BayHStA Staatsrat 234

19 Blätter. Unterschriften des Königs und der Minister. Protokoll: Kobell.

Anwesend:

Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Reigersberg.

Geheime Räte: Graf v. Preysing-Hohenaschau; Ignaz Graf v. Arco; Graf v. Törring-Gutenzell; Freiherr v. Weichs; v. Zentner; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; v. Schenk; v. Feuerbach.

Verbot des Schaftriebs auf Weiden (R)

Effner stellt in der Streitsache zwischen Schafbesitzern in Memmingen und dem Generalkommissariat des Illerkreises bzw. dem Polizeikommissariat in Memmingen zwei Anträge. Der erste Antrag erklärt den Geheimen Rat für nicht kompetent. Sollte der Geheime Rat die Kompetenz hingegen bestätigen, trägt er zweitens auf Abweisung des Rekurses und Bestätigung der Entscheidungen der unteren Instanzen an. Nach kontroverser Aussprache beschließt der Geheime Rat mehrheitlich, dem zweiten Antrag zu folgen.

{1r} 1. Die heutige Sizung des königlichen geheimen Rathes, von Seiner Majestät dem Könige angeordnet, wurde nach Aufruf Seiner Excellenz des königlichen geheimen {1v} Staats- und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Reigersberg, da Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas durch Geschäfte verhindert waren, im Anfange zu erscheinen, von dem königlichen geheimen Rathe von Effner mit dem schriftlichen Vortrage über den Rekurs der Schaaf- und Güther-Besizer zu Memmingen Caspar Westermaier Mezger, Johann Hail Färber, und Jacob Brunn et Cons., gegen das General-Kommißariat des Iller-Kreises, respec. das Polizei-Kommißariat zu Memmingen, wegen Verbot des Schaaftriebes auf Wiesen eröfnet.

Herr geheimer Rath von Effner schikten die Geschichte und einen Akten-Auszug dieses Streites voraus, führten an, welche Entschließungen von den verschiedenen königlichen Stellen hierin erlaßen worden, und äußerten, in Betreff der Fatalien nähmen Sie keinen Anstand, solche als richtig eingehalten, anzunehmen, obgleich dieses aus der angegebenen Ursache nicht mit Gewißheit behauptet werden könne, inzwischen werde bei der zweifelhaften Lage die Vermuthung für die Einhaltung der Fatalien gelten müßen.

Eine wichtigere Förmlichkeits {2r} Frage scheine dem Referenten zu sein, ob in dieser Rekurs-Sache die Kompetenz des königlichen geheimen Rathes gegründet seie, oder ob nicht vielmehr dieselbe zu dem königlichen Ministerium des Innern zurükgegeben werden solle. Die Gründe für Beantwortung dieser Frage, daß dieser Gegenstand nicht zur Kompetenz des geheimen Rathes sich eigne, sondern an das Ministerium des Innern zurükzugeben seie, wurden von Herrn von Effner ausgeführt.

Sollte aber auch gegen diese Meinung die Kompetenz des geheimen Rathes hier als bestehend angesehen werden, so müßte Referent auf die Abweisung der Rekurrenten und Bestätigung der Verfügungen der ersten und zweiten Behörde antragen, da diese auf eine lange in Rechtskraft erwachsene Entschließung der Landesdirekzion in Schwaben, welche allen Viehtrieb zu Memmingen als aufgehoben erkläre, gegründet seie, und die neuerliche Polizei-Verfügung nur eine Wiederholung dieses Verbotes, und zwar mit solchen Milderungen in sich enthalte, wodurch den Rekurrenten mehr Vortheil eingeräumt worden sei, als sie nach der ersten {2v} Verordnung haben würden. Sie brächten daher auf den Fall, daß dieser Rekurs als kompetent zu dem geheimen Rathe erkannt werden sollte, die abgelesene allerhöchste Entschließung in Antrag.

Die von Seiner Excellenz, dem königlichen geheimen Staats und Konferenz Minister Herrn Grafen von Reigersberg deßwegen verfügte Umfrage hatte die Folge, daß die königliche Herrn geheimen Räthe Graf von Preising, Ignaz Graf von Arco, von Krenner der jüngere [d.i. Franz], Freiherr von Aretin, von Schenk und von Feuerbach sich für den zweiten Antrag des Referenten, nach welchem die Rekurrenten abgewiesen und das Erkenntniß des General Kommißariats bestätiget werden solle, erklärten, indem sie den geheimen Rath allerdings für kompetent hielten, in dieser Streitsache zu erkennen.

Die königlichen geheimen Räthe Graf von Törring und Freiherr von Weichs stimmten mit dem ersten Antrage des Referenten, diesen Gegenstand als nicht zum königlichen geheimen Rathe geeignet an das Ministerium des Innern zurükzugeben.

Die Herrn geheimen Räthe von Zentner und Graf Carl [Maria] von Arco neigten sich zwar {3r} auch zu dem zweiten Antrage des Referenten hin, den vorliegenden Gegenstand von dem königlichen geheimen Rathe entscheiden zu laßen, erklärten sich aber für eine andere Faßung des Reskripts Aufsazes, und würden aussprechen, daß der genommene Rekurs nicht statt habe, weil er nicht kontentiös administrativ seie, und keine richterliche Erkenntniße in dieser Sache vorlägen. Die Sache blos an das Ministerium des Innern zu verweisen, würde aus dem Grunde nicht gehen, weil das Ministerium nicht wißen würde, was es hierauf zu verfügen.

Übereinstimmend mit der Mehrheit der erfolgten Aeußerungen

wurde beschloßen, nach dem zweiten Antrage des Referenten den Rekurs abweisen zu laßen, und das Erkenntniß des General-Kommißariats zu bestätigen. Der auf diesen Antrag gegründete Reskripts Entwurf wurde angenommen657.

Bierausschank (R)

Weichs berichtet in der Streitsache zwischen dem Hausmeister von Schloß Biederstein und der Wirtin in Schwabing. Der Hausmeister gibt, nach Ansicht der Wirtin ohne Erlaubnis, Bier gegen Bezahlung ab. Weichs beantragt, dem Hausmeister den Ausschank zu gestatten, obwohl er keine Lizenz besitzt. Der Geheime Rat folgt dem Antrag, ergänzt um einen Erlaubnisvorbehalt.

2. Wegen dem Bierschenken des Haußmeisters Haider zu Biederstein658 und der dagegen von der Wirthin in Schwabing erhobenen Beschwerden, erstattete der königliche geheime Rath Freiherr von Weichs schriftlichen Vortrag, nachdem Sie vorher {3v} bemerkt, daß Sie sowohl in dieser Sache, als jener wegen Auslieferung des Negozianten Bomeisler659 bereits als General Kommißär des Isarkreises gearbeitet660, und deßwegen sowohl, als wegen einem Ihnen zugetheilten Gegenstande, die Verwaltungen der Patrimonial Stiftungen betreffend, wie Sie selbst Verwalter einer ähnlichen Stiftung seien, bei Seiner Excellenz, dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas angefragt, ob Sie unter diesen Umständen diese drei Gegenstände bearbeiten und vortragen sollten, durch ein Ministerial Schreiben aber unterrichtet worden, Daß Seine Excellenz Herr Graf von Montgelas diese Verhältniße nicht so geeignet gefunden, um einen andern Referenten zu ernennen.

In diesem Vortrage führten Freiherr von Weichs den Veranlaß dieser Streitsache, sowohl die Beschwerde der Wirthin in Schwabing als die Rechtfertigung des Haußmeisters in Biederstein, welche vorzüglich auf ein Zeugniß der königlichen Privat Administrazion in Biederstein sich gründet, an, sezten die Verhandlungen des Landgerichts661 und General-Kommißariats des Isar-Kreises auseinander, und machten den Antrag, zu {4r} erkennen, daß dem Nicolaus Haider keine Wirthschafts Gerechtigkeit zustehe, demselben jedoch onverwehrt seie, von dem beigelegten Haußtrunk Bier gegen Bezalung abzugeben, an die königliche Dienerschaft, welche in Dienstverrichtungen sich in Biederstein aufhalte, an die alldort mit Arbeiten beschäftigte Individuen, und an vornehme Fremde, welche Biederstein besuchen wollen.

Auf die von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Reigersberg hierüber verfügte Umfrage stimmten mit dem Antrage des Referenten die Herrn geheimen Räthe Grafen von Preising, Ignaz von Arco, von Törring und Herr von Zentner. Herr geheimer Rath von Krenner der jüngere [d.i. Franz] vereinigten sich zwar auch mit dem Antrage, machten aber den Vorschlag, beizusezen, solange Wir es erlauben.

Herr geheimer Rath Graf von Arco glaubten die Erinnerung machen zu müßen, daß ein königlicher allerhöchster Befehl vorliege, welcher dem königlichen geheimen Rathe eröfnet worden, und bestimmt verordne, daß kein geheimer Rath einen Gegenstand bearbeiten noch vortragen solle, in dem {4v} er schon vorher als General Kommißär oder in andern Dienstes Verhältnißen gearbeitet. Da das von Freiherrn von Weichs mitgetheilte Ministerial Schreiben nicht ausdrüke, daß Seine Majestät diesen Befehl zurükgenommen, so fänden Sie sich gehindert, über diesen Antrag zu votiren.

Glaubten aber die übrigen Herrn geheimen Räthe dieser Verhältniße ohngeachtet, den vorgetragenen Rekurs entscheiden zu können, so würden Sie in diesem Falle dem Antrage des Referenten doch mit dem vom Herrn geheimen Rathe von Krenner dem jüngeren [d.i. Franz] gemachten Beisaze beistimmen, daß gesezt würde, so lange es ihme Unsere Administrazion gestattet.

Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin und die Herrn geheimen Räthe von Effner, von Schenk und von Feuerbach glaubten von der Voraussezung ausgehen zu können, daß Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas die Befehle Seiner Majestät des Königs hierüber erholt haben werden, und nahmen deßwegen keinen Anstand, in diesem so wie in den beiden übrigen Gegenständen zu votiren.

Dieselbe vereinigten sich mit {5r} dem Antrage des Referenten und dem Beisaze, jedoch nur in solange es Unsere Administrazion gestattet, und da die Herrn geheimen Räthe, welche früher abgestimmt, sich zu diesem Beisaze verstanden

so wurde der vorgetragene Reskripts-Aufsaz mit dem angetragenen Zusaze genehmiget662.

Interpretation von § 55 des Lehenedikts

Aretin weist das Gesuch des Freiherrn von Kalb, eine authentische Interpretation des § 55 des Edikts über die Lehensverhältnisse im Königreich Bayern zu erhalten, zurück. Der Geheime Rat folgt dem Antrag Aretins.

3. Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin erstatteten wegen dem Gesuche des Freiherrn von Kalb663 um autentische allerhöchste Erläuterung des § 55 des organischen Lehen-Edictes664 mündlichen Vortrag, führten an, was der Veranlaß zu dieser nachgesuchten Leuterazion665 gewesen, welche Verhältniße rüksichtlich der Succeßion in die Lehen zu und bei Trabelsdorf666 obwalteten und worauf es gegenwärtig in dieser bei dem Oberappellazions Gerichte zum Spruche liegenden Streitsache zwischen dem Fiscus und den gräflich von Ostheimschen, ex damnato coitu667 erzeugten, durch eine nachgefolgte Heirath aber legitimirten Söhne [!] ankomme668.

Sie entwikelten Ihre Ansichten über die auf diesen Fall anzuwendenden Grundsäze und lasen das gegen den Fiscus erlaßene Erkenntniß des Appellazions Gerichts in Bamberg, wogegen aber appellirt worden, nebst den Entscheidungs Gründen ab, {5v} und machten den Antrag, das an den königlichen geheimen Rath gekommene Gesuch des Freiherrn von Kalb an das Ministerium der auswärtigen Verhältniße mit dem Bemerken rükzusenden, daß für diesen speziellen Fall keine Leuterazion des § 55 des Lehen Edictes gegeben werden könne, sondern diese Sache bei den Justiz Stellen fortzuführen, und im Allgemeinen die Bestimmungen des neuen bürgerlichen Gesezbuches zu erwarten wären.

In Folge verfügter Umfrage

wurde dieser Antrag einstimmig von dem königlichen geheimen Rathe angenommen.

Lehensrecht

Arco trägt über die Probleme vor, die bei der Klassifikation (Wertbestimmung) und Allodifikation von Lehen auftreten. Er diskutiert (1.) die Ablösung des Lehenpferdegelds, (2.) die Einschätzung der Lehenseigenschaft von Gewerbekonzessionen, (3.) die Wertermittlung von Brauereien und anderen Gewerben, (4.) die Wertermittlung von lehenbaren Gebäuden, (5.) die Erhebung der Dominikalrenten, (6.) die Berechnung der Getreidepreise zwecks Bestimmung des Lehenswertes. Die unterschiedlichen Einschätzungen der Steuer- und Domänensektion und der Lehen- und Hoheitssektion treten in den kontroversen Abstimmungen deutlich hervor. Zu jedem Punkt gibt es einen eigenen Beschluß.

4. Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas, welche in dem geheimen Rathe erschienen waren, forderten den Herrn geheimen Rath Grafen Carl [Maria] von Arco auf, den von dem geheimen Rathe Grafen von Welsperg bearbeiteten Vortrag über die Bestimmung der Normen zur Klaßifikazion der bleibenden, und zur Allodifikazion der zeßirenden Lehen669 bei deßen Abwesenheit vorzulegen.

Herr geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco unterzogen sich dieser Aufforderung, und lasen den Eingang des von Grafen von Welsperg bearbeiteten Vortrages {6r} und diejenigen Punkte ab, worüber die Steuer und Domainen Section mit jener der Lehen- und Hoheit verschiedene Ansichten gehabt, und welche in den vereinigten geheimen Raths Sectionen des Innern und der Finanzen geprüft, und vorbehaltlich der Meinung des versammelten geheimen Rathes entschieden worden.

Herr Graf von Arco fügten diesem bei, daß es unnöthig sein werde, die Instrukzionen und sonstigen Beilagen, welche in den Sectionen umständlich vorgetragen worden, abzulesen, entschieden müßte aber werden, ob das schriftliche Votum des Grafen von Welsperg zur Computation670 der Stimmen gezält werde, und ob Sie zuerst oder nach Ihrer Ordnung votiren sollten.

Als angenommen war, daß das schriftliche Votum des Grafen von Welsperg gezält, und Graf von Arco in Ihrer Ordnung stimmen sollten, trugen dieselben den ersten Punkt, nämlich die Frage vor, wie es mit Ablösung der Ritterlehen Pferde671 zu halten wäre, worüber die beide Sectionen verschiedener Meinung waren und sich nicht vereinigen konnten.

Diese Differenz bestehe darin, daß ein Theil glaube, man solle bei der Allodifizirung {6v} hiebei von dem erhobenen Werthe ausgehen, und aus solchem die Lehen Renten, und sonach die Ablösungs Quote ableiten, wie bei allen jenen Objecten, welche der eidlichen Schäzung unterliegen; der andere Theil aber glaube, daß man hier bei dem Lehen Edicte stehen bleiben, und von dem nach 20jährigem Durchschnitte berechneten reinen Ertrage des Lehens 2 Prozent für die Ritterpferde Gelder erheben solle672.

Die Steuer- und Domainen Section, welche erstere Meinung führe, erkläre sich hierüber dahin, die Lehenpferde-Gelder sollten sich zwar künftig nach den reinen Leheneinkünften richten §§ 82, 83 des Edictes. Werth und Einkünfte seien aber korrelative Begriffe, nur seie es nicht eins, welches von beiden man zu erheben bemühet seie, um das andere daraus herzuleiten.

Herr geheimer Rath von Krenner der jüngere [d.i. Franz] hätten bereits früher in einem sehr gründlichen Votum dargethan, daß man im vorliegenden Falle mit einziger Ausnahme der Dominikal Renten673 viel sicherer fahre, und nicht der Gefahr, getäuscht zu werden so sehr unterliege, wenn man vom Lehens Werthe ausgehe, und wenn man von diesem die wahrscheinlichen {7r} Lehens Renten daraus ableite.

Dagegen habe die Lehens- und Hoheits Section gestimmt, auch gegen das Gutachten ihres Rechnungs Kommißariats, welches sich an die Steuer Section angeschloßen, per unanimia dahin, daß man lediglich bei den §§ 82 und 83 des Edictes stehen bleiben, mithin zwei Prozent von dem einen Lehens Ertrage erheben solle.

Herr geheimer Rath Graf von Welsperg glaubten aus den in dem Vortrage angeführten Gründen, daß im vorliegenden Falle die Lehen-Renten aus dem Lehens-Werthe abgeleitet, und davon, wie das Edict ausspreche, die zwei Prozent für die Ritterpferds Gelder, wo diese bestünden, erhoben werden sollten.

Die Meinung der vereinigten Sectionen seie nach dem abgelesenen Protokolle dahin ausgefallen, daß die Herrn geheimen Räthe von Krenner junior und von Schenk mit dem Referenten sich für die Meinung der Steuer- und Domainen Section erklärten, weil hierdurch das Aerar am mindesten übervortheilet, und der Staatszwek mit weniger Beschwerung und Beängstigung der Unterthanen erreicht werden könne. Für den Antrag der Lehen und Hoheits Section aber {7v} hätten gestimmt, die Herrn geheimen Räthe Graf von Törring, von Zentner, von Krenner senior [d.i. Johann Nepomuk], Graf Carl [Maria] von Arco, und Freiherr von Aretin.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas verfügten über diesen Punkt die Umfrage.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg und alle Mitglieder des königlichen geheimen Rathes mit Ausnahme der Herrn geheimen Räthe von Krenner des jüngeren [d.i. Franz] und von Schenk, welche bei Ihrer geäußerten Meinung blieben, stimmten für jene der Lehen und Hoheits Section

und so wurde nach der Mehrheit der erste Punkt wegen Ablösung der Ritterpferd-Konkurrenz Gelder nach der Meinung der Majorität der vereinigten geheimen Raths Sectionen von dem königlichen geheimen Rathe entschieden.

Der zweite kontroverse Gegenstand betreffe die Faßionirung der Gewerbs Gerechtigkeiten. Die Steuer und Domainen Section seie der Meinung, daß Gewerbs Gerechtigkeiten als solche niemal lehenbar sein könnten, und daß also nur die zu deren Ausübung {8r} bestimmten Gebäude abgelößt, und geeignet werden könnten.

Herr geheimer Rath von Krenner habe sich zwar in seinem ersten Voto zur gegentheiligen Ansicht der Lehen und Hoheits Section leiten laßen, seie aber, wie überhaupt das Finanz Departement nach seiner Note ddo 9ten April dieses Jahres der Meinung der Steuer und Domainen Section beigetreten, daß Gewerbs Gerechtigkeiten niemals lehenbar seien.

Als Gründe dieser Meinung habe die Steuer und Domainen Section die nachstehenden höchsten Verordnungen angeführt, als ddo 1 Dezember 1804 Regierungsblatt 1805 fol. 43 § 16674, ddo 5ten Jänner 1807, Regierungsblatt S[ei]t[e] 55 § 8675, ddo 16 Merz 1807 S. 523 § 8676, ddo 2. Dezember 1809 S. 1947 Artikel 1 et 2677.

Dagegen unterscheide die Lehen und Hoheits Section zwischen den auf persönliche Geschiklichkeit beruhenden Gewerben z. B: Schumachers, Schneiders Gerechtigkeiten, und den auf Grundstüken und Gebäuden radizirten Gewerben und sie glaube, daß die von der Steuer und Domainen Section {8v} allegirte Verordnungen sich nur auf erstere beziehen, und leztere von dem lehenbaren Grund, welchem sie adhaeriren, unzertrennlich seien, woraus sich ergebe, daß diese, z. B. Bräu- Mühl-Gerechtigkeiten, allerdings als Lehens-Objecte und zur Faßionirung geeignet, angesehen werden müßten.

Die allegirte Verordnungen aus den verschiedenen Regierungsblättern wurden abgelesen, und die Meinung des Referenten aus den angeführten Beweggründen gegen jene der Lehen- und Hoheits-Section dahin abgegeben, daß nicht die Gewerbs-Gerechtigkeiten, sondern nur die zu deren Ausübung bestimmte Gebäude zu dem Lehenwerthe aufgenommen werden können, daß also auch jene nicht abgelößt werden dürfen.

In den Sections Sizungen seien mit dieser von dem Referenten geäußerten Meinung nur der königliche geheime Rath Graf Carl [Maria] von Arco verstanden gewesen, alle übrige Mitglieder der vereinigten Sectionen aber hätten sich für jene der Lehen und Hoheits Section erklärt und beschloßen: „daß die radizirten Gewerbe allerdings als Lehen Objecte behandelt werden können sohin zur Allodification geeignet seien“.

{9r} In Folge der von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas verfügten Umfrage erklärten sich Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg, so wie alle übrige Mitglieder für den von der Majorität der Sekzions Sizung angenommenen Grundsaz rüksichtlich der Faßionirung der Gewerbs Gerechtigkeiten, nur Herr geheimer Rath Carl [Maria] Graf von Arco blieben bei Ihrer Meinung, und führten als Gründe dafür an, daß durch diese Maaßregel, so wie sie die Lehen- und Hoheits Section vorgeschlagen, einer Seits der Regierung die Hände gebunden, und sie an jeder allgemeinen Verfügung gehindert würde, denn wolle dieselbe die radizirten Gewerbe aufheben, so würden anderer Seits die Allodifikanten geprellt, indem sie für eine Sache ihr Geld hergegeben, die nichts mehr seie, und die Regierung bei solchen Maaßregeln zu einer Entschädigung zu bringen, seie eine schwierige nicht leicht zu erwartende Sache

Auch habe die Gerechtigkeit {9v} eines Gewerbes ohne die Gebäude keinen Werth, und könne nicht unter Ziffer gestellt werden, die Gebäuden allein hätten Werth, und wie könne man eine Sache allodifiziren laßen, die nichts seie.

Dieser Erinnerung wurde entgegen gesezt, daß hier der alte Streit, Kunst erbt nicht, wieder rege werde, und es von einer wohlgeordneten Regierung nicht zu erwarten seie, daß sie ohne ein absurdum zu begehen, diese radizirten Gewerbe aufhebe, oder wenn dieses doch geschehen sollte, die Eigenthümer nicht entschädigen sollte. Von Vorgreifung einer künftigen Regierungs Maaßregel könne hier nicht die Rede sein, denn jede Regierung und vorzüglich die baierische verdiene das Vertrauen, daß sie so etwas nicht unternehmen und aussprechen werde, die Mühle die da stehet, soll nicht gehen, auf dem stehenden Bräuhause soll nicht gesotten werden.

Gebäuden mit gewißen Verrichtungen zu einem Gewerbe seien ihrer Natur nach schon radizirt, und die Gewerbe gehörten zu den Gebäuden, der ganze Complex mache ein Object aus und bestimme den Werth, und leztere würden ohne erstere {10r} in ihrem Werthe bedeutend verlieren.

Übereinstimmend mit den geschehenen Abstimmungen

wurde der von der Majorität der Sections Sizungen ausgesprochene Grundsaz von dem königlichen geheimen Rathe angenommen, daß die radizirten Gewerbe allerdings als Lehen-Objecte behandelt werden können, sohin zur Allodifikazion geeignet seien.

Der dritte kontroverse Punkt stehe mit dem vorhergehenden in Verbindung und betreffe die Art der Werths Erhebung bei den Bräu Häußern und übrigen Gewerben.

Die Steuer und Domainen Section habe bereits oben sich erklärt, daß Gewerbs Gerechtigkeiten als solche niemals lehenbar sein könnten, noch weniger aber sage sie, könne der Gewinnst, welcher aus dem Gewerbe hervorgehe, und welcher die Zinsen der persönlichen Industrie und des Betriebs oder Verlags-Kapitals enthalte, als Maaßstab des Lehenwerthes dienen. Nur die zu Ausübung radizirter Gewerbe nöthigen Gebäuden und Zugehörungen könnten nach dem wiederholten {10v} Gutachten der Section als lehenbare Objecte erscheinen.

Es frage sich also nur, in wie weit das für das Steuer Provisorium erhobene Steuer Capital zum vorliegenden Zweke anwendbar seie, und da glaube die Steuer und Domainen Section, daß die Steuer Kapitalien der nämlichen Objecte auch bei diesen Gebäuden als Lehen-Werth angenommen werden können.

Dieser Meinung habe die Lehen- und Hoheits-Section nochmalen ganz wiedersprochen, sowohl in ihrem Prinzip als in ihrer Folgerung. Sie beweise durch das Beispiel, daß ein mit einem Bräuhause belehnter Vasall, der sein Bräuhauß verpachtet habe, selbst ohne Verlags Fond dazu herzugeben, wirklich nicht durch seine Industrie oder Kapitalien Verlag, sondern blos aus dem ihme verliehenen Bräuers-Rechte Nuzen schöpfe, wie es bei einem in Pacht gegebenen Bräuhause klar vor Augen liege. Das Nämliche trette aber auch ein, wenn er selbst dieses Gewerbe in Regie betreibe, da der größere Nuzen über Abzug aller Auslagen und Verlags-Kapitals-Zinsen mehrmalen nur ein wahrer Nuzen seie, der ihme aus {11r} lehenbar verliehenem Bräurechte fließe. Mit Unrecht also sage die Section, würde nur das Gebäude als Lehen Object betrachtet werden, da doch das nüzliche Bräurecht hier selbst Object seie. Dazu komme noch, daß wohl öfters derlei Gewerbs Rechte ohne Gebäuden zu Lehen verliehen worden seien. Was also in einem solchen Falle das Lehen-Object sein könne, frage sie, wenn man nicht das Gewerb als solches betrachten wolle.

Über die Art der Werths Erhebung bei den Bräuhäußern und übrigen Gewerben habe also die Lehen und Hoheits Section dahin gestimmt, daß bei Bräuhäußern mit Übereinstimmung der für die Majorate festgesezten Instruktion zum Theil mit der neuesten Eruirung des Biersazes (Regierungsblatt 1811 Stück 32)678 von jedem Mezen des verbrauten Malzes 24 Kreuzer reiner Gewinn zur Berechnung des Ertrags Kapitals anzunehmen wäre.

Bei den übrigen Gewerben wäre zu unterscheiden a) zwischen den unter eigener Regie betriebenen, und b) den verpachteten. Ad a) wäre mit Abzug des zur industriellen Betreibung {11v} des Gewerbes erforderlichen Verlags Kapitals die reine Einnahme von selbem, mit 15 den Gulden zum Kapital erhoben, als wahrer Werth anzunehmen. Ad b) sollen mit Abzug der auf dem verpachteten Gewerbe haftenden Lasten, ebenfalls der reine Ertrag mit 15 den Gulden zum Kapital erhoben, den Werth deßelben bestimmen.

Aus den Gründen, die Herr Graf von Welsperg in Ihrem schriftlichen Vortrage ausgeführt, vereinigten dieselben sich vollkommen mit der Ansicht der Steuer und Domainen Section, daß Gewerbe nicht zum Lehenwerthe zu schlagen, mithin auch deren Werth nicht zu erheben sei, sondern daß sich dazu blos die Gebäude eignen, und daß bei diesen das für das Steuer Provisorium erhobene Steuer Kapital zum Lehenwerthe zu nehmen sei.

Nach dem Protokolle der Sections Sizung seien alle Mitglieder mit den Ansichten der Lehen- und Hoheits Section über diesen Punkt verstanden gewesen, und nur Herr geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco habe sich mit dem Antrage des Referenten und mit den Ansichten der Steuer und Domainen Section vereiniget.

{12r} Auch bei der von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas über diesen Punkt verfügten Umfrage blieben Herr geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco bei Ihrer geäußerten Meinung.

Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg aber und alle übrige Mitglieder erklärten sich für die von der Majorität der Sections Mitglieder für diesen Punkt angenommenen Meinung

und so wurde dieser Punkt wegen der Werths-Erhebung der Bräuhäußer und dergleichen nach dieser Majorität der Sections Mitglieder entschieden.

Der 4te kontroverse Punkt umfaße die Erhebung des Werthes 1) von lehenbaren Gebäuden 2) der Jagd- und Fischerei Erträgnißen und sonsten.

Rüksichtlich der ersten Frage schlage die Steuer und Domainen Section das Steuer Rectifications Edict d. do 13 Mai 1810 [!] vor679, wo dagegen die Lehen und Hoheits Section nach ihren früher aufgestellten Grundsäzen, daß die reinen Einkünften von dem Gewerbe zu erheben seien, nothwendig einen Unterschied zwischen den zu einem solchen Gewerbe nöthigen und zwischen {12v} andern Lehengebäuden machen müßen.

Bei den ersteren könne nach ihrem Veräußern keine Werths Erhebung mehr statt finden, weil mit der vorgeschlagenen Berechnung der reinen Einkünften eines Gewerbes schon auch der Werth des Gebäudes damit in Anschlag komme. Sie trage also an, daß diese Gewerbs Gebäude in gar keinen besondern Werths Anschlag mehr kommen sollten.

Von den andern Gebäuden aber, z. B. Schlößern, Lust und Jagd-Häußern sage die Section, daß diese mehr dem Vasallen zur Last fielen, und mache daher den Antrag, daß ohne auch von diesen auf einen weiteren Werth zu dringen, es lediglich bei den Faßionen der Vasallen belaßen werden sollte.

In Beziehung auf die zweite Frage seie die Steuer- und Domainen Section der Meinung, daß die lehenbaren Fischereien, Jagden, Schäfereien, Steinbrüchen, Torfstechereien, Ziegelbrennereien u. d. g. realer Nebennuzungen nach dem nämlichen Maaßstabe wie ad V erhoben werden sollten.

Die Lehen und Hoheits Section wolle sich zwar auch damit verstehen. Sie glaube indeßen, daß man sich rüksichtlich der unsichern Jagd- und Fischerei Erträgniße einzig an die Faßionen der Vasallen halten könnte, ohne in eine weitere Untersuchung einzugehen.

{13r} Referent habe die Meinung geäußert, daß Sie nach den wegen den Gewerben überhaupt vorausgeschikten Gründen sowohl die zu einem Gewerbe nöthigen als auch die übrigen lehenbaren Gebäuden nicht nach der willkührlichen Faßion der Vasallen, sondern nach den Normen des Steuer Rektifikazions Edictes vom 13 Mai 1808680 im Werthe anschlagen würden; rüksichtlich der Erträgniße von Jagd- und Fischereien aber pflichteten Sie ebenfalls der Meinung bei, daß diese Nebennuzungen nach dem Rectifikazions Edicte vom 13 Mai 1808 erhoben werden sollten.

In der Sections Sizung seien über diese beide Punkte Paria entstanden, indem die Herrn geheimen Räthe von Krenner junior, Graf Carl [Maria] von Arco, von Schenk und Graf von Welsperg sich für die Meinung der Steuer und Domainen Section, die Herrn geheimen Räthe Freiherr von Weichs, von Zentner, von Krenner senior [d.i. Johann Nepomuk] und Freiherr von Aretin für jene der Lehen und Hoheits Section erkläret. Durch den Übertritt des Herrn geheimen Rath Grafen von Törring zu der Meinung der Lehen- und Hoheits Section {13v} seien aber die Majora dahin ausgefallen

daß die Werthserhebung von den lehenbaren Gebäuden nach bloßen Faßionen der Vasallen bestimmt, und auch zur Werths-Erhebung bei den realen Nebennuzungen die Faßionen der Vasallen zum Grunde gelegt werden sollen.

Bei der von seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas hierüber verfügten Umfrage äußerten sich alle Mitglieder für die von der Majorität der Sections Mitglieder wegen diesen beiden Punkten ausgeführte Meinung, da diejenige Mitglieder, welche dagegen gestimmt, bemerkten, daß auch diese Faßion einer Revision unterliegen, und daß es hinlänglich seie, wenn für diese Gebäude und Neben-Nuzungen nur etwas gegeben werde.

Herr geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco bemerkten daß Sie nach dem von dem geheimen Rathe angenommenen allgemeinen Grundsaze wegen den Gewerben und Gebäuden auch hier Ihre abweichende Meinung verlaßen könnten, obschon es immer hart bleibe, daß man die entgegen gesezte Meinung verlaßen.

{14r} Nach diesen Abstimmungen

wurden die zwei Punkte wegen der Werthserhebung der lehenbaren Gebäuden und von den Nebennuzungen aus Jagden, Fischereien u. d. g., von dem königlichen geheimen Rathe nach der Majorität der Sections Mitglieder entschieden.

Der 5te Punkt über die Erhebung des Ertrages und des Werthes der Dominikal Renten unterliege ebenfalls einer Verschiedenheit in den Meinungen der Steuer- und Domainen Section und jener der Lehen und Hoheits Section.

Die Steuer- und Domainen Section seie der Meinung, daß die für das momentane Steuer Provisorium im Mandate d. do 24 [!] Jänner 1808 vorgeschriebene Normen681 zur Erhebung des Anschlages der Dominikal Renten ganz anwendbar seie, nur müßten zum vorliegenden Zweke einige nähere und genauere Bestimmungen antizipirt werden, welche für ein Provorium momentaneum nicht nöthig gewesen.

Über diesen Gegenstand habe das Rechnungs Commißariat der Lehen und Hoheits Section in seinem Berichte folio 15 retro – melus [!] 26 ausführliche {14v} Gegenerinnerungen gemacht und gründlich bemerkt, daß zwar die in dem Steuer Provisorium Mandate d. do 14 Jänner 1808 vorkommenden Faßions Formularen682 für die Gerichts- und zinsherrlichen Renten auch in Absicht auf die Allodification ganz, rüksichtlich der dort vorgeschriebenen Faßions Tabellen für Grund- Lehen und zehendherrlichen Renten aber nicht anwendbar seien, so wie überhaupt daß sich nicht blos auf das Steuer Mandat d. do 14 Jänner 1808 berufen, sondern daß wenigstens wegen Mortuarien683, Tisch- und Wein-Geldern, wegen Afterlehen und zehendherrlichen Renten ganz andere Normen gegeben werden müßten.

Diese Bemerkungen seien zu wichtig, um sie zu übergehen, und da selbe auch keinen Auszug vorbrachten, seien Sie zu Abschließung über diesen Punkt genöthiget, sie wörtlich auf folgende Weise, wie sie in der Beilage enthalten [!].

Aus diesen Gründen seie zum Theil gegen die Meinung der Steuer- und Domainen Section der Abschluß in der Lehen- und Hoheits-Section dahin erfolgt A) daß die Mortuarien in den Faßionen ganz hinweg zu laßen seien, indem sie, wenn selbe von der Leibeigenschaft herrührten {15r} ganz abgeschaft seien684, als Abfahrtgebühren aber unter den Laudemien685 vorkämen. B) Tisch- und Wein-Gelder wären als durch die neue Taxordnung abgeschaft686, ebenfalls hinweg zu laßen. C) Bei der Allodification oder Klaßifikazion hinsichtlich der Afterlehen aa) durch gänzliche Eignung derselben bb) Umwandlung in bodenzinsiges Eigenthum cc) durch Umwandlung in Erbrecht seie sich nach den ad Litt. C vom Kommißariat geführten Anträgen zu benehmen. Endlich D) hinsichtlich der Zehenden seie deren Fatirung687 ebenfalls nach dem Gutachten des Rechnungs Kommißariats zu veranlaßen.

Bei diesen Umständen, da sie die practischen und gesezlichen Gründen des Rechnungs-Kommißariats ganz überzeugt, da die Steuer und Domainen Section selbsten eine nähere und antizipirte Bestimmung dieser Vorschriften nöthig, mithin das Steuer Provisoriums Mandat vom 24 Jänner 1808 nicht ganz und vollkommen anwendbar finde, stimmten Graf von Welsperg vollkommen der Lehen- und Hoheits Section bei.

{15v} Nur dürfe die zwar nicht hieher gehörige Frage entstehen, ob unter Mortuarien, wo der Vasall das Sterbhaupt688 pp rechtlich als Lehen an sich gebracht, und wo die Tisch- und Wein-Gelder eben so rechtlich bestanden, wenn sie auch nicht allodifizirt noch klaßifizirt werden dürften, nicht wenigstens ein Ersaz und allenfalls ein Abzug des Allodifikazions-Quantums gebühren könne, und ob also in dieser Hinsicht die betreffenden Kolumnen nicht doch belaßen werden könnten.

In der Sitzung der vereinigten Sectionen seien folgende Entscheidungen gefaßt worden. Ad a) wäre nach der Meinung der Lehen- und Hoheits Section die Rubrik auszulaßen, jedoch wenn es Laudemien wären, in der Instrukzion darauf aufmerksam zu machen, daß solches unter der Rubrik Laudemien aufgeführt werde. Ad b) seie nach der Meinung der Lehen und Hoheits Section diese Rubrik auszulaßen. Ad c) seie sich einstimmig für den Antrag der Lehen und Hoheits Section erklärt worden. Ad d) hätten sich alle Mitglieder bis auf Herrn geheimen Rath von Krenner den jüngeren [d.i. Franz], welcher allein die Meinung der Steuer und Domainen Section sich eigen gemacht, für den Antrag der Lehen und Hoheits Section erklärt.

{16r} Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas ließen über diesen Punkt abstimmen, und alle Beschlüße der vereinigten Sectionen wegen der Werthserhebung von den Dominikal-Renten, welche in den beiden Protokollen vom 6ten und 8ten August rüksichtlich der Unterabtheilung dieses Gegenstandes enthalten, wurden

von dem königlichen geheimen Rathe theils einstimmig, theils per majora angenommen, denn nur Herr geheimer Rath von Krenner der jüngere [d.i. Franz] wiederholten in Betreff der Zehend-Fatirung Ihre in der Sections-Sizung geäußerte abweichende Meinung, indeme Sie zu Herstellung einer Kontrolle den Vorschlag der Steuer und Domainen Section annehmen würden.

Der 6te Punkt, worüber die Steuer und Domainen Section und die Lehen und Hoheits Section verschiedener Meinung gewesen, betreffe die Getreidpreiße bei der Werths-Bestimmung zur Allodifikazion sowohl als Klaßifikazion der Lehen.

Die Steuer und Domainen Section seie nämlich der Meinung, daß die von dem General Kreis Kommißariate eingesendeten Recherchen über die mittere [!] Getreid Preiße von den Jahren 1775 bis 1794 noch nicht genug berichtiget seien, um sichere Resultate daraus ziehen zu können; ferner {16v} seie es auch nicht genug, daß Durchschnitts Mittelpreise ganzer Kreise ausgemittelt würden, sondern es seie nothwendig, daß diese Preiße in manchen Kreisen, z. B. im Illerkreise, sogar noch distriktsweise unterabgetheilt würden, was also noch zu verfügen wäre.

Hierin seie die Lehen und und Hoheits Section unter sich selbst nicht ganz einig gewesen. Die Mehrheit seie dahin ausgefallen, daß diese von dem General Kommißariate gemachte Recherchen über die Kreis-Preiße, wovon eine Tabelle entworfen worden, zwar einer neuerlichen Prüfung unterworfen, daß aber die Mittelpreise sodann wieder nach den Kreisen berechnet, und hiebei mit Weglaßung der Kreuzer nur gerade Summen nach Gulden angenommen werden sollten, der kleinere Theil der Stimmen seie aber dahin gegangen, daß in einzelnen Fällen die Vasallen von den Rentämtern Zeugniße über die Getreid Preiße nach 20jährigem Durchschnitte von dem Jahre 1775 bis 1795, wodurch sowohl die Jahre der Theuerung als der Kriegsereigniße ausgeschloßen würden, beibringen sollen.

Herr Graf von Welsberg habe hierauf bemerkt, da die Recherchen von dem General Kreis-Kommißariate sehr unvollständig und mangelhaft ausgefallen, und nach dem Antrage der Steuer und Domainen Section {17r} dieselbe förmlich neu erhoben werden sollten, so könnten Sie die Meinung der Lehen und Hoheits Section bei dieser unvollständigen Getreid-Preis Herstellung nicht theilen, besonders nach den erhobenen und nochmals zu revidirenden Mittelpreißen nur eine runde Guldenzal mit Hinweglaßung aller Kreuzer, worin zu viel Willkühr, für den einen Bezirk zu viel Vortheil für den andern zu viel Nachtheil herauskomme, angenommen werden sollte. Sie glaubten vielmehr, daß diese Kreis, und nöthigen Falls Bezirks-Getreid-Mittelpreiße, wenn gleich mit mehr Beschwerlichkeit und Zögerung des Geschäftes, selbst dennoch zu mehrerer Sicherheit durch die Kreis-Kommißariate nüzlicher, aber durch die Finanz Direkzionen ganz neu erhoben werden sollten, wo sie dann erst nach dem Antrage als Basis würden angenommen werden können. Daß aber in der Zwischenzeit in vorkommenden Fällen sich bei den Vasallen allerdings mit den rentamtlichen Zeugnißen von 20jährigen Durchschnitts-Preißen begnügt werden könnte.

Die Abstimmungen in den vereinigten Sectionen über diesen Gegenstand seien dahin ausgefallen, daß die Herrn geheimen Räthe Freiherr von Weichs und Graf Carl [Maria] von Arco für die Majorität der Lehen und Hoheits Section, die übrige {17v} Mitglieder der Sectionen aber für die Minorität derselben sich erkläret, und deßwegen angenommen worden, daß ohne neue Preißerhebung sich in allen einzelnen Fällen lediglich an rentamtliche Zeugniße über die Durchschnitts Preiße von 20 Jahren, nämlich von 1775 bis 1796 [!] zu halten seie, welche die Vasallen beizubringen hätten.

Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas ließen über diesen Gegenstand abstimmen.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg erklärten sich für die von der Majorität der Sections Mitglieder angenommene Meinung. Eben so Herr geheimer Rath Graf von Preising.

Herr geheimer Rath Graf von Arco der ältere [d.i. Ignaz] waren dafür, einen allgemeinen Durchschnitts Preiß für das ganze Reich anzunehmen, da es vielen Vasallen nicht möglich sein würde, von den Rentämtern die verlangten Preißen der bemerkten Jahre zu erhalten und beizubringen. Nach gleichen Ansichten stimmten die Herrn geheimen Räthe Graf von Törring und Freiherr von Weichs, ersterer um dadurch die Allodification möglich zu machen, leztere wollten die für die Majorate bestimmte Getreid Preiße annehmen.

Herr geheimer Rath von Zentner erklärten sich für Ausstellung eines allgemeinen Durchschnitts Preißes, {18r} aber nicht für das ganze Reich. sondern nach Kreisen, indeme sonst das Mißverhältniß der Preiße für einzelne Kreise zu drükend werden würde.

Eben so stimmten Herr geheimer Rath von Krenner der jüngere [d.i. Franz], und würden durch das Central-Rechnungs-Kommißariat aus den vorhandenen Resultaten und Elementen diese Preiße ohne weitere Erholungen herstellen laßen.

Herr geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco äußerten sich für einen Durchschnitts-Preis für das ganze Reich, der jedoch zur Erleichterung der Vasallen sehr nieder gesezt werden müßte. Sie brachten den, so für die Majorate angenommen worden, in Vorschlag.

Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin erklärten sich für einen Durchschnitts-Preiß nach Kreisen, und würden den geringsten Preiß der sich aus den zusammen gestellten Resultaten ergebe, annehmen, da ein Preiß für das ganze Reich mit zu vielen Nachtheilen für die Vasallen einzelner Kreise verbunden.

Eben so stimmten die Herrn geheimen Räthe von Effner, von Schenk und von Feuerbach, und da Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg und Herr geheimer Rath Graf von Törring zu dieser Meinung ebenfalls übergingen

so wurde nach der Mehrheit ein Durchschnitts-Preiß für {18v} das Getreid nach Kreisen angenommen, und beschloßen, durch das Central Rechnungs-Kommißariat aus den vorhandenen Elementen eine Zusammenstellung der sich für jeden Kreis ergebenen Preiße der verschiedenen Getreide-Gattungen bearbeiten zu laßen, und dieselbe zur näheren Prüfung und Annahme in dem königlichen geheimen Rathe vorzulegen.

Die übrigen Punkte, worüber die Steuer und Domainen, und die Lehen und Hoheits Section sich nicht vereinigen konnten, und welche blos das Formelle und die Geschäfts Manipulation berühren, wurden, da sie in den vereinigten geheimen Raths Sectionen schon entschieden, nicht zum Vortrage gebracht, sondern die gegenwärtige Deliberazionen mit der Frage beschloßen, ob die zur Claßification und Allodification nothwendig zu verlängernden Termine nach dem Vorschlage des Referenten bis zum 1ten Jänner 1813 erstrekt werden wollten.

Einstimmig wurde von allen Mitgliedern des geheimen Rathes die Verlängerung des Termins zur Claßification und Allodification der allgemeinen Lehen bis zum 1ten Jänner 1813 angenommen689.

Herr geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco bemerkten, daß nach der Abreise des Grafen von Welsperg die Abschrift einer Note des auswärtigen Ministeriums an das Finanz Ministerium, an den geheimen Rath signirt worden, wodurch sich über einen Antrag der Steuer und Domainen Section wegen dem {19r} Gesuch des Vasallen von Holzhuber geäußert worden, und war der Meinung, daß dieser Gegenstand nach entschiedenen Hauptgrundsäzen über die Claßification und Allodification der gemeinen Lehen sich nicht mehr zum geheimen Rathe eigne, sondern an das auswärtige Ministerium zur geeigneten Verbescheidung rükzugeben seie.

Dieser Vorschlag wurde von dem königlichen geheimen Rathe angenommen.

Bestätigung der Beschlüsse durch den König (2. September 1811).

Anmerkungen

657

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 1120.

658

Der gefreite Sitz Biederstein, nordwestlich von Schwabing gelegen, wurde 1802 von Stephan Freiherr von Stengel (1750-1822) an Kurfürst Maximilian IV. Joseph verkauft, der es 1803 seiner Gattin Karoline Friederike schenkte (Schenkungsurkunde vom 30. Januar 1804). Der Park wurde in den Folgejahren im Stil eines englischen Landschaftsgartens gestaltet; die um- und neugebauten Gebäude fügte man in das Ensemble eines „königliche[n] Landhaus[es]“ ein ([Anonym], Biederstein, S. 99). Eine zeitgenössische Beschreibung führt an (ebd.): „Einfachheit bezeichnet das Aeussere; gediegener Werth und Geschmack paaren sich im Innern. Im Garten wechseln Gebüsche und Rasenland; ein kleiner Bach bewässert denselben; ein Belveder, von Marmorsäulen getragen, gewährt den Genuß der südöstlichen Landschaft; eine Warte gegen die Strasse von Freysing zeigt die nordwestliche Gegend.“ Vgl. Fried, Landgerichte, S. 136; Dombart, Biederstein, S. 17-25 (mit zahlreichen Abbildungen, S. 49-68); AK Wittelsbach und Bayern Bd. 3/2, S. 645 f. (Hans Ottomeyer).

659

Vgl. Protokoll Nr. 33 (Geheimer Rat vom 5. September 1811), TOP 1.

660

Weichs wurde mit Dekret vom 30. August 1808 zum Generalkommissär des Isarkreises ernannt. Bekanntmachung betr. die „Besezung der General-Kreis-Kommissariate“ vom 30. August 1808, RegBl. 1808, Sp. 1857-1868, hier Sp. 1863/64.

661

Zuständig war das Landgericht München, vgl. Bekanntmachung betr. die „Organisation des Landgerichts München“ vom 5. September 1803, RegBl. 1803, Sp. 718f.

662

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 1120.

663

Johann August Alexander Freiherr v. Kalb (1747-1814), 1776-1782 Sachsen-Weimarischer Kammerpräsident. Zur Biographie: Klarmann, Geschichte, S. 89-126, 160-171, 199-235, 294-298, 316-323 u. passim; zur Tätigkeit als Kammerpräsident s. Ventzke, Herzogtum, S. 55-58, 63-69, 129-134, 146f. u.ö.

664

„Edikt über die Lehen-Verhältnisse im Königreiche Baiern“ vom 7. Juli 1808, § 55, RegBl. 1808, Sp. 1903: „Die Lehenfolge beschränkt sich auf den Mannsstamm, nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatisch linealischen Erbfolge, dergestalt, daß der Lehen-Erbe von dem ersten Erwerber aus einer rechtmässigen, ehelichen Geburt abstammen muß. Die durch nachfolgende Heurathen Legitimirten werden den ehelich Gebornen gleich gehalten“. Vgl. die Urteile von Schneiderfritz, Phase, S. 26, wonach durch § 55 LehenE „das Recht der Lehenfolge wesentlich vereinfacht“ wurde, und Becker, Lehenrechtsgesetzgebung, S. 83, der die „Grundsätze der überwiegend tradierten lehenrechtlichen Erbfolge“ in § 55 LehenE erhalten sieht.

665

Leuterazion (Läuterung) meint die erklärende Auslegung eines unklaren Rechtssatzes bzw. eines rechtlichen Sachverhalts. Auch die Erklärung eines dunkel erscheinenden Richterspruchs wird als Leuterazion bezeichnet. Vgl. Oertel, Fremdwörterbuch Bd. 2, S. 527 s.v. Leuteratio; DRW Bd. 8, Sp. 793-797 s.v. Läuterung.

666

Das Rittergut Trabelsdorf (heute Gemeinde Lisberg, Landkreis Bamberg, Oberfranken) war als Würzburger Lehen seit 1664 im Besitz der Freiherren Marschalk von Ostheim. Vgl. Klarmann, Geschichte, S. 134f.; Weiss, Bamberg, S. 205, 270f.

667

Coitus damnatus bezeichnet die „Geschlechtsverbindung unter zu nahen Verwandten, in ehelicher Form und Absicht […]“, Zimmern, Geschichte, § 135, S. 495, daneben auch Ehebruch, Schröter, Wörterbuch, S. 185.

668

Die komplizierten, über 50 Jahre laufenden Lehenstreitigkeiten um Trabelsdorf können hier nur in den Grundzügen zusammengefasst werden.

Johann August Freiherr von Kalb war seit 1782 in zweiter Ehe mit Friederike Eleonore Sophia, geb. Marschalk von Ostheim (1764-1831), verheiratet. Deren Schwester Charlotte (1761-1843, Schriftstellerin; Biographie: Naumann, Schillers Königin) heiratete 1783 Heinrich Julius Alexander von Kalb (1752-1806; 1802 kurpfalzbayerischer Oberst à la suite), den Bruder Johann Augusts. Als 1782 mit Friedrich Marschalk von Ostheim (geb. 1760) der letzte männliche Angehörige der Linie Ostheim-Waltershausen starb, wurden Charlotte und Friederike Eleonore (sowie zwei weitere Schwestern) Universalerbinnen des Familienbesitzes. Die Ansprüche, die die Brüder von Kalb im Namen ihrer Frauen seit 1782 auf die Besitzungen im Steigerwald, darunter auch Trabelsdorf, erhoben, wurden allerdings von Heinrich August (1726-1809) und Dietrich Christian (1743-1803) Marschalk von Ostheim-Marisfeld als Mitbelehnte bestritten. Im Streit stand insbesondere die juristische Klassifikation Trabelsdorfs als Mannlehen (so die Ansicht der Marisfelder) oder als Allod (so die Waltershausener). Die Erbstreitigkeit mündete in einen ebenso langwierigen wie verwickelten, von gescheiterten Vergleichen, nicht exekutierten Gerichtsbeschlüssen und wiederholten Verfahrensaufnahmen gekennzeichneten Prozeß vor dem Reichshofrat, daneben vor dem Würzburger Lehenhof. 1796 erging ein den Allodialerbinnen nachteiliges Urteil, doch war der Erbstreit damit nicht beendet. Auch der 1801 zwischen Johann August und Heinrich Julius einerseits, Dietrich Christian andererseits abgeschlossene sogenannte Freundeskauf der Würzburger Mannlehenstücke in und bei Trabelsdorf, wobei Heinrich Augusts Wille kurzerhand übergangen wurde, brachte keine Veränderung der tatsächlichen Situation, weil der Verkauf durch den Würzburger Lehenhof nicht bestätigt wurde.

Der Erbstreit erhielt eine politische Dimension, als Johann August, seit 1796/97 in der fränkischen Reichsritterschaft rezipiert, um die Jahreswende 1801 auf 1802 mit der Regierung in Ansbach einen Vertrag schloß, in dem er sich erbot, die Allodialgüter im Steigerwald sowie die Lehenstücke in und bei Trabelsdorf der preußischen Landeshoheit zu unterwerfen. Dazu kam es nicht, doch ergab sich im Zuge der Abgrenzung der Einfluß- und Interessensphären im fränkischen Raum zwischen Preußen und Bayern eine neue Option. Mit Blick auf die Mediatisierungspolitik in Franken empfahl der preußische Minister Hardenberg im September 1802 seinem Amtskollegen Montgelas, Kalb auf die Seite Bayerns zu ziehen, habe dieser doch den Einfluß, „für das Kurfürstl. Haus noch mehrere dergleichen nützliche Negozien einzuleiten und ein Beispiel zur allgemeinen Nachfolge zu geben, welches die Durchsetzung der wegen der Ritterschaft etwa aufzustellenden Grundsätze sehr erleichtern würde“ (Quellenzitat nach Klarmann, Geschichte, S. 268). Das paßte zum Interesse Kalbs, seine Position im Rechtsstreit um die Erbschaft durch die Annäherung an einen einflußreichen politischen Akteur zu verbessern. Im November 1802 unterwarf er sich der kurfürstlichen Landeshoheit. Nachdem Kurfürst Max IV. Joseph erklärt hatte, die Unterwerfung Kalbs zu akzeptieren, teilte dieser am 12. März dem Reichshofrat im Namen der Allodialerbinnen mit, fortan seien nur noch die kurfürstlichen Gerichte kompetent. Zugleich forderte er den Ritterkanton Steigerwald auf, die v. Kalb als bayerische Untertanen und zugleich die auf dem „Steigerwald habende Besizungen als Churfürstliche Land und Leute mit reichsritterschaftlichen Befehlen und Anforderungen für die Zukunft zu verschonen, als welche wir vermoege unserer geleisteten Unterthänigkeitspflicht nicht weiter befolgen koennen“ (Kalb an Kanton Steigerwald, 12.3.1803, ebd., S. 437f., Dok. Nr. 8). Heftige Proteste der Reichsritterschaft gegen die – aus ihrer Sicht rechtswidrige – Selbstunterwerfung Kalbs unter bayerische Landeshoheit, gerichtliche Klagen, publizistische Attacken blieben nicht aus, doch kam es bis zur Auflösung des Reichshofrats 1806 nicht zu juristischen Konsequenzen für Kalb.

Als Erkenntlichkeit für die Unterwerfung erhielt Kalb im August 1803 einen Lehenbrief, der die Eventualsukzession und die Mitbelehnung auf die Lehenstücke in und bei Trabelsdorf für den Fall aussprach, daß Heinrich August Marschalk von Ostheim-Marisfeld ohne Erben sterben würde. Dieser Erbe trat bald in Gestalt des unehelich gezeugten Sohnes Heinrich Augusts in Erscheinung. Um seinen natürlichen Sohn, den 1768 geborenen Franz Friedrich von Ostberg, als Erben und Streitpartei in das Verfahren einzuführen, schloß Heinrich August, nachdem er seine Entlassung aus dem Deutschen Orden erwirkt hatte, 1804 im zweiten Anlauf (die erste Eheschließung war nichtig, da die Existenz des außerehelichen Kindes im Dispensationsverfahren verschwiegen worden war) eine gültige Ehe mit der Kindsmutter, seiner Nichte (und damit nahen Anverwandten) Karolina Güß von Güßenberg, einer vormaligen Stiftsdame. Der Sohn war nunmehr als Franz Friedrich Marschalk von Ostheim legitimiert.

Den unmittelbaren Bezugspunkt des vorliegend dokumentierten Tagesordnungspunkts bilden drei Urteile des Appellationsgerichts des Mainkreises in Bamberg vom 4. und 5. April 1811. Im ersten Urteil erkannte das Gericht die 1803 erteilte Belehnung Kalbs mit den Lehen in und bei Trabelsdorf als rechtmäßig an; er war insoweit berechtigt, zu gegebener Zeit vor dem Fiskus in die Lehen nachzufolgen. Im zweiten Urteil in Sachen Franz Friedrich gegen den Fiskus erkannte das Gericht das Recht Franz Friedrichs an, in die Lehen zu folgen (sein Vater Heinrich August war 1809 gestorben). Mit dem dritten Urteil schließlich wies das Gericht den Einspruch Kalbs in Sachen Franz Friedrich gegen den Fiskus ab, weil Franz Friedrich das nähere Nachfolgerecht besitze. Damit war die Sache allerdings nicht endgültig geregelt, konnte Kalb doch auf eine Stellungnahme der großherzoglichen Landesdirektion in Würzburg verweisen, wonach den Grundsätzen des dortigen Lehenhofs zufolge die Lehensukzession ex damnato coitu gezeugter Söhne, auch wenn die Eltern nach der Geburt heirateten, nicht zulässig war.

Der Fortgang des erst 1835 beendeten Rechtsstreits kann hier nicht nachgezeichnet werden. Zum Geschehen seit 1782 siehe die aus den Akten gearbeitete, detailreiche Schilderung bei Klarmann, Geschichte, S. 185-198, 263-284, 304-316, 337-351, mit zahlreichen Stammtafeln und Aktenstücken im Anhang, S. 429-548. Ferner Müller, Reichsritterschaft, S. 125-127; Puchta, Mediatisierung, S. 695f. Vgl. Protokolle Bd. 2, Nr. 110 (Staatskonferenz vom 14. Juni 1803), S. 532-535, TOP 4, hier S. 533 mit Anm. 684, Nr. 120 (Staatskonferenz vom 12. August 1803), S. 570, TOP 2, jeweils zum „aufsehenerregenden Fall“ Kalb (Puchta, S. 696 Anm. 32) im Kontext der bayerischen Mediatisierungspolitik im Sommer 1803.

669

In der Rechtssprache des 19. Jahrhunderts sprach man von Allodifikation, wenn der Lehengeber auf seine Rechte am Lehenkörper verzichtete. Der Lehenkörper fiel dadurch im Wege der Allodifikation allein dem Lehennehmer zu, er wurde zum Allod und „zählte zu denjenigen Vermögensbestandteilen des Lehennehmers, die nicht von einer Lehenbeziehung tangiert wurden“. Becker, Lehenrechtsgesetzgebung, S. 15. Die Regelungen des „Edikt[s] über die Lehen-Verhältnisse im Königreiche Baiern“ vom 7. Juli 1808, RegBl. 1808, Sp. 1893-1932, waren hinsichtlich der Allodifikation nicht ganz eindeutig. Einerseits durften künftig nur noch Mannlehen der Krone bestehen, § 1, die in Thronlehen (vom König verliehen) und Kanzleilehen (im Namen des Königs vom Lehenhof verliehen) zerfielen, § 2. Thronlehen und mit Gerichtsbarkeit versehene Kanzleilehen durften nicht allodifiziert werden, § 201. Alle anderen Lehen, das heißt Privat- und Afterlehen, verloren die Leheneigenschaft bzw. erloschen und mußten in andere Grundverträge umgeändert oder allodifiziert werden, § 11, § 25. Andererseits erlaubte § 202, „[a]lle übrigen Lehen“ zu allodifizieren, wenn alle lebenden Lehenfolger zustimmten und der Lehenherr entschädigt wurde, § 203. Welche Lehen das sein sollten, blieb unklar, denn sie durften ohnehin nicht fortbestehen. Becker, S. 89, folgert: „Ein Anwendungsbereich für die Allodifikation war daher nach dem Wortlaut des Gesetzes gar nicht gegeben.“

670

Computatio: Berechnung. Neues allgemeines Handwörterbuch Bd. 1, S. 162.

671

Mit den in der Regel als Mannlehen vergebenen Ritterlehen war die Verpflichtung verbunden, Ritterdienste zu leisten. Das konnten infolge der „kontraktmässige[n] Vasallenpflicht […] persönliche Dienste“ sein, aber auch die Stellung „gerüstete[r] Knechte“ und der „herkommliche[n] und angemessene[n] Zahl gerüsteter, mus­termäßiger Pferde“ im Kriegsfall, so die VO betr. die „Berichtigung der Ritterlehen-Pferd-Konkurrenz-Gelder“ vom 7. November 1805, RegBl. 1805, Sp. 1137-1139, Zitate Sp. 1137, 1138. Die Stellung von Ritterpferden konnte in vielen Territorien mit Geldzahlungen abgelöst werden. Die in der bayerischen VO vom 30. November 1801, MGS [N.F.] Bd. 2, Nr. II.99, S. 101f., in Aussicht gestellte Einführung einer jährlichen Abgabe wurde im „Edikt über die Lehen-Verhältnisse im Königreiche Baiern“ vom 7. Juli 1808 verwirklicht. Die Lehensdienste bestanden demnach darin, daß sich der Lehensmann so oft am Hof des Lehensherrn einfand, wie er einberufen wurde, ferner in der Abführung einer jährlichen „Ablösungs-Taxe“ als Ersatz für die ehemals übliche Stellung von Lehenspferden, § 81, RegBl. 1808, Sp. 1908. – Zum Ganzen vgl. CMBC Tl. 4, Kap. 18, § 4, S. 230; DRW Bd. 11, Sp. 1122f. s.v. Ritterdienst, ebd. Sp. 1137f. s.v. Ritterlehen.

672

„Edikt über die Lehen-Verhältnisse im Königreiche Baiern“ vom 7. Juli 1808, RegBl. 1808, Sp. 1893-1932, hier Sp. 1908f.: „§ 82. Die jährliche Entrichtung der Lehenpferde-Gelder wird dahin bestimmt, daß von den reinen Lehen-Einkünften jährlich zwei Gulden vom Hunderte bezahlt werden sollen. § 83. Die Berechnung ist nach einem zwanzigjährigen belegten Durchschnitte herzustellen, und bei jedem Lehen der Betrag der Lehenpferde-Gelder in den Lehenbrief einzutragen.“.

673

Dominikalrenten sind die vom Grundherrn vereinnahmten Grundabgaben.

674

Ausgehend von der Prämisse, daß „[n]ach der Natur und Eigenschaft der Sache, nach den bisherigen gesezlichen Bestimmungen […] und nach dem alten teutschen Grundsatze: Kunst erbt nicht […] die Handwerksbefugnisse, welche blos auf persönlicher Geschicklichkeit beruhen, die Natur reeller Gerechtigkeiten, oder eines veräusserlichen Eigenthumes nicht annehmen [können]“, legte die VO betr. die „Handwerks-Befugnisse“ vom 1. Dezember 1804 in Art. 16 fest: „Weder in den Städten, noch auf dem Lande soll gestattet werden, Grundgerechtigkeiten auf Gewerbe und Handwerk überzutragen, diese auf Erbrecht, Leibrecht, Freystift oder Neustift zu verleihen, oder sie mit Stiften und Gülten, Laudemien und Scharwerken zu beschweren“ (RegBl. 1805, Sp. 43-48, hier Sp. 43 [Fettdruck nicht übernommen] bzw. Sp. 46).

675

VO betr. die „Gewerbs-Verleihungen der Patrimonial-Gerichte“ vom 5. Januar 1807, RegBl. 1807, Sp. 55-58, hier Sp. 58: „[Art.] 8. Alle Gewerbs-Erneuerungen und Verleihungen auf Erb- Leib- oder andere Gerechtigkeiten, bleiben nach den vorigen allerhöchsten Verordnungen durchaus untersagt.“

676

VO betr. die „Gewerbsverleihungen“ vom 16. März 1807, RegBl. 1807, Sp. 523-527, hier Sp. 525: „[Art.] 8. Bey Veränderungen auf einem Gute, worauf bisher ein Gewerbe mit Grundbarkeit ausgeübt wurde, ist dieses in Zukunft von dem Gutswerthe alsbald hinweg zu schäzen, und nach Umständen entweder gänzlich einzuziehen, oder als landesherrliche Konzession weiters zu vergeben […].“

677

VO betr. die „Verlaudemisirung der Real-Gewerbe und die fürohin nicht mehr statt habende Versteuerung für die den Patrimonial-Gutsherren vormals zugestandene Befugnis der Verleihung der Gewerbs-Rechte“ vom 2. Dezember 1809, RegBl. 1809, Sp. 1947-1949, hier Sp. 1947f.: „Artikel 1. Jenen adelichen oder andern Gutsbesizern, welche in dem Umfange Unserer Staaten, vor dem Schlusse des Jahres 1806 Laudemien von radicirten Gewerben, das ist, von solchen Gewerben bezogen, die auf Häusern ruhen, welche durch besondere bedeutende, unbewegliche und von denselben nicht wohl zertrennliche Vorrichtungen zu Ausübung des betreffenden Gewerbes hergerichtet werden mußten, als da sind – Tafernen, Schmidten, Bäckerstätten, Mühlen und dergleichen soll auch fortan der Bezug dieser Laudemien in den sich ereignenden Fällen derselben unbenommen und ungeschmälert bleiben. Artikel 2. Jedoch sollen in Zukunft bei dergleichen neu entstehenden Häusern und Gewerben solche Gewerbs-Laudemien nicht mehr stipulirt werden können, wohingegen es, wie es sich von selbst versteht, den Verkäufern solcher zum Betriebe eines bedeutenden Gewerbes besonders vorgerichteten Häuser unbenommen bleibt, jenen Kaufschilling bei dem Verkaufe einer solchen Realität zu stipuliren, welcher dem Werthe derselben bei dem Verkaufe aus freier Hand durch freiwillige Uebereinkunft der beiden Theile angemessen ist.“

678

VO betr. die „künftige Regulirung des Biersatzes im Königreiche Baiern, und die Verhältnisse der Bräuer zu den Wirthen sowohl unter sich, als zu dem Publikum“ vom 25. April 1811, RegBl. 1811, Sp. 617-634.

679

Die VO betr. das „allgemeine Steuer-Provisorium für die Provinz Baiern“ vom 13. Mai 1808, RegBl. 1808, Sp. 1089-1110, kannte nur noch vier Steuerarten, darunter die Haussteuer, § IV. Die Höhe der Haussteuer wurde nach dem „Kurrent-Werthe ihrer Objecte“ bestimmt, § VIII. Der Wert war anhand a) eidlicher Schätzung, b) der Selbstveranlagung der Besitzer, c) eines Gutachten der prüfenden Beamten, d) der Kaufpreise der letzten zwanzig Jahre zu ermitteln, § IX (Sp. 1094f.).

680

RegBl. 1808, Sp. 1089-1110.

681

Gemeint ist das als „Provinzial-Verordnung“ erlassene „Steuermandat für die Provinz Baiern im Etats-Jahre 1807/8“ vom 14. [!] Januar 1808, RegBl. 1808, Sp. 393-406, aus dem die „in der Provinz Baiern für gegenwärtiges Etatsjahr zu erhebenden Steuern und andere Staats-Beiträge“ zu ersehen waren, Sp. 393.

682

Vgl. die Beilagen zur VO vom 14. Januar 1808, RegBl. 1808, Sp. 409-424.

683

Mortuarium ist eine von Todes wegen an den Grundherrn zu leistende Abgabe. Erler, Art. Sterbfall, in: HRG Bd. 4, Sp. 1964; vgl. Gerber, System, § 143, S. 332f.

684

Das „Edikt über die Aufhebung der Leibeigenschaft“ vom 31. August 1808, RegBl. 1808, Sp. 1933-1936, hob mit Verweis auf Tit. I § 3 der Konstitution vom 1. Mai 1808, ebd., Sp. 987, die Leibeigenschaft auf. Damit erlosch von Seiten des (vormaligen) Leibeigenen u.a. die Entrichtung des Mortuariums, VO vom 31. August 1808, § 5, ebd., Sp. 1935.

685

Laudemium ist die „Abgabe, die der Pächter […] eines Gutes bei Besitzwechsel an den Verpächter (Leihgeber, Obereigentümer) zu leisten hat“. Becker, Art. Laudemium, in: HRG2 Bd. 3, Sp. 665f. Vgl. CMBC Tl. 4, Kap. 7, § 11, S. 100-102; CCBC Tl. 4, Kap. 7, § 11, S. 233 (Abgabe, die „dem Grundherrn bei Gutsveränderungen gereicht werden muß“).

686

Edikt betr. die „provisorische Taxordnung des Königreichs Baiern in Beziehung auf die Verhandlungen der nicht kontentiosen Gerichtsbarkeit“ vom 8. Oktober 1810, § 28, RegBl. 1810, Sp. 977: „Laudemial-Taxen, welche bisher in einigen Theilen des Königreiches bei Verleihungen von Grundgerechtigkeiten auf Gütern etc. von jedem Gulden des Laudemiums mit einer gewissen Gebühr genommen wurden, und unter verschiedenen Namen, als Tisch- und Wein-Gelder, Nachrechte, Leihkaufe, Abbrüche etc. bekannt waren, sind für die Zukunft abgestellt.“

687

Fatirung ist die Selbstveranlagung eines Steuerpflichtigen („[…] die eigene Bekenntnis des Besitzers von dem Ertrag seiner Güter […]“, Lang, Entwickelung, S. 258).

688

Sterbhaupt bezeichnet „das Recht der Grundobrigkeit, das beste Stück aus der Verlassenschaft eines Unterthans an Pferden, Vieh, oder andern Fahrnissen […] abzunehmen“. Schopf, Landwirthschaft, § 168, S. 113; vgl. Frühneuhochdeutsches Wörterbuch s.v. sterbhaupt = URL: https://fwb-online.de/ (Aufruf: 22.1.2020).

689

Ergebnis der Beratungen im Geheimen Rat war die VO betr. die „Fassionen der Kron-Lehen, und zur Allodifikation geeigneten Ritter-, und mit Jurisdiktion versehenen Beutel-Lehen“ vom 12. Dezember 1811, RegBl. 1811, Sp. 1833-1839 i. Vb. mit der „Instruktion für die königlichen Vasallen, wie sie die Fassionen über ihre lehenbaren Besizungen in Absicht auf die Eignung und Klassifikation derselben zu verfassen haben“, ebd., Sp. 1840-1868. In der Präambel erklärte der König, es sei zur Ausführung des neuen, im „Edikt über die Lehen-Verhältnisse im Königreiche Baiern“ vom 7. Juli 1808, RegBl. 1808, Sp. 1893-1932, grundgelegten „Lehen-Systems“ erforderlich, „daß vor allem der Werth eines jeden Lehens und neben demselben bei den fortbestehenden, mit der ehemaligen Ritterpferde-Stellung belasteten Thron- und Kanzlei-Lehen auch ihr reiner Ertrag hergestellt werde“, RegBl. 1811, Sp. 1834. Die VO regelte insoweit die Einzelheiten.