BayHStA Staatsrat 278
20 Blätter. Unterschriften der Minister. Protokoll: Baumüller.
Anwesend:
Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Reigersberg.
Geheime Räte: Graf v. Preysing-Hohenaschau; Graf v. Toerring-Gutenzell; v. Zentner; Graf v. Thurn und Taxis; Franz v. Krenner; Freiherr v. Aretin; v. Schenk; Freiherr v. Asbeck; Graf v. Welsberg.
Einquartierungskosten (R)
Die Gemeinden Diebach und Gastenfelden streiten mit den Gemeinden Traisdorf und Schweikartswinden über die verweigerte Regulierung von Einquartierungskosten. In zweiter Instanz wurde entschieden, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Darauf haben Diebach und Gastenfelden den Geheimen Rat angerufen. Thurn und Taxis stellt fest, daß ein Fristversäumnis vorliegt; der Rekurs ist abzuweisen. Der Geheime Rat schließt sich dem Antrag an.
{1r} [1.] Des königlichen geheimen Staats und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Reigersberg Excellenz ließen bei augenbliklicher Verhinderung Seiner Excellenz, des königlichen {1v} geheimen Staats- und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Montgelas die heutige Plenar Versammlung mit dem Vortrage eines Rekurses eröfnen, welcher vom Herrn geheimen Rathe Grafen von Tassis bearbeitet vorlag. Derselbe betraf die Sache der Gemeinden Diebach1782 und Gastenfelden gegen die Gemeinden Traisdorf und Schwaikartswinden1783 wegen verweigerter Ausgleichung der Quartiers-Lasten von den Jahren 1805 und 1806.
Herr geheimer Rath Graf von Tassis entwikelten in Kürze den Gegenstand der Beschwerde. Das Oberamt Schillingsfürst und mehrere Orte an der Tauber hätten nämlich einen Ausgleichungs-Plan gemacht, wornach die Ortsbezirke, welche in den Jahren 1805 und 1806 zu viel an Verpflegungs- Lieferungs- und Quartiers-Kosten getragen, entschädiget würden. Die Abrechnung hätte jedoch nur auf ganze Gemeinden gehen, und diese die treffende Herausbezalung unter sich repartiren sollen, und zwar nach den in den Orts Markungen gelegenen {2r} Grundstüken, Gewerben und Häußern, und daher seien auch auswärtig wohnende Besizer von Grundstüken im Schillingsfürstlichen Distrikte zur Konkurrenz gezogen worden.
Diese allgemeine Abrechnung seie schon nach gemachtem Vortrage im geheimen Rathe durch ein allerhöchstes Reskript vom 1ten Juli 1810 genehmiget worden1784, und damals hätte die Gemeinde Gastenfeld 216 fl. 24 kr., jene zu Diebach aber 1066 fl. 47 kr. herauszalen sollen; diese Gemeinden hätten aber hierauf eine eigene Orts-Rechnung bei dem Landgerichte Rothenburg überreicht, wornach Gastenfeld 12.005 fl. 53 kr. Quartiers Lasten angeschlagen, und mit der Gemeinde Diebach verlangt habe, daß die auswärtige Grundbesizer nicht allein 216 fl., sondern auch noch zu den übrigen Kriegskosten nach Verhältniß ihrer Grundbesizungen konkurriren sollten. So seie dieser Gegenstand zur Klage gekommen, und nachdeme die beklagten Gemeinden Traisdorf und Schwaikartswinden, respec. die dortigen Grundbesizer ihre Einwendung gemacht, und {2v} und [!] Replik und Duplik abgegeben, habe das Landgericht Rothenburg zu Gunsten der klagenden Gemeinden Diebach und Gastenfelden entschieden.
Herr geheimer Rath Graf von Tassis lasen die in dem Erkenntniße erster Instanz ausgesprochene Entscheidungs Gründe ab. Die Gemeinden Traisdorf und Cons. hätten nun gegen dieses Erkenntniß an das General Kommißariat des Rezat-Kreises den Rekurs ergriffen, welches die Gemeinden Diebach und Gastenfelden mit ihrer Exception, so wie das Landgericht Rothenburg mit Bericht vernommen, und sodann unterm 5ten November vorigen Jahres entschieden habe, daß die Sache auf sich beruhen solle. Die Gründe dieser Entscheidung seien: daß die in Antrag gebrachte Ausgleichung rüksichtlich der auswärtigen Grundbesizer ohnehin mehr die Natur einer Umlage als einer wahren Abrechnung annehmen würde, daß die klagende Gemeinden mit andern verglichen keineswegs übermäßige Lasten getragen und eben deßwegen hätten herauszalen müßen.
Diese Entscheidung der zweiten Instanz seie den {3r} Gemeinden Diebach und Gastenfelden am 11ten November vorigen Jahres durch das Landgericht Rothenburg insinuiret, und von ihnen damit nicht zufrieden, unterm 14ten Februar 1812 der Rekurs an den königlichen geheimen Rath ergriffen worden.
Nachdeme Herr geheimer Rath Graf von Tassis die in die Augen fallende Versäumniß der Berufungs-Fatalien über zwei volle Monate gezeigt hatten, nachdeme auch in der Rekurs Schrift selbst eine restitutio in integrum1785 nicht nachgesucht worden, so glaubten Dieselben sich nicht weiter über diesen Gegenstand verbreiten, sondern dem Antrage des General-Kommißariats zu Ansbach und jenem der Ministerial-Lehen- und Hoheits Section beitreten zu müßen, daß die zu spät eingereichte Berufung für desert zu erkennen sein mögte.
Bei der von Seiner Excellenz, dem königlichen geheimen Staats und Konferenz Minister Herrn Grafen von Reigersberg erholten Abstimmung bemerkten Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin noch insbesondere, daß hier von einer parziellen Ausgleichung der Gemeinden unter {3v} sich von älteren Kriegs-Jahren her die Rede, und deßfalls schon unterm 16 September 1810 ein allerhöchstes Reskript erschienen seie, wornach solche Ausgleichungen ohne Bedürfniß, und wo nicht die Intereßenten selbst damit verstanden seien, möglichst vermieden werden sollten.
Alle übrigen Herrn geheimen Räthe traten gleichfalls dem Antrage des Herrn Referenten bei, und so wurde
beschloßen, daß die zu spät eingereichte Berufung für desert erkannt, und das in diesem Sinne entworfene Reskript ausgefertiget werde1786.
Beteiligung an Einquartierungskosten (R)
Thurn und Taxis berichtet über den Streit zwischen dem Wirt Weinmann und dem Generalkommissariat des Rezatkreises. Es geht um die Verpflichtung von Mietern, sich an Quartierkosten zu beteiligen. Betroffen ist eine Witwe namens Steinmann, die beim Wirt zur Miete wohnt. Während das Polizeikommissariat Ansbach eine Verpflichtung des Mieters bejaht, verneint das Generalkommissariat eine solche. Thurn und Taxis stellt fest, daß die Berufungssumme im vorliegenden Fall nicht erreicht wird; der Rekurs ist abzuweisen. Der Geheime Rat folgt dem Antrag.
2. Herr geheimer Rath Graf von Tassis erstatteten einen zweiten Vortrag1787 über den Rekurs, welchen der Wirth Weinmann in Ansbach gegen eine Entscheidung des königlichen General Kommißariats des Rezat-Kreises an den königlichen geheimen Rath genommen.
Herr Referent brachten vorerst den Gegenstand des Streites, sodann das von dem Polizei Kommißariate als erster Instanz ergangene Erkenntniß, endlich die von dem General Kommißariate erlaßene reformatorische Sentenz nebst den Entscheidungs Gründen zur Wißenschaft der Plenar-Versammlung. Es handle sich {4r} um die Frage: ob eine bei obengenanntem Wirthe in der Miete wohnende Wittwe Steinmann den von ihme angesprochenen Theil an den getragenen Quartiers Kosten zu übernehmen schuldig seie? Das Polizei Kommißariat zu Ansbach habe auf die von dem Wirthe angebrachte Klage entschieden, daß sie dazu verbunden, und als Entscheidungs Grund angegeben, daß eine Verordnung der Kriegs- und Domainen Kammer vom 9ten April 1806 die Miethsbewohner ausdrüklich als quartierpflichtig erkläre, und in deren Folge das Natural-Quartier der beklagten Wittwe dem Kläger zugewiesen worden seie. Die Beklagte habe hiernach im Verhältniße ihrer eigenen Quartiers Anlage an den vom Wirthe Weinmann getragenen bereits moderirten Quartiers Kosten ad 427 fl. 36 kr. den 5ten Theil (mit 85 fl. 31 kr.) zu bezalen.
Das General-Kommißariat, in welches der Rekurs von der Wittwe Steinmann ergriffen worden, habe jedoch reformatorie zu Recht erkannt, daß die Rekurrentin hiezu nicht verbunden, folglich Appellat unter Aufhebung des polizeigerichtlichen Bescheids mit seiner Klage abzuweisen seie, {4v} indeme nur die Polizei-Behörde, nicht aber der Haußbesizer die Befugniß habe, die allgemeine Verbindlichkeit der Einwohner zu dergleichen Lasten in Anspruch zu nehmen. Die Rekurrentin seie zu der ihr erst später angesonnenen Theilnahme während der ganzen Dauer des Cantonnemente von der Quartiers Kommißion nicht angewiesen worden. In Hinsicht deßelben hätte auch in Ansbach keine Abrechnung statt gefunden, ihr könne also die Pflichtenversäumniß oder die Nachsicht der Quartiers Kommißion nicht zur Last gelegt werden.
Herr geheimer Rath Graf von Tassis bemerkten nunmehr nach Darstellung dieser Streit-Geschichte, daß zwar der vom Wirthe Weinmann zum königlichen geheimen Rathe genommene Rekurs, in so weit es die Formalien betreffe, innerhalb der gesezlichen Frist eingereicht worden seie. Es ergebe sich jedoch schon aus dem Erkenntniße der ersten Instanz, daß das Objectum litis1788 nur die Summe von 85 fl. 31 kr. betreffe, folglich die in der allerhöchsten Verordnung ausgesprochene Berufungs Summe nicht {5r} erfülle1789; es handle sich auch nicht um die Erhaltung eines Juris perpetui, und es müße daher der rechtliche Antrag dahin gemacht werden: daß dem Rekurrenten die Abweisung bedeutet werde.
Seine des königlichen geheimen Staats und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Reigersberg Excellenz forderten die Herrn geheimen Räthe zur Abstimmung auf; und da nach den vorgetragenen aktenmäsigen Umständen dem Resultate des Vortrages einstimmig beigepflichtet worden
so wurde beschloßen, daß auf diese keine hinlängliche Summe betreffende Berufung die Abweisung in der angetragenen Art bedeutet werde1790.
Gutsherrliche Gerichtsbarkeit
Aretin setzt den Vortrag über die gutsherrliche Gerichtsbarkeit fort. Er setzt bei § 101 ein. Die Paragraphen 143, 157 und 161 werden eingehend diskutiert. Die Diskussion über den Ediktsentwurf wird abgeschlossen; der überarbeitete Entwurf ist dem König vorzulegen.
3. Nachdem nunmehr des königlichen geheimen Staats und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Montgelas Excellenz in der Sizung erschienen waren, so riefen Dieselben den Herrn geheimen Rath Freiherrn von Aretin auf, mit dem Vortrage über die gutsherrliche Gerichtsbarkeit fortzufahren1791.
Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin lasen den § 1011792 ab, und bemerkten, daß Sie {5v} deßen Faßung so stellen zu müßen geglaubt, die hier gegebene Bestimmungen seien lediglich eine Folge des Grundsazes, daß den Ortsgerichten in keinem streitigen Falle eine Kognizion zustehen solle. Man habe schon in der Sizung der vereinigten geheimen Raths Sectionen den Einwurf gemacht, daß auf die vorgeschlagene Art das kleinste Detail widersprochener Polizei Übertretungen an die Land- oder Herrschaftsgerichte gebracht werden müßte, und es zu Erleichterung in den Geschäften derselben beßer wäre, den Ortsgerichten in den (§ 99) bestimmten Fällen auch das Beweis Verfahren zu überlaßen.
Allein alle Stimmen glaubten, von dem aufgestellten Grundsaze keine Ausnahme machen zu dürfen, und
so wurde die Faßung des § 101 beibehalten.
Bei den §§ 102, 103 und 104 wurde keine Erinnerung gemacht,
und die Faßung derselben angenommen1793.
Bei dem § 1051794, wo den Ortsgerichten die Anstalten zur Verhinderung der Polizei Vergehen {6r} und die spezielle Aufsicht über die aus den Straforten Entlaßene übertragen werden, ihnen auch die Befugniß eingeräumt wird, sich der Ruhestörer zu bemächtigen, und sie zu Verhaft zu bringen, bemerkten Herr Referent, daß es nothwendig geschienen, zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung diese Befugniß den Orts-Gerichten zu belaßen.
Hiegegen hatten die Mitglieder des königlichen geheimen Rathes eben so wenig als bei dem folgenden §1795 zu erinnern
und es wurde die Faßung der §§ 105 und 106 unbedenklich angenomen.
Im § 1071796 wird festgesezt: daß wenn die Gutsherrn Hintersaßen auf neue Ansiedlungen aufnehmen, die Ortsgerichte durch die Land- oder Herrschafts Gerichte die Genehmigung des General-Kreis Kommißariats zu erholen haben.
Nachdem Herr geheimer Rath von Zentner die bei diesem § in der Sections-Sizung statt gehabte Discußion abgelesen hatten1797 *Beilage I* [Marginalie], so wurde die Umfrage verfügt, und
beschloßen, die Faßung deßelben beizubehalten.
{6v} Gegen die §§ 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114 und 115
wurde nichts erinnert1798.
Auch gegen den § 1161799, in welchem die Fälle enumerirt werden, auf welche sich die Polizei-Strafgewalt der Ortsgerichte zu erstreken hat, und bei welchem Herr Referent äußerten, daß die Aufzälung dieser Fälle nothwendig erschienen, indeme noch kein Polizei Straf-Gesezbuch existire, wurde nichts bemerkt, sondern
die Faßung deßelben beibehalten.
Eben so blieben die §§ 117, 118, 119
ohne Erinnerung1800.
Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin führten bei dem § 1201801 an, daß man nicht geglaubt habe, die Aufsicht auf das Zunftwesen den Ortsgerichten belaßen zu dürfen. Alles das, was in den vorhergehenden §§ von Polizei-Gegenständen zu ihrem Reßort gegeben worden, beziehe sich ausdrücklich auf die Lokalität; was außer diese falle, müße schon der Distrikts Polizei-Behörde überwiesen werden. Dieses seie der Fall mit dem Zunftwesen. Die Zünfte seien selten in einem {7r} Orte geschloßen, sondern gewöhnlich auf größere Distrikte ausgedehnt.
Der königliche geheime Rath theilten diese Ansicht, und stimmte bei
die Faßung des § 120, wie sie vorgetragen worden, anzunehmen.
Nach Inhalt des § 1211802 sollen die Ortsgerichte die Gesuche um Annahme von Handwerkern-Verleihung oder Besezung der nicht radizirten Gewerbs Gerechtigkeiten, Annahme neuer Handelsleute und um Ertheilung von Fabrik- und Manufaktur-Konzeßionen blos zu instruiren haben, die weitere Verfügungen aber den Land- und Herrschafts Gerichten überlaßen bleiben.
Hier wurde der in der Sizung der geheimen Raths Sectionen gemachten Bemerkung erwähnet. Die Verordnung vom Jahre 1805 in Betreff der Annahme neuer Gewerbs Leute1803 seie schon großen Widersprüchen ausgesezt gewesen, indeme manche Landgerichte sie zu weit ausgedehnt hätten. In der Regel seie eine solche Instruirung nicht nothwendig, sondern es mögte den Landgerichten die Kenntniß schon genügen, ob ein Gewerb für den Bedarf der Gegend wünschenswerth, ob es übersezt {7v} seie p. Der Zusaz: nicht radizirte Gewerbs Gerechtigkeiten seie auf die Erinnerung des Herrn geheimen Rath Grafen von Torring gemacht worden, welche gewunschen, daß von dieser Instruirung wenigstens die nicht radizirten Gewerbe ausgenommen werden mögten; eine solche erscheine wirklich überflüßig, und es dürfte hinreichen, wenn dem Landgerichte die Anzeige der Wiederbesezung gemacht werde.
Da die Herrn geheimen Räthe nach Entwikelung dieser Ansichten keine Gegenbemerkungen zu machen fanden
so wurde der § 121 nach der angetragenen Redakzion gut geheißen.
Auf gleiche Art erklärten sich die Herrn geheimen Räthe beifällig bei den in den §§ 122, 123, 124 und 125 auseinander gesezten weiteren Polizei Funkzionen der Ortsgerichte als Orts Polizei Aemter, und
traten der Faßung derselben bei1804.
Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin fanden sich bei dem Vortrage des § 1261805 zu der Bemerkung aufgefordert: Daß man geglaubt habe, den Ortsgerichten gestatten zu müßen, bei eintretenden Kultur-Streitigkeiten Vergleiche {8r} im Sinne der Kulturs Verordnungen zu vermitteln, wenn schon die Entscheidung dieser Streitigkeiten den Land- und Herrschafts Gerichten vorbehalten seie.
Obschon Herr geheimer Rath Graf von Törring bei der früheren Berathung Ihre Stimme zur vorgetragenen Redakzion gegeben hatten, so erachteten Sie doch heute, daß der Beisaz: im Sinne der Kulturs Verordnungen füglich weggelaßen werden könnte. Sie fänden, daß er nichts zur Wesenheit beitrage, wohl aber zu Verwirrungen führen könnte, da man doch eingestehen müße, daß die Kulturs-Mandate mehrmals sich einander widersprächen. Auch gehe aus dieser Faßung hervor, daß keine Vergleiche nach Konnvenienz gemacht werden könnten.
Auf die dagegen gemachte Bemerkung, daß allerdings keine Vergleiche vermittelt werden dürften, welche gegen die Geseze seien, und auf die von den übrigen Herrn geheimen Räthen gegebene beifällige Zustimmung wurde
beschloßen, es bei der Redakzion zu belaßen.
{8v} Bei dem § 1271806 bemerkten Herr Referent, daß schon bei der Ablage des ersten Vortrages in der Ministerial Lehen- und Hoheits Section die Fragen diskutirt worden seien: ob man den Ortsgerichts-Behörden auch die Handhabung der Forst- und Jagd-Polizei belaßen, dann ob die königliche Domainen Waldungen, welche in der Gemarkung der Ortsgerichte gelegen, von dieser Aufsicht ausgenommen werden sollten. In der Sizung der vereinigten Sectionen hätte man die Motive, welche Herr Referent zu Bejahung dieser beiden Fragen angegeben, hinlänglich begründet gefunden, und die Faßung unbedenklich angenommen.
Herr geheimer Rath von Krenner äußerten, daß Sie, eben so wie in den königlichen Domanial Waldungen die Handhabung der Forst-Polizei nicht den Ortsgerichten zugegeben seie, auch eine Ausnahme der königlichen Jagden aussprechen würden. Es wurde aber entgegnet, daß die Handhabung der Jagd-Polizei in den königlichen Jagden durch die Ortsgerichte wohl {9r} sehr erwünscht wäre. Die königliche Jagden seien meistens verpachtet, und da nebstbei die Jagdbehörde keine Gerichtsbarkeit mehr auszuüben habe, so müße es willkommen sein, wenn das Ortsgericht zu Besorgung der Jagd-Polizei aufgestellt werde. Hiernach wurde
die Faßung des § 127 einstimmig angenommen.
Gegen die Faßung der §§ 128 und 129
wurde ebenfalls keine Erinnerung gemacht1807.
§ 130. Nachdeme Herr geheimer Rath von Zentner die hierüber in der Sizung der vereinigten Sectionen statt gehabte Diskußion abgelesen hatten, wurde
die Faßung des § 1301808
eben so wie jene
des § 1311809 genehmiget.
Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin kamen nun auf die den Ortsgerichten zustehende IV Verwaltung in Kirchen-Sachen, welche in den §§ 132, 133, 134 und 135 näher bestimmt wurde1810. Bei der von Seiner Excellenz, {9v} dem königlichen geheimen Staats und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas verfügten Umfrage wurde von keiner Seite eine Erinnerung gemacht, und daher
beschloßen, die Faßung der §§ 132, 133, 134 anzunehmen, bei dem § 1351811 jedoch statt dem Ausdruk Übertretung der Andachts-Ordnung zu sezen „Übertretung der bestehenden Anordnungen“.
V. Von der Verwaltung in Finanz Sachen. §§ 136, 137, 138, 1391812. Bei der Umfrage über die Faßung dieser §§ glaubten des Herrn Ministers Grafen von Reigersberg Excellenz hinsichtlich der Bestimmung der Kompatibilität der finanziellen Geschäften mit der Justiz- und Polizeipflege sich auch hier bei den Orts-Gerichten auf das beziehen zu müßen, was Dieselben bereits in dem ganz gleichen Falle bei den Herrschafts Gerichten bemerket, daß nämlich nicht die General-Kommißariate allein, sondern auch die Appellazions Gerichte zu prüfen haben sollten, {10r} ob eine solche Geschäfts Verbindung vereinbarlich seie oder nicht?
Da jedoch hierauf in der Abstimmung der Herrn geheimen Räthen kein Anstand gegen die vorgetragene Bestimmungen erhoben wurde,
so wurde es bei der Faßung der §§ 136, 137, 138 und 139 belaßen.
Welche Wirkungs-Kreise die Ortsgerichte in Militär Sachen haben sollen, dieses erwähnen die §§ 140 und 1411813.
Auch gegen diese Bestimmungen so wie gegen die Redakzion wurde keine Erinnerung gemacht.
In dem III Titel wird von Bestellung der gutsherrlichen Gerichte gehandelt, und im 1ten Kapitel § 1421814 die allgemeine Bestimmungen vorausgesezt1815 *Beilage II* [Marginalie]
welchen der königliche geheime Rath einstimmig beipflichtete.
Bei dem 2ten Kapitel jedoch, von der Bestellung der Herrschafts-Gerichte erster Klaße wurde der § 143 einer umständlichen Prüfung unterworfen. Nach diesem sollen diejenige {10v} Fürsten, Grafen und Herrn, welche die Gerichtsbarkeit in zweiter Instanz haben, die Justiz Kanzleien als förmlich konstituirte Kollegien bilden und wenigstens mit einem Direktor und zwei Kanzlei-Räthen besezen1816.
Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin bemerkten, Sie hätten diese Bestimmungen hier nicht umgehen zu dürfen geglaubt, allein in der Redakzion hätten sich Schwierigkeiten gezeigt. Ursprünglich habe es geheißen, die Mediat-Justiz Kanzleien sollen Kollegien bilden. Allein, da der Ausdruk Mediat-Mediatisirte allenthalben vermieden werden sollte, so seie vorgeschlagen worden zu sezen: bei den Herrschafts-Gerichten, welche Justiz Kanzleien haben, müßen dieselben als förmlich konstituirte pp. Dagegen seie erinnert worden, daß die Justiz Kanzleien nicht bei den Herrschafts Gerichten sondern denselben vorgesezt wären. Endlich seie man in den vereinigten Sectionen {11r} über die oben erwähnte Stellung übereingekommen.
Des königlichen geheimen Staats und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Montgelas Excellenz ließen hierüber abstimmen.
Des königlichen Herrn Ministers Grafen von Reigersberg Excellenz erinnerten im voraus, daß Sie ganz und gar keinen Anstand fänden, die Besizer der Herrschafts-Gerichte erster Klaße mit den Mediatisirten zu äquipariren und also hier nicht allein wie in der gegenwärtigen Redakzion geschehen, der Fürsten, Grafen und Herrn erwähnen würden
Alle übrige Herrn geheimen Räthe kamen auch hierauf überein
den § 143 dahin zu ändern, „die Inhaber der Herrschafts Gerichte 1ter Klaße, welche die Gerichtsbarkeit in zweiter Instanz haben, sollen die Justiz-Kanzleien als förmlich konstituirte Kollegien bilden, und wenigstens mit einem Direktor und zwei Kanzlei Räthen besezen“.
{11v} Gegen die Faßung des § 1441817, wo die Bestellung der Herrschafts Gerichte erster Klaße in analoger Anwendung der neuen Landgerichts Verfaßung im Inn- Salzach- und Unterdonau-Kreise festgesezt wird1818, und zu einem Gerichtsbezirke nicht mehr als 11.000 Einwohner, ein Herrschafts-Richter, ein Adjunkt und ein Aktuar, zu einem Bezirke von 7 – 11.000 ein Herrschafts Richter und ein Aktuar, und zu einem weniger als 7.000 Einwohner begreifenden Bezirke mehr nicht, als ein Herrschafts Richter nebst einem verpflichteten Schreiber vorgeschrieben wird
wurde keine Erinnerung gemacht.
Eben so auch nicht gegen die §§ 145, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 154, 155 und 1561819, in welchen die Bestellung der Herrschafts-Gerichte, die Prüfung und Qualification der Beamten, die Verpflichtung derselben, ihr selbstiger Gerichts-Stand näher bezeichnet werden; nur bemerkten Herr geheimer {12r} Rath Graf von Törring, daß die Stellung des § 145 nicht ganz deutlich seie, wo es heiße die Beamten der sämmtlichen Herrschafts-Gerichte können nur bei einem und demselben Gerichte für beständig angestellt sein. Man könnte hiernach glauben, der Gutsbesizer dürfe seine Beamten nicht permutiren.
Da dieses nach der allgemeinen Meinung der Herrn geheimen Räthe der Sinn dieses § keineswegs seie, so wurde
beschloßen, den § 145 also abzuändern: „Die Beamten der sämmtlichen Herrschafts-Gerichten können nur bei einem Gerichte für beständig angestellt sein“, die übrigen §§ von 146 bis 156 inclusive aber in ihrer Faßung zu belaßen.
Nach dem § 1571820 ist für die Mitglieder der Justiz-Kanzleien, die Herrschafts-Richter und die Kriminal-Adjunkten der gleiche Anspruch auf denselben Dienstes- und Standes-Gehalt, auf gleiche Perpetuität des Gehaltes und auf die Pensionirung ihrer Hinterlaßenen ausgesprochen, wie solchen die Staats-Diener {12v} ähnlicher Dienstes Kategorie haben.
Freiherr von Aretin bemerkten, diese Gleichstellung seie als eine natürliche Folge des Grundsazes zu betrachten, daß sie gleiche Funkzionen versähen, daß man von ihnen gleiche Qualification fordere, daß sie gleiche Vorkenntniße sich hätten erwerben müßen. Aus diesen Ansichten habe man sich auch zur Redakzion des § 157, so wie er abgelesen worden, in den vereinigten geheimen Raths Sectionen per Majora verstanden.
Des Herrn Ministers Grafen von Montgelas Excellenz äußerten1821, daß diese Bestimmungen zu wichtig und zu eingreifend seien, als daß Sie nicht die einzelne Abstimmungen zu vernehmen wünschen müßten. Dieser Gegenstand seie schon in der Geheimen Staatskonferenz, wo das Edict über die Patrimonial-Gerichtsbarkeit und jenes über die gutsherrlichen Rechte vorgenommen worden, zur Sprache gekommen. Sie müßten sich im allgemeinen auf dasjenige beziehen, was sie deßfalls in jener Konferenz geäußert, und hier nur darauf {13r} aufmerksam machen, daß es für den Gutsherrn sehr hart seie, die Inamovibilitaet des Gerichts-Beamten auszusprechen1822, wo doch dem Gutsherrn die Haftung für ihn aufgetragen seie; wie könne er aber haften, wenn er in nicht in Handen habe? Wie könne sich erwarten laßen, daß der Beamte Parition leiste1823, wo er die Überzeugung habe, daß seinem Gutsherrn so strenge Vorschriften wegen seiner Perpetuität gegeben seien. Der Einwurf, daß die ganze Gleichstellung, welche in gegenwärtigem Geseze ausgesprochen werde, auch hier eine Gleichstellung mit den Staatsbeamten erfordere, habe weniger Gewicht als der Saz: daß es billig seie, da wo eine Haftung gefordert werde, auch über das Individuum disponiren zu können. Sie glaubten daher, daß man solche Bestimmungen der Perpetuität nur dann geben könne, wenn dem Gutsherrn die Haftung abgenommen werde, und Sie müßten wünschen, daß diese Ihre Erklärung ausdrüklich dem Protokolle einverleibt werde.
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister {13v} Herr Graf von Reigersberg beurtheilten diesen Gegenstand von einer andern Seite. Da man dem Gutsherrn das Selbstpfändungs Recht gestatte, da ihm nicht unbedingt untersagt seie, seinem Privatverwalter die Ausübung der Gerichtsbarkeit zu übertragen, da ihm die Kuratel über die Stiftungs-Fonds anvertraut seie, so fänden Sie bei diesen Verhältnißen die Unabhängigkeit des Jurisdictions Beamten von seinem Grundherrn sehr wichtig. Die Stellung des § 157 sichere diese Unabhängigkeit; was von der Haftung angeführt werde, seie bei den Bestimmungen der künftigen Gesezgebung nicht so schwer. Man könne sich auch durch Bürgschaft so wie durch eine thätige Oberaufsicht vorsehen.
Sie gaben daher Ihr besonderes schriftliches Votum dahin ab, daß Sie es bei der Faßung des § 157 belaßen würden1824. *Beilage III* [Marginalie]
Des Herrn geheimen Staats und Konferenz Ministers Grafen von Montgelas Excellenz forderten nun den Herrn geheimen Rath Grafen von Preising auf, Ihre Meinung abzugeben. Dieselben äußerten: daß Sie zwar hinsichtlich der Gleichstellung der Gehalte {14r} keine Erinnerung zu machen hätten, allein bei den von des Herrn Ministers Grafen von Montgelas Excellenz entwikelten und mit so wichtigen Gründen unterstüzten Ansichten müßten Sie gleichfalls eine andere Faßung des in der Berathung liegenden §i wünschen.
Herr geheimer Rath Graf von Törring äußerten, ebenfalls von der Wahrheit und Wichtigkeit der von des obgenannten Herrn Ministers Excellenz geäußerten Gründe durchdrungen zu sein. Sie würden jedoch dem Gutsherrn die ausgesprochene Haftung nicht abnehmen, Sie würden denselben einer thätigen Oberaufsicht auf die Gerichts-Führung des Beamten keineswegs entbinden, allein es seie doch dann auch erforderlich, daß dem Gutsherrn die Mittel gegeben würden, mit Kraft und Wirksamkeit gegen einen fahrläßigen Beamten aufzutreten. Sie glaubten dieses Mittel in den Abschließungen der Dienstes Kontrakte zu finden, wo dem unzufriedenen Gutsherrn so wie dem unzufriedenen Beamten nach vorhergegangener Aufkündigung die Möglichkeit gegeben seie, ihr gegenseitiges Verhältniß zu ändern. Der seine Pflichten erfüllende Beamte {14v} würde eine solche Aufkündigung nicht zu fürchten haben, der mit ihm aber nicht zufriedene Gutsherr habe die Mittel, dann nicht wider seinen Willen denselben beibehalten und bezalen zu müssen.
Herr geheimer Rath von Zentner fühlten zwar den vollen Werth der gegen die Redakzion des § 157 gemachten Einwürfe, und der Ansichten Seiner Excellenz des Herrn geheimen Staats und Konferenz Ministers Grafen von Montgelas, würden aber doch Bedenken finden, auf eine gänzliche Aenderung bei dem Umstand anzutragen, daß dem Gutsherrn frei stehe, schon ein solches Individuum zu seinem Beamten zu wählen, welches sein Zutrauen verdiene. Habe nun der Gutsherr frei gewählt, so glaubten Sie auch, daß derselbe zu haften habe, so wie Sie nun auch dem einmal definitiv Angestellten die Perpetuität nicht versagen würden. Allein – Sie glaubten ein Mittel zur Sicherung der gefährdet vermeinten Gutsherrn darin zu finden, daß man die Perpetuität nicht mit der Anstellung ausspreche, daß also den Gutsherrn gestattet werde, ihren Beamten provisorisch anzustellen, und ihnen überlaßen bleibe, die definitive Anstellung ihm dann anzugönnen, wenn {15r} er ihn seines Zutrauens vollkommen würdig befunden habe. Wenn aber der Beamte definitiv angestellt seie, dann trete auch die Bestimmung der Perpetuität p. wie bei andern Staatsdienern gleicher Kategorie in Anwendung. Sie würden es also bei der Faßung belaßen, und nur beisezen, daß die Gutsherrn diese Anstellungen auch provisorisch verfügen können.
Herr geheimer Rath Graf von Tassis schloßen sich dieser Meinung durchgehends an.
Herr geheimer Rath von Krenner konnten sich mit der früher vorgeschlagenen Einführung der Dienstes-Kontrakte nicht verstehen. Als Mittel, wodurch dem Gutsherrn möglich gemacht werde, sich eines ihme lästigen Beamten zu entledigen, fänden Sie diese Dienstes-Kontrakte weniger geeigenschaftet, als den vom Herrn geheimen Rathe von Zentner in Antrag gebrachten Beisaz, welchem Sie vollkommen beipflichteten.
Die Herrn geheimen Räthe von Schenk, Freiherr von Asbek und Graf von Welsperg vereinigten sich gleichfalls mit der Meinung des Herrn geheimen Rath von Zentner.
{15v} Des Herrn geheimen Staats und Konferenz Ministers Grafen von Montgelas Excellenz sprachen also nach der Stimmenmehrheit den Beschluß aus
daß es bei der Redakzion des § 157 belaßen werden solle, jedoch wäre am Ende deßelben beizusezen: „die Gutsherrn können diese Anstellungen auch provisorisch verfügen, in welchem Falle ihnen die Entlaßung unbeschränkt überlaßen wird“.
§ 158. Die Reise Lizenzen sollen die Mitglieder der Justiz Kanzleien von den Appellazions Gerichten, die übrigen Beamten von den General Kreis Kommißariaten erhalten, diese jedoch vorläufig die Anzeige bei dem Gutsherrn gemacht haben.
Des Herrn Ministers Grafen von Reigersberg Excellenz fanden, daß es, da dem Gutsherrn die Haftung für seinen Beamten obliege, nicht hinreichend scheine, ihm blos eine Anzeige der vorhabenden Reise zu machen, sondern daß auch seine Einwilligung dazu erfordert werde.
Auf diese Erinnerung wurde einstimmig beschloßen
den § zu stellen wie folgt: § 158. „Die Heuraths Bewilligungen p.“ bleibt1825. „Die Reise Lizenzen ertheilen {16r} den Mitgliedern der Justiz-Kanzleien die Appellazions Gerichte, und den Herrschafts-Beamten die General-Kreis-Kommißariate nach vorläufig beigebrachter Bewilligung des Gutsherrn“.
Die hierauf folgende §§ 159 und 160
wurden ohne Gegenbemerkung in ihrer Faßung beibehalten1826.
Was in dem § 1611827 von den Dienstes-Gebrechen der gutsherrlichen Beamten vorkömmt, hatte schon in der Sizung der vereinigten Sectionen umständliche Discußion veranlaßt. Herr geheimer Rath von Zentner lasen dieselbe ab.
Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin entwikelten hierauf die Ansichten, von welchen bei Faßung dieses § ausgegegangen worden. Ursprünglich habe es in dem Entwurfe geheißen: die Quieszirung des Beamten könne von dem Gutsherrn unter Bestätigung des General-Kommißariates verfügt werden, weil man geglaubt, hinsichtlich der Quieszirung der ständigen und der Entlaßung der amoviblen Beamten seie die Bestätigung jener Behörde erforderlich, {16v} welche die Bestellung dieser Beamten genehmige, indeme auch diese leztere nicht für den Gutsherrn allein, sondern auch für den Staat beeidiget wären; auf der andern Seite habe man aber auch diese Sicherheits Maaßregeln gegen gefährliche Beamten nicht verhindern zu dürfen erachtet. Bei dem Ausspruche über Quieszirung seie der Ausdruk unter Bestätigung des General Kommißariates dahin geändert worden „unter Vorwißen des General-Kommißariats“, weil es nach der Stimmenmehrheit genüge, wenn das General Kommißariat von der Quieszirung durch den Gutsherrn in Kenntniß gesezt werde. Man habe geglaubt, daß mehr als dieses nicht nothwendig seie, weil der Gutsherr den Quieszenz-Gehalt des Beamten bezalen müße, und ohne erhebliche Ursache diese Last sich gewiß nicht aufbürden werde.
Nach der von Seiner Excellenz, dem königlichen geheimen Staats und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas verfügten Umfrage über die Stellung dieses § vereinigte man sich durchgehends dahin, {17r} daß weder das Wort Bestätigung noch das Wort Vorwißen des General Kommißariats hier das gewählteste seie. Die Gründe, aus welchen die Bestätigung nicht nöthig befunden worden, träten auch bei dem Vorwißen ein; es seie hinreichend, wenn sogleich von der verfügten Quieszirung an das General-Kommißariat Anzeige geschehe.
Man beschloß daher, die Redakzion des § [1]61 abzuändern wie folgt: „Der Gutsherr, welcher die Dienstes-Gebrechen pp.“
„Die Quieszirung der Herrschafts-Beamten kann von dem Gutsherrn nach der für die unmittelbare königliche Beamten bestehenden Verordnungen verfügt werden, jedoch hat er solches sogleich dem General Kreis Kommißariat anzuzeigen.“
Gegen den § 1621828 ergab sich kein Anstand, nur wurde nach der Bemerkung, daß es am Schluße deßelben heiße, nicht nur das General Kommißariat sondern auch das Appellazions Gericht im Falle sei, den beharrlichen Ungehorsam des Beamten zu bestrafen
beschloßen, die Abänderung zu machen „den beharrlichen Ungehorsam des {17v} Beamten, wenn er nicht amovibel ist, hat das königliche General Kommißariat oder das Appellazions Gericht nach Beschaffenheit der Umständen zu bestrafen“.
Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin bemerkten, daß der nun folgende § [163]1829 neu eingerükt sei. Sie hätten bei dem Entwurfe geglaubt, auch sogleich die Vorschrift des Siegels geben zu müßen, welches bei amtlichen Ausfertigungen der Herrschafts Gerichte zu gebrauchen wäre. Da man dieses vollkommen zwekmäsig fand, so wurde die Faßung des § 163 unbedenklich angenommen.
3tes Kapitel. Von der Bestellung der Herrschafts Gerichte zweiter Klaße. Hier erinnerten Herr Referent, daß sich blos auf die in den vorigen §§ gegebene Bestimmungen bezogen worden, es träten ganz die nämlichen Verhältniße bei den Herrschafts Gerichten zweiter Klaße ein, wie bei jenen der ersten Klaße, nur werde kein Kriminal-Adjunkt bei den der zweiten Klaße angestellt
daher wurde die [!] Faßung der §§ 164 und 1651830, jedoch jener des lezteren unter der Modifikazion beigepflichtet, daß es blos heißen solle {18r} „auf die Justiz Kanzleien beziehen“, und der Beisaz: der mediatisirten Fürsten, Grafen und Herrn (was schon in dem Edicte allenthalben vermieden worden war) auch hier weggelaßen werde.
4tes Kapitel. Von Bestellung der Ortsgerichte. Der § 1661831 bestimmt die Zahl der dabei anzustellenden Individuen, und
wurde ohne Erinnerung angenommen.
Im § 1671832 wird gestattet, daß ein und das nämliche Individuum bei mehreren Ortsgerichten als Ortsbeamter bestellt werden könne, jedoch dürfe daßelbe nicht über 4 geometrische Stunden von den verschiedenen Gerichts-Sizen entfernt wohnen.
Des Herrn Ministers Grafen von Reigersberg Excellenz bemerkten, daß die Entfernung von 4 Stunden von den verschiedenen Gerichts-Sizen zu viel seie, daß nach dieser Stellung der Fall eintreten könne, daß der Gutsunterthan eines entfernten Gerichts-Sizes dennoch sieben Stunden zum Ortsbeamten haben könnte. Sie wünschten also, daß an statt der gegebenen Bestimmung die Aenderung dahin gemacht werde, daß der Orts-Beamte nicht über 4 Stunden von dem entlegentsten Gerichts-Hintersaßen entfernt wohnen dürfe.
{18v} Des Herrn Ministers Grafen von Montgelas Excellenz verfügten hierüber die Umfrage. Die Herrn geheimen Räthe Graf von Preising, Graf von Törring, von Zentner und Graf von Tassis stimmten für die Faßung. Die Herrn geheimen Räthe von Krenner, von Schenk, Freiherr von Asbek und Graf von Welsperg traten der Meinung des Herrn Justiz Ministers Grafen von Reigersberg Excellenz bei, so wie auch der vortragende Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin sich derselben Meinung anschloß.
Es wurde also nach der Stimmenmehrheit
beschloßen, die Aenderung dahin zu machen: „p. Ortsbeamter bestellt werden, er darf jedoch nicht über 4 geometrische Stunden von dem entlegentsten Gerichts-Hintersaßen entfernt wohnen.“
Bei dem Vortrage der §§ 168, 169, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 177 und 178 wurde keine Erinnerung gemacht1833, und daher die Faßung
derselben mit folgenden Modifikazionen beibehalten.
§ 1741834 heißt es: die Ortsbeamten werden aus Auftrag des General Kreis Kommißariats bei den Landgerichten verpflichtet. Hier solle gesezt werden: „bei den Land- und Herrschafts Gerichten“.
{19r} Im § 1771835 solle der Schreibfehler Zwangs Recht gegen die Orts Beamten verordnet worden dahin verbeßert werden „Zwangs Recht gegen die Herrschafts Beamten.“
IV. Titel. Von dem Aufhören der gutsherrlichen Gerichte. Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin entwikelten hier in den drei §§ 179, 180 und 181 die Fälle, in welchen sowohl in Bezug auf die Person des Gutsherrn als auch in Beziehung auf das Gut selbsten die Gerichtsbarkeit aufhöre, nämlich [§ 179] 1) durch den Tod. Man habe hier zu verstehen den natürlichen nicht nur, sondern auch den bürgerlichen Tod1836, deßwegen habe man auch von der capitis diminutio 1837 keine Meldung gemacht. [§ 179] 2) Mit dem Verluste des baierischen Indigenates. Da gegen diese zweite Art des Verlustes Bedenken erhoben worden, so verstand sich der königliche geheime Rath dahin
daß dieser Nummer 2 mit dem Verluste des baierischen Indigenats ganz weggelaßen werde, und daß sohin der Nummer 3 in 2 und der Nummer 4 in 3 sich abändere.
[§ 179] 3) Bei Veräußerung des Gutes, auf welchem die Gerichtsbarkeit konstituiret seie. [§ 179] 4) Bei Einziehung der gutsherrlichen Gerichtsbarkeit auf Seite des Staates, welche zur Strafe verfügt seie. {19v} Hier enumerirt der § [180] die Fälle, in welchen dieses leztere sich ergeben kann. Bei der Abtheilung b) heißt es: Ingleichen wird der Gutsherr wegen schweren Mißbrauches der Gerichtsbarkeit auf seine Lebenszeit verlustig, unbeschadet seiner Erben und anderen Rechts-Nachfolger. Diese Strafe tritt ein, wenn er die ihme anvertraute Gewalt in rechtswidrigem Vorsaze dergestalt mißbraucht, daß der Mißbrauch in ein, in dem Strafgesezbuche genanntes Verbrechen übergehet, vorbehaltlich aller übrigen verwirkten Strafen.
Hiebei erinnerten des Herrn Ministers Grafen von Reigersberg Excellenz, daß nach dieser Stellung der Gutsherr nur wegen Verbrechen, nicht aber auch wegen schweren Vergehen, was doch gleichfalls statt haben sollte, der Gerichtsbarkeit verlustig werde.
Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin entgegneten, daß man in den Sections Sizungen der Meinung gewesen, daß nur Kriminal-Handlungen die Veranlaßung zum Verluste derselben geben sollten. Der königliche geheime Rath {20r} glaubte nun einen Mittelweg dahin zu finden, wodurch nebst der ausschließlichen Bestimmung (des Wortes) Verbrechens auch die Hinweisung auf das Strafgesezbuch umgangen würde, wenn man den Verlust der Gerichtsbarkeit durch die Gerichte aussprechen laße.
Hiernach wurde
beschloßen, die Abtheilung b also zu faßen
b) Ingleichen wird der Gutsherr durch den Ausspruch der Gerichten wegen schweren Mißbrauches der Gerichtsbarkeit auf seine Lebenszeit verlustig, unbeschadet der Rechten seiner Erben und anderen Rechts-Nachfolger.
Hierdurch werde der weitere Beisaz: diese Strafe tritt ein p. ganz überflüßig.
Bei den § 180 und 181 [!]1838, wo bei dem ersteren die Fälle aufgezält werden, wie hinsichtlich des Gutes die gutsherrliche Gerichtsbarkeit verloren gehet
wurde keine Erinnerung gemacht, und dieselbe in ihrer Faßung beibehalten.
Endlich bemerkten Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin noch zum Schluße, daß wegen Uniformirung der gutsherrlichen Gerichts-Beamten in den vereinigten Sectionen {20v} auch die Rede gewesen, dort aber für gut befunden worden seie, in dem gegenwärtigen Edikte davon Umgang zu nehmen, und besondere Bestimmungen darüber seiner Zeit in Antrag zu bringen
womit sich auch der königliche geheime Rath vollkommen einverstand.
Die in der gegenwärtigen Sizung gefaßten Beschlüße des königlichen geheimen Rathes wären nun als allerunterthänigste Anträge deßelben Seiner Majestät dem Könige ehrerbietigst vorzulegen1839.
Anmerkungen
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 1350f. Zum Fortgang: Protokoll Nr. 90 (Geheimer Rat vom 15. Oktober 1812), TOP 1.
Die Berufungssumme im Rekursverfahren vor dem Geheimen Rat betrug 400 Gulden. VO betr. die „Vervollständigung der Kompetenzregulirung des königlichen geheimen Rathes in administrativ, polizeilich und finanziellen Gegenständen“ vom 8. August 1810, Tit. I Art. 2, RegBl. 1810, Sp. 643 = DVR Nr. 287/1, S. 668.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 1351.
„Entwurf des Organischen Edicts über die Gutsherrliche Gerichtsbarkeit. Nach den Beschlüssen der Geheimen Raths Commißion“, BayHStA Staatsrat 1951 (fortan zit. als: Entwurf OE Gutsherrliche Gerichtsbarkeit), S. 36: „§ 101. In jedem Falle bleibt die Bestrafung jener Polizei Übertretungen den Land- und Herrschafts-Gerichten vorbehalten, wobei die Thatsache der Übertretung gegen die Abläugnung des Beschuldigten erst durch vorläufige Beweisführung hergestellt werden muß.“
Entwurf OE Gutsherrliche Gerichtsbarkeit, S. 36. Alle streitigen Polizeigegenstände gehen an die Land- und Herrschaftsgerichte über, sofern kein Vergleich zustande kommt (§ 102). Die Gegenstände der Distriktspolizei ressortieren zu den königlichen Land- und Herrschaftsgerichten (§ 103). Die Ortsgerichte sind in der Regel die Organe der Land- und Herrschaftsgerichte zum Vollzug polizeilicher Verfügungen (§ 104).
Ebd., S. 37: „§ 105. Die Anstalten zur vorläufigen Verhinderung der Polizei-Vergehen und der Polizei-Übertretungen, dann die spezielle Polizei Aufsicht über die aus den Straforten Entlassenen liegen durchgehends in dem Wirkungs Kreise der Orts-Gerichte. Zur Geltendmachung polizeilicher Anordnungen, zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung gegen Ruhestörer oder Widerspenstige sind sie befugt, sich der Übertreter zu bemächtigen, und sie zu Verhaft zu bringen.“
Entwurf OE Gutsherrliche Gerichtsbarkeit, S. 36-40. Bescheide über Auswanderungsgesuche sind von den Ortsgerichten bei den Land- oder Herrschaftsgerichten einzuholen (§ 108). Den Ortsgerichten steht das „Polizei-Strafrecht“ zu, wenn von den Einwohnern unterlassen wird, fremde Personen anzumelden. Fremde mit unzureichenden Reisepässen sowie „Landstreicher“ sind an die Landgerichte zu überstellen (§ 109). Die Ortsgerichte inspizieren die lokalen Schulen (§ 110), gehen gegen die Verbreitung „verbotener Schriften und dieser Art sinnlicher Darstellungen“ vor sowie gegen den unberechtigten Handel mit Büchern, Kupferstichen und Bildern (§ 111). Die Ortsgerichte wachen über die Schulgesetze (§ 112) und vollziehen die Aufträge des Gutsherrn „in Beziehung auf die Unterrichts-Polizei“ (§ 113). Wesentliche Pflicht der Ortsgerichte ist die Sorge um die „öffentliche Sicherheit und Sittlichkeit“. Sie gehen gegen „schädliche Menschen und Thiere“ vor und schützen die Bevölkerung in „Unglücksfälle[n]“ (§ 114). Sie sind ferner nachgeordnete Organe beim Vollzug allgemeiner „Sicherheits-Anstalten“ (§ 115).
Ebd., S. 40: „§ 116. Die Polizei-Straf-Gewalt der erwehnten Lokal-Polizei-Ämter erstrekt sich provisorisch a) über muthwillige Ruhestörungen, b) über den Bettel, c) über thätliche Beleidigungen und geringe Raufhändel, wobei keine Verwundungen unterlaufen, d) über die Veranlassungen zu Unglüksfällen und Gefahren an Leib, Leben und Eigenthum, e) über die Übertretungen gegen die öffentliche Sittlichkeit.“
Ebd., S. 40-42. Die Ortsgerichte haben die Entschließungen der Gutsherrn hinsichtlich der Genehmigung von „Volks-Belustigungen“ einzuholen (§ 117). „Gemeinde- und Feld-Polizei“ gehören ebenfalls in die Kompetenz der Ortsgerichte, jedoch nicht die Armenpflege (§ 118). Die Ortsgerichte ahnden Übertretungen der Gesinde-, Gemeinde-, Bau-, Flur- und Zuchtviehordnung (§ 119).
Ebd., § 121, mit Marginalverweis auf VO betr. das „Recht zum Beziehen der inländischen Jahrmärkte und die Ausstellung der Handels-Vorweise“ vom 8. Mai 1811, RegBl. 1811, Sp. 649-654.
Gemeint ist vermutlich die auf den 1. Dezember 1804 datierte, im Regierungsblatt vom 2. Januar 1805 publizierte VO betr. die „Handwerks-Befugnisse“ (RegBl. 1805, Sp. 43-48). Der Gesetzgeber stellte darin fest, daß „Handwerksbefugnisse, welche blos auf persönlicher Geschicklichkeit beruhen, die Natur reeller Gerechtigkeiten, oder eines veräusserlichen Eigenthumes nicht annehmen“ können. Für jene Orte und jene Fälle, „wo die vermeintliche Realität der Handwerke, oder eines in Frage stehenden Gewerbes hinlänglich nachgewiesen werden kann“, verordnete der Gesetzgeber zahlreiche Einschränkungen hinsichtlich der Verleihung (neuer) Handwerkskonzessionen (Zitate Sp. 43f.).
Entwurf OE Gutsherrliche Gerichtsbarkeit, S. 42-44. Die Ortsgerichte üben die Markt- und Gewerbeaufsicht aus (§ 122) und haben Strafkompetenzen (§ 123). Die Ortspolizei wacht über den guten Zustand der Brücken und Wege, die einzelne Gemeinden verbinden (§ 124). Die Ortsgerichte zeigen Verstöße gegen die Verordnungen im Wasser-, Brücken- und Wasserbau bei den Land- und Herrschaftsgerichten an (§ 125).
Ebd., S. 44: „§ 126. Die Entscheidung der Kulturs-Streitigkeiten ist zwar den königlichen Land- und Herrschaftsgerichten vorbehalten, jedoch können die Ortsgerichte Vergleiche im Sinne der Kulturs Verordnungen mit Beobachtung der vorgehenden Verordnungen § 89 und folgende vermitteln. Diese leztere haben auch alle diejenigen Polizuei-Übertretungen zu bestrafen, wodurch die Sicherheit der Kultur des Bodens verlezt wird.“
Ebd., S. 45: „§ 127. Die Handhabung der Forst- und Jagd-Polizei ist nach den königlichen Forst- und Jagd-Ordnungen zu beobachten, und gehört in den Waldungen, welche in der Gemarkung der Ortsgerichte gelegen sind, jedoch mit Ausnahme der allenfalls daselbst befindlichen Domanial Waldungen zum Ressort dieser Ortsgerichte mit der Straf-Gerichtsbarkeit über alle in dem Gerichtsbezirke begangene Frevel, ohne Rüksicht auf das Domizil des Übertreters. Die Übertretungen der Gutsherrn selbst gegen die Forst- und Jagd-Ordnung werden von den Distrikts-Gerichten gemeinschaftlich mit den königlichen Forstämtern gerüget. Die Oberaufsicht, welche der königlichen General Forst Administration nach dem organischen Edikte vom 1n Oktober 1808 [vgl. das zum 1. Oktober 1808 „vollständig in Vollzug“ zu setzende Organische Edikt „über die Anordnung einer Steuer- und Domänensektion bei dem königlichen geheimen Finanz-Ministerium“ vom 25. August 1808, RegBl. 1808, Sp. 2045-2058, mit Hinweis auf das beim Finanzministerium „unter der Benennung“ Generalforstadministration angesiedelte und untergeordnete oberste Forstamt, Sp. 2045] zusteht, bleibt derselben vorbehalten.“
Ebd., S. 45f.: „§ 128. In Rüksicht auf allgemeine Anstalten der Sanitäts-Polizei sind die Ortsgerichte den königlichen Land- und Herrschafts Gerichten untergeordnet; sie haben alle von denselben empfangene Anordnungen pünktlich zu erfüllen. § 129. Als Orts-Polizei Behörde haben sie die Pflicht der Aufmerksamkeit auf die Gesundheit der Nahrungsmittel und auf die öffentliche Reinlichkeit. Sie sind zu allen örtlichen Anstalten verbunden, welche auf die Erhaltung der Gesundheit sich beziehen, und die Verbreitung anstekender Krankheiten und Seuchen abhalten. Sie stehen jedoch hiebei unter der Leitung des königlichen Land- oder Herrschafts-Gerichtes, an welches sie von den Spuren anstekender Krankheiten sogleich schleunige Anzeige zu machen haben.“
Ebd., S. 46: „§ 130. Überhaupt haben die Ortsgerichte in den Gegenständen der Medizinal-Polizei sich unmittelbar an das königliche Land- oder Herrschafts Gericht zu wenden, von welchem die Erinnerungen und Gutachten des betreffenden Gerichts- und Thier-Arztes nach Beschaffenheit der Sache veranlaßt werden. Dringende Fälle machen hievon eine Ausnahme. Jedoch ist das Land- oder Herrschafts Gericht von der Kommunikazion mit dem medizinischen Personal jedesmal in Kenntniß zu sezen.“
Ebd., S. 47: „§ 131. Die Übertretungen gegen die Gesundheits-Polizei werden in der Regel von den königlichen Land- und Herrschafts-Gerichten bestraft. Nur die Vernachlässigung der Sanitäts Vorschriften in Beziehung auf die Lebensmittel, und in Hinsicht auf die öffentliche Reinlichkeit unterliegen der Strafgewalt der Ortsgerichte.“
Ebd., S. 47f. Die Ortsgerichte üben weder gutsherrliche Konsistorialrechte aus, noch sind sie mit einer Konsistorialgerichtsbarkeit bekleidet. Das gutsherrliche Patronatsrecht üben sie nur im Auftrag des Gutsherrn aus (§ 132). „Das Recht der Besieglung der geistlichen Verlassenschaften […] kommt den gutsherrlichen Gerichten […] zu.“ Das Installationsrecht liegt in der Kompetenz der Land- und Herrschaftsgerichte (§ 133). Das Ortsgericht verwaltet das Patrimonialstiftungsvermögen unter Aufsicht des Generalkreiskommissariats (§ 134) und übt die „niedere Kirchen-Polizei“ aus (§ 135).
Ebd., S. 48f. Die Ortsgerichte haben die Stempelordnung genau zu beachten (§ 136). Taxen und Sporteln sind dem Gutsherren zu verrechnen (§ 137). „Die Gutsherren können ihren Gerichten auch die Erhebung anderer Gutsrenten, oder die Oekonomie-Verwaltung übertragen […]“ (§ 138). Die Ortsgerichte sind verpflichtet, „die Eröfnungen zu befolgen“, die von den Rentämtern in Finanzsachen erlassen werden (§ 139).
Ebd., S. 49f. In Angelegenheiten der Militärkonskription (auch mit Blick auf die Beurlaubten, die widerspenstigen Konskribierten und die Deserteure) und des Marschkommissariats richten sich die Ortsgerichte nach den Aufträgen der Land- und Herrschaftsgerichte (§ 140). Wenn es um die Nationalgarde, den Polizeikordon und die Gendarmerie geht, muß das Ortsgericht (Lokalbehörde) die entsprechende Verfügung beim Land- oder Herrschaftsgericht (Distriktsbehörde) veranlassen (§ 141).
Ebd., S. 50f.: „§ 142. Damit die in dem vorgehenden Titel angeführten Funkzionen der gutsherrlichen Gerichte giltig ausgeübt werden können, müssen sie auf eine verordnungsmäsige Weise besezt sein. Dazu wird eine bestimmte Zahl, die gehörige Qualification, und der gegen den Souverain abgelegte Dienstes-Eid von Seite der von dem Gutsherrn ernannten Gerichts-Beamten erfodert.“
Vgl. VO betr. die „Territorial-Eintheilung des Königreichs“ vom 23. September 1810, RegBl. 1810, Sp. 809-816, hier Sp. 815 (Innkreis), 814f. (Salzachkreis), 813 (Unterdonaukreis). Details: VO betr. die „Landgerichts-Verfassung im Inn- und Eisack-Kreis“ vom 31. August 1810, RegBl. 1810, Sp. 913-919; Bekanntmachung betr. die „Landgerichts-Eintheilung im Inn- und Eisack-Kreise“ vom 31. August 1810, ebd., Sp. 920-931; VO betr. die „Organisation der Landgerichte und Rentämter im Inn- und Hausruckviertel“ vom 13. Dezember 1810, ebd., Sp. 1393-1408.
Entwurf OE Gutsherrliche Gerichtsbarkeit, S. 52-56. Die Beamten der Herrschaftsgerichte können nur bei einem Gericht beständig angestellt sein (§ 145). „Die Besorgung eines Herrschafts-Gerichts kann einem Landgericht nicht übertragen werden“ (§ 146). Wenn Ziviladjunkt oder Aktuar verhindert sind, das Gerichtsprotokoll zu führen, kann ein vereidigter „Skribent“ verpflichtet werden (§ 147). Die Qualifikation des bei den Justizkanzleien angestellten Personals wird von dem zuständigen Appellationsgericht festgestellt; die Genehmigung wird vom Justizministerium ausgesprochen (§ 148). Die Qualifikation der Beamten der Herrschaftsgerichte wird durch das Generalkreiskommissariat zusammen mit dem Appellationsgericht untersucht und bestätigt (§ 149). Das Personal der Herrschaftsgerichte muß dieselbe Qualifikation aufweisen wie das Personal der königlichen Gerichte (§ 150). Der Gutsherr kann in dem Herrschaftsgericht an seinem Wohnort das Richteramt selbst übernehmen, doch muß er im Regelfall die vorgeschriebene Qualifikation nachweisen (§ 151). In seinen eigenen Rechtsangelegenheiten kann er keine richterliche Funktion ausüben (§ 152). Der Gutsherr darf „liquide[…] Gefälle“ eintreiben (§ 153). Die Mitglieder der Justizkanzleien werden durch einen Kommissär des zuständigen Appellationsgerichts, die Beamten der Herrschaftsgerichte werden unmittelbar durch das Generalkreiskommissariat in die Pflicht genommen (§ 154). Die Herrschaftsbeamten verpflichten sich dem Gutsherrn durch einen Eid zur Beachtung der Gesetze (§ 156). Die Mitglieder der Justizkanzleien und die Herrschaftsrichter treten in erster Instanz vor das Stadtgericht der Hauptstadt des jeweiligen Kreises, in zweiter Instanz vor das Appellationsgericht (§ 156).
Ebd., S. 56f.: „§ 157. Die Mitglieder der Justiz Kanzleien, die Herrschaftsrichter und die Kriminal Adjunkten haben mit den Staatsdienern von ähnlicher Dienstes Kathegorie gleiche Ansprüche auf denselben Stand und Dienstes Gehalt, auf eine gleiche Perpetuität des Gehaltes, und auf die Pensionirung ihrer Hinterlaßenen. Sie können nur wegen Vergehen nach vorgängiger Untersuchung und in Folge eines richterlichen Erkenntnisses von ihren Stellen entlassen werden. Die Zivil Adjunkten und Aktuare dieser Herrschafts-Gerichte sind in Beziehung auf den Gehalt und dessen Ständigkeit mit den Landgerichts Adjunkten und Aktuaren in einem gleichen Verhältnisse. Die Bestellungen der Herrschaftsbeamten sind mit dem Gesuche um die Bestätigung jedesmal vorzulegen.“
Die folgende Wortmeldung des Ministers Montgelas ist teilweise gedruckt bei Schimke, Regierungsakten, S. 223 Anm. 248.
Vgl. Konstitution für das Königreich Bayern vom 1. Mai 1808, Tit. V § 3, RegBl. 1808, Sp. 987 = DVR Nr. 286, S. 661: „Die Glieder der Justiz-Kollegien werden von dem König auf Lebenszeit ernannt, und können nur durch einen förmlichen Spruch ihre Stellen verlieren.“
Reigersberg, [Votum], 1 Bl., BayHStA Staatsrat 278. Teildruck: Schimke, Regierungsakten, Nr. 44, S. 222f.
Ebd., S. 57f.: Herrschaftsbeamte und Mitglieder der Justizkanzleien konkurrieren mit den „unmittelbaren königlichen Beamten bei der Beförderung in den Staatsdienst“ (§ 159). Der Gutsherr haftet für Schäden, die aus den Amtshandlungen seiner Beamten erwachsen. Wenn er die Gerichtsbarkeit zum Nachteil der Untertanen ausübt, wird der Gutsherr von der Oberbehörde durch Strafbefehle zur Bestellung eines „tauglichen Beamten“ angehalten (§ 160).
Ebd., S. 58f.: „§ 161. Der Gutsherr, welcher die Dienstesgebrechen seiner Gerichtsbeamten wahrnimmt, hat hievon das General Kreis Kommissariat in Kenntniß zu sezen, damit die erfoderliche Untersuchung veranlaßt, und nach Umständen die Dienstes-Suspension erkannt werde. Die Quieszirung der Herrschafts Beamten kann von dem Gutsherrn mit Vorwissen des General Kreis Kommissariats nach den für die unmittelbaren königlichen Beamten bestehenden Verordnungen verfügt werden. Die Zivil Adjunkten, wenn sie ihr Amt noch nicht 6 Jahre lang ununterbrochen verwaltet haben, und die Aktuare können von dem Gutsherrn nach vorläufiger Anzeige an das General Kreis Kommissariat, entlassen werden. Die Renten Verwaltung kann der Gutsherr seinen Beamten in jedem Falle nach seinem Gutdünken abnehmen.“
Ebd., S. 59f.: „§ 162. Da dem Gutsherrn in Justiz-Sachen ausser der blosen Einsichtsnahme keine Konkurrenz mit seinem Gerichte zustehet, so hat er sich auch aller Einmischung bei Vermeidung der Nullität und des Schaden-Ersazes, nebst weiterer angemessenen Bestrafung hiebei zu enthalten. In administrativen Gegenständen hingegen, wo ihm ein Einfluß in die Verwaltung gestattet ist, hat er das Recht, seine seine Gerichtsbeamten allenfalls durch Geldstrafen zu Befolgung seiner Aufträge, wofür er zu haften hat, zu zwingen. Den beharrlichen Ungehorsam des Beamten, wenn er nicht amovibel ist, hat das General Kreis Kommissariat nach Beschaffenheit der Umstände auf erhaltene Anzeige zu bestrafen.“
Ebd., S. 60f.: „§ 164. Bei Bestellung der Herrschafts-Gerichte zweiter Klaße treten die nemliche Verhältnisse ein, welche in dem nächst vorhergehenden Kapitel in Ansehung der Herrschafts-Gerichte erster Klaße festgesezt werden, nur mit der Ausnahme, daß bei jenen keine Kriminal-Adjunkten angestellt werden. § 165. Eben so finden hiebei jene Verordnungen keine Anwendung, welche sich im besondern auf die Justiz-Kanzleien der mediatisirten Fürsten, Grafen und Herrn beziehen.“
Ebd., S. 61-64. Ortsbeamte können sich mit Bewilligung des Generalkreiskommissariats gegenseitig vertreten (§ 168). Die Gutsherren können den Land- und Herrschaftsgerichten zeitweilig die Verwaltung ihrer Ortsgerichte überlassen (§ 169). Die Prüfung der Qualifikation der Ortsbeamten sowie deren Bestätigung steht ausschließlich den Generalkreiskommissariaten zu (§ 170). Bewerber auf diese Stellen müssen Gymnasialstudien und eine Gerichtspraxis von mehreren Jahren nachweisen sowie eine Eintrittsprüfung erfolgreich absolvieren (§ 171). Advokaten können nicht zugleich Ortsbeamte sein (§ 172). Im Fall der Übernahme der Gerichtsverwaltung durch den Gutsherrn gelten die §§ 151 und 152, s. oben (§ 173). Wenn Ortsbeamte in dem Landgerichtsbezirk wohnen, in dem sie das Ortsgericht verwalten, haben sie denselben Gerichtsstand wie die Landgerichtsaktuare. Bei einem Wohnsitz außerhalb des Landgerichtsbezirks treten sie vor das ordentliche Gericht des Wohnorts (§ 175). Das Gehalt wird zwischen Gutsherr und Ortsbeamten frei ausgehandelt. Der Ortsbeamte hat keine Anspruch auf „Stabilität“; der Gutsherr erteilt die Heiratsbewilligung (§ 176). Die Ortsgerichte führen ein Siegel mit dem Wappen des Gutsherrn (§ 178).
Ebd., S. 63f.: „§ 177. Alles was § 160 von den Haftungen des Gutsherrn und § 162 von dem Zwangsrechte gegen die Ortsbeamten verordnet worden, findet auch in Ansehung der Ortsbeamten seine Anwendung. Von jeder Entlassung der Ortsbeamten hat der Gutsherr die Anzeige an das General Kreis Kommissariat zu machen.“
Bürgerlicher Tod bezeichnet die Situation, „in der der Betroffene rechtlos und wie nach seinem tatsächlichen Tod gestellt ist“. Er ging somit, wie das bayerische Strafgesetzbuch von 1813 aufzählen sollte, seines Vermögens verlustig, durfte kein Eigentum erwerben, nicht vor Gericht auftreten (auch nicht als Zeuge), zudem nicht die Ehe gültig eingehen (eine bereits bestehende Ehe löste sich auf). Vgl. Schmoeckel, Art. B., in: HRG2 Bd. 1, Sp. 751f., Zitat Sp. 751; StGB 1813, Art. 7, S. 3f.
Capitis deminutio bezeichnet (im römischen Recht) jeden Vorgang, durch den eine freie Person die Gliedstellung in ihrem Verband verliert; die Rechtspersönlichkeit geht dabei vollständig unter. Insofern werden die Wirkungen der c. d. oft mit denen des Todes verglichen. Vgl. Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht, S. 75; Kaser/Knütel/Lohse, Privatrecht, S. 93.
Gemeint sind die §§ 181 und 182. Entwurf OE Gutsherrliche Gerichtsbarkeit, S. 66: „§ 181. Rüksichtlich des Gutes selbst geht die gutsherrliche Gerichtsbarkeit verloren a) bei Majorats-Herrschafts-Gerichten, wenn das Majorat selbst nicht mehr fortbesteht, b) bei lehenbaren Gerichten, wenn der Lehenverband aufhört, c) bei den übrigen gutsherrlichen Gerichten, wenn an dem Gute selbst eine solche Zerstückelung, oder andere Veränderung vorgeht, daß die organischen Bedingungen der Bildung eines gutsherrlichen Gerichtes nicht mehr fortdauern können, d) wenn ein rechtsbeständiger Verzicht auf die gutsherrliche Gerichtsbarkeit ausdrüklich, oder stillschweigend geleistet wird. Dahin ist der Fall zu rechnen, wenn der Gutsherr binnen des § 13 bestimmten Termins die Vorschriften zur Bildung des gutsherrlichen Gerichts nicht beobachten würde. § 182. Übrigens haben die Land- und Herrschafts-Gerichte des Gutsherrn auch nach dem Verlust ihrer Gerichtsbarkeit in Beibringung ihrer gutsherrlichen Foderungen auf Anrufen schleunig Amtshilfe zu leisten.“
Publiziert als „Organisches Edikt über die gutsherrliche Gerichtsbarkeit“ vom 16. August 1812, RegBl. 1812, Sp. 1505-1556 = DVR Nr. 341, S. 1148-1176.