungen das Finanz Ministerium hierin abgegeben, und welche Ansichten das königliche Justiz Ministerium nach Durchgehung der Akten hierin aufgestellt.

Allein, das königliche Finanz-Ministerium habe den von dem Justiz-Ministerium vorgeschlagenen Weg nicht einschreiten laßen, sondern ein allerhöchstes Reskript an die Finanz Direkzion veranlaßt, worin das Erkenntniß des Appellazions Gerichts als ungültig erklärt und der Finanz Direkzion aufgetragen worden, sich auf die Klage des Kaßiers Bockl nicht einzulaßen, sondern den ihr weiter vorgeschriebenen Weg zu verfolgen.

Durch dieses Reskript veranlaßt, habe das Justiz Ministerium geglaubt, diesen Kompetenz Konflikt nach Verordnung der Konstitution4 und der Instruktion des geheimen Rathes5 an diese konstituzionelle Behörde zur Entscheidung bringen zu müßen {9r} und habe zu diesem Ende Seiner Majestät dem König die betreffende Akten zur Vornahme dieses Gegenstandes in dem geheimen Rathe allerunterthänigst vorgelegt, worauf nach erfolgter allerhöchster Genehmigung ihme von Effner die Akten zum Vortrage zugestellt worden.

Her[r] geheimer Rath von Effner äußerte: da bei Gelegenheit der Forderungs Sache des Freiherrn von Kistler6 in dem geheimen Rathe das Sistem seie festgesezt worden, daß, wenn eine Frage über Kompetenz der Justizstellen von den königlichen Ministerien in Anregung gebracht werde, die Entscheidung über diese Kompetenz auch dann in dem geheimen Rathe vorgenommen werden könne, wenn gleich nicht alle Justiz Behörden und Instanzen über die Zuständigkeit ihrer Kompetenz erkannt hätten, so glaube Referent, daß es dermal auch im vorliegenden Falle einer vorläufigen Entscheidung des Oberappellazions Gerichts oder Verweisung des Fiscus zur Berufung an daßelbe nicht mehr bedürfe, sondern daß in der Hauptsache selbst der königliche geheime Rath dermal schon zu entscheiden habe, ob den Justiz Stellen über die Klage des Oettingschen Kaßiers Bockl gegen den königlichen Fiscus wegen Herausgabe der Rechnungs Belege eine Kompetenz gebühre oder nicht?

{9v} Referent vereinigte sich hierüber aus mehreren Gründen, die er vorlegte mit der negativen Meinung des königlichen Finanz Ministeriums, welcher das Justiz Ministerium in der Hauptsache selbst vorläufig beigetreten ist. Einen nach diesen Grundsäzen verfaßten Reskripts Aufsaz an das Appellazions Gericht in Neuburg legte Herr geheimer Rath von Effner vor, und las denselben ab.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas verfügten hierüber die Umfrage.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg äußerten: Sie hätten es bereits in der Kistlerischen Sache bemerkt, und Sie würden diesen Grundsaz nie verläugnen, daß Sie wünschten: daß der Fiscus seine deklinatorischen Einreden7, so wie jeder Privat in privatrechtlichen Forderungen durch alle Instanzen verfolgen müße.

Diesem ordentlichen Gange, dieser Beobachtung der dem Privaten heiligen Formen müße sich auch der Fiscus nach den Grundsäzen der Konstituzion8 unterwerfen. Abweichungen vom formellen Geschäftsgange hätten gewöhnlich die nachtheiligsten Folgen, und nur diese Formen seien {10r} die Schutzwehr gegen Willkühr. Daß übrigens künftig das Finanz Ministerium Erkenntniße der Justiz Stellen nicht zu kaßiren sich ermächtiget halten, und den Beschlüßen des geheimen Rathes vorgreifen werde, glaubten Sie unbedingt annehmen zu dürfen.

Übrigens seien Sie in dem vorliegenden speziellen Falle mit dem Antrage des Herrn Referenten verstanden.

*Auf diese, von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats und Konferenz Minister Herrn Grafen von Reigersberg gegebene Abstimmung, äußerten Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas, daß Sie als Finanz Minister bestimmt erklären müßten, daß sich die Finanz Stellen diesem formellen Geschäftsgange bei den Gerichten nie fügen könnten noch würden, indem sonst alle Aufsicht auf die Beamten, welche zu Erhebung der Staats Gefälle beauftraget, vereitelt, und die Responsabilität derselben ein bloßes Schattenbild sein würde, denn jeder Beamte, der einen Rükstand habe, und von den oberen Finanz Stellen zu deßen Ersaz mit Strenge angehalten werden wolle, würde sich an die Gerichte wenden, und bis dieser Streit durch alle Instanzen durchgeführt seie, erfordere es nicht nur lange Zeit, sondern die Mittel, den Ersaz durch schleunige Vorkehrungen zu erholen, könnten sich auch inzwischen verlieren.

Die Finanz Stellen würden streng angewiesen werden, in allen derlei Fällen auf gleiche Art zu verfahren, und sich durch keine ungeeignete Erkenntniße der Justiz Behörden, welche sich inkompetent in diese Gegenstände einmischten, in ihren für den Staat so wichtigen Maaßregeln aufhalten zu laßen.

Übrigens hätte das Finanz Ministerium keineswegs die Erkenntniß des Appellazions Gerichts kaßirt, sondern nur der ihme untergeordneten Finanz Direction die Ursachen angegeben, aus welchen sie sich durch die Eingriffe des Appellazions Gerichts in Befolgung der ihr entheilten Aufträge nicht aufhalten laßen solle.

Reigersberg erwiederte hierauf, ihre Absicht sey nicht das executive Persohnen gegen säumige Rechnungsbeambten zu sistiren. Gegen diese könne die ohnedieß durch Caution gesicherte Administration verfahren. Nur das Klage Recht müße dem Exequirten in rechtlicher Form belaßen werden.* [Die Passage zwischen Asterisken ist auf der rechten Seite des halbbrüchigen Blattes ergänzt. Reigersberg Einlassung ist mit Bleistift von anderer Hand geschrieben.]

Die Herrn geheimen Räthe vereinigten sich in ihren Abstimmungen mit dem Antrage des Herrn Referenten in der Hauptsache, nur waren sieben Mitglieder, folglich die Mehrzal der Meinung, daß in dem Reskripts Aufsaze die Aenderung zu treffen sein werde, daß statt am Ende gegen Unsern Fiscus oder gegen einen dritten den Rechtsweg anzutreten zu sezen sein mögte „nach den Verordnungen vom 23 April 17999 und 8 August 1808 § 19 lit k10 den Rekurs an das Oberappellazions Gericht zu ergreifen“, weil die Verordnung, daß das Oberappellazionsgericht in derlei Fälle die zweite und lezte Instanz seie, noch nicht aufgehoben, vielmehr durch die angegebene Verordnungen bestätiget worden, und sonst die Finanz Stelle wegen dem geringsten Rükstande ihrer Beamten sich durch alle Instanzen {10v} durchfechten müßte.

Der königliche geheime Rath beschloß in Folge dieser Abstimmungen, den von dem Referenten vorgetragenen Reskripts-Entwurf an das Appellazions-Gericht in Neuburg mit der von der Mehrheit der Herrn geheimen Räthen angenommenen Aenderung zu genehmigen.

Präzisierung einer Verordnung

In Vertretung seines älteren Bruders diskutiert Franz v. Krenner die Frage, ob eine gewerberechtliche Verordnung vom 1. Dezember 1804 näher zu erläutern oder ob besser eine neue Verordnung zu erlassen ist. Umstritten ist die unklare Vorschrift, wonach nicht ausgeübte Gewerberechte nicht gegen Entgelt an Dritte abgetreten werden dürfen – die Bedeutung von nicht ausgeübt (öde liegend) ist interpretationsbedürftig. In der Umfrage spricht sich die Mehrheit der Geheimen Räte dafür aus, das Recht zur Ausübung konzessionspflichtiger Gewerbe erlöschen zu lassen, wenn sie fünf Jahre nicht ausgeübt werden.

4. Herr geheimer Rath von Krenner der jüngere [d.i. Franz] las den schriftlichen Vortrag ab, welchen Herr geheimer Rath von Krenner der ältere [d.i. Johann Nepomuk] über die vorgeschlagene Erläuterung oder Abänderung einer Stelle in dem königlichen Mandat vom 1en Dezember 1804, nämlich die Bestimmung des Begriffes öde liegende Gewerbs Rechte betreffend11, bei Gelegenheit des Special-Falles der verweigerten Veräußerung der Rothlederischen Spezerei Handlung12 in Nürnberg verfaßt, welchen vorzutragen derselbe aber durch Unpäßlichkeit gehindert war.

In der vorliegenden Sache komme es im Allgemeinen, je nachdem man dieselbe Ansicht auf eine Leuterazion13 und nähere Bestimmung, oder auch wohl Abänderung der königlichen Verordnung in Gewerbs Sachen vom 1ten Dezember 1804 an.

Da aber der Special-Fall der Rothlederischen Spezerei-Gerechtigkeit hiezu den Veranlaß gegeben, und damit in Beziehung stehe, auch in den darüber gepflogenen bisherigen Verhandlungen die Gründe entwikelt worden, warum zu einer Leuterazion {11r} des obstehenden Mandats angerathen werden dürfte, so wurde zuerst der Geschichtsbestand und die bisherige ganze Verhandlung dieses sonderheitlichen Falles bei der Polizei-Direction dem General Kommißariate14 und der Polizei Section, so wie auch nachher bei der Departemental-Sizung des Ministeriums des Innern vorgetragen, in Ansehung der Hauptfrage aber ob das Mandat von 1804 leuterirt und der Ablauf eines gewissen Zeitraumes angenommen werden solle? um erst nach deßen Ablauf eine Gewerbs Gerechtigkeit für öde liegend ansehen zu dürfen und ob dieses wieder nur ausnahmsweise für die Stadt Nürnberg oder durch eine allgemeine Verordnung geschehen solle, vereinigte sich Referent im Wesentlichen mit dem früheren Antrage der Polizei Section, der abgelesen wurde, und führte mehrere Bemerkungen über das Mandat selbst und die Unthunlichkeit an, ein Gewerb ohne Festsezung einer gewißen Zeitfrist für öde liegend zu erklären, gieng aber darin von der Meinung der Polizei-Section ab, daß er statt 5 Jahre 4 annehmen würde. Inzwischen habe die Entscheidung der Hauptfrage, ob das Mandat leuterirt oder ein neues Gesez wegen dieser Zeitfrist erlaßen werden solle, einen wichtigen Einfluß auf die Entscheidung des {11v} Special Falles der Wittwe Rothleder einen wichtigen Einfluß [!], denn in ersterem Falle gehe ihr die Leuterazion zu Gute, der zweite Ausweg schließe sie aber von allem Vortheile aus, denn ein neues Gesez wirke auf ältere Fälle nicht zurük.

Da aber die Entscheidung dieses Special Falles dem königlichen geheimen Rathe nicht überwiesen sei, so erlaube sich Referent auch nicht, in diese Sache weiter einzugehen, als einige der Rothlederin günstige Umstände anzuführen, und da übrigens die vorliegende Sache so verschiedene Ansichten habe, und so vieler Modifikazionen empfänglich seie, so habe es Referent für zu voreilig gehalten, irgend einen Entwurf einer königlichen allerhöchsten Entschließung hierüber vorzulegen, er beziehe sich vor der Hand blos auf die Redaction des früheren und größeren Referats der Ministerial Polizei-Section, welches, falls selbes im Wesentlichen angenommen werden wolle, hierbei zur besten Grundlage diene.

Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas verfügten über diesen Vortrag die Umfrage, und riefen den Herrn geheimen Rath von Krenner den jüngeren [d.i. Franz] als Stellvertreter des Herrn Referenten {12r} zuerst auf, seine Meinung vorzulegen.

Herr geheimer Rath von Krenner äußerte sich auf eine Leuterazion des Mandates und Festsezung der Zeitfrist auf 4 Jahre, nach deren Verlauf eine Gerechtigkeit erst als öde liegend erklärt werde.

Mit dieser Meinung vereinigten sich auch Seine Excellenz der Herr geheime Staats und Konferenz Minister Graf von Reigersberg, *da dem Staate daran liege, daß die Gewerbe nicht lange Zeit unbetrieben liegen, und doch bei Verleihung neuer Concessionen auf diese öde liegende Gewerbe ihrer möglichen Reviviszenz15 wegen, Bedacht zu nehmen sei* [Ergänzung von anderer Hand] so wie die Herrn geheimen Räthe Graf von Preising und Graf von Arco der ältere [d.i. Ignaz].

Der Herr geheime Rath Freiherr von Aretin hatte eine eigene Meinung und glaubte, daß die Bestimmung eines Termins nicht nöthig seie, daß aber auch auf jeden Fall diese neue Bestimmung nicht als Leuterazion, sondern als ein neues Gesez gegeben werden müßte. Mit dieser lezten Meinung vereinigten sich auch die Herrn geheimen Räthe Freiherr von Asbek und von Feuerbach.

Die übrigen Herrn geheimen Räthe Graf von Törring, von Zentner, Graf von Tassis, Graf Carl [Maria] von Arco, von Effner und von Schenk erklärten sich zwar auch für eine Leuterazion, äußerten aber, daß sie sich mit den Anträgen der Polizei Section und den von der Departemental Sizung des {12v} Ministeriums des Innern beigefügten Zusäzen, die Herr geheimer Rath von Zentner mündlich vortrug, vereinigten, sohin die Zeitfrist auf 5 Jahre annehmen würden.

In Folge dieser Abstimmungen und der sich ergebenen Mehrheit wurde beschloßen

an Seine Majestät den König den allerunterthänigsten Antrag zu bringen, daß Allerhöchstdieselbe geruhen mögten, nach den Ansichten der Polizei-Section und mit den von derselben sowohl als der Departemental-Sizung des Ministeriums des Innern angetragenen Ausnahmen eine Leuterazion, der unterm 1ten Dezember 1804 in Gewerbs Sachen erschienenen königlichen Verordnung16 in Beziehung auf das öde Liegen eines Gewerbes dahin zu erlaßen, daß ein Gewerbe, wozu die Conzeßion des Staates erfordert wird, und welches fünf Jahre lang ohnunterbrochen nicht betrieben worden, als öde gelegen betrachtet, und nach diesem Zeitraume des Rechtes zur Fortsetzung deßelben verlustig sein solle17.

Gemeinheitsteilung; Kompetenzkonflikt

5. In der Streitsache des Johann Heinrich Engelhard, Tabaks Fabrikanten zu Buch18 im Justizamte Erlangen der ehemaligen Provinz Baireuth, et Cons., gegen Adam Sippel et Cons. wegen Theilung der Gemeinde-Gründen zu Buch, erstattete der königliche wirkliche {13r} geheime Rath Herr von Effner schriftlichen Vortrag, und stellte nach Vorlegung der Geschichte dieser Streitsache die Frage auf, ob dieser Kultursstreit durch den königlichen geheimen Rath oder durch das Appellazions Gericht in lezter Instanz entschieden werden solle.

Herr geheimer Rath von Effner beantwortete diese Frage dahin, daß es keinem Zweifel unterliege, daß der gegenwärtige Fall der nämliche seie, wie bei dem ohnlängst durch den geheimen Rath an das Oberappellazions Gericht zur Entscheidung verwiesenen Streit wegen Grundvertheilung der Gutsbesizer zu Bindlach19, und daß das Revisions-Urtheil diesem Obergericht und nicht dem geheimen Rathe zustehe, weil die baierischen Kulturs Geseze hier nicht anwendbar gewesen, sondern dieser Streit noch nach den Baireuther Provinzial Gesezen und nach rechtlichen Ansichten beurtheilet werden müße. Ein nach diesen Grundsäzen bearbeiteter Reskripts Entwurf an das Oberappellazions-Gericht wurde von Herrn geheimen Rath von Effner abgelesen.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz-Minister Herr Graf von Montgelas verfügten über diese Ansicht des Herrn Referenten die Umfrage {13v} und da Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg und alle übrige Mitglieder des geheimen Rathes sich damit vereinigten, so

wurde der abgelesene Reskripts-Entwurf an das Oberappellazions Gericht genehmiget.

Genehmigung der Beschlüsse durch den König (7. Januar 1811):

Wir genehmigen den von Unßerem Geheimen Rathe wegen den Trottoirs der Residenz-Stadt München angetragenen Grundsaz, daß die hiesigen Hauß Eigenthümer nicht zu Anlegung der Trottoirs gezwungen werden sollen, wegen den übrigen rüksichtlich dieser Trottoirs zu treffenden Maaßregeln erwarten Wir die Anträge unßeres Ministeriums des Inneren.

Dem Antrage ad Num 4 ertheilen Wir unßere Genehmigung und bestättigen die Entscheidungen unßeres Geheimen Rathes in den vorgetragenen Recurssachen.

Anmerkungen

1

Johann Ludwig Dülken (1761-1836), seit 1781 in München als Hof-Instrumentenmacher und Klavierbauer tätig; BMLO online, URL: http://bmlo.de/d0423 (Version vom 5.10.2017) (Aufruf: 22.1.2020).

2

Quaderstein: ein viereckig behauener Stein. DWB Bd. 13, Sp. 2294 s.v. Quader.

3

Kreith, Landkreis Schwandorf, Oberpfalz.

4

Konstitution für das Königreich Bayern vom 1. Mai 1808, Tit. III § 2 a.E., RegBl. 1808, Sp. 994 = DVR Nr. 286, S. 659: Der Geheime Rat „entscheidet alle Competenz-Streitigkeiten der Gerichtsstellen und Verwaltungen […]“.

5

Gemäß OE betr. die „Bildung des geheimen Raths“ vom 4. Juni 1808, RegBl. 1808, Sp. 1329-1335, beurteilte der Geheime Rat „die Kompetenz-Streitigkeiten zwischen den Gerichts- und Verwaltungs-Stellen“ (Tit. II, Art. 7 a, Sp. 1332).

6

Zum Fall Kistler s. Protokolle Bd. 3, S. 716f., 719, 732f., 736, 740. Dazu die Akte BayHStA Staatsrat 2141 (Laufzeit 1810-1833)!

7

Deklinatorische Einrede: abweisende Einrede.

8

Konstitution für das Königreich Bayern vom 1. Mai 1808, Tit. V § 5, RegBl. 1808, Sp. 998 = DVR Nr. 286, S. 662: „Der königliche Fiskus wird in allen streitigen Privat-Rechts-Verhältnissen bei den königlichen Gerichts-Höfen Recht nehmen.“

9

Die Instruktion der Generallandesdirektion zu München und der Landesdirektion zu Amberg vom 23. April 1799 traf u.a. Anweisungen hinsichtlich der „Untersuchung der Dienst-Gebrechen“. MGS [N.F.] Bd. 1, Nr. II.15, S. 40-57, hier S. 53.

10

Gemäß OE betr. die „Anordnung der Kreis-Finanz-Direktionen“ vom 8. August 1808, RegBl. 1808, Sp. 1869-1892, gingen die „Verbindlichkeiten und Befugnisse, welche bisher den staatswirthschaftlichen Deputationen der Landes-Direktionen in der Finanz-Verwaltung zugetheilt waren“, auf die Kreisfinanzdirektoren über. Dazu zählte unter anderem, so § 19 k, ebd. Sp. 1879, die „Untersuchung und Beurtheilung der Dienstes-Gebrechen derselben [sc. der Finanzbeamten, § 19 i] mit Rücksicht auf die in der Constitution Titel III § 2 darüber enthaltenen Bestimmungen, und mit Vorbehalt der zu den Justiz-Stellen nach Umständen geeigneten Rekurse – Das Urtheil erhält nicht eher seine Rechtskraft, als bis es von Unserm Finanz Ministerium bestätiget worden“.

11

Die VO betr. die „Handwerks-Befugnisse“ vom 1. Dezember 1804 (RegBl. 1805, Sp. 43-48) verbot u.a., „oedliegende“ Gewerbsgerechtigkeiten „wiederum für Geld als Realitäten“ zu verkaufen (Art. 8, Sp. 45). Eine nähere Definition oder Erläuterung, was unter „oedliegend“ zu verstehen sei, gab die Verordnung nicht.

12

Eine Spezerei Handlung handelt mit Gewürzen; vgl. DWB Bd. 16, Sp. 2198 s.v. Spezerei.

13

Leuterazion (Läuterung) bezeichnet die erklärende Auslegung eines unklaren Rechtssatzes oder eines rechtlichen Sachverhalts, zugleich auch die Erklärung eines dunkel erscheinenden Richterspruchs. Vgl. Oertel, Fremdwörterbuch Bd. 2, S. 527 s.v. Leuteratio; DRW Bd. 8, Sp. 793-797 s.v. Läuterung.

14

Zuständig war das Generalkommissariat des Rezatkreises (Nürnberg).

15

Reviviszenz: das Wiederaufleben. Sommer, Verteutschungs-Wörterbuch, Sp. 429.

16

RegBl. 1805, Sp. 43-48.

17

VO betr. die „Kaduzität der öde liegenden Gewerbs-Gerechtigkeiten“ vom 8. Februar 1811, RegBl. 1811, Sp. 233-235.

18

Buch, Stadt Nürnberg, Mittelfranken.

19

Vgl. Protokolle Bd. 3, Nr. 71 (Geheimer Rat vom 22. November 1810), S. 728f., TOP 3.