BayHStA Staatsrat 277

19 Blätter. Unterschriften der Minister. Protokoll: Baumüller1742.

Anwesend:

Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Reigersberg.

Geheime Räte: Graf v. Preysing-Hohenaschau; Graf v. Toerring-Gutenzell; v. Zentner; Graf v. Thurn und Taxis; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; Freiherr v. Asbeck; Graf v. Welsberg.

Gutsherrliche Gerichtsbarkeit

Aretin setzt den Vortrag über die gutsherrliche Gerichtsbarkeit fort. Er setzt bei § 48 ein. Die Paragraphen 56, 58, 60, 72 und 82 werden eingehend diskutiert. Die Diskussion wird bis einschließlich § 100 geführt.

{1r} Da nach dem, bei der Abreise Seiner Majestät des Königs nach Baden erfolgten allerhöchsten Befehle die Sizungen des königlichen geheimen Rathes fortgesezt werden sollen, so wurde {1v} auf heute zur weiteren Berathung des Gesezes über die gutsherrliche Gerichtsbarkeit eine Plenar Versammlung unter Vorsiz Seiner Excellenz, des königlichen geheimen Staats- und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Montgelas angeordnet.

Diese wurde mit Ablesung des von Seiner Majestät dem Könige unterm 19. dieses Monats erlaßenen allerhöchsten Reskriptes eröfnet *Beilage I* [Marginalie], welches die Bestimmungen wegen der endlichen Berathung über das peinliche Gesezbuch enthält1743.

Hiernach wurden Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin aufgerufen, den Vortrag, in welchem man bei der lezten Sizung bis zum § 47 gekommen war, fortzusezen1744. Die Ordnung traf nunmehr den Wirkungskreis der Herrschafts-Gerichten erster Klaße in Hinsicht auf die Verwaltung in Kirchen- und Stiftungs-Sachen.

Auch hier ist die Declaration vom 19ten Mai [!] 18071745, das Edikt über die gutsherrlichen Rechte1746, die Instrukzion der General-{2r}Kreis Kommißariate1747 und die Instrukzion der General-Decanate1748 zum Grunde gelegt. Hiernach haben die erwähnten Herrschafts Gerichte die allerhöchste Verordnungen in Kirchen-Sachen zu vollziehen, und stehen hierin unter unmittelbarer Aufsicht der General-Kreis Kommißariaten, die nicht gerichtliche Konsistorial-Sachen der Protestanten werden durch die Mediat-Konsistorien, wenn der mediatisirte Herr nicht darauf verzichtet, forthin behandelt: die Konsistorial-Gerichtsbarkeit wird von den Justiz-Kanzleien der Mediatherrn, oder wenn sie auf das Recht der höheren Instanz renunziret haben, durch die königliche Appellazions-Gerichte ausgeübt. Die Herrschafts-Gerichte haben das Recht der Besieglung, Beschreibung und Verhandlung der geistlichen Verlaßenschaften so wie die königliche Landgerichte auszuüben.

Da bei diesen Normen, welche die §§ 48, 49, 50, 51 enthalten, nichts erinnert wurde

so erhielt die Faßung derselben {2v} die Beistimmung des königlichen geheimen Rathes1749.

§ 521750 und 531751. Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin bemerkten hiebei, daß zwar das Installazions Recht sonst ein Reservat gewesen, da aber die Herrschafts Gerichte auf eine höhere Stufe gehoben worden seien, und das erwähnte Recht nur aus Auftrag des Souverains auszuüben hätten, so habe man geglaubt, es ihnen belaßen zu müßen. Was die Patronats- und Ehren-Rechte beträfe, so seie das, was hier verordnet werde, bereits in der mehrmal gedachten Declaration, wo diese Rechte auch näher angezeigt worden, und in dem Edicte über die gutsherrlichen Rechte gelegen1752.

Hiernach wurde nach vorgängiger Umfrage gegen die Faßung der

beiden §§ 52 und 53 nichts erinnert.

Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin lasen nun die §§ 541753 und 551754 ab, welche {3r} die Verwaltung des Patrimonial Stiftungs Vermögens, des Kultus, der Erziehung und der Wohlthätigkeit betreffen.

Dieselben machten nicht nur bei dieser Materie auf ein besonderes Votum des Referenten der Hoheits-Section, sondern auch auf einen Antrag des königlichen geheimen Rathes, welcher während der Bearbeitung des Gegenstandes zur Lehen- und Hoheits-Section gekommen, aufmerksam. Sie hätten sich an diesen lezteren gehalten, und hiernach vor Augen gehabt, daß die Kuratel des Patrimonial Stiftungs Vermögens und die Haftung für daßelbe mehr den Gutsherrn obliege, als ihren Behörden. Der Beisaz inhaesiv hebe den Anstand, welchen die Section der Stiftungen wegen der Unterordnung der herrschaftsgerichtlichen Verwaltungs Behörden unter die General Kreis Kommißariate gehabt habe.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz {3v} Minister Herr Graf von Montgelas machten hiebei die Aeußerung, daß noch andere Anstände in der Praxis selbst sich ergeben würden, zum Beispiel, wenn Konkurrenzen zu Bildung des Central-Stiftungs-Fonds ausgeschrieben würden, seien wohl auch die Herrschafts Gerichte sodann verbunden, mit ihren etwaigen Überschüßen zu konkurriren?

Da auf diese Erinnerung bemerkt wurde, daß hievon noch besonders die Rede sein werde, so wurde ohne weitere Entgegnung

die Faßung der beiden §§ angenommen.

Nach dem § 561755 sollen die Überschüße des der Verwaltung der Gutsherrn anvertrauten Stiftungs Vermögens auf keine Weise mit dem unter der königlichen Administrazion stehenden Vermögen vermischt werden, die Gutsherrn haben jedoch die deßfalls festgesezte Prinzipien der Verwendung in analoge Anwendung zu bringen. Dieses leztere heißt, durch ein Beispiel erläutert, {4r} es soll auf ähnliche Art wie es bei den Stiftungen unter königlicher Administrazion geschieht, ein Fond, welcher Überschuß hat, einem andern Fond, welcher Mangel leidet, Aushülfe leisten.

Des Herrn Ministers Grafen von Montgelas Excellenz verfügten hierüber die Umfrage.

Des Herrn Ministers Grafen von Reigersberg Excellenz bemerkten, daß die Sache eigentlich das Ministerium des Innern betreffe, jedoch seien Sie der Meinung, daß der Haupt-Grundsaz, daß ein Stiftungs Fond nur für einen gewißen Distrikt bestimmt seie, bei allen königlichen Verwaltungen Anwendung finden müße, damit nicht eine offenbare Ungleichheit und Widersprüche in den Verwaltungs-Normen bestünden.

In Rückbeziehung übrigens auf den vorhergegangenen §, woselbst die monatliche Einsendung der Kaße-Extracte nachgesehen werde, und wo die Herrschafts Beamten in Betreff der Ausleihung {4v} der Kapitalien von ihrem Gutsherrn die Entschließung zu erholen angewiesen würden, müßten Sie wünschen, daß ausgedrükt seie, der Gutsherr als Kurator dürfe sich nicht selbst aus dem Stiftungs Vermögen leihen, dann seien Sie verstanden, wenn auch nur alle Jahre Rechnung abgelegt werde.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas fanden sich veranlaßt, in Kürze die Verfahrungs Art, wie es mit den Überschüßen der Stiftungen bei der General Administrazion, respective mit ihrer Einsendung gehalten wird, auseinander zu sezen. Der von des Herrn Justiz Ministers Excellenz angeführte Hauptgrundsaz werde hiernach in der Anwendung Schwierigkeiten finden. Der Reserve Fond, in welchen diese Überschüße flößen, seie eigentlich imaginär, und man dispensire häufig von der Einsendung in diesen Fond, weil viele Stiftungen von den Lokal Besizern rein für die Lokalität gemacht worden seien.

{5r} Was den Wunsch des Herrn Ministers Grafen von Reigersberg betreffe, daß vorgesehen werden mögte, daß die Gutsherrn sich selbst nicht aus den Stiftungen Anlehen machten, so seie dieses schon durch die bestehende Gesetze verboten. Übrigens müßten Sie bemerken, daß die Vorschrift im Allgemeinen bestehe, daß mit Stiftungs Anleihen die Mitglieder der Gemeinde, aus deren Stiftungen Geld zum Ausleihen da liege, gegen andere immer den Vorzug haben sollten.

Herr geheimer Rath von Krenner fanden zwar, daß der Nachsaz in dem der Berathung unterliegenden § 56 nicht in der geheimen Raths Sizung bestimmt ausgesprochen, folglich neu seie, allein dieses neue seie gut. Sie traten dem Wunsche des Herrn Ministers Grafen von Reigersberg Excellenz bei, daß Vorsehung geschehe, damit die Gutsherrn sich nicht selbst aus dem Stiftungs Vermögen Anleihen machten, und glaubten, dieses könnte dadurch am besten geschehen, wenn in Zukunft denselben kein solches Anleihen ohne Wißen des General- {5v} Kommißariats gegeben würde, jedoch mögte diese, allerdings gegen die Gutsherrn Mißtrauen aussprechende Maaßregel dem Edicte nicht beizusezen sein. Sie glaubten im übrigen die Faßung des § 56 zwekmäsig. Da auch von den übrigen Herrn geheimen Räthen keine Erinnerung gegen solche gemacht wurde

so wurde dieselbe nach dem abgelesenen Entwurfe beibehalten.

Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin giengen nun zu der Abtheilung Von der Verwaltung in Finanz-Sachen über. Bei dem § 571756 welcher das Verhältniß der Herrschafts Gerichten hinsichtlich der königlichen Stempel-Ordnung bestimmt

wurde keine Erinnerung gemacht.

§ 581757. Daß die Herrschafts Gerichte nur mit Einwilligung der Gutsherrn von den Finanz Directionen zu Erhebung der Steuern und übrigen Gefällen verwendet werden können, über diesen Punkt hatte schon in den Sizungen der vereinigten geheimen Raths Sectionen *Beilage II* [Marginalie] eine weitläufige {6r} Berathung statt1758, und des Herrn Staats Ministers Grafen von Montgelas Excellenz forderten den Herrn geheimen Rath von Zentner auf, das Resultat derselben abzulesen, wodurch die Frage beantwortet worden: ob die gutsherrlichen Beamten mit den fremdartigen Geschäften der Subcollectation der Abgaben zum Nachtheile ihrer Berufs-Arbeiten, für welche die Gutsherrn sie allein bezalten, für welche sie haften müßten, dennoch ohne ihre Bewilligung beauftragt werden können? Des Herrn Staats und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Montgelas Excellenz verfügten hierüber die Umfrage.

Des Herrn geheimen Staats und Konferenz Ministers Grafen von Reigersberg Excellenz äußerten, daß, so wie der § 58 gestellt seie, derselbe in seiner Faßung eben so wohl belaßen werden könnte als nicht. Die Herrschafts-Gerichte der ersten Klaße seien nunmehr den königlichen Landgerichten gleich gestellt, und was den Landgerichten übertragen seie, oder in der Folge übertragen {6v} werde, müßte auch den Herrschafts Gerichten übertragen werden können. Sie würden diesen § 58 lieber ganz weglaßen und nur das, was wegen der Nebenbeischlägen gesagt sei, beibehalten.

Herr geheimer Rath Graf von Preising stimmten aus den in der Sizung der geheimen Raths Sectionen vorgelegten Gründen für die Belaßung des § 58.

Herr geheimer Rath Graf von Törring erinnerten, daß mit der Subcollectation die Haftung verbunden seie, nebstdem daß ein großes Vorschuß Kapital gehalten werden müße, und daß es nicht gerecht erscheine, den Gutsherrn zu einer solchen Haftung zu zwingen. Sie glaubten deßhalb, den § 58 mit der in der geheimen Raths Sections Sizung verabredeten Faßung beibehalten zu müßen.

Herr geheimer Rath von Zentner theilten diese Ansicht, bezogen sich aber auf Ihre in der Sizung der vereinigten geheimen Raths Sectionen geäußerte besondere Meinung.

Herr geheimer Rath {7r} Graf von Tassis stimmten für die Faßung.

Herr geheimer Rath von Krenner hatten schon in der mehrmal genannten Sections Sizung den Vorschlag gemacht, den § 58 dahin abzuändern: „die Erhebung der Steuern richte sich nach den gegenwärtig schon bestehenden oder noch erfolgenden Normen“, damit den Bestimmungen, welche über die Subcollectation der Staatsgefällen noch getroffen werden könnten, nicht vorgegriffen würde. Sie glaubten auch heute noch, daß dieses die beste Faßung seie, wenn man den § 58 nicht ganz weglaßen wollte.

Herr geheimer Rath Graf von Arco waren der Meinung, es bei der Faßung zu belaßen, eben so Herr geheimer Rath von Effner, welche nicht glaubten, daß die fragliche Subcollectation dem Gutsherrn unter irgend einem Titel aufgedrungen werden könne; nicht der Natur der Sache nach, nicht als Ausfluß der ihme zugestandenen Jurisdiction, nicht als Mandatum.

{7v} Auch Herr geheimer Rath Freiherr von Asbek schloßen sich dieser Meinung an, während Herr geheimer Rath Graf von Welsperg sich auf jene des Herrn geheimen Rath von Krenner bezogen.

Nach der Stimmen Mehrheit

wurde beschloßen, die Faßung des § 58 beizubehalten.

Gegen die Faßung des § 591759

wurde keine Erinnerung gemacht.

Bei dem § 601760 bemerkten der vortragende Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin, daß schon bei der Berathung in der Lehen- und Hoheits Section mehrere Stimmen der Meinung gewesen, die Besorgung der gutsherrlichen Gefällen und Oekonomien durch die Gerichtsbeamten als durchaus incompatibel zu erklären. Man habe jedoch geglaubt, in einzelnen Fällen eine Ausnahme zugeben zu müßen, wenn die General Kommißariate diese Geschäfts Verwaltung kompatibel fänden.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz {8r} Minister Herr Graf von Montgelas äußerten hiebei, daß, wenn man die Incompatibilitaet durchaus aussprechen würde, und in vorkommenden Fällen mit Würdigung der individuellen eintretenden Verhältnißen keine Ausnahme gelten laßen wollte, so würden viele Gutsherrn zu bedauern sein, indeme sie statt einem, zwei Beamten aufstellen müßten, welches zwar größere aber keineswegs kleinere Herrschafts-Gerichts Besizer zu leisten vermögten.

Des Herrn geheimen Staats und Konferenz Ministers Grafen von Reigersberg Excellenz fanden den Grundsaz allerdings richtig, daß den Gerichtsbeamten die Besorgung der Oekonomien und Gefälle ihrer Gutsherrn nicht gestattet werden sollte, könnten sich jedoch auch zu der in Antrag gebrachten Ausnahme verstehen, doch mögte nicht das General-Kommißariat allein, sondern benehmlich mit dem Appellazions-Gerichte zu prüfen haben, ob die Besorgung derlei ökonomischer Geschäften mit den Geschäften des Gerichts-Beamten {8v} kompatibel seie, oder nicht.

Die Herrn geheimen Räthe Grafen von Preising, von Törring, von Zentner und Graf von Tassis stimmten unbedingt für die Faßung. Herr geheimer Rath von Krenner traten ebenfalls dem Sinne dieses § bei, nur würden Sie lieber den Saz, so wie er gestellt, umkehren, und die Komptabilität [!] als Regel aussprechen, die Unvereinbarlichkeit aber als Ausnahme aufstellen, welcher Ansicht auch Herr geheimer Rath Graf von Arco beistimmten. Die Herrn geheimen Räthe von Effner, Freiherr von Asbek und Graf von Welsperg traten der Meinung des Herrn Ministers Grafen von Reigersberg Excellenz bei.

Da hiernach die Mehrheit der Abstimmungen für die Faßung war

so wurde der § 60 nach derselben angenommen.

§ 611761. Gegen diesen wurde bei der {9r} verfügten Umfrage

keine Erinnerung gemacht

und eben so der Faßung der §§ 62, 63, 64, 651762

von dem königlichen geheimen Rathe beigestimmt.

Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin giengen nunmehr zu dem II. Kapitel Von dem Wirkungs Kreise der Herrschafts Gerichte zweiter Klaße. I. Allgemeine Bestimmungen. Hier wurde vor allem die Erinnerung gemacht, daß, um die Sache deutlicher zu stellen, der Ziffer I bei der Rubrik Allgemeine Bestimmungen weggelaßen, und die römische Ziffer erst bei der Enumeration der Vorzugs-Rechten gesezt werden sollten.

Dieses wurde auch von dem königlichen geheimen Rathe gut gefunden, und beschloßen blos zu sezen „Allgemeine Bestimmungen“ und weiter unten § 68. I. Gerichtsbarkeit bei Verbrechen {9v} und Vergehen. § 69. II. Rechte der 2ten Instanz. § 70. III. Konsistorial-Rechte. Übrigens wurde die Faßung der vorstehenden §§ 66-70 in Folge verfügter Umfrage von dem königlichen geheimen Rathe angenommen1763.

§ 711764. III. Kapitel. Von dem Wirkungs Kreise der Orts Gerichten. I. Allgemeine Bestimmungen. Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin entwikelten den Gesichts-Punkt, nach welchem dieses Kapitel, welches die Verhältniße der Ortsgerichten zu den Land- und Herrschafts-Gerichten festsezt, bearbeitet worden. Es seien hier zweierlei neue Bestimmungen gegeben, a) die Ortsgerichte sind keine eigentliche wahre Aemter, sondern lediglich vollziehende Behörden, b) die Herrschafts Gerichte können Inklaven haben.

Bei der hierüber verfügten Umfrage machten des Herrn Ministers Grafen von Reigersberg {10r} Excellenz keine Erinnerung.

Herr geheimer Rath Graf von Preising stellten die Frage: ob ein Gutsherr ein, weder in einem königlichen Landgerichte noch in einem Herrschafts-Gerichte inklavirtes Ortsgericht, welches ihme zugehöre, zu seinem Herrschafts-Gerichte rechnen dürfe? Welche Frage dahin beantwortet wurde, daß dieses allerdings, im Falle es an sein Herrschafts Gericht anstoße, geschehen könne.

Herr geheimer Rath Graf von Arco äußerten, daß Sie glaubten, unter dem Ausdruke Ortsgericht werde nicht verstanden, was darunter verstanden werden sollte, sie seien nicht Ortsgerichte, weil sie sich auf einen Ort beschränkten, sie seien für Gemeinden. Sie müßten gestehen, daß Ihnen die hier in Frage gekommene Inklavirung solcher Ortsgerichte in die Land- oder Herrschafts-Gerichte mehr idealisch als praktisch vorkomme. Ließe man auch noch die Anstoßung als Grund der Zurechnung gelten, so würden sich vielfache Anstände ergeben, {10v} wohin das Anstoßende definitiv untergeordnet werden sollte, indeme ein solches Ortsgericht an zwei und drei verschiedene Land- oder Herrschafts-Gerichte anstoßen könne. Daß übrigens Ortsgerichte auch Herrschafts-Gerichten untergeordnet werden sollten, fänden Sie, und zwar mit vielen Gründen unterstüzt, nicht zuträglich und nicht räthlich, und Sie würden es lieber bei der ausschließlichen Unterordnung der Ortsgerichten unter die königliche Landgerichte belaßen. Der Besizer würde meistens beßer dabei fahren, als wenn er einem Herrschafts-Gerichte zugetheilt werde.

Herr geheimer Rath von Effner fanden zwar auch eine Inkonvenienz darin, daß ein Gutsbesizer dem andern untergeordnet sein sollte, allein, da diese Fälle nicht häufig vorkommen würden, und um der Ausführung des neu bearbeiteten Planes nicht Hinderniße entgegen zu stellen, könnten Sie sich wohl zu der Faßung verstehen.

Da die übrigen Herrn geheimen Räthe keine Gegenbemerkungen {11r} zu machen fanden, so wurde nach der Stimmenmehrheit

die Faßung des § 71 angenommen.

§ 721765. Nach der festgesezten Unterordnung der Ortsgerichten unter die Land- oder Herrschafts-Gerichte, welche also über die ersteren die unmittelbare Aufsicht haben, so ist es eine Folge, daß die Ortsgerichte die über ihre Justiz- und Polizei-Verwaltung geführten Protokolle alle 3 Monate an obige Behörden zu übergeben haben, welche sie sodann mit den allenfalls nöthigen Bemerkungen zum General Kreis Kommißariat einsenden sollen, vo[n] wo aus in eintretenden Fällen die Zurückweisung ergehen würde.

Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin erinnerten, daß in der Sizung der geheimen Raths Sectionen der Einwurf gemacht worden, die Protokolle über die Gerichtsverhandlungen mögten vielmehr statt an das General Kommißariat, an das betreffende Appellazions Gericht eingesendet werden. Diesem Einwurfe seie aber leicht dadurch zu begegnen, daß hier blos von der Gerichts Polizei {11v} von der Kognizion über Tax und sonstige Excesse es sich handle. In älteren Zeiten seien diese Gegenstände von den Rentmeistern bei ihren Umritten besorgt, und im Edicte vom 17 Juli 1808 den General Kommißariaten übertragen worden1766.

Da des Herrn geheimen Staats und Konferenz Ministers Grafen von Montgelas Excellenz die verschiedene Ansichten der Herrn geheimen Räthen hierüber zu vernehmen für gut fanden, so verfügten Dieselbe die Umfrage.

Des Herrn geheimen Staats und Konferenz Ministers Grafen von Reigersberg Excellenz äußerten, daß die Beantwortung des eben genannten Einwurfes Sie nicht veranlaßen könnte, von der mit allem Rechte gemachten Bemerkung einiger Herrn geheimen Räthe in der Sections-Sizung abzugehen. Sie glaubten darauf bestehen zu müßen, daß die in Frage befangenen Protokolle nicht nur zum General-Kommißariate sondern auch zum einschlägigen Appellazions Gerichte eingesendet werden sollten, sonst seie es nicht möglich, daß man {12r} eine volle Übersicht der Geschäftsführung in Justiz-Sachen, eine Kenntniß der Verwaltung der Justiz erhalten könne, und dann könne man auch keineswegs verantwortlich sein. Wenn auch nicht kontentiöse Gegenstände in diesen Protokollen vorkämen, so würde doch die freiwillige Gerichtsbarkeit viele Gegenstände in dieselbe liefern. Das Verlaßenschafts- und Vormunds-Wesen werde bei den Ortsgerichten besorgt; es seie nicht möglich, daß die obervormundschaftliche Behörde zu beurtheilen im Stande, ob die gehörige Ordnung in den Geschäften der Vormundschaften beobachtet werde, wenn sie nicht Einsicht von den darüber geführten Geschäfts-Protokollen nehmen könne. Übrigens liege es schon in dem bestehenden Organismus, daß derlei Gegenstände zur Kognizion der Justiz Stellen kämen; Sie müßten also, wenn eine Verantwortlichkeit in Anspruch genommen werde, auch die Mittel haben, zur Kenntniß der Gebrechen in der Geschäfts Verwaltung zu kommen, und diese gewähre nur die gleichmäsige Vorlage der Protokollen bei den Appellazions Gerichten.

{12v} Die Herrn geheimen Räthe Graf von Preising, Graf von Törring, von Zentner, Graf von Tassis und von Krenner waren unbedingt für die Faßung des § 72.

Herr geheimer Rath Graf von Arco theilten zwar die Ansicht des Herrn Ministers Grafen von Reigersberg Excellenz darin, daß Verlaßenschafts- und Vormunds-Sachen zur Justizpflege gehören, und daß es eine natürliche Folge seie, auch die Einsicht der Geschäfts Führung darüber den Justiz Stellen zu geben, allein, da kontentiöse Sachen bei den Ortsgerichten nicht vorkämen, und da, wenn auch die Protokolle an die Appellazions-Gerichte eingesendet werden müßten, bei den Ortsgerichten bedeutende Kosten und ein schädlicher Umtrieb eintreten würde, so glaubten sie den übrigen Meinungen beitreten zu müßen.

Die Herrn geheimen Räthe von Effner, Freiherr von Asbek und Graf von Welsperg fanden die von des Herrn Ministers Grafen von Reigersberg Excellenz entwikelte Gründen von der Art, daß Sie denselben vollkommen {13r} beitraten.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas sprachen sonach in Folge der Stimmen Mehrheit den Beschluß des königlichen geheimen Rathes dahin aus

daß die Faßung des § 72 beibehalten werde.

Bei Ablesung des § 731767, wo abermals die Land- oder Herrschafts-Gerichte angewiesen werden, die Vernachläßigung der den Ortsgerichten obliegenden Amts-Pflichten bei den General-Kommißariaten anzuzeigen, ergaben sich die nämlichen Anstände.

Es wurde nun vorgeschlagen, daß die Protokolle der Ortsgerichten gesöndert geführt, und in dem einen nur die Justiz-Sachen, in dem andern aber die Polizei Gegenstände aufgenommen werden sollen, was um so leichter geschehen könne, als weiter unten die Justiz-Gegenstände genau ausgeschieden würden, die zum Reßorte der Ortsgerichten gehörten. Die erst erwähnten Protokolle könnten sodann an das einschlägige Appellazions Gericht abgegeben werden. Durch dieses Expediens werde der Zwek erreicht, {13v} die Justiz Stellen in die nöthig gefundene Kenntniß der Geschäfts Führung zu sezen, ohne den Ortsgerichten Kösten und Zeitaufwand zu veranlaßen.

Die bei dem § 72 vorhandene Majorität verstand sich zu diesem Vorschlage, und es

wurde beschloßen, den vorhergehenden § 72 auf folgende Art abzuändern:

„Da jenen Distrikts Gerichten die unmittelbare Aufsicht über diese Ortsgerichte zustehet, so übergeben leztere die über ihre Justiz- und Polizei Verwaltung abgesöndert geführte Protokolle alle 3 Monate an obige Behörden, von welchen sie mit den allenfalls nöthigen Bemerkungen, so viel die Justiz Sachen betrifft, an das Appellazions-Gericht, und in Polizei-Sachen an das General-Kommißariat eingesendet werden.

Die Stellen erlaßen, wenn die Fälle dazu eintreten, die Zurechtweisungen.“

Und in Folge deßen auch den § 73 dahin [abzuändern]:

„Wenn den königlichen Land- oder Herrschafts-Gerichten Anzeigen gemacht werden, daß bei den untergeordneten Orts-Gerichten die ihnen obliegende Amtspflichten versäumt werden, so sollen jene Gerichte deßfalls Erinnerungen {14r} an leztere erlaßen; bleiben diese ohne Erfolg, so ist die Anzeige bei dem königlichen General-Kreis Kommißariate oder Appellazions Gerichte zu machen.“

Gegen die Faßung der §§ 74 und 75, in welchen die Art der Mittheilung der Gesezen an die Ortsgerichte und ihre Bekanntmachung bestimmt wird, so wie gegen den § 76 welcher den Ortsgerichts Beamten gestattet, in dem Orte wo er wohnet, das Amt eines Gemeinde Vorstehers zu übernehmen

wurde keine Erinnerung gemacht1768.

Von den allgemeinen Bestimmungen des Wirkungs Kreises der Ortsgerichten kamen nun Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin auf die besondere und zwar II. Verwaltung bestimmter gerichtlicher Handlungen 1769 und bemerkten, daß hier von dem Gesichtspunkte ausgegangen worden, daß den Ortsgerichten die Gerichtsbarkeit weder in peinlichen Fällen noch in streitigen Civil-Sachen gebühre, sondern blos die Ausübung der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in so weit {14v} sie nicht mit einer Kognizion verbunden. Man habe in der Sitzung der vereinigten Sectionen *Beilage III* [Marginalie] geglaubt, daß man den Wirkungs Kreis der Ortsgerichten in Hinsicht der Gerichtsbarkeit auf das öffentliche Notariat und die Execution allein beschränken müße, da von den dort aufgestellten Beamten eine höhere Qualification nicht gefordert und nicht erwartet werde. Man habe ferner geglaubt, bestimmte Handlungen der Gerichtsbarkeit spezifiziren zu müßen, welche den Ortsgerichten obliegen sollten1770.

Hier seie nicht wohl eine Definizion zu geben, wohl aber finde man es zwekmäsig, diese Handlungen zu enumeriren. Man habe daher statt der vorher gewählten Überschrift Verwaltung bestimmter Handlungen der Gerichtsbarkeit die neue dafür gewählet „Verwaltung bestimmter gerichtlicher Handlungen“.

Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin lasen hierauf den § 771771 ab

welchem ohne Erinnerung beigestimmt wurde.

Auf gleiche Art machten Dieselben auf die Discussionen, welche in der Sizung der vereinigten {15r} geheimen Raths Sectionen statt gehabt, aufmerksam, wo von dem Benehmen der Ortsgerichten in einem vorkommenden Kriminal Falle die Rede sey. Da aber bei der Umfrage keine Bemerkung gegen die Faßung gemacht wurde

so nahm der königliche geheime Rath dieselbe an.

Nach dem § 791772 sollen die landgerichtliche Vorladungen an die gutsherrliche Hintersaßen auch in Fällen, wo sie den Landgerichten unmittelbar untergeordnet, durch die Ortsgerichte insinuiret werden. Hierdurch würden, nach des Herrn Referenten Bemerkung, die sonst übliche Kompaßirungen1773 der Patrimonialgerichts Hintersaßen beseitiget. Dann nach dem § 801774 sollten die landgerichtlichen Urtheile gegen solche Hintersaßen von den Orts-Gerichten auf die von den Landgerichten vorgeschriebene Weise vollstrekt werden. Dieses seie eigentlich als Folge des exekutiven Karakters der Ortsgerichten anzusehen.

Da bei der über diese beide §§ verfügten Umfrage keine Gegenbemerkung gemacht wurde, so

nahm der königliche geheime Rath {15v} derselben Faßung einstimmig an.

§ 811775. Nach der in diesem § ausgesprochenen Vorschrift soll das Ortsgericht die Befugniß haben, die liquiden Gerichts- und Grund-Gefälle, dann andere unbestrittene gutsherrliche Prästazionen, keineswegs aber die aus Darleihen oder andern dergleichen persönlichen Titeln entspringende Forderungen des Gutsherrn bei den Gerichts-Hintersaßen aus einem perpetuirlichen Auftrage unmittelbar auf Veranlaßung des Gutsherrn beizutreiben. Die nämliche exekutive Verfügung solle auch bei liquiden Dominikal Renten anderer Grundherrschaften eintreten, die in dem Ortsgerichts Bezirke grundherrliche Gefälle besizen.

Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin erinnerten hier auf die verschiedene Ansichten, welche bei der näheren Würdigung dieses Befugnißes in der vereinigten Sections Sizung aufgestellt worden, und auf die Gründe, aus welchen die Mehrzal der anwesenden Mitglieder damals auf die Faßung der §§ 61 und 81 so wie sie abgelesen wurden, gestimmt habe.

Des Herrn geheimen Staats und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Montgelas Excellenz {16r} verfügten hierüber die Umfrage, und nach der allgemeinen Meinung

wurde der Faßung des § 81 jedoch in der Art beigestimmt, daß nach den Worten welche in ihrem Bezirke grundherrliche Gefälle besizen beigefügt werde „vorbehaltlich der den königlichen Rentämtern nach § 61 zustehenden Befugnißen“.

Der § 821776 bestimmt die Art, wie die Liquidität der gutsherrlichen Gefällen, welche exekutiv beigetrieben werden dürfen, beurtheilt werden solle.

Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin bemerkten, daß Sie das schon in der Vorzeit bestandene Institut der sogenannten Unterthans Bücheln benüzt hätten, in welche die Schuldigkeiten der Gutshintersaßen eingetragen werden sollten. Nach diesen Einschreibbücheln seie die Grenze zwischen liquiden und illiquiden Forderungen und der Punkt genau bezeichnet, wo der Streit über die Rechtmäßigkeit derselben anfange, und folglich die Execution nicht mehr vorgenommen werden dürfe. Auf diese Art, glaubten Sie, seie das zugegebene Executions Recht unschädlich gemacht; eben so müße nach den §§ 83 und 84 {16v} die Art der Execution bestimmt werden; es müße das gesezliche Maaß eingehalten werden.

Bei Natural Leistungen seie das Schuldige in natura abzunehmen, bei Geldprästazionen trete die Auspfändung an den Fahrnißen, jedoch mit Ausnahme des dem Landmanne nöthigen Akergeräthes, unentbehrlichen Viehes oder sonst gesezlich ausgenommenen Fahrniß ein. Bei Überschreitung der Executions Vorschrift könne sich endlich nach § 85 der Gerichts Hintersaße mit seiner Beschwerde an das königliche Land- oder Herrschafts Gericht wenden1777.

Über die nach diesen Ansichten bearbeitete §§ wurde nun von Seiner Excellenz, dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas die Abstimmung verfügt.

Des Herrn geheimen Staats und Konferenz Ministers Grafen von Reigersberg Excellenz bemerkten, daß das Recht der Execution, welches man hier den Ortsgerichten beilege, weder aus der Gerichtsbarkeit noch aus der Grundherrlichkeit fließe, und daß Sie daher, um Mißbräuche zu verhüten, diese Selbsthülfe den Gutsherrn nicht gestatten, sondern die exekutive Beitreibung nur den Landgerichten überlaßen würden. {17r} In der neuen Gesezgebung werde die Vorsehung getroffen, daß dem um Execution Anrufenden die prompteste Hülfe geleistet werde. Es scheine selbst dem Gutsherrn nicht angenehm sein zu können, und müße einen widrigen Eindruk machen, wenn er selbst seine Gutshintersaßen zu exequiren habe.

Nachdem dagegen erinnert wurde, daß in einem solchen Falle die Gutsherrn in üble Lagen kommen, und in ihren Einkünften und ökonomischen Verhältnißen sehr zerrüttet werden würden, daß wegen den zu befürchtenden Mißbräuchen Vorsorge geschehen seie, und nachdem endlich dem Einwurfe, das Selbstpfändungs Recht habe in dem einzigen Altbaiern und sonst nirgends im Königreiche bestanden, und es seie kein Grund es weiter auszudehnen, dadurch begegnet worden war, daß dieses Recht dann als ein Privilegium für Altbaiern konstituzionswidrig da stehen würde, und nachdeme endlich die königliche Herrn geheimen Räthe nach diesen Vorgängen keine weitere Erinnerung dieses Gegenstandes halben zu machen hatten

so wurde die Faßung der §§ 82, 83, 84 und 85 angenommen.

Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin {17v} fuhren nunmehr fort, den Wirkungs-Kreis der Ortsgerichten hinsichtlich der willkührlichen Gerichtsbarkeit näher zu bezeichnen, indeme Sie in den §§ 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94 und 95 jene Handlungen, welche ihnen zustehen, im Detail anführten1778; die Erinnerungen, welche in den vereinigten Sectionen bei den einzelnen §§ vorgebracht worden, seien bereits in der vorgetragenen Redakzion berüksichtiget.

Da nach verfügter Umfrage keine Bedenken dagegen erhoben wurden,

so wurden sämmtliche genannte Paragraphen nach ihrer Faßung gut geheißen.

III Bestimmte Funkzionen der Orts-Polizei Verwaltung §§ 96, 97, 98, 99, 100. Hiernach haben die Ortsgerichte die bestimmte Funkzionen der Orts Polizei und im Allgemeinen darüber zu wachen, daß die königliche Polizei Verordnungen genau befolgt werden. Sie stehen deßhalb unter unmittelbarer Oberaufsicht der Land- und Herrschafts-Gerichten, wohin sie Anzeigen zu machen haben. Sie sollen auch gegen die wegen Polizei Vergehen und größere {18r} Polizei Übertretungen Angeschuldigte mit dem Arreste oder andern Sicherheits Maaßregeln verfahren, nämlich Geld-Strafen oder Polizei-Arrest verfügen, jedoch dürfen erstere nicht mehr als 5 fl., leztere nicht mehr als 8 Tage betragen, wo sie sonst die Bestätigung der Land- oder Herrschafts-Gerichten zu erwarten haben. Die Handlungen übrigens, welche als Polizei Vergehen oder Polizei Übertretungen zu beachten sind, werden durch das künftige Strafgesezbuch näher bestimmt werden, bis dahin solle nach den bestehenden besondern Straf-Gesezen verfahren werden. Das Nähere hierüber wird noch in der Folge bei den einzelnen Zweigen der Lokal-Polizei-Verwaltung angegeben werden1779.

Von den sämmtlich anwesenden Mitgliedern wurde bei allen diesen Bestimmungen keine Erinnerung gemacht, doch bemerkten im Verlaufe des Vortrages Herr geheimer Rath Graf von Arco, daß hier der Fall eintreten könnte, daß der adelige Besizer eines Ortsgerichtes {18v} die Bestätigung der verhängten Polizei Strafen bei einem das Herrschafts Gericht besizenden Bürger oder Gewerbs Manne nachsuchen müßte. Es wurde aber entgegnet, daß ein solcher ein Herrschafts-Gericht gar nicht besizen könne, und nur Majorats Besizer und adelige Kron-Vasallen zu ihrem Besize berechtiget seien. Dieses spreche selbst das gegenwärtige Edict und zwar § 161780 aus.

Bei Nachsicht des eben genannten § zeigte sich, daß es heiße, Herrschafts Gericht zweiter Klaße, die der Majorats Besizer und der Inhaber größerer Kanzleilehen.

Man war daher der Meinung, statt diesem nicht bestimmt genug erscheinenden Ausdruke zu sezen Majorats Besizer und adelige Kron-Vasallen um so mehr, als dieses der nämliche Ausdruk der in dem früheren allerhöchsten Reskripte gegebenen Bestimmung seie.

Die Faßung der §§ 96 bis 100 wurde, so wie sie in dem Entwurfe aufgenommen {19r} von dem königlichen geheimen Rathe genehmiget.

Hiemit wurde die heutige Sizung beendiget, und die gefaßten Beschlüße wären als ehrerbietigste Anträge des versammelten geheimen Rathes Seiner Majestät dem Könige vorzulegen1781.

Anmerkungen

1742

Paul Joseph Baumüller, seit 1808 Generalsekretär des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten. Biogramm: Protokolle Bd. 3, S. 176 Anm. 367.

1743

Die Beilage fehlt in der Akte.

1744

Vgl. Protokoll Nr. 74 (Geheimer Rat vom 18. Juni 1812).

1745

Gemeint ist die „Königliche Deklaration. Die Bestimmung der künftigen Verhältnisse, der der königlichen Souverainität unterworfenen Fürsten, Grafen und Herren zu den verschiedenen Zweigen der Staats-Gewalt betreffend“ vom 19. März 1807, RegBl. 1807, Sp. 465-490.

1746

OE „über die gutsherrlichen Rechte“ vom 28. Juli 1808, RegBl. 1808, Sp. 1833-1852.

1747

„Instruktion für die General-Kreis-Kommissäre“ vom 17. Juli 1808, RegBl. 1808, Sp. 1649-1682.

1748

OE betr. die „Bildung der Mittelstellen für die protestantischen Kirchen-Angelegenheiten und ihre Verhältnisse zu dem bei dem Ministerium des Innern angeordneten General-Konsistorium“ vom 17. März 1809, RegBl. 1809, Sp. 569-581.

1749

„Entwurf des Organischen Edicts über die Gutsherrliche Gerichtsbarkeit. Nach den Beschlüssen der Geheimen Raths Commißion“, BayHStA Staatsrat 1951 (fortan zit. als: Entwurf OE Gutsherrliche Gerichtsbarkeit), S. 17f. Im Einzelnen geht es um den Vollzug der vom Souverän erlassenen Verordnungen in „Kirchen-Polizei-Sachen“ durch die Herrschaftsgerichte (§ 48), die Behandlung außergerichtlicher Konsistorialsachen durch Konsistorien der Mediatisierten (§ 49), die Konsistorialgerichtsbarkeit (§ 50), die „geistlichen Verlassenschaften“ (§ 51).

1750

Ebd., S. 18: „§ 52. Das Installazions Recht wird auf die nemliche Weise von denselben nach erfolgtem königl. Possessions Befehle im Namen des Souverains ausgeübt.“

1751

Ebd.: „§ 53. Was die Patronatsrechte und die Ehrenrechte der mediatisirten Fürsten, Grafen und Herrn nach dem Edikte über die gutsherrlichen Rechte [vom 28. Juli 1808] § 48 [RegBl. 1808, Sp. 1843f.] betrifft, so haben diese Behörden ihre diesfallsigen Aufträge zu befolgen.“

1752

Vgl. die Deklaration betr. die „Bestimmung der künftigen Verhältnisse, der der königlichen Souverainität unterworfenen Fürsten, Grafen und Herren zu den verschiedenen Zweigen der Staats-Gewalt“ vom 19. März 1807, Kap. F Nr. 7, RegBl. 1807, Sp. 480; OE „über die gutsherrlichen Rechte“ vom 28. Juli 1808, §§ 46-48, RegBl. 1808, Sp. 1843f.

1753

Entwurf OE Gutsherrliche Gerichtsbarkeit, S. 18: „§ 54. In Ansehung der Verwaltung des Patrimonial Stiftungs-Vermögens, des Kultus, der Erziehung und der Wohlthätigkeit sind diese Behörden den einschlägigen Kreis-Kommissariaten nach den Bestimmungen des organischen Ediktes vom 1n Okt. 1807 (Reg. Bl. 1808 5. St. S. 209 folg. [OE „über die General-Administration des Stiftungs- und Kommunal-Vermögens im Königreiche Baiern“, RegBl. 1808, Sp. 216-231]) und des in dieser Beziehung inhäsiven Ediktes vom 16 Okt. 1810 (Reg. Bl. 1810. 63. St. S. 1148 folg. [OE „über die General-Administration des Stiftungs- und Kommunal-Vermögens“, RegBl. 1810, Sp. 1146-1157]) unmittelbar untergeordnet. Die Kreis-Stiftungs-Oberkuratel hat daher die Befugniß, wenn aus der Einsicht der eingesendeten Rechnungs-Duplikate der Verdacht einer unstatthaften Verwendung oder unordentlichen Verwaltung des Stiftungs-Vermögens geschöpft worden, die einschlägigen Rechnungs-Belege und näheren Aufschlüße zu fodern.“

1754

Ebd., S. 19: „§ 55. Da die Gutsherrn mit der niedern Kuratel des ihrer Verwaltung anvertrauten Stiftungs-Vermögens bekleidet sind, so unterbleibt die Einsendung der monatlichen Kaßebuchs-Extrakte, der Anlehens-Tabellen, der Bau-Anschläge und dergleichen an die Kreis-Stiftungs-Administrazion. Vielmehr haben darüber, so wie über die Ausleihung der Kapitalien die Herrschafts-Beamten von ihren Herrn die erfoderlichen Entschliesungen zu erholen, und leztere werden über die ordentliche Verwaltung des Stiftungs-Vermögens von selbst zu wachen wißen. Zur vollständigen Inventarisazion, so wie zur Nachweisung über die Konservazion des Fonds der Stiftungen bleiben die Gutsherrn übrigens verpflichtet.“

1755

Ebd., S. 19f.: „§ 56. Die Überschüße des der Verwaltung der Gutsherrn anvertrauten Vermögens werden auf keine Weise mit dem unter der königlichen Administrazion stehenden Vermögen vermengt. Die Gutsherrn haben jedoch die in Beziehung auf dieses leztere Vermögen festgesezten Prinzipien der Verwendung in analoge Anwendung zu bringen.“

1756

Ebd., S. 20: „§ 57. Die Herrschafts-Gerichte stehen rüksichtlich der zu beobachtenden königlichen Stempel-Ordnung mit dem Kreis-Siegels-Amte in dem vorschriftmäsigen unmittelbaren Verhältnisse.“

1757

Ebd.: „§ 58. Zur Erhebung der Steuern und übrigen Gefälle können diese Behörden von den Finanz Direktionen nur mit Einwilligung des Gutsherrn verwendet werden. Was die Erhebung der Nebenbeischläge betrifft, sind die Vorschriften des Edikts über das Konkurrenz-Wesen vom 6n Februar 1812 (Reg. Bl. 1812 11. St. S. 321 folg.) [= VO betr. die „besondern Umlagen für die Gemeinde-Bedürfnisse“, RegBl. 1812, Sp. 321-340] zu beobachten.“

1758

Protokoll der Sitzung der vereinigten Sektionen (Justiz, Finanzen, Inneres) des Geheimen Rates vom 4. Mai 1812, BayHStA Staatsrat 277, S. 6-10.

1759

Entwurf OE Gutsherrliche Gerichtsbarkeit, S. 20f.: „§ 59. Da den Gutsherrn nach dem organischen Edikte über die gutsherrl. Rechte §§ 62 et 63 [RegBl. 1808, Sp. 1846] die bei den gutsherrlichen Gerichten anfallenden Geldstrafen und Taxgelder gebühren, so sind diese an dieselben zu verrechnen.“

1760

Ebd., S. 21: „§ 60. Daß den Gerichts-Beamten zugleich die Besorgung der gutsherrlichen Gefälle und Oekonomien gestattet werde, findet in der Regel nicht statt; jedoch kann in einzelnen Fällen, wenn die General Kreis Kommissariate diese Geschäftsverwaltung kompatibel finden, eine Ausnahme zugegeben werden.“

1761

Ebd., S. 21: „§ 61. In jedem Falle haben die Herrschafts-Gerichte auf Verlangen des Gutsherrn die liquiden gutsherrlichen Gefälle in ihrem Bezirke im Wege der gesezlichen Exekuzion beizutreiben. Die nemliche Verfügung steht ihnen bei den liquiden Dominikalrenten der übrigen Gutsherrn zu, vorbehaltlich der den königlichen Rentämtern nach der Verordnung [betr. die „exekutive Beitreibung der in Patrimonial-Gerichts-Distrikten gelegenen königlich-grundherrlichen Renten“] vom 12n September 1809 (Reg[ierungs]. B[latt]. 1809 St[ück]. 66 S[p]. 1537[-1539]) zustehenden Befugnisse.“

1762

Ebd., S. 21f. Die §§ 62-65 („VI. Von Militair Sachen“) behandeln die Pflichten der Herrschaftsgerichte erster Klasse bei der Militärkonskription (§ 62) und bei der Aufsicht über beurlaubte Soldaten, Deserteure sowie in fremde Kriegsdienste getretene Bayern (§ 63), die Aufgaben der Herrschaftsgerichte als Untermarschkommissariate (§ 64), deren Befugnisse in Beziehung auf die Nationalgarde, den Polizeikordon, die Gendarmerie (§ 65).

1763

Ebd., S. 23f. Die §§ 66-70 umreißen die Kompetenzen der Herrschaftsgerichte zweiter Klasse. Ihnen oblag „die Ausübung der Polizei und der vollen bürgerlichen Gerichtsbarkeit“ in dem Umfang, den die königlichen Landgerichte innehatten; zugleich waren sie in Justiz- und Verwaltungsangelegenheiten den höheren Landesstellen unterstellt (§ 67). Insoweit hatten die Herrschaftsgerichte zweiter Klasse denselben Wirkungskreis wie diejenigen erster Klasse (§ 68), jedoch durften sie bei „Verbrechen und Vergehen“ die mutmaßlichen Täter nur vorläufig festnehmen, um sie an das zuständige Untersuchungsgericht auszuliefern (§ 68). In der höheren Instanz waren die Herrschaftsgerichte zweiter Klasse, anders als die Justizkanzleien der mediatisierten Fürsten, Grafen und Herren, unmittelbar den königlichen Appellationsgerichten unterstellt (§ 69), wie ihnen auch die Konsistorialgerichtsbarkeit nicht zukam (§ 70).

1764

Ebd., S. 25: „§ 71. Die Orts-Gerichte sind blose Vollziehungs-Behörden, welche den königlichen Landgerichten, oder den ihnen gleichgestellten Herrschafts-Gerichten auf eine bestimmte Weise untergeordnet sind.“

1765

Ebd.: „§ 72. Da jenen Distrikts-Gerichten die unmittelbare Aufsicht über diese Orts-Gerichte zusteht, so übergeben leztere die über ihre Justiz- und Polizei-Verwaltung geführten Protokolle alle 3 Monate an obige Behörden von welchen sie mit den allenfalls nötigen Bemerkungen an das General Kreis Commissariat eingesendet werden. Lezteres erläßt, wenn die Fälle dazu eintreten, die Zurechtweisungen.“

1766

Vgl. die „Instruktion für die General-Kreis-Kommissariate“ vom 17. Juli 1808, § 30 („Gerichts-Polizei“), RegBl. 1808, Sp. 1661f.

1767

Entwurf OE Gutsherrliche Gerichtsbarkeit, S. 25: „§ 73. Wenn den königlichen Land- und Herrschafts-Gerichten Anzeigen gemacht werden, daß bei den untergeordneten Orts-Gerichten die ihnen obliegenden Amtspflichten versäumt werden, so sollen jene Gerichte deßfals Erinnerungen an leztere erlassen; bleiben diese ohne Erfolg, so ist die Anzeige bei den königlichen General Kreis Commißariaten zu machen.“

1768

Ebd., S. 26, §§ 74-76.

1769

Ebd., S. 26-34, §§ 77-95.

1770

Protokoll der Sitzung der vereinigten Sektionen (Justiz, Finanzen, Inneres) des Geheimen Rates vom 6. Mai 1812, BayHStA Staatsrat 277.

1771

Entwurf OE Gutsherrliche Gerichtsbarkeit, S. 26: „§ 77. Den Ortsgerichten steht die Gerichtsbarkeit weder in peinlichen Fällen noch in streitigen Zivil-Gegenständen zu. Nur bestimmte gerichtliche Handlungen, welche in der Folge näher bezeichnet werden, sind vor diese Ortsgerichte in ihrem Bezirke geeignet.“

1772

Ebd., S. 27: „§ 79. Die landgerichtlichen Vorladungen an die gutsherrlichen Hintersaßen sollen auch in Fällen, wo sie den Landgerichten unmittelbar untergeordnet sind, durch die Orts-Gerichte insinuirt werden.“

1773

„Kompaßirung“ ist das „Rechtshilfeersuchen eines Gerichts an das zuständige Gericht um Zeugenvernehmung oder Urteilsvollstreckung“, auch „die Bitte, eine Zeugenvernehmung durch das an sich unzuständige ersuchende Gericht vornehmen oder die Zeugen zum ersuchenden Gericht reisen zu lassen“. Vgl. DRW Bd. 7, Sp. 1196-1198 s.v. Kompaß, Kompaßbrief.

1774

Entwurf OE Gutsherrliche Gerichtsbarkeit, S. 27: „§ 80. Auf gleiche Weise werden die landgerichtlichen Urtheile gegen erwehnte Hintersaßen von den Ortsgerichten auf die von den Landgerichten vorgeschriebene Weise vollstrekt.“

1775

Ebd., S. 27f.: „§ 81. Das Ortsgericht ist befugt, die liquiden Gerichts- und Grundgefälle, dann andere unbestrittene gutsherrliche Prästazionen, aber keineswegs die aus Darlehen oder andere dergleichen Titeln entspringenden Foderungen des Gutsherrn bei den Gerichts-Hintersassen aus einem perpetuirlichen Auftrage unmittelbar auf Veranlassung des Gutsherrn beizutreiben. Die nemliche exekutive Verfügung haben sie auch bei liquiden Dominikalrenten anderer Grundherrschaften, welche in ihrem Bezirke grundherrliche Gefälle besizen.“

1776

Ebd., S. 28: „§ 82. Damit diese executive Beitreibung eintreten könne, muß die Liquiditaet der gutsherrlichen Gefälle aus den Einschreibbüchlein der Hintersassen deutlich werden. Wo diese Büchlein nicht eingeführt sind, soll dieses unverzüglich geschehen. In denselben soll die Schuldigkeit der Hintersassen an Taxen, Stiften, Gilten, Mayrschaftsfristen, Bodenzins, Scharwerks-Leistungen und dergleichen und die bestimmten Terminen zur Zalung umständig vorgetragen werden. Sobald die Zalung wirklich erfolgt, muß auch alsobald die Quittirung daselbst eingeschrieben werden, und der Empfänger darf dieses bei Vermeidung von 20 Gulden Strafe nicht verweigern. Die Übertretung dieser Verordnung ist von dem königlichen Landgerichte dem vorgesezten General Kreis Commissariate anzuzeigen.“

1777

Ebd., S. 28-30, §§ 83-85.

1778

Ebd., S. 30-34. Die §§ 86-95 beschreiben die Kompetenzen der Ortsgerichte im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit, z.B. Beurkundung von Verträgen, Abnahme von Eiden, Errichtung und Verkündung von Testamenten, Beglaubigung von Urkunden (§ 87), Durchführung von Güteverhandlungen und Vergleichen (§§ 89-91) mit Ausnahme von Verfahren, in die der Gutsherr involviert war (§ 94), Führung der Hypothekenbücher (§ 92), Vormundschaftswesen (§ 93), fallweiser Verweis der Parteien an das königliche Gericht (§ 95).

1779

Ebd., S. 34-36, §§ 96-100.

1780

Ebd., S. 6, § 16.

1781

Zum Fortgang: Protokoll Nr. 76 (Geheimer Rat vom 2. Juli 1812), TOP 3.