BayHStA Staatsrat 174

14 Blätter. Unterschriften des Königs und der Minister. Protokoll: Baumüller.

Anwesend:

König Max Joseph.

Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Morawitzky; Hompesch.

Geheime Räte: Graf v. Preysing; Ignaz Graf v. Arco; Graf v. Toerring-Gutenzell; v. Zentner; Johann Nepomuk v. Krenner; Freiherr v. Stengel; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; Schenk; Freiherr v. Asbeck; Feuerbach.

Fideikommißrecht

Johann Nepomuk Krenner trägt über einen Streitfall zwischen Anton Freiherr von Stingelheim und Casimir Freiherr von Streit vor. Stingelheim ist der Ansicht, das Edikt über den Adel berechtige ihn, eine dem Freiherrn von Streit seit 1781 ausgereichte Unterstützungszahlung fortan einzubehalten. Da nach Ansicht Krenners das entsprechende Legat wohl auf dem Allodialbesitz, nicht auf dem Fideikommiß haftet, wird Stingelheim angewiesen, die Zahlungen fortzusetzen.

{1v} 1. Der königliche geheime Rath von Krenner der ältere legte mit Seiner Majestät allerhöchster Erlaubniß abermals einen Vortrag ab, welcher sich durch die jüngsthin genommenen Beschlüße hinsichtlich der Familien Fideikommiße erledigen müße.

Der Thatbestand sei Folgender. Auf der freiherrlich Stingelheimschen Herrschaft Schönberg hafte ein Legat von jährlichen 600 fl., welche den Konvertiten gereicht werden sollen, durch eine testamentarische Verfügung vom Jahre 1753. Es seie jedoch nicht hergestellt, ob es auf dem Fideikommiß oder auf dem Allode hafte. Das Lezte habe Georg Freiherr von Stingelheim anno 1781 behauptet. Inzwischen genieße ein sicherer Casimir, Freiherr von Streit, ein alter des Augenlichtes beraubter Mann, seit 1781 bis 1806 von diesem Stingelheimschen Legate jährlich 100 fl., und der dermalige Besizer Freiherr Anton von Stingelheim habe ihm seit leztem Jahre noch 50 fl. zugelegt. Es wäre ihm anfänglich das Versprechen ertheilt worden, {2r} daß wenn das zu dieser Stiftung determinirte Allod vom Fideikommiß Quotum gesöndert sein würde, und der Fall eintrete, daß Freiherr von Stingelheim oder seine Successores in der Herrschaft Schönberg die sogenannten Konvertiten-Gelder völlig hinausbezalen müße, er dem Baron von Streit sonach 200 fl. bezalen würde.

Nach der Erscheinung des königlichen Ediktes über den Adel1352 jedoch habe sich Freiherr von Stingelheim berechtigt geglaubt, dem Freiherrn von Streit die jährlich genoßene 150 fl. wirklich einzuziehen, dagegen habe dieser sich mit Rekurs an des Königs Majestät gewendet und gebeten, ihn bei dem ferneren Genuße seines Stipendiums, wie er es nennt, zu handhaben, und nebst dem Grunde seiner Armuth auch noch den angeführt, daß durch den § 69 des Ediktes über den Adel1353 unmöglich auch legirte bloße Alimente für aufgehoben angesehen werden könnten.

Geheimer Rath von Krenner stellte vor, daß der Rekurrent seit 28 Jahren im Besize der fraglichen Alimente sei, und könne {2v} aus demselben nicht anders als durch Exceptiones altioris indaginis entfernt werden. Diese Exceptionen seien jedoch durch die in dem vorlezten geheimen Rathe ausgesprochene Leuterazions-Grundsäze des Ediktes über den Adel ganz hinfällig1354, denn die bemerkte Stiftung bleibe immer eine Alimenten-Stiftung. Man wiße überdieß nicht einmal, ob der gegenwärtige Rekurs mit dem Edikt über die Fideikommiße zusammen hänge, weil vielmehr diese Stiftung auf dem Schönbergschen Allod zu haften scheine.

Nach dieser Darstellung verstand sich der versammelte geheime Rath mit dem Antrage des Referenten, und dieser

wurde von Seiner Königlichen Majestät genehmigt: daß dem einschlägigen General Kommißariat aufgetragen werden solle, dem Anton Freiherrn von Stingelheim zu bedeuten, daß er a) den Freiherrn Casimir von Streit im Besize seiner bisherigen jährlichen Alimentazion zu 150 fl. ohne geringste Weigerung vor der Hand zu belassen; b) dann innerhalb 4 Wochen {3r} nach Empfang der gegenwärtigen Weisung sich durch eine Paritions Anzeige unter Vermeidung ernstlicher Ahndung zu legitimiren habe, wie er den Freiherrn von Streit in diesen seinen Forderungen hinsichtlich der Ausstände zufrieden gestellt habe, und endlich c) zugleich mit dieser Paritions Anzeige verläßige Abschrift der vollen fideikommißarischen Disposizion über die Herrschaft Schönberg vom Jahre 1753 vorlegen solle.

Von dieser Verfügung solle dem Freiherrn von Streit zu seiner Beruhigung Nachricht gegeben werden1355.

Rechte der Landsassen in der Oberpfalz

Der Erlaß der Konstitution vom 1. Mai 1808 hat die Frage aufgeworfen, wie die hergebrachten Rechte des oberpfälzischen Landadels zu behandeln sind. Aretin stellt zunächst in einem historischen Rückblick dar, wie sich die Rechte der Landsassen in der Oberpfalz entwickelt haben. Er unterscheidet drei Perioden und prüft insbesondere die Freiheitsbriefe von 1527, 1567, 1579 und 1629 im Hinblick auf die jeweils verliehenen Rechte. Ferner stellt er heraus, daß 1783 die Landsassenfreiheit zu einem persönlichen Privileg erklärt wurde, ein auch nach 1799 stets betonter Grundsatz. Aretin weist darauf hin, daß seit langem zwischen Adel und Regierung keine Übereinstimmung über den Umfang der Rechte herrschte. Nun ist durch die Edikte über die Patrimonialgerichtsbarkeit und die gutsherrlichen Rechte eine grundsätzliche Änderung eingetreten. Die Lehen- und Hoheitssektion (MA), die Polizeisektion (MInn) sowie das Finanzministerium betonen, daß staatsrechtliche Sonderregelungen einzelner Provinzen nicht mehr gelten. Auszugehen ist allein von den neuen Edikten, die hinsichtlich der Gerichtsbarkeit auf die ungestörte Ausübung abheben. Montgelas ist, wie Aretin referiert, anderer Ansicht: Die Normen der neuen Edikte können nur bei jenen Gutsbesitzern angewendet werden, die vorher bereits die Gerichtsbarkeit rechtmäßig ausgeübt haben. Aretin arbeitet hingegen als Grundsatz heraus, daß vormalige Rechtszustände keine Bindewirkung haben können. Der Frage, ob Rechte von Landsassen real oder personal waren, kommt keine Bedeutung mehr zu. Von Interesse ist nur, ob die Rechte unangefochten besessen werden. In namentlicher Abstimmung erklären beinahe alle Geheimen Räte, daß sie mit Montgelas in rechtlicher Hinsicht übereinstimmen. In politischer Hinsicht jedoch folgen sie der Ansicht, wonach die Oberpfalz wie die anderen Landesteile entsprechend der Konstitution zu behandeln ist. Montgelas kritisiert diesen Standpunkt. Der König beschließt, daß die Oberpfalz konstitutionsgemäß zu behandeln ist. Landsassen, die sich im ruhigen Besitz von Rechten befinden, sollen sich weiterhin der entsprechenden Wirkungen erfreuen. Sollten Gerichtsbarkeiten schon eingezogen worden sein, behält sich der König die Einzelfallprüfung vor.

2. Der nun von dem königlichen geheimen Rathe Freiherrn von Aretin zu behandelnde Gegenstand betraf die Verhältniße der Landsaßen-Freiheit in der vormaligen Provinz der obern Pfalz, und die Frage, in wie weit dermal noch die vorigen staatsrechtlichen Verhältniße des oberpfälzischen Landadels in Untersuchung zu nehmen und in Anwendung zu bringen seien. Freiherr von Aretin erinnerte, daß seit der Erscheinung der neuen {3v} Reichs Konstituzion diese Frage sehr lebhaft zur Sprache gekommen, und bei den verschiedenen Ansichten der Beschluß gefaßt worden sei, das Gutachten des geheimen Rathes zu erholen und so seie diese Sache mit den Akten demselben zum Vortrage zugekommen1356.

Referent stellte die Geschichte der oberpfälzischen Landsaßen Verhältniße dar, und zwar in 3 Perioden, der ersteren von 1527–1628, der zweiten von 1628–1777 und der dritten von 1777 bis auf die neueste Zeiten1357.

Er zeigte, wie in der ersten Periode durch die Freiheits Briefe Churfürst Ludwig V und Pfalzgraf Friedrich II die oberpfälzische Ritterschaft ihre alte Edelmanns Freiheiten, Gebräuche, Rechte p. bestätiget, und noch die Bewilligung erhalten, daß jene derselben, welche Güter von Prälaten, Bürgern oder Bauern erblich an sich kaufen, bei Edelmanns Freiheiten und Gerechtigkeiten mit diesen Gütern unbeschwert sollen gelaßen werden1358.

Die oberpfälzische Ritter seien hiernach von Steuern, Umgeld und Scharwerk befreit, und zur Musterung {4r} Reis, Steuerkollectazion, Schaarwerk ihrer Hintersaßen berechtigt gewesen; einige hätten durch Belehnung oder durch Konzeßion oder durch altes Herkommen, theils blos die niedere Gerichtsbarkeit, theils auch den Blutbann beseßen. Von dem Bräu- Schank- Tafern-Rechte p. laße sich nichts bestimmen. Das Jagdrecht seie keine regelmäßige Zugehör eines Landsaßen Gutes gewesen, einige hätten es jedoch durch Herkommen oder besondere Konzeßion gleichfalls beseßen.

In den Jahren 1567 und 1579 seien diese Freiheiten in Bezug auf Gerichtsbarkeit und Jagdrecht beträchtlich erweitert worden1359. Freiherr von Aretin sezte diese Erweiterung näher auseinander. Dagegen seie durch ein Edict vom Jahre 1598 die oberpfälzische Edelmanns-Freiheit auf einschichtigen Gütern in der Art beschränkt worden, daß sie sich auf die neu erworbene Güter nur dann erstreken sollte, wenn diese Güter aus gefreiten in ungefreite Hände gekommen waren1360. Es wurden die damaligen Bedingungen der oberpfälzischen Landsaßenfreiheit näher entwikelt {4v} und gezeigt, daß es nach dem Jahre 1579 immer so gehalten worden, daß kein Unbefreiter ohne landesherrliche Konzeßion zu Ausübung der Landsaßenfreiheit auf den Landsaßen-Gütern zugelaßen worden, und in der Willkühr des Landesherrn gestanden sei, den unbefreiten Käufer eines Landsaßen-Gutes als Landsaßen aufzunehmen oder nicht.

In der zweiten Periode habe sich durch Churfürst Friedrich des V Achterklärung und die darauf erfolgte kaiserliche Okkupazion die Lage der oberpfälzischen Ritterschaft so geändert, daß ihre Privilegien als erloschen angesehen worden seien, die Landschaft sei aufgelöst worden1361. Im Jahre 1629 hätten die Ritter von Churfürst Max I in Baiern neue, jedoch nur mit Aufhebung der Landschaft verträgliche Privilegien erhalten. Es seie ihnen die Edelmannsfreiheit und niedere Gerichtsbarkeit, wie sie sie vorher unter pfälzischer Regierung hatten, das kleine Waidwerk, der achte Pfenning Umgeldes bei den Tafernen der Landsaßen, dann die Umgelds-Befreiung von dem Bier, {5r} welches sie zur Kaufnothdurft verbrauchten, verliehen worden, dagegen erhielten diese Privilegien nur solche vom Ritter- und Adel-Stande, welche der Churfürst für solche erkennen würde, und welche in eine besondere Matrikel eingetragen werden sollten1362. Inzwischen durfte keinem neuen Besizer der Landsaßen Güter die Hofmarks-Gerechtigkeit ohne erholte landesfürstliche Erklärung gestattet werden. Später sei der Landsaßen-Abtrag bei den landesfürstlichen Konzeßionen der Landsaßen Freiheit suspendirt, jedoch der Vorbehalt der landesfürstlichen Genehmigung bei Kaufhandlungen über Landsaßen-Güter bei Kraft erhalten worden. Im Jahre 1694 seie der erwähnte Abtrag wieder eingeführt und dabei erklärt worden, daß in der obern Pfalz die Edelmanns-Freiheit und das davon abhangende Privilegium der Umgelds Befreiung kein jus reale sondern pure personale sei, und es seien im Grundsaze jene bestimmt worden, welche sich {5v} deßelben zu erfreuen haben sollten1363.

Eine neue Gestalt erhielt das Landsaßenwesen der obern Pfalz in der 3ten Periode, wo nämlich Churfürst Carl Theodor in die baierische Staaten succedirte1364. Hier seie in Ansehung der landesherrlichen Gerechtsame der Grundsaz aufgestellt worden, daß sie in der obern Pfalz nach dem Maaßstabe, wie ante motus bohemicos, behandelt werden solle1365. Sechs Jahre ungefähr nachher seie die pragmatische Verordnung erschienen, nach welcher die altpfälzische Resoluzion über die Freiheiten der Ritterschaft vom Jahre 1579, dann die baierischen Dekrete, Freiheiten und Deklarazionen von den Jahren 1629, 1694 und 17591366 miteinander bestätiget, und die oberpfälzische Landsaßenfreiheit als ein Privilegium mere personale erklärt worden sei1367.

Schließlich entwikelte Freiherr von Aretin noch die Grundsäze der dermaligen Regierung in Hinsicht der Landsaßen-Verhältniße, wo der Grundsaz der Persönlichkeit {6r} der oberpfälzischen Landsaßen Freiheit stetshin behauptet wurde1368. So kam es, daß nach diesen Grundsäzen mehrere Landsaßen-Freiheiten eingezogen worden, und mit dem Verlust derselben seie auch die Jagdbarkeit, so wie die Gerichtsbarkeit, die Scharwerke, wenn sie nicht grundherrliche Frohnen waren, die Umgelds-Freiheit und die Steuer-Privilegien eingezogen worden.

Referent bemerkte übrigens jederzeit geeigneten Orts, wie in allen erwähnten Perioden die statt gehabten theils ausdehnende theils beschränkende Abänderungen in den Landsaßen Verhältnißen so mancherlei Ansichten und solche Dunkelheit herbeigeführt hätten, daß einerseits von Seite der Begüterten die anmaßendsten Ansprüche und von Seite der Regierung die ungeeignetesten Verfügungen erfolgt seien. Die nunmehrige Konstituzion des Reichs und die darauf erfolgten Edikte über die Patrimonial-Gerichtsbarkeit und die gutsherrlichen Rechte haben nun auch ganz andere {6v} Verhältniße der Landsaßen in der obern Pfalz herbeigeführt1369. Bei der Lehen- und Hoheits Section des auswärtigen Ministeriums, wo die Landsaßen Verhältniße der obern Pfalz bald zur Sprache gekommen seien, wäre man einstimmig der Meinung gewesen, daß nunmehr ein besonderes Provinzial Staatsrecht keine Anwendung mehr finden könne, sondern nur die neuere Edikte, welche gewißermaßen den Besizstand rüksichtlich der Gerichtsbarkeit aus persönlichen Privilegien zum Grunde legen, als Maaß Stab anzunehmen sei.

Von gleichen Grundsäzen seie bei der Polizei Section des Innern, als von der Frohnpflichtigkeit der Unterthanen vormaliger Landsaßen-Güter die Rede war, ausgegangen worden. Auch das Finanz Ministerium habe Zweifel erhoben, ob rüksichtlich der Jagdgerechtsame der Landsaßen noch die vorigen Grundsäze statt fänden.

Referent entwikelte weitläufiger die von der Hoheits Section aufgestellte Grundsäze {7r} welche man dem Ministerium der Finanzen vorlegen wollte1370. Der Staats Minister Freiherr von Montgelas war jedoch einer ganz andern Meinung. Derselbe glaubte, daß das Edict über die künftige Verfaßung der Patrimonial-Gerichte nur bei jenen Gutsbesizern seine Anwendung finden könne, welche die Gerichtsbarkeit rechtmäßig hergebracht hatten. Seine Majestät hätten blos bestimmen wollen, auf welche Art diejenige dieses Recht ausüben sollten, welchen es rechtlich zustehe, nicht aber schon angefangene Prozeße niederschlagen oder den vorher Unberechtigten ein Recht einräumen wollen. Darnach hätte die Patrimonial-Gerichtsbarkeit auch ipso facto aufzuhören, wo die normalmäsige Zahl der 50 Familien nicht auszumitteln sei1371, und da wo diese Herstellung neuerlich geschehen könne, müßte vor allem das Recht zur Ausübung der Gerichtsbarkeit untersucht und nach den bis jezt bestandenen Grundsäzen entschieden sein1372.

Nach wiederholtem Vortrag {7v} über diesen Gegenstand war die Hoheits Section abermals der Meinung, daß nach dem Sinne der erwähnten Edikte von den bisherigen Provinzial-Verfaßungen, wenn auch mit Aufopferungen, ganz abgegangen und blos bei dem dermaligen ruhigen Besize stehen geblieben werden mögte1373.

Referent trug nunmehr seine eigenen Ansichten vor, welche sich mit jenen der Hoheits Section vereinigten, und stellte sie in nachfolgenden Säzen zusammen1374.

a) Durch die Konstituzion seien alle besondere Verfaßungen und Privilegien der Provinzen aufgehoben und bestimmt worden, daß das ganze Reich nach gleichen Grundsäzen verwaltet werden solle1375. b) Demnach könne für die vormalige obere Pfalz kein abgesöndertes Staats Recht bestehen. c) Die Edikte über die Patrimonial Gerichtsbarkeit dehnen ihre Bestimmungen über den Umfang des ganzen Königreichs aus, ohne einen Theil desselben auszuschließen {8r} oder zu beschränken1376. d) Darnach haben auch in der vormaligen obern Pfalz nur diese Bestimmungen zu gelten. e) Und darnach müßen auch in der vormaligen oberen Pfalz rüksichtlich der befraglichen Rechte die Normen aus dem ruhigen und unbestrittenen Besize genommen werden, ohne mehr in die Frage einzugehen, ob die Landsaßiats-Befugniße Real- oder Personal-Rechte gewesen. f) Jene Patrimonial-Gerichtsbarkeit, Jagden und Schaarwerke aber, die zur Zeit nicht ruhig beseßen worden, seien noch weiter nach den bisherigen Grundsäzen zu behandeln, die bereits begonnenen Prozesse fortzusezen, und besonders die Schaarwerks Rechte bei den Landsaßen-Gütern, wo das Landsaßen-Privilegium bereits eingezogen worden, durch den Kron-Fiskal zu vindiziren1377.

Hierauf bemerkte Freiherr von Aretin, {8v} in der vereinigten geheimen Raths Section, wo nämlich die geheimen Räthe des Innern der Finanzen und der Justiz zusammengetreten waren, hätten sich alle Stimmen dahin verstanden, daß nach dem Antrage der Hoheits Section die obere Pfalz ganz gleich mit allen Theilen des Königreichs nach der Konstituzion und ihren näheren Bestimmungen behandelt werden sollte, es wurde aber durch Mehrheit der Stimmen noch darauf angetragen, daß die bereits seit dem Antritte der gegenwärtigen Regierung eingezogene Gerichtsbarkeiten restituiret werden sollten, und zwar alle von dem Antritt der dermaligen Regierung an.

Seine Königliche Majestät ließen hierauf die sämmtlichen geheimen Räthe einzeln abstimmen.

In rechtlicher Hinsicht erklärten beinahe alle sich für die von dem königlichen Staats Minister Freiherrn von Montgelas abgegebene Meinung, allein in politischer Hinsicht alle für den Antrag der Section, es seie nämlich die obere Pfalz ganz so {9r} wie alle andere Theile des Königreichs nach der Konstituzion zu behandeln, und die inzwischen eingezogene Gerichtsbarkeit zu restituiren. Als Normal-Jahr hiezu waren 5 Stimmen für den 13ten Mai 17791378, die Mehrzahl aber für das Jahr des Antritts der gegenwärtigen Regierung1379.

Freiherr von Montgelas erinnerte wiederholt dagegen, daß er als Staats-Minister nicht hiezu anrathen könne, indem Seine Majestät sonst durch einen solchen Beschluß sich kompromittiren und Regierungs Handlungen unter andern Gesichtspunkten ganz rechtlich ausgeübt, hierdurch als unrechtliche Verfügungen erscheinen würden.

Seine Königliche Majestät haben hierauf den Ausspruch folgender Gestalt gethan: Es solle im Allgemeinen dem General Commißariat des Nab-Kreises die allerhöchste Willensmeinung dahin eröfnet werden, die bisherige obere Pfalz seie ganz nach den Bestimmungen der Konstituzion und der darauf erfolgten Edikten zu behandeln, wornach die Landsassen {9v} welche bei Gründung dieser Konstituzion im ruhigen Besize sich befunden haben, aller Vortheile derselben sich zu erfreuen haben sollen. Bei jenen, welchen früher die Gerichtsbarkeit auf ihren Besizungen eingezogen worden, wollen Seine Majestät bei einzelnen Reklamazionen derselben sich Vortrag erstatten laßen, und behalten sich sonach vor, im Wege der Gnade sie an den Vortheilen der Konstituzion und der Edicte theilnehmen zu laßen.

Ablösung einer Servitut gegen Entschädigung

Vortrag Arco: Gegenstand ist die Berufung der Gemeinde Ruffenhofen gegen einen Spruch des Generalkommissariats des Oberdonaukreis. Auslöser war die Forderung einiger Wiesenbesitzer gewesen, den Bezug von Ohmat durch die Gemeinde gegen Entschädigung abzulösen, um so in den vollen Genuß ihres Eigentums zu kommen. Nach Abschreiten des Instanzenweges entschied das Generalkreiskommissariat, daß die Wiesenbesitzer zu einer Entschädigungszahlung verpflichtet seien. Ferner setzte es die Höhe der Zahlung fest. Dagegen ging die Gemeinde in die Berufung. Arco beantragt, der Gemeinde 3/10 des betreffenden Grundes als Entschädigung zuzuweisen. Die Mehrheit der Geheimen Räte folgt dem Antrag nicht, sondern beschließt eine Entschädigung in Höhe von einem Drittel des Grundes.

3. Der königliche geheime Rath Graf Carl von Arco erstattete Vortrag über einen Rekurs der Gemeinde Ruffenhofen im Oetting Spielbergschen Amte Aufkirchen gegen mehrere Wießenbesizer wegen Ohmatgenuß1380. Derselbe stellte Folgende in kurzem gefaßte Prozeß-Geschichte dar.

Einige auswärtige Bauern besäßen in der Flur obgenannter Gemeinde 14½ Tagwerk Wießen, wovon sie jedoch nur das Heu benüzen, das Ohmat aber der Gemeinde Ruffenhofen gehört. {10r} Im Juli 1807 hätten sie bei der Justizkanzlei zu Oettingen verlangt, in den vollen Genuß ihres Eigenthums gesezt zu werden, und sich mit der Gemeinde Ruffenhofen wegen dem Ohmatgenuß durch ein zu bestimmendes Ohmatgeld abzufinden. Nach erholtem Bericht habe die Justizkanzlei erachtet, daß die Wießen-Eigenthümer nach den Kultur-Gesezen allerdings befugt seien, die Befreiung ihres Eigenthums von der darauf haftenden Servitut gegen Entschädigung der Servitut-Inhaber zu verlangen. Bei der deßhalb festgesezten gemeinschaftlichen Commißion in Ruffenhofen erboten sich die Wieseneigenthümer zu einer jährlichen Abgabe von 3 fl. 30 kr. vom Tagwerk. Die Gemeinde Ruffenhofen habe sich jedoch geweigert sie anzunehmen, sondern um richterliche Entscheidung gebeten. Hierauf habe die Commißion den Wießenbesizern sogleich den vollen Genuß ihres Eigenthums eingeräumt, der Gemeinde Ruffenhofen jede Störung untersagt, und die weitere Entschädigungs Verhandlung einsweil ausgesezt. Inzwischen seien die Wießen durch {10v} Sachverständige geschätzt worden, deren Urtheil dahin ausfiel, die Wiesen seien alle gleich und das Tagwerk 400 fl. werth, würden aber, weil sie ohne die Ohmat Servitut beßer kultivirt werden könnten, 1/3 mehr folglich 600 fl. werth sein. Die Gemeinde Ruffenhofen habe 1/3tel des Genußes gehabt, weil das Heu auf den Herbstwießen erst um Jakobi, folglich viel später als auf den Ohmatwießen gemähet worden. Es könnte endlich dieser Genuß auf 9 fl. jährlich vom Tagwerk bestimmt werden.

Hierauf wurden die streitenden Theile vor die Justizkanzlei citirt, allwo sie jeder Theil für sich das Geeignete vorbrachten und wo sonach der Bescheid ertheilt wurde, die Wiesenbesizer könnten in den völligen Genuß ihres Eigenthums eintreten, müßten aber dagegen der Gemeinde Ruffenhofen eine Entschädigung an Grund und Boden und zwar durch Abtretung eines Drittheils von {11r} jedem Tagwerk leisten.

Als Entscheidungsgründe für Entfernung der Servitut und für die Gerechtigkeit einer Entschädigung seien die geeignete Kultur Verordnungen, und als Grund für das Quantum der lezteren die ordentliche Abschäzung angeführet worden.

Dagegen hätten die Wießen Besizer die Appellazion an die Kammer in Ansbach ergriffen, welche die Akten abgefordert, sie aber von der Justizkanzlei zu Oettingen nicht mehr erhalten, sondern diese leztere habe sie an das nachhin vorgesezte General Commißariat des Oberdonau-Kreises eingesendet.

Die Entscheidung des General Kommißariats seie dahin erfolgt: 1) daß der Bescheid 1ter Instanz in so weit zu bestätigen sei, als darin die Verbindlichkeit der Wießenbesizer zu einer Entschädigung an die ohmatberechtigte Gemeinde wegen Ablösung des Ohmatgenußes ausgesprochen werde. 2) In Rüksicht auf die Quantität der Entschädigung werde der Bescheid 1ter Instanz abgeändert, und diese auf 1/6 des Grund und Bodens festgesezt. 3) Da die bisher Servituts {11v} berechtigte Gemeinde selbst auf die Benuzung dieser Wießen zu offenen Zeiten keinen Anspruch mache, so verbleibe diese in Zukunft den respec. Wießen Eigenthümern.

Gegen diese Sentenz habe die Gemeinde Ruffenhofen zum königlichen geheimen Rathe appelirt und gebeten, das Urtheil primae durchaus zu bestätigen.

Der königliche geheime Rath Graf von Arco legte die an den geheimen Rath gebrachten Gründe der appelirenden Gemeinde vor, und dagegen die Entscheidungs Gründe des General-Kommißariats des Oberdonau Kreises, und gieng zu seinem eigenen Voto über. Da die Hauptfragen, daß die Gemeinde Ruffenhofen ihren Ohmatgenuß an die Wießen Eigenthümer zu überlaßen schuldig, dagegen vollständige Entschädigung zu fordern befugt sei, entschieden wäre, so käme es bloß auf Erörterung der Quantität der Entschädigung und der beiden andern Nebengegenstände an, über welche appellirt worden.

a) Es seie zur Bestimmung des Quanti der Entschädigung {12r} die Schäzung durch Sachverständige vorgenommen worden. Die Unterbehörde habe freilich den Fehler dabei begangen, daß die Partheien nicht mit beigezogen worden, auch zeige sich keine Spur, daß ihnen dieselbe nachhin bekannt gemacht worden wäre. Indeßen, da die Schäzung als Entscheidungs-Grund des erstrichterlichen Bescheides angeführt, in den Appellazionen aber dagegen nichts eingewendet worden sei, so müße sie als richtig angenommen werden, und der Entscheidung circa quantum des Ersazes zur Grundlage dienen. Die Justizkanzlei habe sich genau an die Schäzung gehalten und darnach 1/3tel an Grund und Boden als Entschädigung für die bisherige Servitut-Inhaber bestimmt. Das General Commißariat sei ohne nähere Angabe eines Grundes auf 1/6tel herabgegangen. Da jedoch der Gemeinde Ruffenhofen eine vollständige Entschädigung für den entgangenen Ohmatgenuß gebühre, so könne nur die Schäzung hiefür den Maaß Stab geben.

Das General Commißariat habe gegen die obenangeführte Schäzung {12v} nur das einzige mit Recht angeführt, daß bei Bestimmung des Werthes der Grund Stüke, nämlich mit der Servitut zu 100 fl. und ohne Servitut zu 600 fl. das Tagwerk ausdrüklich auf die Erhöhung, welche eine verbeßerte Kultur zur Folge haben würde, Rüksicht genommen worden sei, wobei richtig bemerkt worden, daß der aus einer nunmehr möglich gewordenen beßeren Anbauung hervorgehende Nuzen nur dem Eigenthümer zu Gute gehen müße, und der Servitut Inhaber nur den Ersaz des entzogenen Genußes fordern könne, daß es demnach unrecht gewesen sei, jene Rüksicht mit in die Schäzung aufzunehmen. Indessen ergäben sich aus den übrigen Angaben der Schäzung hinreichende Data zur Entscheidungs Bestimmung; es seie nämlich zur 4ten Frage der Werth des jährlichen Ohmat Genußes von einem Tagwerk auf 9 fl. angegeben. Dieses zu Kapital angeschlagen gebe einen Kapitalwerth von 180 fl. der zum Grundwert der ohne Servitut geschäzten Grundstüke per 600 fl. sich wie 3 zu 10 verhalte, so daß sich hieraus {13r} das Entschädigungs Quantum genau auf 3/10tel an Grund und Boden bestimme.

2.) Die Appellanten hätten sich beschwert, daß das General-Kommißariat des Oberdonau Kreises seine Sentenz auf alle Wießeneigenthümer erstrekt habe, da doch nur ein Theil derselben gegen den Bescheid erster Instanz appellirt habe, dieser also für die Nichtappellirenden in Rechtskraft erwachsen sei. Referent müße bemerken, daß das General Kommißariat dieses als richtig anerkenne, und sage, daß das Urtheil 2ter Instanz sich natürlich nur auf jene Appellanten welche in der dem Anwalde der Wießenbesizer ausgestellten Vollmacht unterzeichnet seien, erstreken könne.

3.) Die dritte Beschwerde der Appellanten seie, daß das General Kommißariat über den Genuß der fraglichen Wießen zu offener Zeit (vom 1ten Oktober bis 1ten April) welcher gar nicht im Streit befangen gewesen, entschieden, und die Beweidung zu dieser Zeit den Wieseneigenthümern, die sie weder verlangen noch benuzen können, zugesprochen habe. Es sei wirklich auch dieses richtig, {13v} denn dieser Punkt seie in erster Instanz gar nicht berührt worden, stehe mit dem Rechts-Streite in keiner wesentlichen Verbindung und die Partheien hätten sich selbst zu Protokoll erklärt hierüber nicht streiten zu wollen, und die Wießen-Eigenthümer in specie hievon nichts zu verlangen.

Unter diesen Ansichten und bei den genau geprüften Gründen stellte der Referent seinen Antrag: es mögte bei dem Spruche 1mae dergestalt belaßen werden, daß die Kläger und Appellanten über das erstrichterliche Erkenntniß schuldig und gehalten seien, der beklagten Gemeinde Ruffenhofen zur Entschädigung das ihr auf den Wießen der Kläger zuständigen Ohmat Genußes 3/10tel des eingeschäzten Grundes zu überlaßen compensatis expensis.

Die Mehrheit der Stimmen ging jedoch dahin, daß dieser unbedeutenden Differenz wegen es bei dem von der ersten Instanz ausgesprochenen 1/3tel belaßen werden möge, und hiernach wurde der Beschluß genehmigt

bei dem General Commißariat {14r} des Oberdonau Kreises folgendes Erkenntniß zu eröfnen: daß Seine Königliche Majestät es durchgängig bei dem Spruche der ersten Instanz, nämlich der fürstlich Oetting Spielbergschen Justizkanzlei d. do 1ten et sub 12en August 1808 bewenden laßen wollen. Compensatis expensis.

Genehmigung der Beschlüsse durch den König.

Anmerkungen

1352

Das „Edikt über den Adel im Königreiche Baiern“ vom 28. Juli 1808 wurde im Regierungsblatt Nr. 51 vom 14. September 1808 verkündet (RegBl. 1808, Sp. 2029-2044).

1353

Vollzitat: Nr. 43 (Geheimer Rat vom 24. August 1809), TOP 2.

1354

Vgl. ebd.

1355

Zum Fortgang: Nr. 59 (Geheimer Rat vom 19. Juli 1810), TOP 4.

1356

Aretin hatte die zur Ausarbeitung seines Vortrages einschlägigen Akten am 17. Januar 1809 erhalten; vgl. den „Allerunterthänigste[n] Vortrag. Die Patrimonial-Gerichtsbarkeit, Scharwerks- und Jagdrechte bei den ehemaligen Oberpfälzischen Landsassen-Gütern betr[effend], pag., 51 Seiten, [zwischen 26. August und 7. September] 1809, BayHStA MA 99501, hier S. 1 u. 48.

1357

Vgl. Aretins ausführliche Darstellung ebd., S. 1-31, §§ 1-32.

1358

1527 fertigten Ludwig V. der Friedfertige (1478-1544), seit 1508 Kurfürst von der Pfalz, und sein Bruder, Pfalzgraf Friedrich II. (1482-1556; 1544 Kurfürst) einen Freiheitsbrief für den landsässigen oberpfälzischen Adel aus. Darin wurden die – wohl mit der Landsassenfreiheit identische, aber nicht konkret bestimmte – Edelmannsfreiheit, das alte Herkommen und die nicht näher umschriebenen, offenbar als bekannt vorausgesetzten Rechte und Gerechtigkeiten des Adels bestätigt. Die Edelmannsfreiheit wurde dem Adel auch auf den von Geistlichen, Bürgern oder Bauern, also Nichtadeligen, gekauften Gütern eingeräumt. Druck der Urkunde bei [v. Linbrunn], Sammlung, Nr. 1, S. 1-3; dazu Ambronn, Landsassen, S. 4f., 17f.; Schmitz-Pesch, Roding, S. 263f.; Sagstetter, Adel (I), S. 171f. Nr. 57 (mit Abbildung der Urkunde).

1359

In der Resolution vom 8. April 1567 ([v. Linbrunn], Sammlung, Nr. 4, S. 11-44; Auszug: Gartner, Landsassenfreyheit, Nr. 32, S. 125f.) wurden Umfang und Inhalt der an den Hofmarken haftenden Gerichtsbarkeit näher umschrieben. Kurfürst Friedrich III. der Fromme (1515-1576; 1559 Kurfürst) konzedierte einleitend, „das hinfort die Hofmarckherrn, bey irer Gerichtbarkeit, wie Sie die ydes Orts hergebracht, und berechtiget seien, unbetrübt, unnd ungeirrt durch die Ambtleut und sonst meniglich von Seiner Churfürstl. Gnaden wegen, gelassen werden“. Vor allem aber stellte der Kurfürst fest, daß der Adel die hofmärkische Gerichtsbarkeit nicht nur auf seinen Hofmarken und den „ohne Mittel gehörigen Gründen“, sondern auch auf den einschichtigen Gütern ausüben durfte, wenn er sie „von Allter, und so lange Zeit, alls zu Recht genug, kundlich, ruig, unnd ofentlich hergebracht“. Ferner wurde den Hofmarksherren u.a. der kleine Wildbann bestätigt, sofern er „hergebracht“ oder eigens bewilligt worden war (Zitate: [v. Linbrunn], S. 26, 32, 35). Mit der Resolution von 1567 waren allerdings die Gravamina des Adels nicht beseitigt. Insbesondere wurde die Gleichstellung der Landsassengüter mit den Hofmarken nicht erreicht. Es blieb bei der juridischen Differenzierung in Hofmarken einerseits, Landsassengüter mit Edelmannsfreiheit, die die niedere Gerichtsbarkeit nicht einschloß, andererseits. Dies änderte sich durch die (gelegentlich als „Magna Charta des oberpfälzischen Adels“ bezeichnete) Resolution vom 13. Juli 1579 ([v. Linbrunn], Sammlung, Nr. 5, S. 45-70; Zitat: Ambronn, Landsassen, S. 14). Fortan verfügte die Ritterschaft „auff allen jhren Hofmärcken, Edelmannssitzen, Schlössern, Dörffern, und andern gantzen Corporibus und Hauptgütern, auch in deroselben gemarckungen, zwingen und bannen […] wie auch gleichfalls auff jhren einschichtigen gründen vnnd gütern“ über die Niedergerichtsbarkeit. Die terminologische Unterscheidung in Hofmarken und Landsassengüter blieb gleichwohl bestehen, doch war sie rechtlich so weitreichend eingeebnet, daß die Begriffe synonym verwendet wurden. Vgl. Köhle, Landesherr, S. 182-186; Müller-Luckner, Nabburg, S. 115f.; Ambronn, Landsassen, S. 12-15, 18-20; Nutzinger, Neunburg vorm Wald, S. 146-150; Schmitz-Pesch, Roding, S. 264f.

1360

Die Deklaration Kurfürst Friedrichs IV. (1574-1610; 1583 Kurfürst) vom 26. Februar 1598 (gedruckt bei [v. Linbrunn], Sammlung, Nr. 6, S. 71f., zit. S. 72, und bei Gartner, Landsassenfreyheit, Nr. 33, S. 127f.) stellte klar, daß dem Adel und den Landsassen die Edelmannsfreiheit nur auf den Gütern zustehen sollte, „so anfänglich in einer gefreyten hand, vnd also auch frey gewesen, vnd auß derselben in ein vngefreyte hand, nemlich eines Prälaten, Bürgers oder Bawren verändert, letzlich aber wider durch einen vom Adel oder Landsässen an sich erkaufft worden“. Damit sollte die „unkontrollierte[…] Vermehrung adeliger Güter mit niederer Gerichtsbarkeit“ unterbunden werden (Ambronn, Landsassen, S. 20).

1361

Nachdem Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz (1596-1632, reg. 1610), seit 1619 König von Böhmen, durch die gegen ihn am 29. Januar 1621 von Kaiser Ferdinand II. verhängte Reichsacht seiner Herrschaften entsetzt worden war, eroberte und besetzte Herzog Maximilian von Bayern im Auftrag des Reichsoberhauptes die Oberpfalz, die ihm in der Folge pfandweise überlassen wurde. Auf dem Regensburger Fürstentag wurde Maximilian am 25. Februar 1623 die pfälzische Kurwürde auf Lebenszeit übertragen. Mit Urkunde vom 4. März 1628 belehnte der Kaiser den Wittelsbacher und in dessen Nachfolge seine männlichen Erben mit der pfälzischen Kur; zudem verkaufte Ferdinand II. die heimgefallene Oberpfalz sowie die rechtsrheinischen Teile der Unterpfalz an Maximilian. Dies führte zur Aufhebung der landständischen Verfassung, denn der neue Landesherr erklärte noch im selben Jahr die korporativen Privilegien der Landschaft für erloschen. Maximilian legitimierte sein Vorgehen insbesondere mit dem Hinweis, der Kaiser habe auf dem Landtag von 1626 und bei der Erbhuldigung 1628 die Privilegien der Ritterschaft kassiert. Die persönlichen Privilegien und Freiheiten des Adels wurden indes 1629 von Kurfürst Maximilian wiederum bestätigt (siehe folgende Anmerkung). Vgl. mit jeweils unterschiedlicher Schwerpunktsetzung: Albrecht, Maximilian I., S. 502f., 535-537, 539-580, 603-607; Gotthard, Säulen des Reiches, Tlbd. 1, S. 100-105; Brockmann, Dynastie, S. 160-173, 206-233; Ambronn, Landesherr, S. 265f., 273, 277f.; Sagstetter, Adel (II), S. 318f., 322f.

1362

Mit dem „Gnaden-Brieff“ vom 28. November 1629 stellte Kurfürst Maximilian I. für den Adel der 1628 bayerisch gewordenen Oberpfalz, dessen (korporative) Privilegien er am 1. September 1628 für erloschen erklärt hatte, den status quo ante hinsichtlich der persönlichen Privilegien und Freiheiten wieder her ([v. Linbrunn], Sammlung, Nr. 18, S. 85-96; Aretin bezieht sich insbesondere auf Art. III, S. 86-92 [Edelmannsfreiheit, niedere Gerichtsbarkeit], Art. 6, S. 93 [kleines Waidwerk], Art. 13, S. 96 (Umgeld); weitere Drucke: MGS Bd. 4, Nr. VIII.3, S. 945-950; Gartner, Landsassenfreyheit, Nr. 40, S. 135-153; Ziegler, Altbayern, Nr. 281, S. 1035-1038). Dies galt allerdings nur für Personen „vom Ritterstand vnd Adl, welche Wir für solche erkennen werden“ ([v. Linbrunn], Art. III, S. 86). Der Kurfürst definierte „die Landsassenfreiheit insoweit als Personalrecht, das […] bei allen Veränderungsfällen, selbst bei Besitzübergang durch Erbschaft einer […] Bestätigung bedurfte“. Vgl. Müller-Luckner, Nabburg, S. 117f., Zitat S. 118; Schmitz-Pesch, Roding, S. 272-274; zum Kontext Barth, Adelige Lebenswege, S. 55-60.

1363

Die von Aretin angeführten Vorschriften sind der Resolution an die Regierung Amberg sowie der Umgeldordnung für die Oberpfalz vom 24. Mai 1694 zu entnehmen (gedruckt bei Gartner, Landsassenfreyheit, Nr. 47, S. 173-176, Nr. 48, S. 176-178; die Umgeldordnung auch in MGS Bd. 3, Nr. II.112, S. 316-326).

1364

Am 30. Dezember 1777 starb Kurfürst Max III. Joseph, worauf Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz in München zum Erben proklamiert wurde.

1365

Im engeren Sinn ist damit das „böhmisch-pfälzische Staatsgründungsexperiment“ (Bahlcke) bzw. – in anderer Wertung – der böhmische Aufstand zwischen dem Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618 und dem Sieg der Habsburger über das böhmische Ständeheer am Weißen Berg bei Prag am 8. November 1620 gemeint. Vgl. Bahlcke, Wird „Behemb ein Hollendisch goubernament“? – Der angeführte Grundsatz wurde in der Hofkammerordnung vom 16. August 1779 (MGS Bd. 1, Nr. II.83, S. 406-423) formuliert. Kurfürst Karl Theodor behielt sich daher alle Gerechtsame vor, die dem Kurhaus „vor den Böhmischen Unruhen in der obern Pfalz zugestanden sind, und wollen, daß alle und jede diesem Herzogthume anklebende alte Jura, soviel möglich, behauptet, und wiederum in Ausübung gebracht, auch davon ohne vorhörige Anfrage nicht abgegangen, sondern in allen Fällen, wo es um eine seither eingeschlichene widrige Observanz zu thun, nach Communikation mit der Landesregierung zur höchsten Stelle Bericht erstattet, und die gnädigste Resolution erwartet werden solle“ (§ 14, S. 414).

1366

Die Resolution betr. „Umgeldsbefreyungen des oberpfälzischen Adels“ vom 16. Juli 1759 (MGS Bd. 3, Nr. II. 20, S. 150) erinnerte daran, daß die Umgeldsbefreiung „als ein Privilegium mere Personale von Rechts wegen nur jenen allein zukommete, welche allschon in Anno 1631 tempore concessionis für adeliche Landsassen in Unseren oberpfälzischen Landen erkannt und angesehen gewesen“.

1367

„Pragmatische Verordnung das Landsassenwesen in der O[beren] Pf[alz] betr[effend]“ vom 17. September 1783, Gartner, Landsassenfreyheit, Nr. 55, S. 188-192.

1368

So z. B. in der Verordnung betr. die „Patrimonial-Gerichtsbarkeit in der oberen Pfalz“ vom 18. Juli 1806, RegBl. 1806, S. 267f.; auch bei Gartner, Landsassenfreyheit, Nr. 63, S. 200-202. – Weitere Quellen dieser Art konnte Aretin der in Landshut 1807 vorgelegten akademischen Qualifikationsarbeit Michael Gartners entnehmen, der seine Schrift über die „Landsassenfreyheit in der obern Pfalz“ dem publizistischen Erretter und Wiederhersteller „der verwahrlosten landesherrlichen Rechte in der obern Pfalz“ (S. [III]) Johann Georg Dominicus von Linbrunn (1714-1787) zueignete, der als kurbayerischer Münz- und Bergrat seinerseits 1782 mit einer „Sammlung einiger Urkunden, welche in die Landesverfassung des Fürstenthums der obern Pfalz einschlagen, und sich grossentheils verlohren haben“, hervorgetreten war.

1369

Aretin bezieht sich auf die Konstitution für das Königreich Bayern vom 1. Mai 1808, RegBl. 1808, Sp. 985-1000 sowie die Organischen Edikte über die Patrimonialgerichtsbarkeit vom 8. September 1808, ebd., Sp. 2245-2257 und über die gutsherrlichen Rechte vom 28. Juli 1808, ebd., Sp. 1833-1852.

1370

Einzelheiten der inner- und interministeriellen Diskussionen bei Aretin, „Allerunterthänigster Vortrag“, BayHStA MA 99501, S. 31-36, §§ 33-37.

1371

Das Organische Edikt über die „Patrimonial-Gerichtsbarkeit“ vom 8. September 1808 bestimmte in § 3: „Der Bezirk eines Patrimonial-Gerichts muß wenigst fünfzig Familien in sich begreifen“ (RegBl. 1808, Sp. 2246).

1372

Aretins Referat von Montgelas’ Ansichten ist verschriftlicht in seinem „Allerunterthänigste[n] Vortrag“, BayHStA MA 99501, S. 36f., § 38.

1373

Ebd., S. 37-40, § 40, eine eingehende Darlegung der Standpunkte der Hoheits- und Lehensektion.

1374

Vgl. ebd., S. 48-50, § 47.

1375

Konstitution für das Königreich Bayern vom 1. Mai 1808, Tit. I § 2 (RegBl. 1808, Sp. 987; AK Bayerns Anfänge, S. 325)

1376

OE „über die Patrimonial-Gerichtsbarkeit“ vom 8. September 1808, RegBl. 1808, Sp. 2245-2257; OE „über die gutsherrlichen Rechte“ vom 28. Juli 1808, ebd., Sp. 1833-1852.

1377

In der schriftlichen Vortragsfassung führte Aretin aus, er halte seine (Rechts-)Auffassung nicht nur für gerecht, sondern auch für politisch opportun. Denn es sei ratsam, „die oberpfälzischen Gutsbesizer, welche alle aus der neuen Verfassung entspringenden Lasten mit den übrigen theilen, auch von den Vortheilen derselben nicht auszuschliesen, und sie nicht zu einem Mißmuthe zu reizen“. Denn es bestehe die Gefahr, daß „in einer gefährlichen Kollision des individuellen Interesse mit den Gesinnungen des Patriotismus, eine so bedeutende Anzahl von Familien die Verfassung eines ihnen so nahen die gutsherrlichen Rechte so sehr begünstigenden Landes wie Böhmen, für ungleich wünschenswerther als die ihrige erkennen dürfte“. Dazu komme „die Erinnerung an die Epoche vor 100 Jahren […], wo (im Jahre 1708) die oesterreichische Administrazion sogleich die oberpfälzische Landschaft wieder hergestellt hatte. Man darf sich nicht verbergen, daß die Einwohner der obern Pfalz, welche in den Jahren 1800 und 1805 ihren patriotischen Eifer mit so ausgezeichneter Anhänglichkeit bethätiget haben in den gegenwärtigen Augenblicken nicht mehr den Schatten jenes regen Eifers zeigten, und daß eine nicht unbedeutende Parthei sich vielleicht nicht ungünstig für Oesterreich erklärt haben würde, wenn nicht das Kriegsglük alle diese Plane mächtig zernichtet hätte“ („Allerunterthänigster Vortrag“, BayHStA MA 99501, S. 50-52, § 48). Die Passage ging auf die „[a]llgemein“ geteilte Auffassung der Räte der Geheimratssektionen des Inneren, der Justiz und der Finanzen vom 26. August 1809 zurück; vgl. das entsprechende Sitzungsprotokoll, nicht paginiert, 6 Seiten, BayHStA MA 99501, hier S. 6.

1378

Datum des Friedens von Teschen, der am Ende des Bayerischen Erbfolgekrieges stand und den Beginn der Regierung Kurfürst Karl Theodors markierte.

1379

Das heißt: 1799.

1380

Ohmet (Öhmt, Öhmd) ist das Heu des zweiten Schnitts (das Grummet). Grimm/Grimm, Deutsches Wörterbuch Bd. 7, Sp. 1201 s.v. Ohmet; Bd. 4 I 6, Sp. 637f. s.v. Grummet: Online: URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=ohmet bzw. URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=grummet [24.7.2012].