BayHStA Staatsrat 300

9 Blätter. Unterschriften des Königs und des Ministers. Protokoll: Kobell.

Anwesend:

Staats- und Konferenzminister: Reigersberg.

Geheime Räte: Graf v. Preysing-Hohenaschau; Freiherr v. Weichs; Graf v. Thurn und Taxis; Freiherr v. Aretin; v. Effner; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach; Graf v. Welsberg.

{1r} Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg, welche in der durch allerhöchsten Befehl Seiner Majestät des Königs auf heute angeordneten geheimen Raths Versammlung den Vorsiz führten, forderten die Herrn geheimen Räthe Freiherrn von Weichs, von Effner, Freiherrn von Asbek und Grafen von Welsperg auf, die bearbeitete Rekurs-Gegenstände vorzutragen.

Dieser Aufforderung zu Folge erstatteten

Dienstbarkeit auf Wiesen (R)

Weichs berichtet über einen Streit in Oppertshofen. Es geht um eine Dienstbarkeit auf Wiesen, die in einem Eigentumsverhältnis stehen. Der Berichterstatter beantragt, die Sache an die Justizstellen zu verweisen, da Landeskulturgesetze nicht einschlägig sind. Diese Ansicht weist Aretin zurück: Da es sich um einen Fall aus der Landeskultur handelt, sind die entsprechenden Behörden zuständig. Der Entscheid des Generalkommissariats des Oberdonaukreises ist zu bestätigen. Da sich vier weitere Geheime Räte dieser Auffassung anschließen, wird Weichs‘ Antrag abgelehnt und der Antrag Aretins angenommen.

1. Herr geheimer Rath {1v} Freiherr von Weichs in der Streit Sache des Johann Buser und Konsorten zu Oppertshofen2163 und Johann Georg Bieringer et Cons. daselbst wegen Ohmats Servitut2164 auf eigenthümlichen Wiesen schriftlichen Vortrag, worin Sie nach Anführung des Streit-Gegenstandes und der deßwegen bereits eingetretenen gerichtlichen Verhandlungen so wie nach Ablesung der erfolgten Erkenntnißen der untern Instanzen nebst den Entscheidungs Gründen und der Abschrift eines von dem Fürsten zu Oettingen Albrecht Ernst2165 im Jahre 1728 wegen dem Ohmats-Genuß erlaßenen offenen Briefes, aus den in dem Vortrage näher aus einander gesezten Gründen den Antrag machten: diesen Gegenstand, da er Ihren Ansichten nach nicht nach Kulturs Gesezen behandelt werden könne, zur Instrukzion und Entscheidung an die Justiz Stellen zu verweisen.

Den nach diesem Antrage entworfenen Reskripts Aufsaz legten Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs vor.

Auf die von Seiner Excellenz, dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Reigersberg hierüber verfügte Umfrage erklärten sich die Herrn geheimen Räthe Grafen von Preising und von Tassis {2r} für die Meinung des Herrn Referenten.

Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin äußerten, Sie könnten sich mit dieser Meinung nicht vereinigen, denn, wenn dieser Gegenstand nicht nach Kulturs Gesezen zu entscheiden, so würden wenige Fälle sich dazu eignen; mehrere ähnliche seien von dem königlichen geheimen Rathe als Kulturs-Streitigkeiten angesehen und entschieden worden. Nach dem Vortrage wurde von den Wiesen-Eigenthümern nicht mehr das Recht der Gemeinde an dem Ohmat-Genuße bestritten, sondern nur um Ablösung deßelben gegen zu leistende Entschädigung gebeten, folglich trete der Fall ein, wo nach der Verordnung vom Jahre 1808 solche der Kultur und Benuzung des Eigenthumes schädliche Servituten gegen Entschädigung weichen müßten2166, welche Entschädigung auszumitteln, und falls darüber Streitigkeiten entstünden, dieselbe zu entscheiden, allerdings Sache der Kulturs Behörden seie. Sie würden daher das Erkenntniß des General Kommißariats des Oberdonau Kreises vom 1ten August dieses Jahrs bestätigen.

Herr geheimer Rath von Effner waren derselben Meinung, {2v} da die Frage: wem der Ohmat Genuß gebühre? nicht mehr streitig, sondern es sich nur um die Entschädigung dafür handle. Diese auszumitteln, und die darüber entstehen könnende Anstände zu entscheiden, seie offenbar Sache der Kulturs Gesezen, da die Verordnung von 1808 bestimmt ausspreche, daß alle Servituten, welche der beßern Benuzung der eigenthümlichen Gründen und den höheren Fortschritten der Kultur schädlich, gegen Entschädigung weichen müßten. Da nun die untern Instanzen diese Entschädigung nicht instruiret, so bleibe nichts übrig, als das Erkenntniß des General Kommißariats des Oberdonau Kreises vom 1ten August dieses Jahrs zu bestätigen.

Da die Herrn geheimen Räthe Freiherr von Asbek, von Feuerbach und Graf von Welsperg sich mit diesen Ansichten der Herrn geheimen Räthe Freiherrn von Aretin und von Effner vereinigten, und dadurch die Majora bildeten, so wurde gegen den Antrag des Referenten

von dem königlichen geheimen Rathe beschloßen, das Erkenntniß des General Kommißariats des Oberdonau-Kreises vom 1ten August dieses Jahrs zu bestätigen2167.

Verteilung von Gemeindegrund (R)

Effner berichtet über einen Streit zwischen Gemeindemitgliedern in Mitteleschenbach. Es geht um die Verteilung des Gemeindegrunds. Effner bemängelt, daß die Landeskulturgesetze sich nicht am Kriterium der Notwendigkeit bzw. des Nutzens orientieren, wenn Grundaufteilungen anstehen. Da das Generalkommissariat des Rezatkreises diesen Aspekt in seinem Entscheid berücksichtigt hat, beantragt er, diesen zu bestätigen. Der Geheime Rat genehmigt den Antrag.

2. Über den Rekurs des Anton Groß et Consortes zu Mittel[e]schenbach2168 Landgerichts Heilbronn im Rezat-Kreise {3r} gegen Georg Vogt et Consortes daselbst, Gemeinde Vertheilung betreffend erstatteten Herr geheimer Rath von Effner schriftlichen Vortrag, in welchem Sie die Geschichte dieses Streites und die deßwegen eingetretene gerichtliche Verhandlungen so wie die erfolgte Erkenntniße der untern Instanzen nebst den Entscheidungs Gründen anführten, und rüksichtlich der Formalien sich äußerten, daß deßwegen keine Erinnerungen zu machen seien.

In Beziehung auf die Haupt Sache bemerkten Sie, daß von dem Landgerichte bei dieser Gemeinde-Theilung die baierische Kultur-Geseze in Anwendung gebracht worden, nach welchen auf Theilung zu erkennen, wenn auch nur ein kleiner Theil der Gemeinde Glieder hierauf antrage, es habe sodann keine Untersuchung statt, ob die Theilung im Ganzen nothwendig oder nüzlich seie, wodurch leider, wie das Landgericht in seinem an das General Kommißariat erstatteten Berichte anführe, hier wieder ein neuer Beweis sich ergebe, wo durch diese Vertheilung zur Kultur der Wohlstand des Landes nicht erzielt werde. Allein nach den bestehenden Kulturs Gesezen seie die Beschwerde der Provokaten offenbar ungegründet, denn das Landgericht habe nach den Gesezen {3v} auf Theilung gesprochen, und gegen das Maaß der Vertheilung hätten die Provokaten selbst nichts einzuwenden.

Das General Kommißariat habe aber noch mehr und zwar gegen das Gesez zum Vortheile der Provokaten und aus billiger Rüksicht auf die Schädlichkeit der Anwendung der baierischen Kultur Gesezen auf diese Gegend nach dem beßern Geiste der Kultur den Spruch der ersten Instanz gemildert, und nach Auszeige eines Tummelplazes für das Vieh mit Rüksicht auf die dortige Stallfütterung erkannt. Mit Recht sage das General Kommißariat in seinem Berichte, dieses Erkenntniß habe die Provokaten noch keker und muthiger gemacht; die weiter angebrachte Gründe der Provokaten seien daher als irrelevant zu beurtheilen, weil die Kulturs Geseze hierauf keine Rüksicht nehmen ließen, und Sie (von Effner) müßten als Referent auf Bestätigung des Erkenntnißes des General Kommißariats antragen. Den mit diesem Antrage übereinstimmenden Reskripts Entwurf legten Herr geheimer Rath von Effner vor.

In Folge verfügter Umfrage erklärten sich alle Mitglieder mit diesem Antrage verstanden {4r} und derselbe wurde daher

von dem königlichen geheimen Rathe genehmiget2169.

Teilung von Gemeindegrund (R)

Effner berichtet über den Streit zwischen den Gemeinden Gersbach und Mitteleschenbach. Es geht um die Teilung des Gemeindegrunds. Er beantragt, den Rekurs der Gemeinde Gersbach abzuweisen und den Entscheid des Generalkommissariats des Rezatkreises zu bestätigen. Der Geheime Rat genehmigt den Antrag.

3. Herr geheimer Rath von Effner bemerkten: daß mit diesem Kulturs Streite noch ein anderer, jener der Gemeinde Gersbach2170 Landgerichts Heilbronn gegen die Gemeinde Mitteleschenbach wegen Gemeinde Gründe Vertheilung in Verbindung stehe, der von Ihnen in einem eigenen Vortrage behandelt worden, und machten in Beziehung auf diesen Rekurs nach Vorlage der Geschichte deßelben und der deßwegen erfolgten Erkenntnißen und nach der Bemerkung, daß circa formalia‚‚ nichts zu erinnern, den Antrag, in der Hauptsache den Spruch des General Kommißariats [des Rezatkreises] zu bestätigen, und den Rekurs der Gemeinde Gersbach als durchgehends unstatthaft und grundlos zu erklären.

Daß der Haßelwaasen mit der Gemeinde Gersbach nach Gemeinde-Rechten getheilt werden solle, hierüber seie ein rechtskräftiges Urtheil der Kriegs- und Domainen Kammer vom Jahre 1808 vorhanden, welches Urtheil jetzt nicht mehr anders als wegen unheilbarer Nichtigkeit angefochten werden könnte. Die Gemeinde Gersbach habe sich dieses Urtheil durch eigenes Verschulden in contumaciam2171 {4v} zugezogen. Da aber Gersbach nun auch einen Tummelplaz auf dem Haßelwaasen verlange, in dieser Hinsicht seie der Rekurs derselben sogar muthwillig, weil sie dieses Verlangen nicht einmal in zweiter Instanz geäußert habe, und weil es schon in sich selbst implicire und gegen die Geseze laufe, einen Tummelplaz an einem Orte zu verlangen, wo man nicht das Eigenthum sondern nur das Weide-Recht genieße. Den Reskripts Aufsaz, wodurch das Erkenntniß des General Kommißariats bestätiget wird, lasen Herr geheimer Rath von Effner vor.

Da diesem Antrage nach verfügter Umfrage alle Herrn geheimen Räthe beistimmten

so wurde derselbe von dem königlichen geheimen Rathe genehmiget2172.

Verteilung von Gemeindegründen (R)

Asbeck berichtet über den Rekurs, den mehrere Gemeindemitglieder in Dürrwangen gegen einen Entscheid des Generalkommissariats des Rezatkreises ergriffen haben. Dabei wurden Fristen versäumt, weshalb der Rekurs abzuweisen und gleichzeitig der Entscheid des Generalkommissariats des Rezatkreises zu bestätigen ist. Die von Reigersberg verfügte Umfrage dreht sich um die Frage, wie die Abweisung des Rekurses gegenüber den Antragstellern begründet werden soll (materiell- oder formellrechtliche Gründe?). Reigersberg fordert, eine Grundsatzentscheidung für solche Fälle zu formulieren (siehe dazu die königliche Entschließung am Ende des Protokolls). Der Geheime Rat genehmigt den Antrag Asbecks, der insbesondere von Effner unterstützt und präzisiert wurde.

4. Über den Rekurs des Bartholomeus Schlumprecht und mehrerer Gemeinde Glieder zu Dürrwangen2173 Landgerichts Dünkelsbühl gegen das Erkenntniß des General Kommißariats [des Rezatkreises] wegen Gemeinde-Gründe Vertheilung erstatteten Herr geheimer Rath Freiherr von Asbek schriftlichen Vortrag.

Dieselben führten die Geschichte und die Veranlaßung zu dieser Streit Sache an, lasen {5r} die Erkenntniße der untern Instanzen nebst den Entscheidungs Gründen ab, und stellten aus den in dem Vortrage angegebenen Gründen und nach der Bemerkung, daß die Fatalien offenbar versäumt, den Antrag, bei den vorliegenden Verhältnißen den gegenwärtigen Rekurs als auch [!] Mangel der Förmlichkeiten unzuläßig sondern auch als in jedem Falle ungegründet abzuweisen, respec. das Erkenntniß des General Kommißariats von 10ten Mai dieses Jahrs zu bestätigen.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg verfügten hierüber die Umfrage, und der Antrag des Referenten wurde von allen Herrn geheimen Räthen angenommen, nur stellten Herr geheimer Rath von Feuerbach die Frage auf, ob nicht, wie es in mehreren derlei Fällen, wo der geheime Rath einen Rekurs ex desertione abgewiesen, geschehen, auch dermal in der Ausfertigung gesagt werden wolle, daß die Rekurrenten auch ex materialibus abgewiesen werden, um dadurch zu verhüten, daß nicht wegen Prüfung der Materialien neue Rekurse eingereicht würden.

Diese Frage veranlaßte, daß Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin Ihre schon mehrmal angegebene Gründe wiederholten2174, {5v} aus welchen Sie zu Verhinderung weiterer Rekurse, und weil die Rekurrenten nach mehreren Beispielen sonst glaubten, ihre Materialien seien noch nicht geprüft worden, und sie würden, wenn dieses geschehe, ein obsiegendes Urtheil erhalten, die in manchen Fällen angenommene Faßung, wodurch bei schlechten Materialien die Rekurrenten wegen versäumten Fatalien zu restituiren dann aber ex materialibus abzuweisen, auch hier in Anwendung bringen würden, in zweifelhaften Fällen würden Sie es aber bei der Abweisung ex desertione nach dem Formulare lediglich belaßen.

Herr geheimer Rath von Effner äußerten, wie Sie nicht glaubten, daß diese in einzelnen Fällen angenommene Faßung der Abweisungen ex desertione allgemein festzusezen seie, indeme man sonst stillschweigend ausspreche, daß eine Versäumniß der Fatalien allein die Abweisung des Rekurses nicht zur Folgen haben werde, sondern daß es von Untersuchung der Materialien abhängig gemacht werde, ob eine Restituzion statt haben solle oder nicht? In diesem Falle würde niemand mehr die Fatalien einhalten, sondern auf seine Materialien sich stüzend die Restituzion als gewiß annehmen.

{6r} Sie würden in dem vorliegenden Falle und auch in künftigen ähnlichen Fällen, wo die Restitution nicht ausdrücklich nachgesucht, und durch Gründe unterstüzt werde, blos ex desertione abweisen, und dadurch die so nothwendige Einhaltung der Fatalien aufrecht erhalten.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg glaubten in dieser Verschiedenheit der Ansichten die Nothwendigkeit zu finden, die Frage: ob in den Fällen, wo die Fatalien versäumt worden, und die Materialien der Sache selbst gehaltlos sind, die Restitution vorhergehen, und der Rekurs dann ex materialibus abgewiesen werden solle, oder ob diese Abweisung ex desertione blos nach dem Formulare ausgefertiget werden sollte oder nicht? zum Vortrage in dem geheimen Rathe auszustellen, und dadurch feste Prinzipien zu geben, damit nicht in einem Falle so und in einem anderen anders entschieden werde. Sie beurtheilten dieses um so wesentlicher, als Sie nicht glaubten, daß nach dem Judiciar Codex der Richter ex officio restituiren könne2175.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz- {6v} Minister Herr Graf von Reigersberg ließen nach dieser Erklärung wiederholt abstimmen, welche Faßung in dem vorliegenden Falle der beschloßenen Abweisung gegeben werden solle. Die Mehrheit der Stimmenden entschied für die Meinung des Herrn geheimen Rath von Effner

und der geheime Rath genehmigte daher die Abweisung der Rekurrenten nach der von dem Referenten durch seinen Reskripts Aufsaz vorgelegte[n] Art2176.

Gewerbestreitsache (R)

Weichs berichtet über den Streit zwischen dem Tuchscherer Eberl und dem Weißgerber Kneidinger. Es geht um das Recht, Lohleder schwarz zu färben. Der Berichterstatter beantragt, den Entscheid des Generalkommissariats des Unterdonaukreises zu bestätigen. Der Geheime Rat genehmigt den Antrag.

5. Wegen der Gewerbs Streitsache des Tuchscherers [Michael] Eberl zu Braitenbach [!]2177 mit dem Weisgerber [Franz] Kneidinger wegen des Rechtes zum Schwarzfärben des Lohleders2178 erstatteten Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs schriftlichen Vortrag, worin dieselben die Ursache dieser Streitsache auseinander sezten, die Erkenntniße des Landgerichts [Waizenkirchen] und des General Kommißariats [des Unterdonaukreises] nebst den Entscheidungs Gründen anführten, und Ihren Antrag dahin stellten, die Entscheidung des General Kommißariats aus den angegebenen Gründen zu bestätigen. Den hiernach entworfenen Reskripts Aufsaz lasen Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs ab.

{7r} Nach verfügter Umfrage, und nachdem alle Mitglieder sich mit diesem Antrage, der mit den noch bestehenden Zunft-Artikeln übereinstimme, vereinigten

wurde der abgelesene Reskripts Entwurf genehmiget2179.

Abhütung eines Kleeackers (R)

Welsberg berichtet über den Streit, der über die Abhütung eines Kleeackers in Krettenbach entstanden ist. Obwohl in einem ähnlichen Fall anders präjudiziert wurde, beantragt der Referent, den Entscheid des Generalkommissariats des Rezatkreises zu bestätigen. Der Geheime Rat läßt sich das Präjudiz vortragen und folgt dem Antrag des Referenten. Der Wunsch wird geäußert, für den Geheimen Rat ein Präjudizienbuch anzulegen.

6. Wegen Abhütung2180 des [Georg] Hagerschen Kleeakers in der Gemeinde Krettenbach2181 Landgerichts Scheinfeld und dem darüber entstandenen Streite erstatteten Herr geheimer Rath Graf von Welsperg schriftlichen Vortrag, in welchem Sie die Geschichte dieses Streites und die wegen demselben erfolgte Erkenntniße der untern Instanzen nebst den Entscheidungs Gründen anführten, und rüksichtlich der Formalien und der Kompetenz des geheimen Rathes nichts zu erinnern fanden, da erstere in Ordnung und leztere nicht zu bezweifeln seie.

In Beziehung auf die Materialien dieses Streites beruhe Ihren Ansichten nach die Entscheidung deßelben auf der richtigen Faßung und Beantwortung der Frage: ob Brachfelder oder Stoppel Aeker, welche in der Regel behütet werden, mit Ausschluß der Weide und ohne vorherige Entschädigung der Weide-Berechtigten mit Klee bebaut werden {7v} dürfen? Oder noch bestimmter, ob der Klee-Anbau auf einem brachen Aker, den man zu einem solchen fructificirenden Felde umwandle, der Weide nachstehen müße?

Herr geheimer Rath Graf von Welsperg bemerkten, wie das Landgericht und wie das General Kommißariat, welch lezteres sich auf ein Präjudiz in der Haunoldshoferischen Weid-Entschädigungs Sache bezogen habe2182, diese Frage beantwortet, und äußerten, wie Sie hieraus ersehen, und die hernach eingesehene Haunoldshoferische Akten Sie überzeuget, daß ein Präjudiz auf eine Entscheidung des geheimen Rathes vorliege.

Nachdem Sie aber durch Pflichten aufgefordert sich keineswegs an derlei Präjudizien aus andern Prozeßen halten dürften, so glaubten Sie, nur dieses Umstandes wegen die zur Entscheidung vorliegende Frage mit mehr Umsicht behandeln und prüfen zu müßen, um sodann mit mehr Grund und nach dem Sinne des Gesezes daßelbe darauf anwenden zu können.

Auf diese in dem Vortrage umständlich entwikelte Untersuchung und die darin angegebene Gründe {8r} gestüzt, machten Dieselben ohngeachtes [!] des vorliegenden Präjudizes den Antrag: die Entscheidung des General Kommißariats des Rezat-Kreises vom 8ten September dieses Jahres zu bestätigen. Den hiernach entworfenen Reskripts Aufsaz lasen Dieselben ab.

Nachdeme aus den geheimen Raths Akten wegen der Haunoldshoferischen Weid-Entschädigungs-Sache die nothwendige Akten Stüke abgelesen waren, verfügten Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg die Umfrage.

Die Herrn geheimen Räthe vereinigten sich mit dem Antrage des Referenten, ohngeachtet des vorliegenden Präjudizes, da in jedem Falle die einzelne Verhältniße berüksichtiget werden müßten und Präjudizien nur bei ganz gleichen Fällen eine Anwendung finden könnten; einige Mitglieder wiederholten jedoch den Wunsch, ein Präjudizien Buch bei dem geheimen Rathe zu haben, um nicht bei dem nämlichen Collegio, welches nicht aus mehreren Senaten bestehe, nicht sich widersprechende Entscheidungen zu faßen.

Der königliche geheime Rath {8v} genehmigte den Antrag des Referenten und den hiernach entworfenen Reskripts Aufsaz2183.

Verteilung einer gemeinschaftlichen Hutweide (R)

Weichs berichtet über den Streit zwischen den Gemeinden Dörlbach und Rasch. Es geht um die Verteilung einer Hutweide. Da das Generalkommissariat des Rezatkreises den Teilungsmaßstab noch nicht festgelegt hat, kann der Geheime Rat noch keine abschließende Entscheidung treffen. Weichs beantragt, dies dem Generalkommissariat mitzuteilen. Der Geheime Rat folgt dem Antrag, doch soll die Weisung an das Generalkommissariat anders als vorgeschlagen formuliert werden.

7. Über die nachträgliche Vorstellung der Gemeinde Dörlbach et Consortes contra die Gemeinde Rosch2184 wegen Hutwaasen2185 Vertheilung erstatteten Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs schriftlichen Vortrag, und bemerkten, daß, da der von diesen Gemeinden in dieser Vorstellung wegen dem Maaßstabe der Theilung in Anregung gebrachte Streit noch nicht von der zweiten Instanz dem General Kommißariate [des Rezatkreises] instruiret, von dem königlichen geheimen Rathe noch nicht entschieden werden könne, wie dieses über einen Punkt Ihrer Beschwerden nämlich hinsichtlich der streitigen Grenzen geschehe.

Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs machten daher den Antrag, die Vorstellung dem General Kommißariate mit dem Bedeuten zuzusenden, daß dieses Gesuch der Gemeinde zur Zeit noch nicht zum königlichen geheimen Rathe geeignet.

In Folge verfügter Umfrage erklärten sich alle Herrn geheimen Räthe dafür, daß diese Vorstellung an das General Kommißariat nicht in der Art, wie Referent angetragen, sondern zur geeigneten Verfügung übersendet werden {9r} werden [!] solle, indeme dadurch das General Kommißariat den nöthigen Wink erhalte, die von demselben noch nicht geschehene Instrukzion und Entscheidung des weitern Punktes der Beschwerden besagter Gemeinde wegen dem Maaßstabe der Theilung zu veranlaßen, auch wenn es daßelbe für nothwendig finde, der ersten Instanz die zu Erreichung dieses Zwekes noch weiters erforderliche Aufträge zu ertheilen.

Nach diesem Schluße der Mehrheit wurde dieser Gegenstand von dem königlichen geheimen Rathe entschieden2186.

Der König genehmigt die Beschlüsse des Geheimen Rates; zugleich beauftragt er Freiherrn v. Aretin, einen Vortrag über die vom Staats- und Konferenzminister Reigersberg zu TOP 4 aufgeworfene Frage zu erstatten, „ob bey versäumten Fatalien und bei schlechten Materialien die Abweisung ex desertione erfolgen oder ob die restitutio dieser Abweißung vorhergehen solle“ (5. Januar 1813).

Anmerkungen

2163

Oppertshofen, Ortsteil von Tapfheim, Landkreis Donau-Ries, Schwaben.

2164

Ohmet (Öhmt, Öhmd) ist das Heu des zweiten Schnitts (das Grummet). DWB Bd. 7, Sp. 1201 s.v. O.; Bd. 4 I 6, Sp. 637f. s.v. Grummet.

2165

Albrecht Ernst II. Fürst v. Oettingen-Oettingen (1669-1732).

2166

VO betr. die „Erklärung einiger Kultur-Verordnungen“ vom 15. März 1808, RegBl. 1808, Sp. 677-680.

2167

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1813, Sp. 92.

2168

Mitteleschenbach, Landkreis Ansbach, Mittelfranken.

2169

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1813, Sp. 92.

2170

Gersbach, Ortsteil von Mitteleschenbach, Landkreis Ansbach, Mittelfranken.

2171

Contumacia (Ungehorsam) meint „[j]ede Nichtvollziehung einer, rücksichtlich eines einzelnen Rechtsstreites, befohlenen Handlung“. In der Rechtspraxis relevant war etwa das Nichterscheinen des Verklagten zum angesetzten Gerichtstermin oder die Weigerung, in die Verhandlung einzutreten bzw. diese später fortzusetzen. Vgl. Linde, Lehrbuch, § 175, Zitat S. 236; Schildt, Art. Ladungsungehorsam, in: HRG2 Bd. 3, Sp. 399f.

2172

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1813, Sp. 93.

2173

Markt Dürrwangen, Landkreis Ansbach, Mittelfranken.

2174

Vgl. Protokoll Nr. 89 (Geheimer Rat vom 8. Oktober 1812), TOP 5.

2175

Die restitutio in integrum ist in CJBJ, Kap. 16, S. 112-115, geregelt.

2176

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1813, Sp. 93.

2177

Vgl. RegBl. 1813, Sp. 93: Baierbach (heutige Schreibung: Peuerbach, Politischer Bezirk Grieskirchen, Oberösterreich), Landgericht Waizenkirchen (heute: Pol. Bez. Grieskirchen, ), Unterdonaukreis. Das Landgericht Waizenkirchen wurde 1810 nach dem Erwerb des Inn- und Hausruckviertels formiert. RegBl. 1810, Sp. 1401; HBÄGG, S. 610

2178

Lohleder entsteht als Produkt der Gerber (Rot- oder Lohgerber), die Leder mit Lohe gerben. Vgl. DWB Bd. 12, Sp. 1131 s.v. L.; Reith, Gerber.

2179

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1813, Sp. 93.

2180

Abhütung bezeichnet das Abweiden lassen von Wiesen und Äckern durch das Vieh. DWB Bd. 1, Sp. 58 s.v. abhüten.

2181

Krettenbach, Ortsteil von Markt Oberscheinfeld, Landkreis Neustadt a.d. Aisch-Bad Windsheim, Mittelfranken.

2182

Vgl. Protokoll Nr. 70 (Geheimer Rat vom 21. Mai 1812), TOP 1; Protokoll Nr. 89 (Geheimer Rat vom 8. Oktober 1812), TOP 2.

2183

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1813, Sp. 93.

2184

Dörlbach, Ortsteil von Burgthann; Rasch, Ortsteil von Altdorf bei Nürnberg, Landkreis Nürnberger Land, Mittelfranken.

2185

Wasen bezeichnet im vorliegenden Zusammenhang einen Anger bzw. eine Wiese, auch eine Rasenfläche oder ein Rasenstück. Vgl. DWB Bd. 27, Sp. 2276-2285; BWB Bd. 2, Sp. 1017f. s.v. W.

2186

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1813, Sp. 93.