BayHStA Staatsrat 283
4 Blätter. Unterschriften des Königs und des Ministers. Protokoll: Kobell.
Anwesend:
Staats- und Konferenzminister: Reigersberg.
Geheime Räte: Graf v. Preysing-Hohenaschau; Graf v. Toerring-Gutenzell; Freiherr v. Weichs; v. Zentner; Graf v. Thurn und Taxis; Carl Maria Graf v. Arco; v. Effner; Freiherr v. Asbeck; Graf v. Welsberg.
Kulturstreit (R)
Weichs berichtet über den Streit zwischen der Gemeinde Allmannshofen und dem Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen. Es geht um Angelegenheiten der Landeskultur. Weichs beantragt, die Sache von den Behörden unter Mitwirkung beider Streitparteien neu verbescheiden zu lassen. Die Geheimen Räte beschließen dagegen mehrheitlich, den vorliegenden Entscheid des Generalkommissariats des Oberdonaukreises zu bestätigen.
{1r} [1.] Da nach dem allerhöchsten Befehle Seiner Majestät des Königs, nach geendigter Plenar Sizung sich heute aus dem geheimen Raths Gremio, die nach dem allerhöchsten Reskripte vom 29ten Dezember vorigen Jahres zur Entscheidung der Rekurs-Gegenständen erforderliche Anzal der Herrn geheimen Räthe unter Vorsiz Seiner Excellenz, des königlichen geheimen Staats und Konferenz Ministers Herrn Grafen von Reigersberg versammelt hatten, so erstatteten Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs in Kulturs Sachen der Gemeinde Allmannshofen gegen ihre Grundherrschaft den Herrn Fürsten von Hohenzollern Sigmaringen {1v} nach erfolgtem Aufruf Seiner Excellenz des Herrn Ministers Grafen von Reigersberg schriftlichen Vortrag1938.
Dieselben lasen zuerst das bei dem General Kommißariate des Oberdonau Kreises rüksichtlich dieses Gegenstandes abgelegte Gutachten des Referenten ab, welches die geschichtliche Veranlaßung dieser Streit-Sache und die bisher deßwegen erfolgte gerichtliche Verhandlungen und erlaßene Entscheidungen so wie die von der Grundherrschaft und der Gemeinde vorgebrachten Gründe näher entwikelt, und bemerkten sodann nach Ablesung der wesentlichen Aktenstüken, wie die Gemeinde sub termino hierauf den Rekurs an die allerhöchste Stelle ergriffen und gebeten, den Bescheid zweiter Instanz nach ihrem Gesuche zu reformiren.
Herr geheimer Rath Freiherr von Weichs führten die Gründe an, auf welche die Gemeinde dieses Ansuchen gestüzt, und äußerten Ihren Antrag aus den in dem Vortrage auseinandergesezten Umständen dahin, den Gegenstand mit Beiziehung beider Partheyen nochmals instruiren und die nothwendige Ersezungen erholen zu laßen.
Würde aber der königliche geheime Rath die Einhaltung der bei der ersten Instrukzion übergangenen Fatalien *Formalitäten* [Marginalie] welche Ihnen wichtig geschienen, nicht für nothwendig erachten, so würden {2r} Sie keinen Anstand nehmen, den von dem General Kommißariate erlaßenen Bescheid zu bestätigen. 1) Weil die Gemeinde wegen den unterlaßenen Formalitäten sich nicht beschweret. 2) Weil dieselbe auch in der Appellazions Schrift zum königlichen geheimen Rathe nicht mehr melde, daß sie noch in dem Besize von den vorhandenen Verträgen seie. 3) Weil dieselbe von der Kompensazion der beiderseitigen Weiden in der Appellazions Schrift gänzlich schweige. 4) Weil in thesi der Bescheid des General Kommißariates, daß auf öden Gründen, wo das Kloster [Holzen]das Weidrecht ausgeübt, daßelbe dafür entschädiget werden müße, ganz richtig seie. 5) Weil endlich in executione die Frage doch wiederum reif werde, welches sind die öde und Weidgründe, und hat auf diese das Kloster den Weidgang gehabt? Selbst die Kompensazion könne bei der Entscheidung über die Entschädigung wieder zur Frage kommen.
Auf die von Seiner Excellenz, dem königliche n geheimen Staats- und Konferenz-Minister Herrn Grafen von Reigersberg hierüber verfügte Umfrage erklärten sich die Herrn geheimen Räthe Grafen von Preising und von Törring, von Zentner, Graf von Tassis {2v} von Effner, Freiherr von Asbek und Graf von Welsperg für Bestätigung des Bescheides des General Kommißariats, Herr geheimer Rath Graf von Arco aber für Bestätigung des Erkenntnißes der ersten Instanz, weil sie großen Anstand fänden, dem Grundherrn auch die Entschädigung für die 83 Tagwerk eigenthümliche Gründe der Gemeinde, worüber zwar der Eigenthums-Beweis eine nähere Instrukzion erfordere, zuzusprechen, da das Mandat vom 18 Mai 1808 deutlich ausspreche, daß jedes Weidrecht der Kultur ohne Entschädigung weichen müße1939, und Ihren Ansichten nach dem Herrn Fürsten [von Hohenzollern-Sigmaringen] so wie das Landgericht erkannt, nur ein Antheil an den zwei öden Gemeinde Pläzen nicht aber an den 83 einmädigen Wiesen gebühre.
Nach dem Schluße der Mehrheit
wurde das Erkenntniß des General Kommißariats des Oberdonau Kreises vom 15ten Mai 1811 vom königlichen geheimen Rathe bestätiget1940.
Vorspann- und Quartierkosten (R)
Welsberg berichtet, daß die klagende Partei in einem Streit über Vorspann- und Quartierkosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt hat. Er vertritt die Ansicht, daß die Rekurrenten abzuweisen sind; dazu soll die entsprechende Entscheidung des Generalkommissariats bestätigt werden. Die Geheimen Räte beschließen hingegen mehrheitlich, den Rekurs wegen Nichterreichens der Beschwerdesumme abzuweisen.
2. Über die Rekurs Beschwerde des Michael Weinhard, Poststallmeisters zu Eichstädt und Joseph Yberle, Bauern zu Weinpaßing gegen die Gemeinde Wintershof1941 wegen Vorspann und Quartiers-Kosten Zalung erstatteten Herr geheimer Rath Graf von Welsperg schriftlichen Vortrag, und bemerkten zuerst, daß in {3r} dieser Streitsache es sich dermal nicht um eine Entscheidung in merito über die Quartiers-Kösten handle, da dieser Streit bereits im Jahre 1810 von dem General Komißariate des Altmühl Kreises entschieden worden, so daß deßen Urtheil schon lange in Rechtskraft übergegangen. Der Poststallmeister Weinhard und sein angeblicher Konsort hätten nur unterm 28 November 1810 um Wiedereinsezung in den vorigen Stand ex noviter repertis gebeten, und es frage sich dermal einzig um die Entscheidung über dieses Restituzions Gesuch.
Herr geheimer Rath Graf von Welsperg erinnerten, Sie hätten aus diesem Grunde nicht für nothwendig geglaubt, in die Materialien dieses Prozeßes, obschon Sie dieselbe ganz durchlasen, weiter einzugehen, als es die zu entscheidende Reluitions Frage nothwendig mit sich bringe. Dieselben durchgiengen hierauf die auf diese Reluitions Frage sich beziehende Umstände, und führten an, welche Entscheidungen der untern Instanzen bereits vorliegen, und welche Meinung die Lehen- und Hoheits Section deßwegen gehabt, welche geglaubt, daß die Rekurrenten auch in der Hauptsache für fehlig zu erklären, daß jedoch, weil die streitige Konkurrenz Quote {3v} zu Wintershof nur gegen 209 fl. sich belaufe, der Rekurs wegen mangelnder Appellazions Summe nicht statt habe, und folglich die Erkenntniße der vorigen Instanzen zum Vollzug zu bringen seien.
Herr geheimer Rath Graf von Welsperg äußerten hierauf, allerdings finde in Gegenständen, wo die Streit Summe nicht 400 fl. erreiche, oder keine Folgen Reihe habe, wie hier der Fall seie, kein Rekurs an Seine Majestät den König statt1942. Sie wagten es aber nicht für ganz entschieden anzunehmen, ob bei einem Restituzions Gesuche, abstrahiret von der Streit Summe, nicht doch dieser Rekurs zur 3ten Instanz genommen werden dürfte, denn wenn schon die Streitsache selbst in merito wegen Mangel der appellablen Summe niemals zum geheimen Rathe zur Entscheidung zu kommen habe, so könne doch der Parthei sehr daran gelegen sein, durch die Einwirkung der Restituzion in 3ter Instanz nach Verschiedenheit der beigebrachten Neuerungen auch zwei verschiedene und vielleicht günstige Urtheile der Unterbehörden zu erhalten.
Dieser Ihr Zweifel wirke jedoch nicht auf die Wesenheit der zu entscheidenden Frage, die immer, seie es aus Formalien, das heiße, aus Mangel einer appellablen Summe {4r} seie es aus den Materialien, weil sich wirklich kein Novum hier zeige, und eine Zeugen Außage mitinteressirter Individuen niemals etwas gegen schriftliche und glaubwürdige Urkunden beweisen könnte, abweislich erfolgen werde. Die Frage seie also nur, ob die Rekurrenten einzig aus Mangel der Formalien abzuweisen seien?
Nachdem Sie aber öfters schon beobachtet hätten, daß man bei ähnlichen Fällen in dem geheimen Rathe der Entscheidung aus den Materialien immer den Vorzug zu geben pflege, weil die Partheien sich auch damit beruhigter hielten, als wenn es blos wegen Formalien Abgang geschehe, so gehe Ihr Antrag dahin: „daß simpliciter die Abweisungs Entscheidung des General Kommißariates vom 10 Oktober 1811 bestätiget werden sollte“.
Auf diesen Antrag verfügten Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg die Umfrage.
Die Herrn geheimen Räthe Grafen von Preising und von Törring, Freiherr von Weichs, von Zentner und Graf von Tassis erklärten sich für die Meinung, daß die Rekurrenten wegen der mangelnden Appellazions Summe {4v} abzuweisen seien. Die Herrn geheimen Räthe Graf von Arco, von Effner und Freiherr von Asbek stimmten auf Abweisung der unstatthaften Berufung, ohne der nicht vorhandenen appellablen Summe zu erwähnen.
Herr geheimer Rath Graf von Arco gründeten Ihre Abstimmung vorzüglich darauf, daß eine Abweisung blos wegen der nicht appellablen Summe in den, dem vorliegenden ähnlichen Fällen, die nachtheilige Folgen für den Rekurrenten haben könnte, daß er zu allen künftigen Konkurrenzen einer Gemeinde beigezogen würde, welches bei hinlänglichen Gründen für denselben sehr hart sein könnte.
Nach der Mehrheit der Stimmen
wurde von dem königlichen geheimen Rathe beschloßen, den Rekurrenten auf ihre keine hinlängliche Summe betreffende Berufung die Abweisung bedeuten zu laßen1943.
Der König bestätigt die Beschlüsse des Geheimen Rates (15. August 1812).
Anmerkungen
Die VO betr. die „Erläuterung einiger Kultur-Verordnungen“ vom 15. März [!] 1808 bestimmte in Art. 1, RegBl. 1808, Sp. 678: „Von Aeckern während ihrer Fruktifikation, und von Wiesen während der Hägezeit soll die Weide […] ohne Entschädigung weichen.“
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 1470.
Vgl. VO betr. die „Vervollständigung der Kompetenzregulirung des königlichen geheimen Rathes in administrativ, polizeilich und finanziellen Gegenständen“ vom 8. August 1810, Tit. I Art. 2, RegBl. 1810, Sp. 644.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1812, Sp. 1471.