BayHStA Staatsrat 229
10 Blätter. Unterschriften der Minister. Protokoll: Kobell.
Anwesend:
Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Reigersberg.
Geheime Räte: Graf v. Preysing-Hohenaschau; Graf v. Toerring-Gutenzell; Weichs; v. Zentner; Johann Nepomuk v. Krenner; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; v. Schenk; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach; Graf v. Welsberg.
{1r} Da Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas durch Geschäfte verhindert, im Anfange der auf heute {1v} angeordneten geheimen Raths Versammlung nicht erscheinen konnten, so forderten Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg die Herrn geheimen Räthe Freiherrn von Weichs und Grafen von Welsberg auf, die bearbeiteten Rekurs-Sachen vorzutragen.
In Folge dieses Aufrufes erstatteten
Einquartierungskosten (R)
Welsberg beantragt, die Rekursklage des Johann Evangelist v. Reindl, die Umlage von Einquartierungskosten betreffend, abzuweisen und ihn zur Zahlung des ausstehenden Anteils zu verurteilen. Der Geheime Rat folgt dem Antrag.
1. Geheimer Rath Graf von Welsberg über die Rekurs Beschwerde des Appellazions Gerichts-Directors von Straubing [Johann Evangelist v. Reindl] als von Lupinschen Erbs-Intereßenten592 wegen Umlage der Einquartierungs Kosten der Stadt Memmingen von den Jahren 1805 und 1806 schriftlichen Vortrag, worin dieselbe die Geschichte dieser Rekurs Klage vorausschikten, welche die nöthige Aufklärung über den von Reindlischen Klags Gegenstand, so wie die Gründe zur Entscheidung seines Rekurses darbietet, dann die Entscheidung der untern Behörden und das Gutachten der Lehen- und Hoheits Section über den vorliegenden Gegenstand anführten, sich sowohl rüksichtlich der Formalien als Materialien dieser Sache äußerten und bemerkten, daß es nach Ihren Ansichten bei Entscheidung der angebrachten {2r} von Reindlischen Rekurs Klage vorzüglich auf die Untersuchung folgender drei Umstände ankomme: 1) War Lupin bei Einleitung des Paeräquazions Geschäftes von Memmingen noch Bürger und konkurrenzpflichtig daselbst, oder war er es nicht? 2) Ist der Peraequazions Plan selbst, wenigstens der Lage der Dinge nach, rechtlich, das ist, herrscht in demselben die bei jeder Art von Steuern nöthige Gleichheit oder nicht? so daß Lupin nicht mit mehr, als im Verhältniße der übrigen Kapitalisten konkurriren müßte? 3) Hat jener Peraequazions Plan593 die allerhöchste Genehmigung erhalten.
Auf die in dem Vortrage entwikelte Untersuchung und Beantwortung dieser drei Fragen, und auf die Meinung der Lehen- und Hoheits Section gründeten Herr geheimer Rath Graf von Welsberg den Antrag, den von Reindl nach dem abgelesenen Reskripts Entwurfe mit seinem Rekurse ab, und zur ungesäumten Bezalung der noch restirenden Peraequazions Quote anzuweisen.
{2v} Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg verfügten hierüber die Umfrage.
Der königliche geheime Rath Herr Graf von Preising äußerten sich mit dem abgelesenen Reskripts Entwurfe verstanden.
Alle übrige Herrn geheimen Räthe stimmten ebenfalls dem Antrage des Hern Referenten bei, daß der von Reindl mit seiner Rekurs Klage abzuweisen, waren aber der Meinung, daß die in dem Reskripts Aufsaze angeführte Entscheidungs Gründe zu umgehen wären.
Nach dieser lezten Meinung wurde der Reskripts-Aufsaz abgeändert, und von dem königlichen geheimen Rathe genehmiget594.
Wie zu TOP 1 beantragt Welsberg in einem ähnlichen Fall, die Rekursklage abzuweisen und den Kläger von Unold zur Zahlung seiner Schulden zu verpflichten. Der Geheime Rat folgt dem Antrag.
2. Wegen einer gleichen Rekurs Beschwerde des quieszirenden Bürgermeisters von Unold595 zu Memmingen wegen seines Beitrages zu den Peraequations Kösten daselbst von den Jahren 1805 und 1806, erstattete Herr geheimer Rath Graf von Welsberg schriftlichen Vortrag, und bemerkten, daß dieser Rekurs-Gegenstand beinahe aus den nämlichen Klagen und Gründen bestehe, die in dem vorigen des von Reindl angeführt worden.
Herr geheimer Rath Graf {3r} von Welsberg bemerkten, daß über diese Rekurs Klage bei der Lehen- und Hoheits-Section Vortrag erstattet worden, und legten die Punkte vor, worin diese zwei fast ähnliche Rekurs Fälle sich unterscheiden, und worin sie übereinkommen, und äußerten, daß Sie nach dem vorgelegten wesentlichsten Gehalte der Akten nicht anders antragen könnten, als nach dem Beispiele der von Reindlischen Rekurs Klage596, auch den Bürgermeister Unold, einverstanden mit der Lehen- und Hoheits Section, mit seinem Rekurse ab, und zur Bezalung seines Rükstandes mit den noch betragenden 1.685 fl 56 kr nach dem beiliegenden Reskripts Entwurfe597 anzuweisen.
In Folge der von Seiner Excellenz, dem königlichen geheimen Staats und Konferenz Minister Herrn Grafen von Reigersberg veranlaßten Abstimmung, äußerten sich alle Mitglieder des geheimen Rathes mit diesem Antrage verstanden, und so wurde
der abgelesene Reskripts Entwurf mit Auslaßung des Wortes gänzlich bei bestätiget von dem königlichen geheimen Rathe genehmiget598.
Aufteilung von Gemeindegründen (R)
Weichs beantragt in der Streitsache zwischen den Klein- und Großgütlern zu Winhöring, die Justizstellen prüfen zu lassen, wer Eigentümer des zur Verteilung anstehenden Grundes ist. Nach kontroverser Diskussion folgt der Geheime Rat mehrheitlich dem Antrag.
3. In der Streit-Sache der Kleingütler zu Weinhöring599, Landgerichts Burghausen gegen die Großgütler alldort {3v} dermalen gegen das General Kommißariat des Salzachkreises wegen Vertheilung vorgeblicher Gemeinde Gründe, erstattete der königliche geheime Rath Freiherr von Weichs schriftlichen Vortrag, und bemerkten, daß es hiebei auf die Entscheidung der Frage ankomme, ob die im Streite begriffene Gründe, Gemeinds- oder Privat-Gründe der Großgütler seien, welche diese bis jezt in condominio benüzt.
Freiherr von Weichs lasen die Stelle des Regierungs Blattes vom Jahre 1805, Seite 279 [!]600, woraus das königliche General Kommißariat des Salzach Kreises seine Kompetenz als Richter in dieser Sache begründet, so wie das Referat und Korreferat bei dem vormaligen General Kommißariat des Salzach Kreises ab, und äußerten, daß wenn man diesen Gegenstand im administrativen Wege entscheiden zu können glaube, die Sentenz der 2ten Instanz zu bestätigen und die Kleingütler in die Appellations Kösten verurtheilt werden müßten. Referent waren aber der Meinung, daß, da es sich bei dieser Sache darum streite, wem das Eigenthum auf die befragte Gründe zustehe, dieser Gegenstand von den geeigneten königlichen Justiz-Stellen {4r} zu behandeln und zu entscheiden sei, worauf Freiherr von Weichs auch Ihren Antrag stellten.
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg verfügten über diesen Antrag die Umfrage.
Die Herrn geheimen Räthe Graf von Preising, von Zentner, von Krenner der ältere [d.i. Johann Nepomuk], Freiherr von Aretin und von Schenk stimmten mit dem Herrn Referenten dafür, diese Streit-Sache lediglich an die Justiz-Stellen zu verweisen.
Herr geheimer Rath von Törring äußerten, daß Sie ihr Votum suspendiren müßten, weil die im Streite begriffene Groß- und Kleingütler Ihre Hintersaßen seien601.
Die Herrn geheimen Räthe von Krenner der jüngere [d.i. Franz], Graf Carl [Maria] von Arco waren der Meinung, daß das Erkenntniß der zweiten Instanz zu bestätigen seie, wobei von Krenner äußerten, daß, sobald man die Frage, ob die zu vertheilende Gemeinds-Gründe Eigenthum der Großgütler seien, immer bei den Justiz Stellen ausstreiten laßen wollte, alle Kultur dadurch niedergeschlagen, und nie eine Vertheilung zu Stand kommen würde.
Die Herrn geheimen Räthe {4v} von Effner, Freiherr von Asbek von Feuerbach und Graf von Welsberg erklärten sich dafür, daß das Interlocut602 zu bestätigen, der auferlegte Beweis aber bei den Justiz Stellen zu führen sei.
Nach der Mehrheit
wurde dieser Gegenstand von dem königlichen geheimen Rathe zu den Justizstellen verwiesen603.
Fall Reisach
Vortrag Effner: Es geht um die Frage, ob der Generalkommissär des Illerkreises Graf Reisach aufgrund des Vorwurfs, Geld aus dem Leihhaus in Augsburg an sich genommen zu haben, vor Gericht gestellt werden soll. Effner beantragt, Reisach noch nicht vor Gericht zu stellen, sondern den Tatbestand durch das Ministerium des Inneren weiter aufklären zu lassen. Auch können das Außen- und das Finanzministerium weitere Erkenntnisse beitragen. In der Umfrage spricht sich allein Carl Maria Graf von Arco dafür aus, Reisach vor Gericht zu stellen. Der Geheime Rat genehmigt mehrheitlich den Antrag Effners. Nach Erhebung weiterer Tatsachen soll dem Geheimen Rat ausführlicher Vortrag erstattet werden.
4. Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas, welche während dem Vortrage des Freiherrn von Weichs in der geheimen Raths Sizung erschienen waren, und den Vorsiz übernahmen, forderten den Herrn geheimen Rath von Effner auf, den über die Frage bearbeiteten Vortrag: Soll der General-Kommißär Graf von Reisach wegen einigen aus dem Leihehause zu Augsburg entnommenen Summen vor Gericht gestellt werden? zu erstatten604.
Herr geheimer Rath von Effner entsprachen dieser Aufforderung durch Ablesung des dem Protokoll beiliegenden Vortrages605, worin dieselbe die Geschichte dieser Geldentnehmung *Beilage I* [Marginalie], so wie die Vertheidigung des Grafen von Reisach, {5r} alle darauf Bezug habende Beilagen, die Meinung der Departemental Versammlung des Ministeriums des Innern, und die inzwischen wegen diesem Gegenstande von den königlichen Ministerien erlaßene Verfügungen anführten.
Die zur Entscheidung aufgegebene Frage: Ob Graf von Reisach nach den vorliegenden Anzeigen und Thatsachen vor Gericht zu stellen sei? und die daraus hervorgehende zwei Unterfragen 1) Ob dem gedachten Grafen eine solche Thatsache zu Schuld liege, welche die Geseze unter die Kriminal-Verbrechen zälen, und 2) ob schon zureichender Verdacht in den Akten obwalte, um die gerichtliche Untersuchung beschließen zu können, durch die in dem Vortrage enthaltene Bemerkungen lösten, und Ihre unzielsezliche Meinung dahin äußerten: es solle gegen den Grafen von Reisach über das vorliegende Factum der Entnehmung der Leihehauß Gelder, die Stellung vor Gericht noch nicht beschloßen, sondern die gegenwärtige Akten dem königlichen Ministerium des Innern zu dem Ende zurükgestellt {5v} werden, damit der reine Thatbestand im administrativen Wege durch die bereits angeordnete Vernehmung des von Hartlieb, und durch allenfallsige Erholung der versprochenen von Reisachischen Rechnungen näher hergestellt werde.
Herr geheimer Rath von Effner bemerkten, wie Sie glaubten, außer den schon angegebenen Gründen zu Rechtfertigung Ihres Antrages noch die weitere beifügen zu müßen, daß aus dem lezten Beschluße der königlichen Polizei Section zu entnehmen sei, daß bei dem königlichen Ministerium der auswärtigen Verhältniße noch mehrere Data gegen den Grafen von Reisach vorliegen, welche von der Natur sein könnten, daß ein Vortrag hierauf in dem geheimen Rathe gegründet werde.
Sie hielten es auch bei dieser Beschaffenheit, worüber Ihnen jedoch eine nähere Kenntniß aus den Akten mangle, für zwekmäsiger, diese sämmtliche Handlungen in einen Vortrag aufzunehmen, um hierauf den weiteren Beschluß zu gründen.
Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin gaben in einer mündlichen kurzen Darstellung die nöthige Erläuterungen über die bei dem auswärtigen Ministerium sich wegen dem {6r} Grafen von Reisach ergebene Data, und bemerkten, daß auch bei dem Finanz Ministerio einige auf die Gelderhebung deßelben Bezug habende Akten vorliegen.
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas verfügten hierüber die Umfrage.
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg gaben das dem Protokoll beiliegende Votum ab, und vereinigten sich mit dem Antrage des Referenten606. *Beilage II* [Marginalie]
Die königliche Herrn geheimen Räthe Grafen von Preising und von Törring, Freiherr von Weichs, von Krenner der ältere [d.i. Johann Nepomuk] vereinigten sich mit dem Antrage des Referenten, und lezterer fanden keinen Anstand, im administrativem Wege die weiters nöthige Vernehmungen erholen zu laßen, und erinnerten dem königlichen geheimen Rathe, wie sehr tief in der von Tenkischen Untersuchungs Sache auf administrativem Wege in den Prozeß selbst eingegangen worden.
Herr geheimer Rath von Krenner der jüngere [d.i. Franz] bemerkten, daß nach Ihren Ansichten, und so wie die Sache liege, Graf {6v} von Reisach zwar in den Formen sehr, in der Materie aber nicht gefehlt, um ihn deßwegen vor Gericht stellen zu können, und fänden auch nach der vom Freiherrn von Aretin gegebenen Aufklärung, daß Hartlieb vorher eine Ceßion seines Guthabens und gegenwärtig eine Quittung über deßen Empfang ausgestellt kein so bedeutender Unterschied, daß dadurch etwas relevirt werden könne [!]. Sie stimmten daher dem Antrage des Referenten mit der Abweichung bei, daß Sie von dem Grafen von Reisach und nicht von dem Hartlieb eine nähere Verantwortung, und allenfalls eine Abschrift seiner gestellten Abrechnung verlangen würden.
Herr geheimer Rath von Zentner äußerten, Sie theilten zwar die Ansichten des Referenten, daß rüksichtlich der bei dem Ministerium des Innern bis jezt vorgekommenen Fälle eine gerichtliche Untersuchung gegen den Grafen von Reisach nicht eintreten könne, allein die Gründe, welche in der Departemental-Sizung des Innern schon erwogen worden, daß man in Untersuchung dieser Thatsache im administrativen Wege nicht weiter fortschreiten solle, und die Zusammenstellung aller Indizien, die gegen den Grafen von Reisach schon {7r} vorlägen, erforderten nach Ihren Ansichten, daß das Resultat der bei dem auswärtigen Ministerium in dieser Sache noch fortgesezt werdenden Untersuchung abgewartet, und sodann durch das Ministerium des Innern dem geheimen Raths Referenten zugestellt werde, um ein Ganzes daraus zu bilden, und einen erschöpfenden Vortrag hierüber zu erstatten, ohne aber inzwischen eine neue Verantwortung weder des Grafen von Reisach noch des von Hartlieb zu erholen, um dem Richter durch nähere Vernehmungen nicht vorzugreifen.
Herr Geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco erklärten Ihre Meinung in dieser Sache dahin, daß der geheime Rath als Richter ohne Ansehen der Person die Frage zu beurtheilen habe, ob solche Indizien gegen den Grafen von Reisach vorhanden, daß derselbe vor Gericht zu stellen sei.
Nach Ihrer Überzeugung seien die angebrachte Indizien verbunden mit dem üblen Rufe, den dieser Staatsdiener schon habe, und mit der Gefahr für den Dienst in der demselben anvertrauten wichtigen Stelle, so wie für das königliche Aerar wegen den noch fortgesezt werden könnenden Malversazionen hinlänglich, um denselben vor {7v} Gericht zu stellen, worauf Sie auch antrugen. Inzwischen könnten Sie sich auch dazu verstehen, daß noch die Resultate der bei dem auswärtigen Ministerium anhängigen Untersuchung abgewartet, und dann über das Ganze weiterer Vortrag erstattet werde, jedoch ohne daß eine fernere Verfügung im administrativen Wege geschehe.
Herr geheimer Rath Freiherr von Aretin waren der Meinung, daß im administrativen Wege eine Abforderung der Handlungs Bücher oder Privat Papiere des von Hartlieb nicht würde geschehen können, sondern daß dieses durch den ordentlichen Richter geschehen müße. Inzwischen theilten Sie die Ansicht des Referenten, daß Graf von Reisach noch nicht vor Gericht gestellt, sondern erst die Resultate der bei dem auswärtigen Ministerium anhängigen Untersuchung abgewartet und diese, so wie allenfalls wegen Gelderhebungen des Grafen von Reisach bei dem Finanz Ministerium sich befindende Akten dem Ministerium des Innern zugestellt werden, um dieselbe an den geheimen Rath zu bringen, wo sodann über das Ganze ein erschöpfender Vortrag zu erstatten wäre, {8r} inzwischen aber sollte mit allen weiteren Vernehmungen im administrativem Wege eingehalten werden.
Mit dieser Meinung des königlichen geheimen Rath Freiherrn von Aretin vereinigten sich die Herrn geheimen Räthe von Schenk, Freiherr von Asbek, von Feuerbach und Graf von Welsberg, und da auch Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg zu dieser lezten Meinung übergiengen, so wurde nach der Mehrheit der Stimmen von dem königlichen geheimen Rathe
beschloßen, an Seine Majestät den König den allerunterthänigsten Antrag zu machen: den General Kommißär Grafen von Reisach über das vorliegende Factum der Entnehmung der Leihehauß Gelder noch nicht vor Gericht zu stellen, sondern die Resultate der bei dem auswärtigen Ministerium wegen der Rechnungs Stellung des Grafen von Reisach noch anhängigen Untersuchung abzuwarten. Diese wäre sodann nebst den bei dem Finanz Ministerium wegen Gelderhebungen des Grafen von Reisach sich befindenden Akten an das Ministerium des {8v} Innern zu geben, um von demselben an den königlichen geheimen Rath gebracht zu werden, wo sodann ein erschöpfender Vortrag über das Ganze zu bearbeiten, inzwischen aber sollen keine weitere Vernehmungen in dieser Sache von den administrativen Behörden verfügt werden607.
Bierpreis
Arco trägt über die Frage vor, ob es den Bierbrauern, die Bier in kleinen Mengen ausschenken, erlaubt werden soll, einen erhöhten Preis zu verlangen. Er bejaht die Frage, während der Geheime Rat insgesamt die Frage verneint.
5. Nach Aufruf Seiner Excellenz des königlichen geheimen Staats und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Montgelas erstattete der königliche geheime Rath Graf Carl [Maria] von Arco über die Frage: Ob dem Bierbräuer welcher zugleich minutirt, für das im Detail, d. i. maaßweis ausgeschenkte Bier, auch die zwei Pfenninge Schankpreiß gebühren oder nicht? welche Anfrage durch einen Bericht des General-Kommißariats des Unterdonau Kreises veranlaßt worden, beiliegenden schriftlichen Vortrag608 *Beilage III* [Marginalie], worin dieselbe den Bericht des Landgerichts Scharding und des General Kommißariats des Unterdonau Kreises, so wie das Gutachten der Ministerial Polizei Section vorlegten, und äußerten, daß Sie als Vorstand dieser Section mit diesem Gutachten nicht verstanden gewesen, sondern folgende Erinnerung dagegen zu machen sich aufgerufen gefunden.
Sie seien schon in dem königlichen geheimen Rathe über diese Frage nach langen Discussionen der Meinung gewesen, {9r} daß in dem Falle, wo der Bräuer selbst minutiret, demselben ein Pfenning über den Ganterpreiß eingeräumt werden solle. Der königliche geheime Rath habe sich damals über die Lösung dieser Frage nicht entscheiden können609. Nun da sie neuerdings rege werde, blieben Sie bei Ihrer als Referent im geheimen Rathe geäußerten Meinung. Die Departemental Versammlung des Ministeriums des Innern habe, als die Sache dort vorgetragen worden, geäußert, daß sie dieser Meinung des Vorstandes beistimme, falls der Gegenstand nicht zum königlichen geheimen Rathe, wohin er sich zu eignen scheine, gegeben werden wolle. Von des Herrn Ministers Grafen von Montgelas Excellenz seie dieser Gegenstand zum königlichen geheimen Rathe verwiesen und Ihnen zum Vortrage zugestellt worden.
Die vorliegende Frage laße sich auf vielerlei Art entscheiden, nämlich dahin, daß 1) den Bräuern, wenn sie detailliren, gar kein Schankpreiß, oder 2) daß ihnen der ganze Schankpreiß, oder 3) daß sie nur einen Pfenning per Maaß zu nehmen berechtigt sein sollen, oder 4) daß es ihnen frei gestellt bleibe, den Schankpreiß entweder zu ganz {9v} oder zur Hälfte, oder gar nicht zu fordern.
Nachdem Herr geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco für jede dieser Art der Entscheidung die dafür sprechen könnende Gründe entwikelt, machten Sie unter Wiederholung Ihres Antrages, daß Sie für den, den Bräuern zu bewilligenden einen Pfenning stimmten, den unzielsezlichsten Vorschlag, dem General Kommißariate des Unterdonau Kreises zu antworten, und dieses als allgemein geltende Bestimmung zu erklären: daß es den Bräuern, unter der Art 3 des IIten Titels der Verordnung vom 25ten April d. J. erklärten Voraussezung610 gestattet seie, das Bier, welches Sie maaßweis ausschenken, nach ihrer Konvenienz im Ganter oder im Schank-Preiße, oder auch zu dem zwischen dem Ganter- und dem Schankpreiße stehenden Preiße zu verwerthen.
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas verfügten hierüber die Umfrage.
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg äußerten, Sie {10r} glaubten, daß dieser Gegenstand eben so wie die Hauptverordnung wegen dem Biersaz in den Sectionen mit Zuziehung des geheimen Referendär [Hubert Karl] von Steiner, deßen vorzügliche Kenntniße in dieser Sache bei der Hauptverordnung schon benuzt worden, vorher zu prüfen, oder doch wenigstens die Mitglieder der Finanz Section zur Abstimmung zuerst aufzurufen.
Alle Herrn geheimen Räthe waren aber der Meinung, daß nach dem deutlichen Sinne der Hauptverordnung und nach der Meinung der Polizei Section, den Bräuern, welche minutiren, der Schankpreiß nicht gebühre, weil sie schon den Vortheil genießen, daß sie das Bier um den ganzen Ganterpreiß ausschenken, welches bei der Bierabgabe an die Wirthe nur selten der Fall seie, und weil sie aus diesem Minutiren noch andere Vortheile der Wirthschaft, als Abgabe von Speisen u. d. g. ziehen. Auch solle diese wiederholte Bestimmung zu Beseitigung aller anderen Auslegungen der Hauptverordnung an alle General Kommißariate ausgeschrieben werden.
In dem lezten Punkte hatten die Herrn geheimen Räthe von Zentner, von Krenner der jüngere [d.i. Franz] und Freiherr von Aretin die Meinung, daß es nicht nöthig sein dürfte, diese Bestimmung an alle General Kommißariate auszuschreiben, {10v} sondern daß nur alle deßwegen gemacht werdende Anfragen hiernach entschieden werden.
In Folge dieser Abstimmungen
wurde nach der Meinung der Polizei Section von dem königlichen geheimen Rathe beschloßen, daß den Bräuern, welche Bier maaßweis ausschenken, der Schankpreiß nicht gebühre. Welche Bestimmung an alle General-Kommißariate auszuschreiben wäre611.
Anmerkungen
Johann Evangelist (1808: Edler von) Reindl (1772-1850), 1801 Rat bei der Regierung in Straubing, 1802 am Hofgericht in München, 1806 bei der Obersten Justizstelle, 1808 am Oberappellationsgericht. Ab 1810 zweiter bzw. erster (1822) Direktor am Appellationsgericht des Unterdonaukreises in Straubing. Als Abgeordneter für den Unterdonaukreis war Reindl, Gutsbesitzer zu Aholfing (Landkreis Straubing-Bogen, Niederbayern), Mitglied der Landtage von 1825, 1827/28 und 1837 (Gesetzgebungsausschuß; 2. Kammersekretär). Vgl. HStK 1802, S. 137; RegBl. 1806, S. 16; RegBl. 1808, Sp. 1440; RegBl. 1810, Sp. 502f., 1313/1314; Jäck, Uebersicht, S. 56; Lang, Adelsbuch, S. 498; Leeb, Wahlrecht Bd. 2, S. 515f., 800. Auf das Erbe der Memminger Patrizierfamilie Lupin erhob Reindl insoweit Ansprüche, als er seit 1806 in zweiter Ehe mit Felicitas (1783-1857), geb. von Lupin, verheiratet war, der jüngsten Tochter aus der Ehe Johann Siegmund von Lupins (1742-1808; 1774-1802 Kanzleidirektor der Reichsstadt Memmingen) mit Anna Veronika, geb. von Hermann (1746-1827). Felicitas war die Schwester von Friedrich von Lupin (1771-1845). Vgl. Lupin, Selbst-Biographie Bd. 1, S. 34-51; Kneschke, Adels-Lexicon Bd. 6, S. 60f.; Adelslexikon Bd. 8, S. 121f.; Wachter/Lupin, Stammtafel; Eggel, Lupin, S. 236, 238.
Peraequation meint den Ausgleich, insbesondere die gleichförmige Verteilung von Schuldenlasten. Vgl. Schweizer, Fremdwörterbuch, S. 383 s.v.; Neues allgemeines Handwörterbuch Bd. 2, S. 139 s.v.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 885.
Georg v. Unold (1723-1816), 1790-1803 Bürgermeister in Memmingen, 1809 Immatrikulation in der Adelsmatrikel des Königreichs Bayern. Vgl. RegBl. 1812, Sp. 1859; Lang, Adelsbuch, S. 575; GHBA Bd. 5, S. 517f.; Wachter, Stammtafel, Tf. III mit weiteren biographischen Daten.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 885.
Muß heißen: Spalte 729. In der VO betr. die „Gemeinde-Abtheilungen“ vom 13. Februar 1805, RegBl. 1805, Sp. 729-732, hier Sp. 731f., ordnete der Kurfürst an, „die bestehenden Kulturs-Verordnungen ganz aufrecht“ zu erhalten, „welche dem Erkenntnisse der Kultursstellen ohne Rekurs zu einem andern Richter allein einräumen, zu erkennen, ob bey Abtheilung der Gemeinheiten, deren Privateigenthum von keinem Individuum insonderheit durch besondern Akquisitionstitel bewiesen werden kann, die Nutzungsrechte von Wünn, Weide, Holz und Strähe mögen gleich oder ungleich erlangt und genossen worden seyn, die Kleingütler, Söldner und Leerhäusler, welchen unter den Gemeinden oft nur eine sehr geringe, oder gar keine Benützung derselben gestattet wurde, theile, und welche Theile sie erhalten sollen“.
Die Hofmark Winhöring gehörte seit 1717 den Grafen von Toerring zu Jettenbach; Schwaab, Altötting, S. 460.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 885.
Karl August Graf von Reisach-Steinberg (1774-1846), 1808 Generalkommissär des Lechkreises in Augsburg, 1809 provisorischer Generalkommissär des Illerkreises in Kempten. Zum Fall Reisach vgl. Protokolle Bd. 3, Nr. 66 (Geheimer Rat vom 27. September 1810), TOP 1, S. 677-682. Aus der Literatur vgl. Bernsee, Moralische Erneuerung, S. 268-273, 345-351. Bernsee erklärt den Fall Reisach anhand der Übergangs- und Anpassungsprobleme adeliger Fürsten- bzw. Staatsdiener im neuen bürokratisch-rationalen Reformstaat, in dem überkommene soziale Spielregeln und Normen (Amtshabitus; Patron-Klient-Beziehungen usw.) zunehmend delegitimiert wurden.
Zum Kontext vgl. die eingehenden Diskussionen zur Festsetzung des Bierpreises im März und April 1811: Protokoll Nr. 10 (Geheimer Rat vom 7. März 1811), Nr. 11 (Geheimer Rat vom 14. März 1811), Nr. 12 (Geheimer Rat vom 21. März 1811), Nr. 13 (Geheimer Rat vom 28. März 1811), Nr. 14 (Geheimer Rat vom 4. April 1811).
Die VO betr. die „künftige Regulierung des Biersatzes im Königreiche Baiern, und die Verhältnisse der Bräuer zu den Wirthen sowohl unter sich, als zu dem Publikum“ vom 25. April 1811, RegBl. 1811, Sp. 617-634, forderte in Tit. II Art. 3 (Sp. 627) von den Brauern, „das Bier jedesmal [gemäß] den vorgeschriebenen quantitativen Größen des Malzes- und Hopfen-Verbrauches in entsprechender guten Qualität [zu] erzeugen“, während die Wirte „das von den Bräuern in solcher Qualität bezogene Bier unverfälscht [zu] belassen“ und es „in seinem ursprünglichen Gehalte an den Konsumenten bei Vermeidung der hier unten folgenden Strafe [vgl. ebd., Tit. II Art. 6] in Kontraventions-Fällen“ zu verkaufen hatten.
Die Bekanntmachung betr. den „Schankpreis des Biers in Bezug auf die minutirenden Brauer“ vom 8. August 1811, RegBl. 1811, Sp. 964f., erklärte zur Präzisierung und Erläuterung von Tit. II Art. 2 der VO vom 25. April 1811 (ebd., Sp. 626), „daß den gedachten minutirenden Brauern der ausdrücklich nur den Wirthen, welche ihr Bier von den fabrizirenden Brauern abnehmen, zu ihrer Mannsnahrung bewilligte Schankpreis nicht zukomme“.