BayHStA Staatsrat 267
15 Blätter. Unterschriften des Königs und der Minister. Protokoll: Kobell.
Anwesend:
Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Reigersberg.
Geheime Räte: Ignaz Graf v. Arco; Graf v. Toerring-Gutenzell; Freiherr v. Weichs; v. Zentner; Graf v. Thurn und Taxis; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; v. Schenk; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach; Graf v. Welsberg.
Majoratsrecht
Effner behandelt anhand konkreter Beispiele, welche Vermögensgegenstände bei der Errichtung eines Majorats eingerechnet werden können (Haus in der Residenzstadt, Bibliothek, Porzellan) und wie der Wert zu berechnen ist. Auch wird die Frage erörtert, ob bei Errichtung eines Majorats der Rechtsnachfolger benannt werden darf.
{1r} 1. Bei Verhinderung Seiner Majestät des Königs in der auf heute angeordneten geheimen Raths Versammlung zu erscheinen, übernahmen Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz-Minister Herr Graf von Montgelas den Vorsiz, und forderten den Herren geheimen Rath von Effner auf, die bearbeiteten Vorträge zu erstatten.
{1v} In Folge dieser Aufforderung legten Herr geheimer Rath von Effner den lythographirten anliegenden Vortrag1506 vor *Beilage I* [Marginalie], der von Ihnen über einige von der in Majorats Sachen allergnädigst aufgestellten geheimen Raths-Kommißion1507 in Hinsicht der Majorats-Errichtungen an Seine Königliche Majestät zur Entscheidung allerunterthänigst gegebenen Anfragen bearbeitet worden.
Herr geheimer Rath von Effner führten nach Darlegung der Geschichte, wodurch diese Anfragen der Majorats-Kommißion, welche durch das Justiz-Ministerium an den königlichen geheimen Rath gekommen, dieselbe an.
1te Anfrage der Majorats Kommißion. A) „Wie ist der Werth eines zum Majorats-Überschuße bestimmten Haußes in der Residenz, dann der dazu gehörigen Einrichtung, und einer von dem Konstituenten hiezu gerechneten Bibliothek zum Behufe der Berechnung der Quote des Pflichttheiles für die Notherben1508 an Kapital in Anschlag zu bringen? Soll hierüber der eigene Werthes-Anschlag des Majorats Konstituenten {2r} oder die gerichtliche Schäzung, oder der Renten-Anschlag des Haußes zum Maaßstab genommen werden. B) Können Pertinenzen zu einem Hauße, wie z. B. eine eigends hierin errichtete Bibliothek unter dem Titel der Immobilien in ein Majorat aufgenommen werden?“
Die spezielle Veranlaßung zu dieser Frage habe [der Geheime Rat] Graf Max von Preising durch die mit seinem Gesuche um Errichtung eines Majorates vorgelegte Anordnungen gegeben, und nach den von dem Referenten in Ihrem Gutachten hierüber entwikelten Ansichten glaubten Dieselben, wie aus dem Gesagten die Nothwendigkeit von selbst hervorgehe, daß, wenn bei einer Majorats Konstituzion (sie geschehe nun durch Verwendung eines vormaligen Fideikommißes oder nicht) ein Hauß in der Residenz zum Majorats-Überschuße bestimmt werde, dieses Haus bei Berechnung der Legitima1509 in Anschlag kommen müße, und es werde bei diesem Anschlage die Hälfte zur Nothgebürniß komme [!], wenn das Hauß ein ehemalig freies Allodialgut, und ein Viertheil, wenn es {2v} ein ehemaliges Fideikommiß gewesen.
Nach Beantwortung dieser Frage bleibe noch jene zu lösen übrig: „wie ist der Kapitals Werth eines solchen Hauses bei Berechnung der Legitima in einer Majorats Konstituzion anzusezen?“
Vor Lösung dieser weitern Frage stellten Herr Referent den Grundsaz voraus, daß ein solches Hauß eben so wie die ganze zur Legitima berechnete Maße nicht nach dem Werthe der Güther, welchen sie bei dem Absterben des Konstituenten haben werden, sondern nach jenem, welchen sie zur Zeit der Majorats-Konstituzion wirklich haben, in Schäzung und Anschlag gebracht werden müßen, weil bei Majorats Errichtungen dieser Grundsaz in Hinsicht auf die Legitima überhaupt schon angenommen worden, und angenommen werden müßte, ohngeachtet er der Natur und dem Begriffe eines Pflichttheiles geradezu zu widersprechen scheine.
Herr geheimer Rath von Effner legten die Ansichten der Majorats Kommißion über diese weitere Frage vor, und durchgiengen die aufgestellte 4 Klaßen der Ansäze, nach welchen die {3r} Auffindung des Kapital-Werthes eines zum Majorat bestimmten Haußes in der Residenz geschehen könnte, und bemerkten, daß sie zu wenig mit der Art und Weise, wie bei Verfaßung der Steuer-Kataster mit solcher Schäzung zu Werke gegangen werde, bekannt, als daß sie hierüber abzusprechen sich getraueten, doch solle dem Vernehmen nach diese Schäzung zwar durch unpartheyisch gewählte, nicht aber gerichtlich vereidete Schäzleute geschehen, und wäre dieses der Fall, so könnte dagegen die nicht ungegründete Einwendung gemacht werden, daß die bei Bestimmung von Rechtsverhältnißen vorgeschriebene Norme nicht vollständig eingehalten worden seie.
Eine gerichtliche Schäzung seie bei Bestimmung von Rechts-Verhältnißen und Eigenthums Ansprüchen immer der sicherste und keiner rechtlichen Einwendung unterworfene Weg, und wenn die Schäzung zum Steuer-Kataster nicht auf diese Art vorgehe, so glaubten Sie auf die erstere stimmen zu müßen. Um jedoch einem Majorats Konstituenten theils das öffentliche Aufsehen {3v} welches dadurch veranlaßt werden müßte, wenn solch eine Taxazion in Gegenwart von Gerichts Person [!] vorgienge, theils die dadurch zu veranlaßende Kosten zu sparen, so mögte es auch wohl hinreichend sein, wenn zu solcher Schäzung die Taxatoren vom Gerichte gewählt und beeidet, dann nach vorgenommener Besichtigung mit ihrer Angabe zum Protokoll genommen würden.
Die diesen Schäzleuten gerichtlich zu machende Aufgabe würde aber darin bestehen, den Werth des Haußes so anzugeben, wie er bei dem öffentlichen Verkaufe zur Zeit der Taxazion erlöset werden könne. Ob nun dieser Werth nach dem innerlichen Gehalte oder nach den allenfallsigen Zinsenerträgnißen zu nehmen wäre, dieses, glaubten Sie, wäre dem gewißenhaften Erachten der Schäzleute anheim [zu] stellen, und der bekannte Rechtsspruch, res tanti valet, quanti vendi potest1510, könne die einzige Regel hiebei sein.
Nachdem von einigen Mitgliedern des geheimen Rathes die Art und Weise, wie bei Verfaßung der Steuer Kataster mit solchen Schäzungen zu Werke gegangen wird, auseinander gesezt war, {4r} verfügten Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas über die beiden Säze, welche die erste Frage bilden, die Abstimmung.
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg äußerten, Sie beurtheilten das Majorats Institut als ein politisches Institut, und glaubten aus diesem Grunde, daß man bei der Schäzung der Objecte, woraus der Überschuß des Majorats Komplexes gebildet werde, nicht mit so großer Strenge, als es bei sonstigen Handlungen nothwendig und gesezlich, verfahre, sondern hiebei alle mögliche Schonung eintreten laßen sollte. Ein Hauß in der Residenz müße als anständig für einen Majorats Besizer betrachtet werden, und es scheine Ihnen dem Intereße der Notherben nicht zu praejudiziren, wenn als Maaßstab für solche Häußer der mit den gehörigen Förmlichkeiten hergestellte Steueranschlag der Gebäuden als feste Norm angenommen, und hierauf die Legitima, wenn das Hauß ein ehemaliges freies Allodialgut gewesen, zur Hälfte, und zum vierten Theile, wenn es ein ehemalige Fideikommiß-Guth war {4v} berechnet werden sollte.
Alle Herrn geheimen Räthe stimmten nach gleichen Ansichten, und nur Herr geheimer Rath von Schenk fanden sich zu der Bemerkung aufgerufen, daß nach der Instrukzion der Steuer-Kommißion der wandelbare Werth aller steuerbaren Güther alle fünf Jahre revidiret, und die Schäzung nach dem höheren oder minderen Werth derselben bestimmt werden müße. Ihrer Meinung nach könne aber diese anbefohlene Revision bei den zum Majorats-Überschuße verwendeten Häußern in der Residenz nicht eintreten, sondern bei diesen müßte die bei Errichtung des Majorates bestandene Schäzung fest bleiben.
Da alle Mitglieder den lezten Grundsaz als richtig annahmen, und der Meinung waren, daß der Steueraufschlag eines zum Majorats-Überschuße verwendeten Haußes in der Residenz keiner Revision unterliegen könne, sondern, so wie er bei Errichtung des Majorates gewesen, fest bleiben müße, so wurde einstimmig zu Beantwortung der ersten Frage
an Seine Majestät den König der allerunterthänigste Antrag beschloßen, daß Allerhöchstdieselben geruhen {5r} mögten, durch das Justiz Ministerium die Majorats Kommißion auf diese Anfrage dahin verbescheiden zu laßen, daß der Maaßstab der Schäzung solcher zum Majorats-Überschuße verwendet werdenden Häußer in der Residenz nach dem Steueranschlage derselben genommen, und hiernach die Legitima zur Hälfte, wenn das Hauß ein ehemaliges freies Allodial-Guth, wenn es aber ein ehemaliges Fideikommiß-Gut gewesen, zum vierten Theile berechnet werden sollte, wobei es sich von selbst verstehe, daß der Steueranschlag eines solchen Haußes in Beziehung auf seinen Werth zum Majorats-Überschuße, der alle fünf Jahre angeordneten Revision nicht unterliegen könne, sondern in dieser Beziehung, so wie er bei Errichtung des Majorates gewesen, fest bleiben müße.
Herr geheimer Rath von Effner kamen nun in Ihrem Gutachten zu der zweiten Frage, welche ebenfalls durch das Gesuch des Grafen von Preising wegen Konstituirung seiner Bibliothek, seines chinesischen und japanischen Porzellains {5v} mit den dazu gehörigen Lavors als Pertinenzien seines Haußes zum Majorats-Überschuße veranlaßt worden: „Können Geräthschaften, Einrichtungen und Bibliotheken als Pertinenzien eines Haußes in ein Majorat aufgenommen werden, und wie sind dieselbe in Anschlag zu bringen, um hiernach die Legitima zu berechnen?“
In Ihrem hierüber vorgelegten Gutachten äußerten Dieselben, daß die Frage: „was kann als Pertinenz zu einem Hauße nach rechtlichen Ansichten betrachtet und behandelt werden?“ in dem zur Zeit noch bestehenden Civilgesezbuche1511 wenig Aufschluß finde, und auch in dem gemeinen Rechte nicht umständlich und klar entschieden seie. Sie führten an, was sich hieraus mit Verläßigkeit entnehmen laße, und wie diese Lehre nach dem Entwurfe des künftigen Civilgesezbuches bestimmter gefaßt und auseinander gesezet seie.
Nach Anführung aller hiebei eintretenden Betrachtungen {6r} und der Kontestazionen, welchen die Aufnahme des chinesischen und japanischen Porzellains und den dazu gehörigen Lavors, dann die Bibliothek in den Majorats-Überschuß unterliegen können, so wie nach Darlegung der dafür sprechenden Rüksichten machten Dieselben den Antrag: daß die Verfügung des Majorats Konstituenten in Hinsicht der zu seinem Hauße bestimmten Pertinenzen die allerhöchste Genehmigung erhalten könne.
Über die weitere Frage: „wie der Werth dieser Pertinenzien bei Bestimmung des Pflichttheiles für die Notherben des Konstituenten anzuschlagen seie?“ müßten Sie (von Effner) da es sich hier wieder um Rechte und Eigenthums-Ansprüche dritter Betheiligter handele, Ihren Antrag nicht nach Ansichten der Billigkeit, sondern des strengen Rechtes bemeßen, und die Meinung äußern, daß auch diese Pertinenzen mit dem Hauße durch gerichtlich beeidigte Sachverständige so taxiret werden sollten, wie sie zur Zeit der {6v} Majorats Konstituzion wahrscheinlich verkauft und in baar Geld umgewandelt werden konnten, wornach sodann die Legitima zu berechnen wäre.
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas verfügten über diese Anträge die Umfrage.
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg äußerten, daß Sie kein Bedenken fänden, den Anträgen des Herrn Referenten beizustimmen, und Sie es als wünschenswerth beurtheilten, daß mehrere Majorats-Konstituenten ihre Bibliotheken mit dem Majorats Komplexe belegen mögten, indeme es für die Wißenschaften und die Bildung der künftigen Majorats-Besizer von entschiedenem Nuzen seie, solche beträchtliche Bücher-Sammlungen ungetrennt in einer Familie zu erhalten.
Mit den Anträgen des Referenten vereinigten sich geheimer Rath Graf von Arco der ältere [d.i. Ignaz].
{7r} Herr Graf von Törring, nachdem Sie sich über einige Zweifel rüksichtlich der Schäzung der Bücher und des Porzellains, und die Eigenschaft dieser Gegenstände als Objecte des Majorates, Erläuterungen erbeten hatten, Freiherr von Weichs, von Krenner, Graf Carl [Maria] von Arco waren in Rüksicht des ersten Antrages, doch ohne Einreihung der Lavors mit dem Referenten verstanden. In Ansehung des Maaßstabes zur Schäzung dieser Objecte stimmten Sie dem Voto des Herrn geheimen Rath von Zentner bei, von Schenk, jedoch ebenfalls mit dem vom Herrn geheimen Rath von Zentner vorgeschlagenen Maaßstab der Schäzung dieser Objecte, von Feuerbach, Graf von Welsperg mit dem Maaßstabe, den Herr geheimer Rath von Zentner vorgeschlagen.
Herr geheimer Rath von Zentner fanden den Antrag des Referenten wegen Schäzung dieser und ähnlicher Objecte etwas streng, und glaubten {7v} nicht, daß solcher sich mit dem Institute der Majorate vereinbaren laße, da dieselbe mit einigem Glanze und Ansehen da stünden, und so auch bedeutend sein sollten. Alle diese genannte Objecte eigneten sich mit Inbegriff des literärischen Nuzen, den eine vollständige Bibliothek für einen Majorats Besizer haben könne, blos zum Glanze eines Majorates, und könne folglich einer strengen Gerichts-Schäzung nicht unterliegen, noch auch die Legitima hiernach berechnet werden, weil der Wert derselben sehr volativ und vielen Veränderungen unterworfen.
Sie hielten es daher für hinlänglich, wenn ein Majorats-Besizer für alle diese und ähnliche Objecte eine Aversional Summe bestimme, und durch das Zeugniß von Sachverständigen beibringe, daß diese Summe nach dem gegenwärtigen Werthe derselben nicht zu gering angesezt, und glaubten, daß Bibliotheken, seltenes Porzellain, Gemählde, Kupferstich-Sammlungen {8r} ohne Schäzung von gerichtlich hiezu beeidigten Sachverständigen zu dem Majorats-Überschuße verwendet, und die Legitima hievon blos nach der angegebenen Aversional Summe berechnet werden dürften. Zu Erhaltung des Glanzes von Familien, welche Majorate errichteten, wären Sie sehr geneigt, auch Silber-Service und Schmuk zum Majorats Überschuße verwenden zu laßen; allein, da dieses die Legitima zu sehr angreifen würde, so abstrahirten Sie von diesem Vorschlage.
Herr geheimer Rath Graf von Tassis waren mit Herrn geheimen Rath von Zentner gleicher Meinung.
Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin äußerten, daß nach dem gegenwärtigen Majorats Geseze und nach dem klaren Buchstaben der darin enthaltenen Bestimmungen Bücher und Porzellain als nicht nied- und nagelfest, keine Theile des Majorats Komplexes ausmachen könnten1512, und Sie deßwegen allgemein {8v} nicht aussprechen würden, daß Bibliotheken, Porzellain oder nicht in die Mauern befestigten Gemälde zu den Majoraten verwendet werden könnten, indeme es dem Hauptbegriffe der Bildung der Majorate widerstrebe. In dem speziellen Falle, und wenn die Umstände bei andern Majorats Konstituenten sich so, wie bei dem Grafen von Preising verhielten, würden Sie aber bei Seiner Majestät dem Könige auf Zulaßung dieser Objecte zu Aufnahme in den Majorats Überschuß als Ausnahme antragen, alsdann aber denselben die Schäzung dieser Objecte, und die Bestimmung einer Aversional-Summe dafür zu Berechnung der Legitima allein überlaßen.
Herr geheimer Rath Freiherr von Asbek erklärten sich gegen die Verwendung der Bibliotheken, Porzellain und ähnlicher Objecte zum Majorats-Überschuße, da Ihnen die Eigenschaft eines Immobile mangle, und sie folglich nach dem Majorats-Geseze hiezu nicht angenommen werden {9r} könnten.
Nach der Mehrheit
wurde an Seine Majestät den König auf diese Frage der allerunterthänigste Antrag beschloßen, daß nach der Meinung des Referenten die Verfügung des Majorats Konstituenten Max Grafen von Preising in Hinsicht der zu seinem Hauße bestimmten Pertinenzien die allerhöchste Genehmigung erhalten könnte; wo aber rüksichtlich der Schäzung dieser Pertinenzien dieselbe durch gerichtlich beeidigte Sachverständige so taxiret werden sollten, wie sie zur Zeit der Majorats-Konstituzion wahrscheinlich verkauft und in baares Geld umgewandelt werden könnten, wornach sodann die Legitima zu berechnen wäre.
Da diese Bestimmung, wenn sie die Sanction Seiner Majestät des Königs erhalten haben werde, nur zur Instrukzion der Majorats-Kommißion in dem vorliegenden und ähnlichen Fällen diene, und nur diejenige Majorats-Konstituenten, welche Häußer in der Residenz besizen, deren Zahl nicht sehr bedeutend seie, betreffe, so fügte der geheime Rath seinem {9v} allerunterthänigsten Antrage die ehrerbietigste Meinung bei, daß diese allerhöchste Entscheidung nicht öffentlich auszuschreiben wäre.
Herr geheimer Rath von Effner trugen nun die weitere Umfrage der Majorats Kommißion vor: „Kann es einem Majorats Konstituenten zugestanden werden, seinen nächsten Majorats-Nachfolger nicht sogleich in der Majorats-Urkunde namentlich, sondern nur so viel anzugeben, daß derselbe in einem gerichtlich hinterlegten Testamente des Konstituenten bereits ernannt seie, und nach Ableben des lezteren gerichtlich werde kund gemacht werden?“, zeigten aus der Vorstellung des Grafen von Preising, durch welchen speziellen Fall diese Frage veranlaßt worden, und äußerten: Daß dem gegenwärtigen Majorats Konstituenten und den allenfalls noch folgenden die spezifische Benennung ihres ersten Nachfolgers in der Majorats-Urkunde, wenn deßen persönliche Fähigkeit zum {10r} Majorats Besize schon zureichend bezeichnet seie, nicht aufgetragen werden sollte, doch wäre auch die Art dieser Benennung durch ein Testament oder andere leztwillige Verordnung aus der Ursache nicht anzunehmen, weil solch eine Verordnung, wie jede Handlung von Todes wegen ambulatorisch, und so lange der Konstituent lebe, widerruflich seie, sohin die Majorats-Erhaltung in Hinsicht der Erbfolge durch den Eintritt einer andern leztwilligen Disposizion wieder verändert werden, oder diese Verordnung durch einen Rechts Streit nach dem Tode des Konstituenten umgestoßen werden könnte.
Anstatt deßen aber könnte dem Majorats Konstituenten in solchen Fällen aufgegeben werden, seinen ersten Majorats-Folger in einer verschloßenen, der Majorats-Urkunde beizufügenden Anlage zu benennen, wogegen ihme die Versicherung zu ertheilen wäre, daß die Eröfnung dieser Beilage erst nach seinem Tode geschehen, und dieselbe sodann werde immatrikuliret werden. {10v} Dieselben führten die Gründe an, aus welchen Sie glaubten, daß dieser Antrag billig und zugleich zur Sicherheit des Majorates hinreichend seie.
Auf die von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas hierüber verfügte Umfrage erklärten Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg, daß Sie dem Antrage des Referenten durchgehends beistimmten, und nur den Zusaz machen würden, daß der Majorats Konstituent gehalten sein solle, seinem Monarchen den Namen seines Majorats-Erben mündlich zu eröfnen, damit Allerhöchstdieselben die Überzeugung erhielten, daß ein Majoratsfähiger zum Nachfolger gewählet worden, und die erfolgende königliche Bestätigung der Majorats Erichtung nach eröfneter verschloßener Anlage zur Majorats Urkunde nicht zurükgenommen werden müßte.
Die königliche Herrn geheimen {11r} Räthe vereinigten sich mit dem Antrage des Herrn Referenten ohne allen Zusaz, und äußerten sich deßwegen auch gegen denjenigen, den Herr geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco machten, daß dem Majorats Konstituenten aufzugeben wäre, nebst der verschloßenen Anlage zur Majorats-Urkunde die verschloßene Benennung seines Majorats-Nachfolgers auch bei dem Appellazions-Gerichte, wo er seinen Gerichtsstand habe, zu hinterlegen, indeme dadurch verhindert würde, daß, wenn diese verschloßene Anlage zur Majorats-Urkunde durch möglichen Brand verloren gehe, über den Majorats-Nachfolger, so wie den Fortbestand des Majorates selbsten kein Streit entstehe.
Herr geheimer Rath Graf von Welsperg, welche in dem speziellen Falle dem Antrage vollkommen beistimmten, glaubten aber, daß selbst nach den Bestimmungen des Majorats-Gesezes es nicht verboten seie, wenn man bei Lebzeiten kein Majorat {11v} konstituiren wolle, solches durch ein Testament oder andere leztwillige Verordnung zu errichten, und auf diese Art auch seinen Majorats Nachfolger zu bestimmen.
Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin bemerkten, daß, so wie die Entscheidung der vorigen Frage nicht öffentlich ausgeschrieben werde, diese ebenfalls nicht auszuschreiben wäre, da ähnliche Anfragen von der Majorats Kommißion auf gleiche Art erlediget werden könnten, und das Majorats-Gesez, welches erst vor einigen Monaten erschienen1513, nicht wohl dermal schon eine Erläuterung erhalten könnte.
Da der geheime Rath rüksichtlich der Ausschreibung eine entgegen gesezte Ansicht hatte, und der Meinung war, daß bei dieser Entscheidung alle Majorats-Konstituenten betheiliget und die meisten derselben gleiche Gründe wie Graf von Preising haben könnten, ihren Majorats Nachfolger bei ihren Lebzeiten nicht bekannt zu machen,
so wurde an Seine Majestät den {12r} König zu Lösung dieser von der Majorats Kommißion gestellten weiteren Anfrage der allerunterthänigste Antrag beschloßen, daß Allerhöchstdieselben geruhen mögten, zu genehmigen, daß dem Grafen von Preising, so wie andern Majorats-Konstituenten, welche aus persönlichen und Familien Rüksichten den Majorats-Nachfolger bei ihren Lebzeiten nicht bekannt machen wollten, durch die Majorats-Kommißion aufgegeben werde, den ersten Majorats Folger in einer verschloßenen, der Majorats-Urkunde beizufügenden Anlage zu benennen, wogegen ihme die Versicherung zu ertheilen wäre, daß die Eröfnung dieser Beilage erst nach seinem Tode geschehen, und dieselbe sodann immatrikuliret werden solle.
Diese allerhöchste Bestimmung wäre als Ergänzung des Majorats-Gesezes durch das Regierungsblatt öffentlich auszuschreiben1514.
Behandlung eines straffälligen Staatsbeamten
Effner erörtert, wie mit einem Staatsbeamten gerichtlich verfahren werden muß, der als Privatmann ein Straftat begangen hat. Er beantragt, daß der Geheime Rat gehört werden muß, bevor die Spezialuntersuchung angeordnet wird. Der Geheime Rat folgt dem Antrag des Referenten.
2. Aufgefordert von Seiner Excellenz, dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas erstatteten Herr geheimer Rath von Effner {12v} über die Frage: „Kann gegen einen Staats-Beamten wegen dem Verdachte eines begangenen gemeinen, und mit seinem Amte in keiner Beziehung stehenden peinlichen Verbrechens sogleich und ohne Rükfrage bei dem geheimen Rathe mit der Verhaftung oder Special Inquisition fürgefahren werden?“ ausführlichen schriftlichen Vortrag1515, der dem Protokolle lytographirter [!] beiliegt *Beilage II* [Marginalie], und legten zuerst die Veranlaßung zu dieser Frage vor, welche wegen Geldveruntreuung des quieszirten Landrichters von Stökl zu Landek im Innkreise1516 von dem dortigen General-Kommißariate aufgeworfen worden, und führten die Ansichten an, welche die Ministerial Polizei Section rüksichtlich des speziellen Falles und der allgemeinen Frage geäußert.
Herr geheimer Rath von Effner bemerkten, daß, obschon in dem vorausgeschikten Vortrage bei der Polizei Section von dem dortigen Referenten drei Fragen zur Entscheidung vorgelegt worden, sich dennoch der gegenwärtige zum geheimen Rathe verwiesene Vortrag nach dem hohen Ministerial-Signat {13r} nur auf Beantwortung der dritten Frage beschränken müße, weßwegen Sie nach vorläufiger Beantwortung der beiden ersteren in Hinsicht der dritten, welche eigentlich zu dem hier vorliegenden speziellen Falle nicht paße, da die Thathandlung des Stökl als Amts Verbrechen anzusehen, die unzielsezliche Meinung äußerten, daß dieselbe dermal dahin beantwortet werden sollte: „daß wenn ein Staatsbeamter wegen eines begangenen, mit seinem Amte in keiner Verbindung stehenden Verbrechens der Spezial Untersuchung zu unterwerfen, sohin vor Gericht zu stellen seie, hiezu auch der vorgängige Beschluß des königlichen geheimen Rathes erforderlich seie.
Herr geheimer Rath von Effner führten die Gründe aus, welche sie zu dieser Meinung bestimmt, und äußerten, nachdem Sie die Einwendung des Referenten der Polizei Section: daß in dem geheimen Raths Beschluße vom 3ten Oktober vorigen Jahres1517 nur der Amts Verbrechen der Staats Beamten gedacht worden seie, widerlegt hatten, daß dermal {13v} diese allgemeine Frage nicht durch eine öffentliche Bekanntmachung entschieden, sondern wie Sie bereits angegeben, dem General-Kommißariat die vorgeschlagene Antwort auf seine Anfrage nur im einzelnen und für dermal gegeben werden sollte, weil der allerhöchste Beschluß vom 9 Dezember vorigen Jahres1518 zugleich den Auftrag in sich enthalte, daß bei dem in Bälde vorzulegenden Entwurfe der neuen Kriminal Gesezgebung in einem eigenen Kapitel von den Amts Verbrechen und Vergehen der Staats Beamten gehandelt, und feste Normen über die Führung der General- und Spezial-Inquisizion gegeben werden sollten.
Bei Gelegenheit der Vorlage dieses Gesezes werde sich die Discußion noch einmal über die Frage verbreiten, in welchen Fällen und in welchem Zeitpunkte die Entscheidung des königlichen geheimen Rathes wegen Vorgericht-Stellung des Staatsbeamten eintreten sollte, und es würden hierüber durch diese Geseze allgemeine definitive Bestimmungen öffentlich bekannt gemacht werden. Indeme Sie von Effner hiemit Ihren abgelegenen Antrag beschlößen, müßten Sie es den hohen Ministerien überlaßen, {14r} wegen Übergabe der Anzeige des General-Kommißariats über das dem Landrichter Stökl zu Last liegende Verbrechen dem Appellazions Gerichte, und eben so auch dem General-Kommißariate auf deßen spezielle Anfrage die geeignete Weisungen zugehen zu laßen.
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas verfügten hierüber die Umfrage.
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg welche zum Protokoll bemerken zu müßen sich aufgerufen fanden, wie Sie die Ansicht des Referenten nicht theilen könnten, daß der geheime Rath nach der Konstituzion und der ihme ertheilten Instrukzion die vollziehende Gewalt in sich vereinige1519, legten Ihre Meinung in der anliegenden Abstimmung vor1520 *Beilage III* [Marginalie].
Die königliche Herrn geheimen Räthe [Ignaz] Graf von Arco, Graf von Törring, Freiherr von Weichs, Graf von Tassis, {14v} von Krenner, Freiherr von Aretin und Freiherr von Asbek vereinigten sich mit den Ansichten des Referenten, und stimmten dafür, solche Seiner Majestät dem Könige als allerunterthänigste Anträge des geheimen Rathes ehrerbietigst vorzulegen.
Herr geheimer Rath von Zentner waren für den vorliegenden speziellen Fall mit dem Antrage des Referenten verstanden, glaubten aber, daß ohne Beantwortung der von dem General Kommißariate aufgeworfenen Frage über die Hauptsache, diese bis zur näheren Discußion über das Kriminal-Gesezbuch, wobei dieselbe wiederholt zur Sprache komme, auszusezen seie. Mit dieser Meinung stimmten auch die Herren geheimen Räthe von Feuerbach und Graf von Welsperg.
Herr geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco äußerten, wie die Hauptfrage, die in dem Vortrage behandelt worden, Ihnen wirklich zweifelhaft seie, da nach den von Seiner Excellenz dem Herrn Justiz Minister ausgeführten Gründen es nicht {15r} in der Konstituzion zu liegen scheine, daß die Entscheidung des geheimen Rathes bei gemeinen Verbrechen, welche ein Staatsbeamter begangen zu haben verdächtig, vor der Spezial-Inquisizion oder Kaptur eintreten müße oder nicht. Der Grund, aus welchem dieses bei Amts-Verbrechen festgesezt worden, könne dieser sein, weil dieselben selten den Gerichtshöfen sondern immer zuerst den königlichen Ministerien bekannt würden, und daher durch dieselbe die Einleitung getroffen werden könnte, daß vor einer der Ehre und dem Stande des Staatsdieners nachtheiligen Spezial-Inquisizion oder Verhaftung die Entscheidung des geheimen Rathes erholet werde. Anders seie es aber bei einem gemeinen Verbrechen, z. B. bei einem Todschlage, wo an der schnellen Kaptur des vermutlichen Thäters den Gerichten alles gelegen, und die Fortsezung der Untersuchung dieses erfordere. Die Entscheidung der Frage, ob diese Kaptur eintreten solle, scheine analog mit dem gegebenen Gesichtspunkte sich mehr zu den Ministerien als dem geheimen Rathe zu eignen.
Da inzwischen doch auch mehrere Gründe für den entgegengesezten Grundsaz sprächen, und in der Entscheidung des geheimen Rathes eine dem Staatsdiener wohlthätige {15v} Garantie gegen die schnelle Kaptur liege, auch die noch bestehenden Geseze dafür sich erklärten, so vereinigten Sie sich mit der Meinung, daß diese Frage dermal gar nicht entschieden, sondern ausgesezt bleibe, bis dieselbe bei dem neuen Kriminal-Gesezbuche zur näheren Discußion gebracht werde.
Für den speziellen Fall stimmten Sie mit dem Antrage des Herrn Referenten [Effner]1521.
In Folge dieser Abstimmungen faßte der königliche geheime Rath
den Beschluß, die Ansichten des Referenten Seiner Majestät dem Könige als allerunterthänigste Anträge des geheimen Rathes ehrerbietigst vorzulegen1522.
Verteilung von Gemeindegründen
3. Das von Seiner Majestät dem Könige unterm 4ten des Monats erlaßene allerhöchste Reskript wegen Gemeinde-Gründe-Vertheilung wurde durch den General-Sekretär abgelesen1523.
Der König genehmigt die Anträge des Geheimen Rates (13. April 1812).
Anmerkungen
Effner, „Vortrag in dem geheimen Rathe über einige von der in Majoratssachen allergnädigst aufgestellten geheimen Rathskommißion in Hinsicht der Majorats-Errichtungen an Seine königliche Majestät zur Entscheidung allerunterthänigst gegebene Anfragen“, lithographierter Text, 30 S., BayHStA Staatsrat 267.
Formation, Wirkungskreis und Geschäftsgang dieses Ausschusses sind geregelt in der “Instruktion für die in Majorats-Gegenständen angeordnete königliche geheime Raths-Kommisson“ vom 22. Dezember 1811, RegBl. 1812, Sp. 56-67 (= Beilage II zum „Edikt die bisherigen adelichen Fidei-Kommisse, und künftigen Majorate im Königreiche betreffend“ vom 22. Dezember 1811, ebd., Sp. 5-54).
Noterben sind „diejenigen Angehörigen eines Verstorbenen, die mit dinglich gesicherter Stellung in gewissem Umfang vom Nachlass des Erblassers auch dann profitieren sollen, wenn sie nicht durch eine letztwillige Verfügung bedacht worden sind“. Vgl. Bongartz, Art. Noterben, Noterbenrecht, in: HRG2 Bd. 3, Sp. 1981f., Zitat Sp. 1981; Ogris, Art. Noterberben, Noterbenrecht, in: HRG Bd. 3, Sp. 1056-1059.
Die Rechtsregel lautet in der üblichen Fassung: Res tantum valet, quantum vendi potest. Die Regel verweist auf den gegenwärtigen Verkehrswert zur Wertbestimmung einer Sache, nicht den einst bezahlten Kaufpreis. Liebs, Rechtsregeln, S. 212 Nr. 53a, mit Nachweisen aus der römischen Rechtslehre.
Das „Edikt die bisherigen adelichen Fidei-Kommisse, und künftigen Majorate im Königreiche betreffend“ vom 22. Dezember 1811 (RegBl. 1811, Sp. 5-54) bestimmte in § 41, daß „bloße Mobilien zur Begründung eines Majorats der Regel nach sich nicht eignen“ (Sp. 23f.).
Effner, „Vortrag in dem geheimen Rathe ueber die Frage: Kann gegen einen Staatsbeamten wegen des Verdachts eines begangenen gemeinen, mit seinem Amte in keiner Beziehung stehenden peinlichen Verbrechens, sogleich, und ohne vorherige Rükfrage bei dem geheimen Rathe mit der Verhaftung oder Spezialinquisition vorgefahren werden?“, 18 S., lithographierter Text, BayHStA Staatsrat 267 (weiteres Exemplar BayHStA Staatsrat 1845, S. 151-168). Vorausgegangen war eine Sitzung der Sektionen des Geheimen Rates des Inneren und der Justiz am 13. Februar 1812, dazu das Protokoll BayHStA Staatsrat 1845, S. 39-46.
Ignaz Nikolaus von Stöckl zu Gerburg (1760-1814) wurde im Zuge der Einteilung der Provinz Tirol in Landgerichte mit Dekret vom 21. November 1806 zum Landrichter in Landeck ernannt. Die Pensionierung am 21. April 1810 stand nicht im Zusammenhang mit der ihm später vorgeworfenen Veruntreuung von Geldern; in dieser Sache sprach ihn das Oberappellationsgericht in München am 17. Dezember 1812 frei. Vgl. RegBl. 1806, S. 470; [Lang], Supplement, S. 143; Granichstaedten-Czerva, Landrichter, S. 284.
Königliche Entschließung vom 9. Dezember 1811 zu Protokoll Nr. 47 (Geheimer Rat vom 5. Dezember 1811).
Gemäß der Konstitution für das Königreich Bayern vom 1. Mai 1808, Tit. III §§ 2-3, RegBl. 1808, Sp. 993f. = DVR Nr. 286, S. 659, i.Vb. mit OE betr. die „Bildung des geheimen Raths“ vom 4. Juni 1808, Tit. II Artt. 1-7, RegBl. 1808, Sp. 1331f., wurde der Geheime Rat als Beratungsorgan, als gesetzgebendes Organ ohne Initiativrecht sowie als Entscheidungsinstanz in Kompetenzstreitigkeiten der Gerichts- und Verwaltungsstellen eingerichtet.
Carl Maria Graf von Arco stimmte im vorliegenden Fall mit Effner, war aber grundsätzlich anderer Ansicht. Dazu hatte er ein abweichendes Votum verfaßt, dat. 12. März 1812, BayHStA Staatsrat 1845, S. 141-146. Mit Zirkularreskript an die Geheimen Räte vom 6. April 1812, ebd., S. 147, teilte der König mit, das bereits lithographierte und verteilte Votum werde nicht vorgetragen, sondern zurückgezogen. Gleichzeitig erging Weisung, die Exemplare zurückzusenden. In einem Brief (franz., ebd., S. 148-150) an den König vom 10. April 1812 erläuterte Arco sein abweichendes Votum und entschuldigte sich.
König Max Joseph I. an den Geheimen Rat, München, 4. April 1812, BayHStA Staatsrat 267: „Auf den aus Veranlaß eines Rekurses der Großgütler zu Steinkirchen und Bergheim [!] Landgerichts Deggendorf [Steinkirchen u. Bergham, Gde. Stephansposching, Landkreis Deggendorf, Niederbayern] gegen die dortigen Kleingütler wegen Gemeinde Gründe Vertheilung an Uns erstatteten allerunterthänigsten Antrag Unseres geheimen Rathes vom 23ten vorigen Monats [vgl. Protokoll Nr. 63 (Geheimer Rat vom 23. März 1812), TOP 2], daß bei der noch sehr entfernten Revision der Kultur Gesetze, und zur Entfernung weiterer Nachtheile für die Gemeinden die im Ansbachischen bestandene und noch ausgeübt werdende Anordnung für das ganze Reich als Gesetz ausgeschrieben, und in Folge dessen bei jedem Ansuchen der Gemeindsglieder, um Kultivirung öder Gründe, durch drei verpflichtete unpartheiische Landoeconomen die Ausführbarkeit der Kultur und der landwirthschaftliche Nutzen für alle Gemeinde Glieder legal hergestellt werden möchte, haben Wir Unserm Minister des Innern den Auftrag ertheilet, hierüber vor allem die General Kreis Kommissariate mit ihrem Gutachten zu vernehmen.“