BayHStA Staatsrat 199
9 Blätter. Unterschriften des Königs und der Minister. Protokoll: Kobell.
Anwesend:
Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Reigersberg.
Geheime Räte: Graf v. Preysing; Ignaz Graf v. Arco; Graf v. Toerring-Gutenzell; v. Zentner; Johann Nepomuk v. Krenner; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; v. Schenk; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach; Graf v. Welsberg.
Fideikommisse und Majorate
Auslöser für Johann Nepomuk von Krenners Vortrag sind zur Entscheidung anstehende Fälle, die nach seiner Ansicht nicht vom geltenden Fideikommißrecht erfaßt sind. Da die einschlägige königliche Erklärung noch auf sich warten läßt, beantragt er eine einstweilige Verordnung, um die Streitfälle entscheiden zu können. Reigersberg vertritt die Gegenposition; er wünscht keine bruchstückhafte Erläuterung für Einzelfälle. Die weit überwiegende Mehrheit der Stimmen folgt Reigersberg, während Toerring-Gutenzell und Preysing sich der Stimme enthalten, da sie Partei in dieser Sache sind.
{1r} Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas, welche bei Verhinderung Seiner Majestät des Königs in der auf heute angeordneten geheimen Raths Sizung den Vorsiz übernahmen, forderten den königlichen wirklichen geheimen Rath von Krenner den älteren auf, die einzelne an den königlichen geheimen Rath gewiesene Fälle, die nach seiner {1v} Ansicht nicht zu den Fideikommißen zu rechnen und dringend sein sollen, vorzutragen. Herr geheimer Rath von Krenner leistete dieser Aufforderung Folge, indem er in einem mündlichen Vortrage bemerkte, daß bei den Erinnerungen und Anständen, die in einer Plenar-Sizung des königlichen geheimen Rathes gegen den von den Sectionen mit vieler Anstrengung bearbeiteten Entwurf einer königlichen Erklärung, die bisherige adelige Fideikommiße und künftige Majorate im Königreiche betreffend erhoben1815, und von Seiner Majestät dem Könige so gewürdiget worden, daß Allerhöchstdieselbe eine neue Deliberation der bestrittenen Art. anzuordnen geruhet haben, vorzusehen sei, diese neue königliche Erklärung, welche das schon bestehende organische Edict über Fideikommiße und Adel erläutern solle, werde vor 6 Monaten noch nicht erscheinen.
Da inzwischen durch die verzögerte Erscheinung dieser Erklärung eine große Anzal einzelner Fälle, die nicht unter die Fideikommiße zu zälen, zum Nachtheile der Besizer und Familien unentschieden geblieben, obschon Seine Majestät der König bereits im August v. J. nach dem geheimen Raths Protokoll vom 24en August eine allerhöchste Entschließung deßwegen gefaßt, dieselbe ausgefertigt und unterzeichnet sei1816, so finde er sich aufgerufen, vorzuschlagen, den allerunterthänigsten Antrag um so mehr an Seine Majestät den König zu stellen, die wegen diesen einzelnen nicht fideikommißarischen Gegenständen {2r} gefaßte allerhöchste Entscheidungen aus dem Entwurfe des Haupt Edictes herauszuheben, und in einer einsweiligen Verordnung den königlichen Justiz-Stellen mitzutheilen, als ansonst vorherzusehen, daß diese Objecte ganz verschwinden, und den Privaten, Familien, und frommen Familien Stiftungen ein nicht zu berechnender Schaden zugefügt werde, auch die Gerichts Stellen bald so bald anders entscheiden würden, da sie in den durch das erste organische Edict gegebenen Normen1817 schwankend gemacht, und selbst mehrere wichtige Zweifel dagegen einberichtet hätten.
Die einzelnen Fälle, worauf es ankomme, gegenwärtig gleich die schon ausgesprochene allerhöchste Entschließungen herauszugeben, seien: 1) Die adelige Privat-Lehen-Höfe. 2) Die Familien Stiftungen, und 3) die kleinere Fideikommiße, welche nicht 4.000 fl. reine Einkünfte haben, und deßwegen nicht geeignet, Majorate darauf zu bilden.
Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas verfügten über diesen Antrag die Umfrage.
Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg erbaten sich, daß zuerst das geheime Raths Protocoll vom [Lücke im Text] abgelesen werden mögte. Nachdem Herr geheimer Rath von Krenner daßelbe abgelesen hatte, äußerten sich Seine Excellenz, sie hielten die Erlaßung der angetragenen einsweiligen Verordnung für sehr bedenklich {2v} ehe das ganze Sistem berichtiget, es seie ein Bruchstük, was nach seiner Überzeugung die Widersprüche bei den Gerichtshöfen eher mehren als mindern würde. Die Hauptsache seie bereits so weit bearbeitet, daß er nicht absehe, warum nicht in kurzer Zeit Seiner Majestät dem Könige ein definitiver Antrag zur Genehmigung und Publication der Haupterklärung vorgelegt werde. Sie könnten sich ohnehin von der Ansicht nicht entfernen, daß alle Fideikommiße durch das Edict klar und bestimmt als aufgehoben erklärt seien, und nur den Besizern die Konstruirung neuer Majorate durch Einrechnung der alten Fideikommiße unbenommen geblieben. Der Herr Referent habe selbst bemerkt, der Ausspruch des Edictes seie bestimmt dafür, hinsichtlich der kleineren Fideikommiße; was nun von diesen bestimmt ausgesprochen worden, habe eben diese Wirkung hinsichtlich der größeren.
Nach ihrer Überzeugung bedürfe es daher weder für diesen Fall noch rüksichtlich der Familien Stiftungen einer einsweiligen Erläuterung, denn diese fielen in die Kategorie der milden Stiftungen. Sie würden daher die von Seiner Majestät dem Könige anbefohlene neue Deliberation über die Haupterklärung beschleunigen, allein nicht nach dem Antrage des Herrn Referenten diesen wichtigen Gegenstand stükweis entscheiden, und den Gerichts Stellen mittheilen laßen.
Herr geheimer Rath Graf von Preising äußerten, Sie könnten über diesen Gegenstand {3r} als sehr dabei betheiliget eigentlich nicht abstimmen, allein wenn Ihnen eine Abstimmung erlaubt sei, so müßten Sie um so mehr mit dem Antrage des Herrn Referenten sich vereinigen, als den Familien und Privaten wirklich großer Schaden durch diese Verzögerung der Haupterläuterung zugehe.
Herr geheimer Rath Graf von Arco der ältere stimmten mit dem Herrn Justiz Minister, das ganze auf einmal vorzunehmen und im Zusammenhange zu entscheiden.
Herr geheimer Rath Graf von Törring enthielten sich, wie Herr Graf von Preising, als bei diesem Gegenstande betheiligt, der Abstimmung, legten aber dem versammelten geheimen Rathe die Wünsche vor, daß das Ganze sobald möglich in Deliberation genommen, und nebst den aufgestellten Fragen, welche Praerogative dem Adel zu geben, entschieden werden mögte.
Herr geheimer Rath von Zentner gab seine Meinung dahin, diese drei Gegenstände, welche Herr geheimer Rath vonKrenner als dringend vorgetragen, seien in dem von den Sectionen vorgelegten Entwurfe des allgemeinen Edictes erschöpft; allein sie herauszureißen, und als abgetrennte Normen den Gerichtsstellen mitzutheilen, dafür könne er nicht stimmen, denn es würde das ganze Sistem entstellen, und neue Fragen neue Zweifel bei den Gerichts Stellen veranlaßen. Er bestimme sich dafür daß die neuerdings anbefohlene Deliberationen {3v} beschleuniget, und in der Haupt-Sache eine Entscheidung gefaßt werde.
Der Auftrag, der ihme rüksichtlich der Praerogativen ertheilt worden, die den Majorats Besizern in Übereinstimmung mit der Konstituzion des Reichs gegeben werden könnten, würde er, da er in gewißer Rüksicht mit dem Haupt-Edicte zusammenhänge, in Bälde zu erfüllen suchen, denn so schwer es auch seie, hierüber etwas Gegründetes und Annehmbares zu sagen, und so wenig einige deßwegen gemachte Versuche seiner Erwartung entsprachen, so werde er doch sich bestreben, das was hierüber zu sagen, bald zu sagen, und zu versuchen, ob man dadurch dem Adel einen Reiz geben könne Majorate zu bilden, welches nach der ausgesprochenen Summa ohne andere Vortheile bezweifelt werde.
Herr geheimer Rath von Krenner der jüngere fand ebenfalls nicht räthlich noch schiklich, die königliche Erklärung wegen den Majoraten und Fideikommißen zu zerreißen und in Bruchstüken erscheinen zu laßen; er gab mehrere rechtliche Gründe an, warum dieses vorzüglich bei den kleinen Fideikommißen unter 4.000 fl. reiner Einkünfte nicht thunlich, jedoch würde er einzelne dringende Fälle im geheimen Rathe vortragen und nach den schon angenommenen Grundsäzen entscheiden laßen, ohne jedoch ein Mandat deßwegen vor Entscheidung der Hauptsache zu erlaßen.
Herr geheimer Rath Graf von Arco {4r} der jüngere äußerte, es müße auffallen, daß Beschlüße auf Anträge des geheimen Rathes von Seiner Majestät dem Könige gefaßt und sanctionirt, noch nicht in gesezliche Kraft übergegangen. In mehr als 30 Sizungen hätten die vereinigte Sectionen sich bemühet, das was über diesen Gegenstand nach dem schon gegebenen Geseze noch zu sagen und zu ändern gewesen vorzulegen, und in einem sistematischen Ganzen aufzustellen; allein die Arbeiten der Sectionen seien in der Plenar-Sizung nicht für erschöpfend angesehen, und neue Deliberationen deßwegen angeordnet worden, ohne aber die Basis auszusprechen welche zum Grunde dieser Deliberationen genommen werden sollen.
Er überzeuge sich, daß die vereinigte Sectionen nicht mehr und nichts Neues über diesen Gegenstand sagen könnten als was bereits im geheimen Rathe vorgetragen, und von ihme in eigenem schriftlichen Voto1818 ausgeführt worden, und daß der sicherste Weg, denselben zu entscheiden seie wenn das Ganze in einer Plenar Sizung des geheimen Rathes reproponirt und alle betrittene Artikel da debattiret, oder wenn Seine Majestät der König die Grundsäze nach welchen sie diese bestrittene Art. bestimmt wißen wollen, auszusprechen geruhen.
Als auf Veranlaß dieser Abstimmung die auf den Vortrag im geheimen Rathe vom 30en September [!] von Seiner Majestät dem Könige gefaßte allerhöchste {4v} Entscheidung abgelesen war, worin alle Puncte genau bezeichnet, über welche Allerhöchstdieselben die Meinungen der vereinigten Sectionen in einer Plenar Sizung des geheimen Rathes wiederholt vorgetragen wißen wollen, so fuhr der königliche geheime Rath Herr Graf von Arco der jüngere fort, sich nun dahin zu äußern, daß bei dieser vorliegenden allerhöchsten Entscheidung, wovon sie keine Kenntniß gehabt, nichts übrig bliebe, als daß die Sectionen sich sobald als möglich vereinigten, um die anbefohlene Deliberationen anzufangen und zu beendigen.
Inzwischen würden sie aber keine stükweise Verordnung herausgeben, sondern die einzelne Fälle beruhen laßen, bis die Haupt Sache entschieden.
Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin stimmte ebenfalls dafür, keine partielle Verordnung herauszugeben, sondern die Hauptsache zu beschleunigen, und dieses um so mehr, als es den Gerichtsstellen auffallen müßte, blos solche Fälle im voraus entschieden zu sehen, welche zwei sehr verehrliche Mitglieder des geheimen Rathes vorzüglich betheiligten. Er seie überzeugt, daß die beide verehrliche Herrn Mitglieder aus eigener Delicateße dieses nicht wünschen würden.
Herr geheimer Rath von Effner überzeugte sich von der Nothwendigkeit, diesen wichtigen Gegenstand, der zum Wohle vieler Familien täglich dringender {5r} werde, so bald als möglich in der Hauptsache zu entscheiden, nicht aber durch partielle Verordnungen den künftigen Deliberationen und königlichen Entschließungen vorzugreifen, welches die Sache noch mehr verwirren und bei den Gerichts Stellen auffallen würde.
Gleiche Meinungen äußerten die Herrn geheimen Räthe von Schenk, Freiherr von Asbek, von Feuerbach und Graf von Welsberg, und so wurde nach einer überwiegenden Mehrheit von dreizehen Stimmen beschloßen
an Seine Majestät den König keinen Antrag wegen Erlaßung einer partiellen Verordnung über die adelige Privat-Lehen-Höfe, die Familien Stiftungen und die kleinere Fideikommiße, die nicht 4.000 fl. rein ertragen, zu stellen, sondern sich nunmehr unausgesezt mit der Hauptsache und den von Seiner Majestät dem Könige anbefohlenen Deliberation der bestrittenen Artikel zu beschäftigen [und] zu diesem Ende eine Sizung der vereinigten Sectionen, welche mit diesem Gegenstande beauftraget, auf künftigen Sonntag den 25ten in der Frühe, als den einzigen freien Tag, wo keine andere Sizungen statt haben, zu bestimmen1819.
Landeskulturstreitigkeit
Asbeck berichtet über den mit der Vereinödung in Schwaighausen einhergehenden Streit. Er kommt zu dem Ergebnis, daß die Bescheide des Landgerichts Ottobeuren und der Landesdirektion Ulm nichtig sind. Daher, so sein Antrag, hat ein neuer Bescheid zu ergehen. Der Geheime Rat genehmigt den um eine Ergänzung erweiterten Antrag.
2. Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas forderten den geheimen Rath Freiherrn von Asbek auf, die verschiedene Rekurs Sachen, die er bearbeitet, vorzutragen.
Freiherr von Asbek erstattete hierauf wegen der Gütervereinödung in {5v} dem Dorfe Schwaighausen1820 Landgerichts Ottobaiern1821 und dem deßwegen ergriffenen Rekurs ausführlichen schriftlichen Vortrag.
Derselbe erwähnte der Anstalt, die in der Gegend von Kempten und einigen andern Theilen von Schwaben unter dem Namen Vereinödung üblich, ihre Gründe freiwillig zusammen zu werfen, und dieselben in einem ununterbrochenen Flächeninhalte unter sich zu theilen, und wenn sie ihre alte Häußer abbrechen, und neue in die Mitte ihrer Besizungen bauen, mit angemessenen Kaufschillingen von der Gemeinde unterstüzt zu werden1822.
Das Factum, die von einigen Bauern in Schweighausen nach den Kulturs Verordnungen im Jahre 1807 versuchte Zweimähdigmachung ihrer einmähdigen Wiesen, und die Verhinderung des zeither auf diesen Wießen gewöhnlichen Viehtriebes, welches den vorliegenden Rekurs veranlaßet, so wie das Verfahren des Landgerichts auf den Widerspruch der Triebsberechtigten und die weitere Verhandlungen, dann der Spruch desselben, wurde ausgeführt, die von den für die Vereinödung Gesinnten intra fatalia an die Landesdirection in Ulm ergriffene Appellation und der von derselben auf Instruirung des Streites erlaßene Bescheid angegeben, und von dem Freiherrn von Asbek, nachdem er das illegale Verfahren des Landgerichts und der Landes Direction in dieser Streitsache umständlich {6r} vorgelegt hatte, der Antrag gemacht, in dieser Rekurs Sache, in welcher nach seiner Ansicht die Kompetenz des geheimen Rathes außer Zweifel, und die Erkenntniß selbst nichtig seie, den Bescheid dahin zu erlaßen, „daß sowohl der Bescheid des Landgerichts Ottobaiern vom 24 Oktober 1808, als die Entscheidungen der vormaligen Landesdirection zu Ulm vom 4 Merz und 5en August 1808 als unhaltbar nichtig aufgehoben, die bisherigen Verhandlungen als illegal und tumultuarisch zu kaßiren, und dem General Commißariate des Lechkreises aufzutragen sei, die ganze Kulturs und Vereinödungs Sache in Schwaighausen durch das Landgericht Ottobaiern mit strenger Beobachtung des in Kulturs Sachen vorgeschriebenen gerichtlichen Verfahrens neuerdings instruiren und verbescheiden zu laßen“.
Seine Excellenz der Herr geheime Staats und Konferenz Minister Graf von Montgelas verfügten die Umfrage, und einstimmig wurde der Antrag des Herrn Referenten angenommen, nur waren Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg, dann die Herrn geheimen Räthe Grafen von Preising und von Törring, von Effner und von Feuerbach der Meinung, daß sowohl das Landgericht als die Glieder der ehemaligen Landesdirection anzuhalten seien, die eingenommene Kösten den Partheien zu restituiren.
{6v} In Folge dieser Abstimmungen
wurde der Antrag der Herrn Referenten von dem geheimen Rathe bestätigt.
Landeskulturstreitigkeit
Asbeck berichtet über den Streit um die Verteilung von Gemeindegründen in Bindlach. Über das Justizministerium sind die Akten an den Geheimen Rat gekommen, der aber nach Ansicht Asbecks nicht zuständig ist. Der Geheime Rat folgt dem Antrag des Referenten, die Akten an das Oberappellationsgericht zurückzugeben.
3. Über die Revisions Sache der Hof- und Sölden-Guts Besizer zu Bindlach wider die dortigen Trupf-Haußbesizer wegen Vertheilung der Gemeinde-Gründe erstattete der königliche wirkliche geheime Rath Freiherr von Asbek schriftlichen Vortrag, führte darin den Veranlaß dieses Streites und die Erkenntniß der Regierung Baireuth an.
Gegen diesen Bescheid hätten die Trupfhäußler später auch die Söldner Besizer appellirt, und mit einer von der Regierung in Erfurt erhaltenen Entscheidung sich nicht begnüget, sondern gegen dieselbe die Appellazion an das Oberappellazions Gericht ergriffen, da inzwischen die Provinz Baireuth dem Königreiche Baiern einverleibt worden1823.
Das Oberappellazions Gericht habe Anstand genommen, sich mit dieser Kulturs Sache zu befaßen, und dem Justiz Ministerio die Akten mit der Bitte vorgelegt, zu entscheiden, ob daßelbe diesen Streit entscheiden, oder die Akten in lezter Instanz an den geheimen Rath übergeben solle.
Das Justiz Ministerium habe hierauf mit jenem des Innern kommunizirt, und darauf seien die Akten an den geheimen Rath gewiesen, und ihme Freiherrn von Asbek zum Vortrage zugestellt worden.
Referent stellte vor allem die {7r} Frage auf, ob der vorliegende Fall an den geheimen Rath zur Entscheidung geeignet, und da derselbe diese Frage aus Gründen die er anführte, als verneinend beantwortete so machte er den Antrag: „Sämmtliche Akten dem Oberappellazions Gerichte durch das Justiz Ministerium zurükzugeben, und diesem die Erkenntniß in lezter Instanz zu überlaßen.“
Auf die von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas verfügte Umfrage
wurde dieser Antrag des Herrn Referenten einstimmig angenommen.
Landeskulturstreitigkeit
Asbeck berichtet über den Streit der Halbbauern mit den Viertelbauern und Söldnern in Zielheim, der sich an unterschiedlichen Auffassungen über die Verteilung der Gemeindegründe entzündet hat. Der erneut entflammte Streit wird, dem Antrag Asbecks folgend, an die erste Instanz zurückverwiesen, damit neue Tatsachen in das Verfahren eingeführt werden können. Carl Graf von Arco und Effner betonen die Dringlichkeit einer Überarbeitung der Kulturgesetze.
4. Zu Beurtheilung der zur Entscheidung vorliegenden Rekurs Sache der Halbbauern zu Zielheim Landgerichts Burglengenfeld1824 gegen das Erkenntniß des General-Kommißariats in Straubingen in ihrer Gemeinde Gründe Abtheilungs-Sache wider die dortigen Viertelbauern und Söldner erstattete der königliche wirkliche geheime Rath Freiherr von Asbek schriftlichen Vortrag. Derselbe legte den Veranlaß dieses Streites und die Erkenntniß des Landgerichts vor. Alle Theile hätten sich hiebei beruhiget, nur als man zu Abtheilung der Ochsenweide der Kuhweide und des Gemeinde Waldes geschritten, hätten zwei {7v} Viertelbauern sich dem angenommenen Maaßstabe nicht fügen wollen, und darüber seie ein neuer Streit entstanden.
Freiherr von Asbek führte an, welchen Gang dieser erneuerte Streit genommen, wie er von dem Landgerichte und nachher von dem General Commißariate des Regenkreises auf eingelegte Appellation entschieden worden, welche Gründe die Rekurrenten in ihrer gegen dieses Erkenntniß des General Kommißariats bei dem geheimen Rathe eingereichten Rekurs Schrift angegeben, und welche Bitte dieselbe zu wiederholter Untersuchung gestellt.
Freiherr von Asbek bemerkte, gegen die Formalien seie nichts zu erinnern, in materieller Hinsicht entstehe aber die Frage, „kann nach der Akten Lage schon dermalen in der Haupt Sache gesprochen, oder muß dem Begehren der Rekurrenten willfahrt werden“.
Referent entschied sich aus mehreren angebrachten Gründen für das Leztere, und machte den Antrag, dem General-Kommißariate des Regenkreises zu reskribiren „daß den Rekurrenten einer definitiven Erkenntniß vorgängig, noch vorerst der summarische Beweis ihres Angebens zu gestatten sei, daß zu Zielheim unter den Halb Viertelbauern und Soldnern in Ansehung des Gemeinde-Guts eine ungleiche Berechtigung im Nuzen und Lasten, und in welchem Maaße verhältnißmäsig {8r} bestehe, zu welchem Ende sämmtliche Akten dem Landgerichte durch das General Kommißariat rükzusenden seien“.
Mit diesem Antrage vereinigten sich nach verfügter Umfrage alle Herrn geheimen Räthe, und die Herrn geheimen Räthe Graf von Arco der jüngere und von Effner stellten bei diesem Veranlaße die Nothwendigkeit und Dringenheit vor, die Revision der Kultur-Geseze beschleunigen zu laßen, da jeder Kulturs Fall den Beweis liefere, wie nachtheilig der Staatswirthschaft der aufgestellte Maaßstab sei.
Der Antrag des Herrn Referenten wurde von dem geheimen Rathe genehmiget.
Landeskulturstreitigkeit
Asbeck berichtet über die Beschwerde des Hofbesitzers Sebastian Stegbauer gegen ein Erkenntnis des Generalkommissariats des Regenkreises. Der Referent beantragt, die Beschwerde aus formellrechtlichen Gründen abzuweisen. Zwei Geheime Räte folgen dieser Ansicht nicht.
5. Der königliche geheime Rath Freiherr von Asbek gab in einem schriftlichen Vortrage die Ursachen an, welche eine Rekurs Klage des Sebastian Stegbauer, Hofbesizers zu Einhausen Landgerichts Straubingen1825 gegen das Erkenntniß des General Kommißariats des Regenkreises, die Abtheilung einer Moosweide betreffend, veranlaßt.
Derselbe führte an, wie das Landgericht Straubingen und das General Commißariat den darüber entstandenen Prozeß entschieden und welche Gründe in der Rekurs Schrift an den königlichen geheimen Rath angebracht worden.
Nachdem in dieser Rekurs Sache von dem Sebastian Stegbauer die Fatalien versäumt, und um so weniger Gründe {8v} vorhanden seien, denselben in integrum zu restituiren, also auch nach dem inneren Gehalte der Sache nie anders als conformatorie gesprochen werden könnte, so machte Freiherr von Asbek den Antrag, den vorliegenden Rekurs als desert abzuweisen, und dem Rekurrenten dieses durch das General Commißariat eröfnen zu lassen.
Nach verfügter Umfrage wurde dieser Antrag mit einer Mehrheit von 11 Stimmen gegen 2 angenommen, da die Herrn geheimen Räthe von Krenner und Graf von Arco der jüngere sich geäußert, sie würden den Rekurrenten in integrum restituiren, und die Sache wegen dem Flächen Inhalt untersuchen und entscheiden laßen.
Nach dieser Mehrheit
wurde die Abweisung des vorliegenden Rekurses als desert von dem geheimen Rathe genehmiget.
Fristablauf
Welsberg berichtet in der Streitsache zwischen der Gemeinde Dietfurt und dem Fischer Martin Spaeth wegen Schadensersatzes. Er beantragt, die Gemeinde trotz Fristablaufs wieder in das Verfahren einzusetzen. In der Abstimmung schließt sich zunächst eine Mehrheit der Geheimen Räte dem Referenten an. Eine Minderheit gibt zu bedenken, daß der Gegenstand sich zur Verhandlung vor den Zivilgerichten eigne, worauf zwei Stimmen sich von der Mehrheitsgruppe abwenden und Stimmengleichheit eintritt. Montgelas gibt den Ausschlag, indem er sich der Meinung Welsbergs anschließt.
6. Nach Aufforderung Seiner Excellenz des königlichen geheimen Staats- und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Montgelas erstattete der königliche wirkliche geheime Rath Herr Graf von Welsberg über den Restituzions Rekurs der Gemeinde Dietfurt1826 gegen die verlaufene Fatalien in der Streitsache contra den Fischer Martin Spaeth aus Dietfurt, wegen des von ihme bei der Altmühl Räumung geforderten Schadens Ersaz ausführlichen Vortrag.
{9r} Aus den sehr weitschichtigen und vorliegenden Akten stellte derselbe das Factum dieser Streitsache auf, und führte die verfolgte Erkenntniße der gräflich Pappenheimischen Justiz-Kanzlei und des General Kommißariats des Altmühlkreises an, erwähnte eines Zwischen-Streites der bei den Justiz-Stellen entschieden worden, und machte aus mehreren vorgelegten Gründen den Antrag, der Gemeinde die Wiedereinsezung contra lapsum termini zu bewilligen. Derselbe las einen nach diesem Antrage verfaßten Reskripts Entwurf an das General Commißariat des Oberdonau Kreises ab.
Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas ließen hierüber abstimmen.
Seine Excellenz der Herr geheime Staats und Konferenz Minister Graf von Reigersberg stimmten anfangs mit dem Herrn geheimen Rathe Grafen von Preising, von Arco dem älteren, von Törring, dann den geheimen Räthen von Zentner, von Krenner dem älteren, von Krenner dem jüngeren und Grafen Carl von Arco mit dem Herrn Referenten, als aber die Herrn geheimen Räthe Freiherr von Aretin, von Effner, von Schenk, Freiherr von Asbek und von Feuerbach die Meinungen äußerten, daß dieser Gegenstand keine Kulturs, sondern eine reine Polizei Sache seie, und die weitere Reklamazionen {9v} hierin zu den Civilgerichten sich eigneten, so traten Seine Excellenz der Herr Justiz Minister und der Herr geheime Rath Graf Carl von Arco zu dieser Meinung über wodurch sich mit Einrechnung der Stimme des Herrn Referenten Paria ergaben.
Da aber Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas sich mit dem Antrage des Herrn Referenten vereinigten, so machten dieselbe Majora, und in Folge dieser Mehrheit
wurde der Antrag des Herrn Referenten von dem geheimen Rathe genehmiget1827.
Genehmigung der Beschlüsse durch den König (26. November 1810).
Anmerkungen
Verweis auf das „Edikt über den Adel im Königreiche Baiern“ vom 28. Juli 1808, RegBl. 1808, Sp. 2029-2044.
„Votum über den oder vielmehr Rechtfertigung des von den geheimen Raths Sektionen der Justiz und des Innern vorgelegten zweyten Entwurfes einer königlichen Erklärung die bisherigen adelichen Fideicommiße und künftige Majorate im Königreiche betr. vom königlichen geheimen Rath im ordentlichen Dienste Carl [Maria] Grafen von Arco verfaßt den 19ten Sept. 1810“, 12 Blätter, BayHStA Staatsrat 193; vgl. oben Nr. 65 (Geheimer Rat vom 20. September 1810), TOP 1.
Unter Vereinödung verstand man im Allgäu und angrenzenden Gebieten Oberschwabens die v.a. vom Ende des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts betriebene Arrondierung des bäuerlichen Grundbesitzes. „Bei dieser frühen Form der Flurbereinigung wurden die bisher gemeinsam genutzten Viehweiden und oft auch die Gemeindewälder auf die Berechtigten aufgeteilt und zugleich deren bisher im Rahmen der Dreifelderwirtschaft über die ganze Ortsflur verstreuten Grundstücke möglichst zu einer Fläche oder allenfalls zu einigen wenigen größeren Grundstücken zusammengelegt.“ Damit ging in der Regel die „Aussiedlung einzelner Höfe“ einher mit der Folge, daß alte Häuser abgerissen und neue an anderem Ort errichtet wurden. Vgl. Immler, Das stiftische Umland, S. 152 (Zitat); Jahn u.a. (Hgg.), „Bürgerfleiß und Fürstenglanz“, S. 181f. Nr. 113 (Gerhard Immler). Druck der Vereinödungsverordnung des Fürststifts Kempten vom 27. Juli 1791 bei Weiss/Gante, Landeskulturgesetze Tl. 2, Nr. 3.2.6, S. 635-638.
Die Markgrafschaft Bayreuth, die durch den Frieden von Tilsit vom 9. Juli 1807 von Preußen an Frankreich abgetreten worden war (Vertragstext: Kerautret, Documents Bd. 2, Nr. 49, S. 291-300, hier S. 293, Art. 7), kam durch den Pariser Vertrag vom 28. Februar 1810 an das Königreich Bayern: „Sa Majesté l’Empereur des Français cède en toute propriété et souveraineté à S. M. le Roi de Bavière, le margraviat de Bayreuth“ (ebd., Nr. 82, S. 486-490, hier S. 487, Art. 1; ältere Drucke: Martens, Supplément Bd. 9, Nr. 3, S. 16-19; Döllinger, Sammlung Bd. 1, S. 232-235). Im Besitzergreifungspatent vom 7. April 1810, das im Regierungsblatt vom 11. Juli veröffentlicht wurde, verwies König Max Joseph darauf, „durch einen mit des Kaisers von Frankreich und Königs von Italien Majestät und Uns geschlossenen Vertrag [sei] es dahin gediehen […], daß die Markgrafschaft Baireuth und das Dorf Kaulsdorf an Unser königliches Haus überwiesen worden, und demselben auf ewige Zeiten angehören und verbleiben solle“ (RegBl. 1810, Sp. 539-542, Zitat S. 539f.). Vgl. zu den Territorialverhandlungen in Paris: Limmer, Pariser Vertrag; Neri, Cetto, S. 289-294; Weis, Montgelas Bd. 2, S. 459-466.
Bekanntmachung der in dieser Sitzung erledigten Rekurssachen (TOP 2, 3, 4, 5 u. 6): RegBl. 1810, Sp. 1341-1343.