BayHStA Staatsrat 293
7 Blätter. Unterschriften des Königs und des Ministers. Protokoll: Kobell.
Anwesend:
Staats- und Konferenzminister: Reigersberg.
Geheime Räte: Graf v. Preysing-Hohenaschau; Freiherr v. Weichs; v. Zentner; Graf v. Thurn und Taxis; Franz v. Krenner; v. Effner; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach.
{1r} Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg, welche in der von Seiner Majestät dem Könige auf heute angeordneten geheimen Raths Versammlung den Vorsiz führten, forderten die Herrn geheimen Räthe Freiherrn von Weichs und Grafen von Tassis auf, die bearbeitete Rekurs-Gegenstände vorzutragen. {1v} In Folge dieser Aufforderung erstatteten
Verteilung von Gemeindegründen (R)
Thurn und Taxis berichtet über den Streit zwischen dem Bauern Dietrich in Pischertshofen und der Gemeinde Aufkirchen. Es geht um die Verteilung von Gemeindegründen. Der Berichterstatter sieht als Kern des Problems die ungelöste Eigentumsfrage. Sie ist zu lösen, um dann die Landeskulturgesetze anwenden zu können. Der Geheime Rat beschließt gegen den Antrag, den Rekurs schlichtweg abzuweisen.
1. Herr geheimer Rath Graf von Tassis über den Rekurs des Georg Dietrich, Bauern zu Pischertshofen Landgerichts Dachau im Isar-Kreise gegen die Gemeinde Aufkirchen2071 wegen Gemeinde-Gründe-Vertheilung schriftlichen Vortrag, worin Sie die Geschichte dieser Vertheilung und des nachher darüber entstandenen Streites auseinander sezten, die in dieser Sache erfolgte Erkenntniße der untern Administrativ Instanzen und des Appellazions-Gerichtes so wie die Gründe anführten, aus welchen Rekurrent Georg Dietrich um die restitutio in integrum und Vornahme eines neuen Augenscheines gebeten, und äußerten, welche Bemerkungen bei diesem Rekurse quoad formalia zu machen, und durch welche Rüksichten Sie zu dem Antrage geführt worden, erwähnten Dietrich in integrum zu restituiren.
Quoad materialia legten Herr geheimer Rath Graf von Tassis Ihre Ansichten vor, und zogen aus den angegebenen Gründen den Schluß, daß gegenwärtig der vorliegende Gegenstand rein zur Justiz geeignet {2r} erscheine, da kein Streit zwischen Groß- und Klein-Begüterten wegen Übervortheilung, oder daß die Theilung nicht geschehen sollte, sondern zwischen Gemeinde und Gemeinde obwalte, wenigstens führe das Landgericht wie auch die Gegner selbst jede als eigene Gemeinde in den Akten auf. Zudem könnten in dem gegenwärtigen Falle die Genußrechte gemäs der Verordnung vom 13 Februar 1805 keinen Anspruch auf das Eigentum von Grund und Boden machen2072, wie das General-Kommißariat vermuthe, sondern wenn das Eigenthum durch die Justizpflege ausgemittelt seie, könnten dieselben auf Entschädigung nach den Vorschriften der Kultur Geseze Anspruch machen.
Herr geheimer Rath Graf von Tassis machten, nachdem Sie näher ausgeführt, daß Georg Dietrich, ohne von der Gemeinde Pischertshofen zu Fortsezung dieses Streites ermächtiget zu sein, denselben allein fortsezen könne, den Antrag, diesen Gegenstand dahin zu entscheiden, daß 1) Dietrich in integrum zu restituiren, 2) gemäs dem Kulturs Prozeß die Vornahme des Augenscheines anzuordnen, und 3) durch die Justiz-Behörden {2v} herzustellen wäre a) ob Aufkirchen und Pischertshofen jede für sich eine eigene Gemeinde von jeher gebildet habe, b) zu was für einer Gemeinde der in Frage begriffene Grund und Boden gehöre. Wenn dieses ausgemittelt, dann könne der Kulturs Prozeß wieder eintreten, und die Vertheilung vorgenommen werden.
Herr geheimer Rath Graf von Tassis lasen den mit diesem Antrage übereinstimmenden Reskripts Entwurf ab. Nachdem auch der Vortrag des Referenten der Ministerial Polizei Section und jener des Referenten des General Kommißariats [des Isarkreises] zu mehrerer Aufklärung des Facti abgelesen war, verfügten Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg die Umfrage hierüber.
Herr geheimer Rath Graf von Preising stimmten auf Bestätigung des Erkenntnißes des General Kommißariats. Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs [stimmten] auf Abweisung des Rekurses, weil die Fatalien versäumt, und die zur Restituzion angebrachten Gründe Ihnen nicht hinlänglich schienen.
{3r} Herr geheimer Rath von Zentner erklärten sich nach Lage der in den Vorträgen entwikelten Umständen für die simple Abweisung dieses Rekurses. Herr geheimer Rath von Krenner waren ebenfalls dieser Meinung, und zwar vorzüglich aus den von dem Referenten des General Kommißariats entwikelten Gründen, und weil die von dem Gegner angebrachte Exception gleich bei den kommißionellen Verhandlungen über diese Vertheilung hätte insinuiret werden müßen, der Gegner Dietrich sich auch nicht ad causam von der Gemeinde legitimiret darstellen könne, und derselbe die Fatalien versäumt. Auch seien Sie nach der Ihnen bekannten Lage von Aufkirchen und Pischertshofen überzeugt, daß dieselbe nur eine Gemeinde ausgemacht, und künftig so wie mehrere andere Gemeinden nach dem Gemeinde Edicte2073 nur eine Gemeinde ausmachen würden.
Die Herrn geheimen Räthe von Effner, Freiherr von Asbek und von Feuerbach stimmten ebenfalls auf simple Abweisung des Rekurrenten.
In Folge dieser Abstimmungen wurde gegen den Antrag des Herrn Referenten
von dem geheimen Rathe beschloßen, den Georg Dietrich mit seinem Rekurse simpliciter abzuweisen2074.
Gewerbestreit (R)
Weichs berichtet über den Streit unter den Tuch- und Zeugmachern in Feuchtwangen. Es geht um die Produktion von Wolltuch. Er beantragt, den Entscheid des Generalkommissariats des Rezatkreises zu bestätigen und einen ergänzenden Vorbehalt zu formulieren. Der Geheime Rat folgt dem Antrag; der Vorbehalt soll im Reskript nicht erwähnt werden.
{3v} 2. In der Gewerbs-Streit Sache der Tuch und Zeugmacher zu Feuchtwang2075 wegen Verfertigung ganz wollener Zeuge erstatteten Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs schriftlichen Vortrag, durch welchen Dieselben den königlichen geheimen Rath von der Veranlaßung dieser Streit-Sache dann den deßwegen von den untern Instanzen erlaßenen Erkenntnißen unterrichteten, und aus den in dem Vortrage angegebenen Gründen den Antrag machten, diese Gewerbs-Streit-Sache in der Art zu entscheiden, daß das Erkenntniß des General Kommißariats [des Rezatkreises] mit dem Vorbehalte bestätiget werde, daß Seine Majestät der König sich vorbehalten, wegen den Gewerben Verfügungen zu treffen, welche nach Polizei Grundsäzen als nothwendig erachtet werden.
Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs fügten diesem Ihrem Antrage die Bemerkung bei, daß Sie zwar diesen Beisaz in dem Erkenntniße für überflüßig beurtheilten, weil Regierungs-Verfügungen durch Spezial-Urtheile nicht beschränkt werden könnten, unterdeßen habe der königliche geheime Rath in causa des Wirthes in Schwabing gegen den Haußmeister in Biederstein {4r} wegen Bierschenken nach der Meinung der Mehrheit gegen den Antrag des Referenten einen ähnlichen Beisaz beschloßen2076.
Der mit diesem Antrage gleichförmige Reskripts-Entwurf wurde vom Herrn geheimen Rathe Freiherrn von Weichs abgelesen.
Sein Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz-Minister Herr Graf von Reigersberg verfügten hierüber die Umfrage, und es wurde nach der einstimmigen Meinung der übrigen anwesenden Herrn geheimen Räthen
beschloßen, das Erkenntniß des General Kommißariats in dieser Sache vom 10 Merz dieses Jahres zu bestätigen, ohne des von dem Referenten angetragenen Vorbehaltes zu erwähnen2077.
Gerichtskosten (R)
Thurn und Taxis berichtet über die Beschwerde von Gemeindemitgliedern in Aletshausen über einen Kostenbescheid des Generalkommissariats des Illerkreises. Da der Streitwert nicht erreicht wird, beantragt der Berichterstatter, den Rekurs abzuweisen. Der Geheime Rat folgt dem Antrag.
3. Über die Rekurs Beschwerde der Gemeinde Glieder Philipp Müller et Consorten zu Allerzhausen [!]2078 Landgerichts Ursberg gegen das General Kommißariat des Illerkreises wegen Verurtheilung in die Kösten zweiter Instanz, erstatteten Herr geheimer Rath Graf von Tassis schriftlichen Vortrag. Dieselben legten die Veranlaßung zu dieser Rekurs-Beschwerde vor, und zeigten, aus welchen Gründen das General Kommißariat die Rekurrenten in die Kösten verurtheilet.
Da die Rekurrenten in ihrer {4v} Rekurs Schrift das Erkenntniß des General-Kommißariates in der Haupt-Sache als gerecht anerkannt, und nur aus den angeführten Bewegursachen sich durch eine Verurtheilung in die Kösten zweiter Instanz gravirt geglaubt, so habe der königliche geheime Rath blos über diese Beschwerde in lezter Instanz zu erkennen. Nachdeme aber sowohl in Beziehung der Kultur als in Hinsicht des Kompetenz Konfliktes res judicata vorhanden, und die Gründe der Rekurrenten als unregelmäsig anzunehmen, da in dem gegenwärtigen Falle nach der allerhöchsten Verordnung vom 10 August 1808 [!] die summa appellabilis nicht vorhanden2079, so trugen Herr geheimer Rath Graf von Tassis aus den in dem Vortrage weiter ausgeführten Gründen darauf an, die Rekurrenten mit ihrem unstatthaften Rekurse abzuweisen, und es bei der Verurtheilung in die Kösten zweiter Instanz zu belaßen.
Den hiernach entworfenen Reskripts-Aufsaz trugen Herr geheimer Rath Graf von Tassis vor.
In Folge der hierüber veranlaßten Umfrage
wurde dieser Antrag von dem königlichen geheimen Rathe genehmiget2080.
Verteilung von Gemeindegründen; Weiderechte (R)
Thurn und Taxis berichtet über den Streit, der aufgrund der Gemeindegründeteilung in Oberschwaningen entstanden ist. Dazu kommt, daß auf den Gemeindegründen ein Weiderecht liegt. Er beantragt, zuerst das Weiderecht abzulösen und in einem zweiten Schritt die öden Gründe zu verteilen. In der Umfrage folgen die Geheimen Räte statt dessen der Ansicht Zentners, den vorliegenden Entscheid des Generalkommissariats des Rezatkreises zu bestätigen.
4. In Sachen der Oberschwaninger Gemeinde Theilung respec. des Weidrechtes der Dannenloher [!] {5r} Schäferei auf diesen Gemeinde Gründen zu Oberschwaningen2081 Landgerichts Waßertrüdingen erstatteten Herr geheimer Rath Graf von Tassis schriftlichen Vortrag.
Dieselben führten darin die Geschichte dieser Streit Sache aus, legten die Erkenntniße vor, so von den untern Instanzen erlaßen worden, und äußerten nach Entwikelung Ihrer Ansichten über den gegenwärtigen Fall, daß quoad formalia zu bemerken komme, wie die allerhöchste Entschließung in Beziehung auf die Provinz Ansbach, nach welcher drei sachverständige Landwirthe über die Frage: ob die Kultivirung der öden Pläzen für die Gemeinde vortheilhaft vorgenommen werden solle, noch nicht vollzogen worden, wie das General Kommißariat [des Rezatkreises] zwar den Kreisrath Lechner über diesen Gegenstand vernommen, ohne aber die streitende Theile zu befragen, ob sie gegen denselben nichts einzuwenden, daß das General Kommißariat ferner auf diese Vernehmung des Kreisrathes Lechner seinen vorzüglichsten Entscheidungs Grund gelegt, wo doch die Geseze befiehlten [!], daß die Zeugen und Sachverständigen allzeit von den Partheyen vorgeschlagen und die Erinnerungen beider Theilen erholt werden müßten, ob sie nichts gegen dieselben einzuwenden. Aus diesen Gründen glaubten {5v} Herr Referent, daß diese richterliche Handlung als Null anzusehen, wo übrigens die Formalien als beobachtet zu betrachten. Quoad materialia glaubten Sie, daß zuerst die Frage zu entscheiden wäre, ob die Theilung der Oberschwaninger öden Gemeinde Gründen vor oder nach Ablösung der Dannenloher Schäferei-Gerechtigkeit vor sich gehen solle oder nicht?
Herr geheimer Rath Graf von Tassis breiteten sich in Ihrem Vortrage über diese Frage aus, und zeigten die Nachtheile des einen und die Vortheile des andern Falles für die Gemeinde. Dieselben führten auch die Gründe aus, warum die Kleinbegüterten so sehr auf Theilung der Oberschwaninger öden Gemeinde Gründen dringen, und legten den Antrag, unterstüzt von den in Ihrem Vortrag angegebenen Gründen vor, wie Sie es bei diesen Verhältnißen nicht allein für rathsam, sondern auch für rechtlich glaubten, die Entscheidung des königlichen geheimen Rathes dahin zu faßen, daß die Dannenloher Schaafweide auf der ganzen Gemarkung zu Oberschwaning entweder mittels Vergleich oder durch richterlichen Spruch zuvor abgelößt, und dann erst zur Vertheilung der öden Gemeinde Pläzen geschritten werde.
{6r} Der mit diesem Antrage übereinstimmende Reskripts Entwurf wurde vom Herrn geheimen Rathe Grafen von Tassis abgelesen. Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg verfügen hierüber die Umfrage.
Herr geheimer Rath Graf von Preising stimmten mit dem Herrn Referenten.
Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs glaubten bemerken zu müßen, daß da die erste Instanz das Landgericht über jene Ersezungen, welche das General Kommißariat in zweiter Instanz habe machen laßen, noch nicht gesprochen, die ganze Sache mit diesen Ersezungen an das Landgericht zurükzugeben wäre, um nach genugsamer Instrukzion wiederholt zu sprechen, für welche Meinung Sie sich auch erklärten.
Herr geheimer Rath von Zentner glaubten, daß die von dem Herrn Referenten aufgestellte Ansichten über die Schäfereien bei einer neuen Gesezgebung ganz gut benuzt werden könnten, allein für den gegenwärtigen Fall und nach den bestehenden Gesezen beurtheilten Sie dieselben nicht anwendbar, sondern würden das Erkenntniß des Generalkommißariats lediglich bestätigen, da Sie sich auch mit der Meinung nicht vereinigen könnten, diesen Gegenstand zu einem neuen Spruch an das Landgericht zurükzugeben, indeme daßelbe {6v} bereits gesprochen.
Herr geheimer Rath von Krenner äußerten, daß wenn die Frage streitig wäre, ob die öden Gemeinde Gründen zu Oberschwaningen zur Kultur geeignet, oder von einem oder dem andern Theile als unvortheilhaft bestritten worden wäre, würden Sie sich auch mit der Meinung vereinigen, daß zuvor noch das Gutachten von drei Sachverständigen erholet werden sollte, da aber dieses der Fall nicht seie, und von keinem der Theilen diese Frage erhoben worden, auch nur die Klugheit es anrathe, daß zum Besten der Gemeinde die Ablösung der Schaafweide der Gemeinde-Gründe-Vertheilung vorhergehe, so müßten Sie nach den bestehenden Gesezen sich mit der Meinung des Herrn geheimen Rath von Zentner vereinigen, daß das Erkenntniß des General Kommißariats bestätiget werde.
Die Herrn geheimen Räthe von Effner, Freiherr von Asbek und von Feuerbach stimmten nach gleichen Ansichten mit Herrn geheimen Rath von Zentner
und so wurde von dem königlichen geheimen Rathe beschloßen, das {7r} Erkenntniß des General Kommißariats des Rezat-Kreises vom 19 Merz dieses Jahrs zu bestätigen2082.
Der König bestätigt die Entscheidungen des Geheimen Rates (27. Oktober 1812).
Anmerkungen
Vgl. VO betr. die „Gemeinde-Abtheilungen“ vom 13. Februar 1805, RegBl. 1805, Sp. 729-732.
Vgl. OE „über die Bildung der Gemeinden“ vom 28. Juli 1808, RegBl. 1808, Sp. 2789-2797.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 1828.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 1828. Streitende Parteien waren die Tuch- und Zeugmacher einerseits, die Leinweber andererseits.
Der Rekurs an den Geheimen Rat war nur bei einem Gegenstands- bzw. Streitwert von mindestens 400 Gulden möglich, vgl. VO betr. die „Vervollständigung der Kompetenzregulirung des königlichen geheimen Rathes in administrativ, polizeilich und finanziellen Gegenständen“ vom 8. August 1810 [!], Tit. I Art. 2, RegBl. 1810, Sp. 644.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 1828.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 1828. Beschwerdeführer waren Johann Georg Löhr und Konsorten, Oberschwaningen.