BayHStA Staatsrat 299

5 Blätter. Unterschriften des Königs und des Ministers. Protokoll: Kobell.

Anwesend:

Staats- und Konferenzminister: Reigersberg.

Geheime Räte: Graf v. Preysing-Hohenaschau; Freiherr v. Weichs; v. Zentner; Graf v. Thurn und Taxis; Franz v. Krenner; Freiherr v. Aretin; v. Effner; Graf v. Welsberg.

Stempelstrafe (R)

Thurn und Taxis berichtet über die Wiederaufnahme des Verfahrens, das der Assessor bei der Schuldentilgungskommission v. Mayer in seiner Stempelstrafsache angestrengt hat. Nach Ansicht des Berichterstatters hat v. Mayer keine neuen Tatsachen vorgetragen, die die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen würden. Daher beantragt er, es bei der Entscheidung vom 26. November zu belassen. Die Mehrheit der Geheimen Räte – Effner nicht – folgt dem Antrag des Berichterstatters.

{1r} [1.] Nach einem von Seiner Majestät dem Könige auf das geheime Raths Protokoll vom 26ten vorigen Monats erfolgten allerhöchsten Beschluß2155 wurde in der auf heute angeordneten geheimen Raths Sizung, worin Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg den Vorsiz führten, der Rekurs des Aßeßors bei der Schuldentilgungs Kommißion Carl Lorenz von Mayer wegen einer gegen ihn erkannten {1v} Stempel Strafe zur Reproposizion gebracht, indeme eine von erwähntem p. von Mayer nachträglich überreichte Vorstellung d. do 24 et praes 26 vorigen Monats Seine Majestät den König veranlaßt, die Reproposizion dieses Gegenstandes anzubefehlen, da die unterm 26. vorigen Monats gefaßte Entscheidung des geheimen Rathes in dieser Sache bei dem Einlaufe dieser nachträglichen Vorstellung die königliche allerhöchste Bestätigung noch nicht erhalten hatte, auch noch nicht ausgeschrieben war.

Aufgerufen von Seiner Excellenz, dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Reigersberg erstatteten Herr geheimer Rath Graf von Tassis über diese nachträgliche Vorstellung schriftlichen Vortrag, führten wiederholt die Gründe an, aus welchen der geheime Rath in der Sizung vom 26ten vorigen Monats die Sentenzen der 1ten und 2ten Instanz bestätiget, sohin den Carl Lorenz von Mayer in Bezalung einer Stempelstrafe von 414 fl. verurtheilet habe, lasen die nachträgliche Vorstellung des p. von Mayer nebst den Original-Beilagen ab, und äußerten, daß hiebei vorzüglich zwei Fragen zu berüksichtigen sein dürften. 1) Wie kann eine Sentenz {2r} vollständige Rechtskraft erhalten? 2) Wie begründet von Mayer in seiner nachträglichen Vorstellung sein angeführtes Novum?

Nach Würdigung und Beantwortung dieser beiden Fragen und nach Aeußerung, daß von Mayer nur dann in integrum restituiret werden könne, wenn in der Akzeptirung des Ceßions Instrumentes von Martine und dem Empfange der 40.000 fl. von Süskind nicht ein Widerspruch liege, wenn von Mayer durch die Annahme und Produzirung der Ceßions-Urkunde vor der Kriegs-Schuldentilgungs-Kommißion nicht sich selbst die Schuld, in diese Strafe verfallen zu sein, zugemeßen hätten, und wenn von Mayer durch Nova eine rechtlich entschuldigende Ursache für sich anzuführen hätte, machten Herr geheimer Rath Graf von Tassis den Antrag, von der am 26ten vorigen Monats im geheimen Rathe gefällten Sentenz nicht abzugehen, sondern dieselbe vielmehr wiederholt zu bestätigen, da diese Erkenntniß, so wie jene frühere der untern Instanzen durch kein Rechtsmittel umgestoßen worden, und das von dem von Mayer angeführte {2v} Novum nicht als ein solches betrachtet werden könne.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg verfügten über diesen Antrag die Umfrage.

Herr geheimer Rath Graf von Preising vereinigten sich mit dem Herrn Referenten. Eben so Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs, welche äußerten, daß, wenn auch die Mehrheit des königlichen geheimen Rathes sich für Aufhebung des gefällten Straferkenntnißes erklären sollte, dieses doch dermal auf die angebrachte Nova von dem geheimen Rathe nicht geschehen könnte, sondern zur näheren Instrukzion an die erste Instanzen hinausgeschloßen werden müße.

Herr geheimer Rath von Zentner teilten die Ansicht des Herrn Referenten, da Sie in der nachträglichen Vorstellung keine solche Nova fänden, welche Sie zu Verlaßung Ihrer in der lezten Sizung schon abgegebenen Meinung führen könnten. Nur glaubten Sie rüksichtlich der Forme bemerken zu müßen, daß von einer Bestätigung der am 26 vorigen Monats in dem geheimen Rathe gefaßten Entscheidung nicht {3r} die Rede sein könne, sondern daß diese Entscheidung nunmehr nur ausgeschrieben werden müße.

Herr geheimer Rath von Krenner äußerten, die eingekommene nachträgliche Vorstellung des Carl Lorenz von Mayer habe Ihren Ansichten nach zu nichts weiterem geführt, als die Sache klarer und deutlicher darzustellen. Alles komme nach dieser Darlegung darauf an: ob das eingegebene Instrument eine wahre Ceßions- oder nur eine Urkunde zu Aufhebung des Arrestes seie. Sie müßten, wie Sie in der lezten Sizung schon erwähnet, daßelbe für eine wahre Ceßion erklären, und als Folge hievon auf Bestätigung der Erkenntnißen der beiden Instanzen wiederholt antragen. Rüksichtlich der Form der Ausfertigung vereinigten Sie sich mit Herrn geheimen Rath von Zentner.

Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin beurtheilten die Sache nach der eingekommenen neueren Vorstellung ebenfalls als klar, und wiederholten, daß Sie das vorliegende Instrument allerdings als eine wahre Ceßion annahmen, und deßwegen {3v} auch nach Ihrer früheren Meinung auf Bestätigung der Sentenzen der ersten und zweiten Instanz noch immer antragen müßten. Da aber durch diese eingekommene Vorstellung eine Reproposizion dieses Gegenstandes veranlaßt worden, so glaubten Sie, daß in der Reskripts Ausfertigung, für welche Sie die vom Herrn geheimen Rathe von Zentner vorgeschlagene Form annähmen, dieser Vorstellung erwähnet und gesagt werden sollte: Auf den ergriffenen Rekurs und die nachträgliche Vorstellung pp.

Herr geheimer Rath von Effner waren rüksichtlich der Form der Ausschreibung ebenfalls der Meinung, daß auf die eingekommene neuere Vorstellung des Carl Lorenz von Mayer Rüksicht genommen werden müße, denn da dieselbe den 26ten vorigen Monats, folglich am nämlichen Tage, wo die frühere Entscheidung des geheimen Rathes gefaßt, präsentirt worden, so seie dieselbe allerdings noch zu würdigen, da bei allen Justiz Kollegien und dem geheimen Rathe in dieser Eigenschaft die Erkenntniße erst von dem Tage der Publication an in Rechtskraft übergiengen.

{4r} Übrigens würden Sie die Form der Ausfertigung annehmen, wie Sie Herr geheimer Rath von Zentner vorgeschlagen. In der Hauptsache seien Sie zwar auch der Meinung, daß durch diese neuere Vorstellung blos das Factum deutlicher dargestellt, übrigens aber nichts alteriret worden, dem ohngeachtet aber müßten Sie Ihre Ansicht und die dafür angeführte Gründe wiederholen, und Sie seien vollkommen der Überzeugung, daß von Mayer nur der Form nicht dem Sinne des fraglichen Instrumentes nach in die Strafe verurtheilt würde, denn Staats Papiere, wie die Tratten auch seien, brauchten keiner Ceßion unterworfen zu werden, und es seie daßelbe nicht einmal auszusprechen räthlich. Der Natur der Sache nach müßten Sie auf Ihrer in der früheren Sizung geäußerten Meinung stehen bleiben.

Herr geheimer Rath Graf von Welsperg beurtheilten das vorliegende Instrument der eigenen Declaration des von Mayer nach als eine wahre Ceßion, und vereinigten sich in der Hauptsache mit dem wiederholten Antrage des {4v} Herrn Referenten, rüksichtlich der Form der Ausschreibung aber mit Herrn geheimen Rath von Zentner und Freiherrn von Aretin.

Nach dieser Mehrheit

wurde in dem königlichen geheimen Rathe beschloßen, das in dieser Sache erfolgte Erkenntniß der königlichen Finanz Direkzion des Salzach-Kreises zu bestätigen, im Eingange der Ausschreibung aber zu sezen: Wir haben Uns über den Rekurs und die unterm 26en vorigen Monats nachgetragene Vorstellung des Carl Lorenz von Mayer pp2156.

Verteilung von Gemeindegründen (R)

Welsberg berichtet über den Streit zwischen den Bauern und den Kleinhäuslern in Sugenheim. Es geht um die Gemeinderechte der Kleinhäusler und die Verteilung der Gemeindegründe. Welsberg beantragt, die Entscheide des Generalkommissariats des Rezatkreises aufzuheben und die Parteien an das Landgericht Windsheim zurück zu verweisen. Er betont, wie dringlich es ist, ein neues Landeskulturgesetz zu erarbeiten, das im ganzen Land gilt. Der Geheime Rat genehmigt den Antrag.

2. Über den Rekurs der Bauernschaft zu Suggenheim2157 Landgerichts Windsheim im Rezat-Kreise gegen die Kleinhäußler daselbst Theilnahme der Gemeinde Rechten der lezteren respec. Gemeinde Gründe Vertheilung betreffend, erstatteten Herr geheimer Rath Graf von Welsperg schriftlichen Vortrag, in welchem Sie die Ursache und die Verhältniße dieses Streites entwikelten, das Benehmen des ehemaligen Justizamtes Külheim2158 und die Verhandlungen des General Kommißariats so wie die von demselben erlaßene Entscheidung vorlegten, und aus den in dem Vortrage enthaltenen Gründen den Antrag machten, die zwei {5r} Entscheidungen des General Kommißariats des Rezat Kreises vom 30 November vorigen und 4ten Juni dieses Jahrs aufzuheben, und die streitende Partheyen mit ihrem Kulturs Prozeße zur ersten Instanz das Landgericht Windsheim salva appellatione zu verweisen.

Herr geheimer Rath Graf von Welsperg fügten diesem Antrage die Bemerkung bei, wie das Landgerichts [!] Windsheim Ihres Erachtens nach sich in Entscheidung dieses Kulturs Streites sehr hart thun, und die Bestimmungen des preußischen Landrechtes2159 mit den in der Zwischenzeit publizirten und auch im Rezat-Kreise Gesezkraft erhaltenen Edicte über das Gemeinde-Wesen2160 und andere derlei Verordnungen, wie wegen Theilnahme der Pfarreien an den Gemeinde Gründen2161 sehr schwer kombiniren würde; allein, eben deßwegen seie dieser Gegenstand kontentiös, und müße zur gerichtlichen Ordnung rükgeführt werden. Dieser Gegenstand diene aber zu einem neuen Belege, wie äußerst nothwendig eine Revision der Kulturs Gesezen und die Festsezung allgemeiner und bestimmter Normen seie, denn der Mißstand werde doch nicht in Abrede gestellt werden können, wenn in einigen Theilen des Königreichs die Leerhäußler, die neue Gemeinde Glieder seien, von Antheilen an dem Gemeinde Vermögen ausgeschloßen und in andern wieder zugelaßen würden.

{5v} Herr geheimer Rath Graf von Welsperg lasen den mit Ihrem Antrage übereinstimmenden Reskripts Entwurf vor.

Auf die von Seiner Excellenz, dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Reigersberg verfügte Umfrage erklärten sich alle Herrn geheimen Räthe mit dem Antrage des Herrn Referenten verstanden, obschon mehrere Mitglieder die Verlegenheit nicht mißkannten, in welcher das Landgericht bei Entscheidung dieses Gegenstandes nach Lage der verschiedenen Verordnungen sich befinden werde, und Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs nicht glaubten, daß die Entschließung des General-Kommißariats in dem Reskripts-Entwurfe Verbescheidung sollte genannt werden.

Nach der einstimmigen Meinung aller Herrn geheimen Räthe wurde der abgelesene Reskripts Entwurf von dem königlichen geheimen Rathe genehmiget.2162

Der König bestätigt die Entscheidungen des Geheimen Rates (15. Dezember 1812).

Anmerkungen

2155

Vgl. Protokoll Nr. 96 (Geheimer Rat vom 26. November 1812), TOP 3.

2156

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 2077.

2157

Markt Sugenheim, Landkreis Neustadt a.d.Aisch-Bad Windsheim, Mittelfranken.

2158

Külsheim, Ortsteil von Bad Windsheim, Landkreis Neustadt a.d.Aisch-Bad Windsheim, Mittelfranken.

2159

Vgl. ALR Tl. 2, Tit. VII „Vom Bauernstande“, Abschnitt 2 „Von Dorfgemeinen“, bes. §§ 28-32 (ALR Bd. 2, S. 327f.) über Rechte der „Glieder der Dorfgemeinen“ zur Nutzung der Gemeindegründe. Die „Dorfgemeine“ setzte sich aus den „Besitzer[n] der in einem Dorfe oder in dessen Feldmark gelegenen bäuerlichen Grundstücke“ zusammen, § 18, ebd. S. 326.

2160

„Edikt über das Gemeinde-Wesen“ vom 24. September 1808, RegBl. 1808, Sp. 2405-2431.

2161

VO betr. die „Theilnahme der Pfarrer bei Vertheilung von Gemeinds-Gründen zur Kultur“ vom 22. November 1810, RegBl. 1810, Sp. 1329f.

2162

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 2077.