BayHStA Staatsrat 207
17 Blätter. Unterschriften des Königs, des Kronprinzen und der Minister. Protokoll: Kobell.
Anwesend:
König Max Joseph; Kronprinz Ludwig.
Staats- und Konferenzminister: Graf v. Montgelas; Graf v. Reigersberg.
Geheime Räte: Maximilian Graf v. Preysing; Graf v. Toerring-Gutenzell; v. Zentner; Graf v. Thurn und Taxis; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; Freiherr v. Aretin; v. Effner; v. Schenk; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach; Graf v. Welsberg.
Gemeindegründeverteilung (R)
Welsberg ist Berichterstatter in einer Streitsache wegen Verteilung von Gemeindegründen. Auf der einen Seite stehen einige Gemeindemitglieder um Johann Michael Musbeck, die beim Justizamt Maihingen die Teilung der Gemeindegründe in Klosterzimmern beantragt haben, auf der anderen Seite Georg Kaspar Rindl und Streitgenossen, die sich der Teilung widersetzen. Welsberg kommt zu einem anderen Ergebnis als die Vorinstanzen. Die Gemeindegründe sind nicht zu gleichen Teilen, sondern nach Maßgabe der hergebrachten Nutzung zu verteilen; Söldeninhaber, Handwerker und Häusler sind einzubeziehen. Der Geheime Rat folgt mehrheitlich Welsbergs Antrag.
{1v} 1. Auf Befehl Seiner Majestät des Königs erstattete der königliche geheime Rath Graf von Welsberg in der auf heute Frühe angeordneten geheimen Raths Sizung über die Kulturs Angelegenheit der Gemeinde Klosterzimmern58 und den Rekurs des Georg Rindl et Cons., gegen den Johann Musbuk [!] und übrige Kulturs Lustige der Gemeinde Gründe zu Meihingen59, Justiz Kanzlei Oettingen Wallerstein, schriftlichen dem Protokoll beiliegenden Vortrag60.
Graf von Welsberg führte hierin die Geschichte dieser Streitsache61, das Erkenntniß der Oetting Wallersteinschen Justiz Kanzlei, und des General Kommißariats des Oberdonau Kreises an, und bemerkte, daß nach erfolgter lezteren Entscheidung Rindl und die übrige Opponenten sich auf das in der Zwischenzeit erschienene allerhöchste Mandat vom 8ten August vorigen Jahres berufen, und ohngeachtet zweier gleichlautender Entscheidungen an Seine Majestät den König rekurriret62.
Dieser ihme Grafen von Welsberg zum Vortrag zugetheilte Gegenstand unterliege rüksichtlich der Formalien keinem Anstande, in Bezug auf die Hauptsache aber glaube er aus den vorgelegten Gründen und in Beziehung auf die Verordnung vom Jahre 1805, Regierungsblatt 69063, daß in dem {2r} vorliegenden Falle die gleiche Vertheilung nicht statt finde, sondern daß hiezu die alte Flurordnung und die bisherige eingestandene Übung des Weid-Besuches nach der Verschiedenheit ihrer Gründe, jedoch so zum Maaßstabe genommen werden müße, daß auch die minderen Söldner und Handwerker und Häußler, wenn sie sich auch das Weidrecht64 nicht bedient hätten, doch zur verhältnißmäsigen Theilung zuzulaßen seien65. Ferner, daß der Gänsewasen66 im Klosterzimmern für dermalen, und bis andere Umstände eine weitere Verfügung räthlich machen, unvertheilt und zum dermaligen Gebrauche bestimmt zu verbleiben habe, wo aber übrigens eine weitere Benuzung deßelben ein Gegenstand der Gemeinde Vermögens Administration ausmache, mithin zu einer besondern Behandlung gehöre. Der angeblich aus 47½ Morgen 48½ Ruthen bestehende Mäder67-Anger dagegen zur Kultur und Vertheilung sich eigne, wovon jedoch rüksichtlich der Schulanstalt nach der Verordnung Regierungsblatt de anno 1803 42 St. fol. 835 der mandatmäsige Antheil auszuscheiden wäre68.
Nach diesen Anträgen legte Graf von Welsberg einen Reskripts-Entwurf an das General-Kommißariat des Oberdonau-Kreises zur allerhöchsten Genehmigung vor69.
Seine Majestät der König {2v} geruheten, über diese Anträge abstimmen zu laßen, und da die Mehrheit der Mitglieder sich mit denselben vereinigte,
so wurde der abgelesene Reskripts Entwurf von Seiner Majestät dem Könige genehmiget70.
Einführung des überarbeiteten Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (CMBC) als Zivilgesetzbuch
Vortrag Feuerbach: Um die Zeit bis zur Vollendung des auf Grundlage des Code Napoléon bearbeiteten Zivilgesetzbuches zu überbrücken, soll der CMBC (1756) provisorisch eingeführt werden. Denn die rechtliche Integration des aus verschiedenen Teilen zusammengesetzten Königreichs ist dringend erforderlich; zudem fordert die Konstitution von 1808 die Gleichheit der Gesetze. Feuerbach verliest eine Generalverordnung (Promulgationsedikt), die den Anschluß des CMBC an die veränderten rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten sicherstellen soll.
In der Umfrage ergibt sich folgendes Meinungsbild: Die Minister Montgelas, der die ergänzende Aufnahme der Organischen Edikte, eines Hypothekensystems und eines neuen Eherechts in den CMBC fordert, und Reigersberg befürworten den Antrag Feuerbachs, ebenso die Geheimen Räte Preysing-Hohenaschau und Toerring-Gutenzell. Zentner hingegen betont, daß der CMBC unbedingt revidiert werden muß, da er weithin unbrauchbar sei. Nicht mehr gültige Rechtssätze sollen entfernt, die Organischen Edikte sollen in das revidierte Zivilgesetzbuch aufgenommen werden. Thurn und Taxis, Krenner, Arco, Aretin, Effner, Schenk und Asbeck folgen Zentner, während Welsberg sich gegen ein Provisorium, auch in Gestalt eines revidierten Zivilgesetzbuches, ausspricht.
In einer ergänzenden Stellungnahme rückt Feuerbach von seinem Antrag ab, den CMBC ohne Revison als Provisorium einzuführen. Da eine Revision und Ergänzung kaum zu leisten wären, trägt er an, ein neues Gesetzbuch auf der Grundlage des CMBC zu erarbeiten. Zentner tritt diesem Standpunkt in Abkehr von seiner in der Abstimmung geäußerten Meinung bei; Reigersberg unterstützt ihn dabei.
Der König ordnet an, daß unter der Leitung Aretins und Feuerbachs ein neues Zivilgesetzbuch auf der Grundlage des CMBC ausgearbeitet werden soll. Nicht mehr aktuelle Rechtslehren sind zu tilgen. Die Organischen Edikte sollen ebenso wie das neu zu bearbeitende Eherecht sowie eine Hypothekenordnung in das Zivilgesetzbuch eingefügt werden. Das neue bürgerliche Recht soll zum 1. Oktober 1811 in Kraft treten.
2. Seine Majestät der König geruheten, den geheimen Rath von Feuerbach aufzurufen, den wegen provisorischer Einführung des Codicis Maximilianei bavarici civilis in allen Gebiets-Theilen des Königreichs, bearbeiteten Vortrag zu erstatten71.
Zu gehorsamster Befolgung dieser allerhöchsten Aufforderung stellte geheimer Rath von Feuerbach in dem dem Protokoll beiliegenden Vortrag72 die dringende Nothwendigkeit vor, für alle Theile des Königreichs ein gleiches bürgerliches Gesezbuch zu haben, und dadurch die verschiedenartige Gesezgebungen, die in den ehemalig oesterreichschen und würtembergschen Gebiets-Antheilen, in Tyrol, Salzburg, Bamberg, Ansbach, Baireuth und mehreren vormaligen Reichs Städten noch bestehen, außer Wirkung zu sezen, und Nazional-Sinn, Nazional Patriotismus und Gleichheit der Geseze, welche die Konstituzion jedem Unterthan zusicherte73 zu gründen74.
Seine Majestät der König hätten zwar die Bearbeitung eines neuen {3r} bürgerlichen Gesezbuches nach der Grundlage des Code Napoléon allergnädigst anbefohlen75, und so weit auch die Arbeiten hiezu schon vorgerükt, so werde dieses wegen einigen neueren Ansichten, wegen dem noch dringenderen Kriminal Gesezbuche76, wegen den häufigen Geschäften der mit deßen Prüfung beauftragten Geschäftsmänner, und dem daraus entstehenden Mangel der Zeit, dennoch aller Anstrengung ohngeachtet, wenigstens noch volle zwei Jahre nicht vollendet, und nicht früher an eine Promulgazion des neuen bürgerlichen Gesezbuches gedacht werden könne.
Solle nun bis dahin die bunte Gesez Verschiedenheit, welche Baiern von fast allen Nachbar-Staaten so seltsam unterscheide77, mit allen nachtheiligen Folgen fortbestehen, oder solle durch Einführung des Codicis Maximilianei bavarici civilis78 in dem ganzen Königreiche bis zu Erscheinung dieses neuen Gesezbuches ein Provisorium getroffen werden, welches Einheit und Festigkeit in den ganzen inneren Verband des Königreichs bringe?79
Dieses seie die Frage, welche Seine Majestät der König auf Antrag des Justiz Ministeriums80 Ihrem geheimen Rathe zum Gutachten und zur Beantwortung übergeben, und welche ihme von Feuerbach zur näheren {3v} Auseinandersezung mitgetheilt worden.
Zu Rechtfertigung dieses Antrags mehr zu sagen, als bereits im Anfange des Vortrages angeführt worden, halte er von Feuerbach für eitlen Zeitverlust, denn daß dieser Antrag den früheren Beschlüßen Seiner Majestät des Königs, nach welchem ein neues bürgerliches Gesezbuch verfaßt werden solle, nicht entgegen, seie für sich selbst schon klar. Es seie nur davon die Rede, einem dringenden Bedürfniße einsweilen so abzuhelfen, wie ihme nach den vorliegenden Umständen abgeholfen werden könne. Durch diese Maaßregel solle das Project einer neuen Legislation weder aufgehoben noch aufgeschoben sein.
Das Promulgazions Patent, welches er Seiner Majestät dem Könige und dem versammelten geheimen Rathe vorlegen werde, entscheide folgende Puncte.
I. Von welcher Zeit an, und in welcher Eigenschaft solle das baierische Civilgesezbuch gelten81. II. Ein Gesez wirkt nicht rükwärts82. III. Ausnahmen von dem Saze: der baierische Civil Codex hebt die bestehende Partikular Geseze und Verordnungen auf. IV. Welche Ausnahmen hievon sind nothwendig83. V. Die wegen den Hypotheken84, und {4r} VI. wegen den Emphiteusen85 zu treffende Aenderungen. VII. Wegen den Privilegien86. VIII. Lex posterior derogat legi priori87. IX. Von der subsidiarischen Kraft des gemeinen Rechtes88.
Nachdem geheimer Rath von Feuerbach sich über diese neue Fragen ausführlich geäußert hatte, las derselbe den Entwurf einer General Verordnung, welche als Promulgazions Edict dienen solle, zur allerhöchsten Genehmigung ab.
Seine Majestät der König geruheten, über diesen Antrag umzufragen.
Der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas äußerte, um den vorgelegten Antrag richtig beurtheilen zu können, müße man zuvor folgende 4 Fragen beantworten, und dieselbe erläutern: a) Welches ist der Zustand der gegenwärtigen Gesezgebung in den verschiedenen Theilen des Königreichs? b) Wie wird derselbe sein, wenn der Codex Maximilianeus bavarici civilis als Provisorium eingeführt wird, und welchen Nuzen wird diese Maaßregel gewähren? c) Mit welchen Inkonvenienzen {4v} kann diese Einführung eines Provisoriums verbunden sein? d) Ist der Nuzen, den diese provisorische Einführung des baierischen Civilgesezbuches darbietet, so bedeutend, daß er die dadurch entstehende Inkonvenienzen aufwiegt.
Die erste Frage seie durch den Vortrag des Referenten bereits größten Theils gelößt, und es seie als richtig anzunehmen, daß durch die verschiedene Gesezgebungen in den einzelnen Theilen des Königreichs ein großer Mißstand eintrete.
Die Lage der gegenwärtigen Gesezgebung habe den bedeutenden Nachtheil, daß sie der Nazionalität des baierischen Volkes, aus so verschiedenen Stämmen zusammen gesezt, entgegen stehe, und statt die Völker unter sich zu verbinden, und in ein Ganzes, gleich gestimmt und von gleichem Geiste beseelt, zusammen zu bringen, dieselbe in ihren provinziellen Gewohnheiten und Verhältnißen erhalte, und sie dadurch dem Mutterlande gleichsam fremd mache. Auf eine gleichförmige Ausbildung der Nazion und den Nazional Karakter würde daher diese Maaßregel wohlthätig wirken, und von dieser Seite betrachtet, scheine der Annahme des Vorschlages, den baierischen Civil Codex im ganzen Königreiche {5r} provisorisch einzuführen, keine Einwendung entgegen zu stehen.
Die zweite Frage biete andere Resultate dar. Dem geheimen Rathe hätten Sie bereits mehrmalen die Ursachen vorgelegt89, welche die Konstituzion des Königreichs Baiern, und die daraus nothwendig hervorgegangene organische Edicte herbeigeführet90, und aus welchen Gründen Seine Majestät der König bewogen worden, die Bearbeitung eines allgemeinen Civilgesezbuches nach der Grundlage des Code Napoléon anzubefehlen. Durch diese organische Edicte, worunter aber nicht die temporäre Verordnungen, die in Folge der Konstituzion erlaßen worden, zu zälen, seien ganze Lehren des Codicis Maximilianei bavarici civilis aufgehoben worden, und könnten in keinem Falle mehr Gesetzeskraft erhalten.
Herr Referent habe in seinem Vortrage einige dieser Lehren angeführt, allein es seien noch mehrere, als z. B. von dem Einstands-Recht91, dem Lehen-Rechte92, die gar nicht mehr angewendet werden könnten, und das Ganze, was von dem baierischen Civilgesezbuche nach Weglaßung dieser Lehren für das Königreich übrig bleibe, reduzire sich vielleicht auf 1/3 tel höchstens auf die Hälfte des {5v} ganzen Gesezbuches.
Ob und in wie weit es daher nothwendig, der anbefohlenen ganz neuen bürgerlichen Gesezgebung noch ein Provisorium vorauszuschiken, und eine große Auflage eines Gesezbuches zu machen, müßten Sie dem Ermeßen des königlichen Justiz-Ministeriums überlaßen, welches nach seinem Wirkungs Kreis die Übersicht des ganzen Justiz Wesens des Königreichs habe, allein auffallen würde es immer, daß nur 1/3 tel oder die Hälfte hievon in Anwendung komme, und sie glaubten es zwekmäsiger, wenn in diesem provisorischen Gesezbuche gleich die organischen Edicte wegen der Leibeigenschaft93, den Konfiskazionen94, den kirchlichen Verhältnißen95, den gutsherrlichen Rechten96 p. namentlich angeführt, oder auch an den geeigneten Stellen nach ihrem ganzen Inhalte aufgenommen, und demselben ein Hypothekar Sistem einverleibt würde, deßen Bearbeitung eines der dringendsten Bedürfniße für die altbaierischen Staaten seie, denn als Minister des Innern97 und bei Auslehnung der Kirchen Gelder hätten Sie sich überzeugt, mit wie wenig Sicherheit man auf adelige Güter Geld leihen könne, und wie schwankend und prekär der Kredit der adeligen Familien sein müße, da man über den {6r} Stand ihres Vermögens durch nichts sich sichere und gegründete Auskunft verschaffen könne.
Auch rüksichtlich der Ehen-Rechte, die in dem Königreiche so verschieden, hielten Sie den Augenblik für günstig, und glaubten, daß das oesterreichsche Eherecht98 ohne allen Anstand eingeführt werden könne, denn gegen Grundsäze, die Oesterreich für diese Fälle aufgestellt, würden auch die religiöseste Unterthanen nichts erinnern können.
Die dritte und vierte Frage beantworte sich dadurch, wenn man den geheimen Rath auf jene Gründe rükführe, die den ersten Auftrag zu Bearbeitung eines neuen bürgerlichen Gesezbuches veranlaßt.
So lange die rheinische Konföderazion von ihrem Stifter nicht näher zusammen gezogen und enger vereiniget werde, wo dann wahrscheinlich der Code Napoléon allgemein angenommen und eingeführt werden würde99, scheine diese Maaßregel in politischer Rüksicht einen Anstand um so weniger zu finden, als sie nur als ein Provisorium zu betrachten, und die Fortsezung der angefangenen Arbeiten für das neue bürgerliche Gesezbuch nicht aufhebe.
Allein – da aus der bloßen provisorischen Einführung des Maximilianeischen Civil-Codex {6v} nach seinem gegenwärtigen Inhalte kein wesentlicher Nuzen sich ergeben würde, indem 2/3 tel nicht mehr in Wirkung übergehen könnten, so vereinigten Sie sich zwar mit dem Antrage, doch würden Sie die organischen Edicte namentlich darin anführen, ein hypothekarisches Sistem, deßen Bearbeitung so viel möglich zu beschleunigen wäre, darin aufnehmen, und ein allgemeines katholisches Eherecht publiziren, wozu Sie das oesterreichsche in Vorschlag brächten.
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg gaben Ihre Abstimmung dahin: Die provisorische Einführung des bürgerlichen Maximilianeischen Gesezbuches in allen Gebiets Theilen des Reichs, seie in der begutachteten und in Antrag gebrachten Weise, den vorgängigen Entschließungen Seiner Königlichen Majestät ganz entsprechend. Da alle durch die organischen Edicte des Reichs bereits angeordnete Abweichungen vom Maximilianeischen Gesezbuche ausdrüklich verbindende Kraft behielten, da in diesen Edicten bereits die dem Code Napoleon zum Grunde liegenden Haupt Maximen ihre Anwendung erhielten, so werde der Grundsaz: dieses {7r} in mehreren Bundes Staaten, jedoch mit bedeutenden Modifikazionen angenommene Gesezbuch100 solle zur Grundlage des neuen künftigen allgemeinen Gesezbuches dienen, vielmehr bei der provisorischen Substituirung des einheimischen Gesezbuches anderen fremden Gesezgebungen neuerdings sanctionirt. Die Regierung gerathe demnach mit ihren vorgängigen Bestimmungen in keinen auch nur scheinbaren Widerspruch.
Diese provisorische Einführung eines bereits für die bei weitem größte Zahl der Unterthanen Seiner Majestät bestehenden bürgerlichen Gesezbuches entspreche dem wichtigsten Staatszweke Baierns, die Unterthanen wechselseitig zu verbinden; bei dem Baireuther, dem Franken, Schwaben, dem Tyroler, die Idee, jedes zwischen ihm und dem Altbaier noch bestehenden Unterschids zu verbannen, denn nichts vereinige Unterthanen verschiedener Gebiets Theile mehr als gleiche Geseze.
Auch werde dadurch zur Revision und Prüfung eines allgemeinen neuen bürgerlichen Gesezbuches Zeit gewonnen. Daß selbst das napoleonische Gesezbuch in sein Sistem sogar eingreifende Abweichungen {7v} erhalten werde, seie voraus zu sehen, ja manche Abänderungen seien bereits erfolgt. Wenn daher durch die begutachtete provisorische allgemeine Einführung des bürgerlichen Maximilianeischen Gesezbuches der wohlthätige Zwek eines allgemein im Reiche geltenden Gesezes sogleich möglichst erreicht werde, so gewinne dabei das wichtigste Geschäft einer Regierung, die Gesezgebung, indem die übertragene Bearbeitung gegen jede Übereilung gesichert werde.
In jeder Hinsicht seie daher die Genehmigung des Antrages von Seiner königlichen Majestät wünschenswerth. Übrigens seie auch dieser Antrag durch die Nothwendigkeit geboten. Die Gerichtshöfe des Reiches, selbst das königliche Oberappellazions Gericht, der oberste Justizhof des Königreichs, besize keine vollständige Sammlungen der seinen Rechtssprüchen zum Grunde liegen sollenden gesezlichen Vorschriften.
Das oesterreichsche101 sowohl als das preußische Gesezbuch102 seien mit so unendlich vielen Sammlungen und Novellen, Hofreskripten und Resoluten (oesterreichische Geseze im Justizfach Joseph des IIen, Leopold des II, Franz des II.103 Kees Kommentar über die oesterreichische allgemeine Gerichts-Ordnung104, Oesterreichs allgemeine Gerichts- und Konkurs-Ordnung105, Oesterreichs bürgerliches Gesezbuch. Zimmerl Handbuch über die oesterreichische {8r} allgemeine Gerichts-Ordnung106, Tyroler Landes-Ordnung107 p.) bereichert, welche die bedeutendsten Abänderungen festsezten und die die Gerichtsstellen nicht einmal besizen, kaum kennten sie das Gros der in den vorliegenden Folianten und Quartanten enthaltenen Vorschriften. Der Unterthan seie daher nicht gesichert, daß sein Richter das Gesez auch nur besize, worauf bisher sein Recht gegründet gewesen.
Endlich glaubten Sie, daß der Vorschlag, wornach einige wohlthätige und in die privatrechtlichen Verhältniße zu tief eingreifende Einrichtungen, z. B. Vorschriften über die Ehe, betrachtet als bürgerlicher Vertrag, über das Hypothekenwesen, über Wechsel-Rechte und Ordnungen, über Gütergemeinschaft, über Verträge zwischen Grundherrn und Grundholden beibehalten werden. Ferner die genauen im Edicte108 angegebene Bestimmungen über die zurükwirkende Kraft des provisorisch allgemein einzuführenden bürgerlichen Gesezbuches jeden Einwurf gegen diesen Antrag beseitige, und vielmehr die Regierung dadurch in den Stand gesezt werde, vielleicht schon vor Beendigung des neuen allgemeinen Gesezbuches diese sich sehr gut in der Bearbeitung söndern laßende Staats Institute zu generalisiren. {8v} Sie stimmten demnach mit voller Überzeugung dem Antrage des Herrn Referenten vollkommen bei.
Die königliche geheimen Räthe Graf von Preising und Graf von Törring Guttenzell vereinigten sich mit dem Antrage des Herrn Referenten unter den von dem königlichen geheimen Staats und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas angetragenen Voraussezungen.
Geheimer Rath von Zentner äußerte: er fühle zwar die Nothwendigkeit lebhaft, Einförmigkeit in die bürgerliche Gesezgebung des Reichs zu bringen, allein durch den Antrag des Ministerial Justiz Departements glaube er nicht, daß der Zwek erreicht werde, denn eine neue Auflage von einem Werke in fünf Bänden machen zu laßen, wovon nur der dritte Theil Gesezes Kraft erhalten könne, würde die Gerichte und Richter derjenigen Gebiets Theilen, wo der baierische Civil-Codex eingeführt werden solle, so verwirren und so viele Anstände erzeugen, daß der Absicht des Gesezgebers gewiß nicht entsprochen werde, auch finde er es gegen die Würde der Regierung, dermal, und wo die Nazion auf Erscheinung eines neuen Gesezbuches {9r} gespannt sei, ein Gesezbuch abdruken und proklamiren zu laßen, wovon 2/3 Theile nicht mehr paßten, und durch neue Edicte unbrauchbar geworden seien.
Er stimme daher zwar auf provisorische Einführung des baierischen Civil-Codex, würde aber zuvor denselben revidiren, die nicht mehr paßende Lehren ausheben und die organischen Edicte darin aufnehmen laßen. Wenn Geschäfts Männer, die sonst nicht mit Arbeiten überhäuft, damit beauftragt würden, so könnte diese Revision in kurzer Zeit vollendet sein.
Der königliche geheime Rath Graf von Tassis vereinigten sich mit der Ansicht des geheimen Rath von Zentner, und fand den gegebenen Termin zu kurz, er würde den 1ten Oktober 1811 festsezen.
Geheimer Rath von Krenner der jüngere fand großen Anstand, dem Vorschlage des Referenten beizutreten, denn nach allen öffentlich bekannten Vorbereitungen zu einem neuen bürgerlichen Gesezbuch, nach der Grundlage des Code Napoléon, auf einmal ein Gesezbuch proklamiren zu laßen, wovon nur 1/3tel gültig sein könne, und welches den in Folge der Konstituzion des {9v} Reichs erschienenen organischen Edicten geradezu widerspreche, würde zu sehr auffallen, und mit Recht die gelehrte und nicht gelehrte Welt zu manchen ungünstigen Urtheilen aufrufen.
Er fühle den Mißstand der gegenwärtigen Gesezgebung, er fühle die Nothwendigkeit, daß etwas geschehen müße, da die neue Bearbeitung des Gesezbuches nach der Grundlage des Code Napoléon noch manchen Anständen unterliege, allein er fühle auch, daß es beßer sei, lieber nichts als diesen auffallenden Schritt zu thun, und vereinige sich mit dem geheimen Rathe von Zentner, den baierischen Civil Codex noch vorher einer Revision zu unterwerfen, ehe man ihn als geltendes Gesez für das ganze Königreich proklamire.
Geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco äußerte, er finde es schwer, über diesen Antrag gleich ohne nähere Vorbereitung abzustimmen. Nach der Lage der Verhältniße dieses Gegenstandes finde er den Bemerkungen des Herrn geheimen Staats- und Konferenz Ministers Grafen von Montgelas nichts beizufügen, und habe sich nach Durchgehung des baierischen Civil-Codex überzeugt, daß 2/3 Theile deßelben unbrauchbar {10r} seien, und nicht mehr in Anwendung gebracht werden könnten.
Die Frage: lohnt es sich der Mühe, wegen dem bleibenden 1/3, das nichts als römisches Recht enthält, eine neue große Auflage zu veranstalten und das Erscheinen eines provisorischen Gesezbuches zu proklamiren? werde sich bei jedem Menschen aufwerfen, und das darüber erscheinende Urtheil der Gelehrten und Nichtgelehrten könne der Regierung nicht angemeßen nicht günstig sein.
Er ziehe vor, lieber nichts als den angetragenen Schritt zu thun, und vereinige sich mit der Meinung des geheimen Rath von Zentner, den bairischen Civil-Codex einer kurzen Revision durch Geschäfts-Männer, welche mit Arbeit nicht überladen, vor seiner Proklamirung zu unterwerfen, und ihn mit den organischen Edicten und den neueren konstituzionellen und gesezlichen Bestimmungen in Übereinstimmung zu sezen. Dieser geringe Zeitaufwand würde sich durch das beßere, was dadurch erzielet werde, lohnen.
Geheimer Rath Freiherr von Aretin untergab in seiner Abstimmung der höheren Beurtheilung, in wie weit der angetragene Schritt nach den schon geschehenen Einschreitungen {10v} zu einem neuen bürgerlichen Gesezbuche nach der Grundlage des Code Napoléon politisch räthlich sei.
Nach seinen Dienstverhältnißen könne er hierüber nicht urtheilen, allein er finde es in manchen Rüksichten bedenklich, alle hiezu schon geschehene Vorbereitungen auf einmal abzubrechen, und nicht die Vermuthung bestehen zu laßen, daß man sich damit fortdauernd beschäftige. Um dieses deutlicher zu bestimmen, und jeden unangenehmen Eindruk zu beseitigen, würde er in dem Promulgazions Edicte im Anfange, wo von der Bearbeitung des neuen bürgerlichen Gesezbuches geredet wird, beifügen nach der Grundlage des Code Napoléon.
Rüksichtlich des Antrages, den baierischen Civil-Codex nach seiner gegenwärtigen Faßung einzuführen, müße er sich gegen denselben und dafür erklären, wie bereits vom geheimen Rathe von Zentner und mehreren geheimen Räthen angetragen worden, den baierischen Civil-Codex einer Revision zu unterwerfen, und in denselben die organischen Edicte und die neuere Bestimmungen aufnehmen zu laßen.
Er würde daher den 1en Oktober 1811 als Termin festsezen, und halte sich überzeugt, daß dadurch viel {11r} gewonnen werde, und diese Arbeit durch Geschäftsleuthe, welche mit Arbeiten nicht zu sehr überladen, in drei Monaten beendiget sein könne.
Nach gleichen Ansichten stimmten die königliche geheimen Räthe von Effner und von Schenk, und erklärten sich um so mehr für eine Revision des Civil Codex, als mehrere Lehren darin enthalten, die mit der Konstituzion und den organischen Edicten, und dem Geiste der Zeit offenbar widerstreben und sich in keiner Rüksicht damit vereinbaren laßen.
Geheimer Rath Freiherr von Asbek äußerte: die Schwierigkeiten seien viel größer als sie schienen. Dieß vorausgeschikt, mißkenne er die in dem Vortrage entwikelten Vortheile der Einführung des Codicis Maximilianei nicht; aber die Besorgniße, daß bei den vielen Veränderungen, bei den unendlichen Ansprüchen, welche an die Thätigkeit der Beamten gemacht würden, die denselben kaum die Zeit zu handeln viel weniger zu lernen ließen, die bürgerliche Verhältniße in der Anwendung der Geseze auf sie mehr verwirret als erleichert werde, seien ihme viel größer als die Vortheile einer doch nur zum Theil erreichten Einheit. Besorgniße, die um so größer seien, {11v} als selbst nach den nothwendigen und zum Theil in Antrag gebrachten Ausnahmen, der Codex Maximilianeus gleichsam verhakt werden müße, wodurch in den Köpfen überladener Beamten sicher die Klarheit nicht größer werden könne, die Erscheinung aber viel länger hinausgesezt werden müße. Was zum Theil nach 6 und gewiß noch nach mehr Monaten bestehe, müße zum Theil schon Jahre bestanden haben, was jeder Beamte, jede Behörde nun einmal völlig inne habe, und wornach alle Fälle bisher entschieden worden seien, würde er um so mehr bestehen laßen, als in einem so wichtigen Gegenstande zwei Jahre nicht von Bedeutung seien, und dieser Zeitpunct vielleicht noch beschleuniget werden könnte.
Geheimer Rath Graf von Welsberg äußerte, die Mehrheit der königlichen geheimen Räthe habe sich bereits für ein Provisorium durch den revidirten Codex Maximilianeus civilis erklärt, und aus dieser Rüksicht habe er diesen Meinungen nichts mehr beizufügen, allein seiner inneren Überzeugung nach könne er sich nicht zu einem Provisorium verstehen, wenn die Erscheinung des neu zu bearbeitenden Civilgesezbuches nicht längere Zeit als zwei Jahre, wie Referent in seinem Vortrage angegeben {12r} erfordere. Überhaupt müße er gestehen, daß er gegen alle provisorische Verfügungen, die den Unterthanen nur beunruhigen und das Eigenthum schwankend mache, seie, und ihre Nachtheile während seiner Dienstzeit in Tyrol109 nur zu sehr kennen gelernt habe. Der Zeitraum von zwei Jahren würde für gar nichts zu rechnen sein, denn da das Gesez nicht zurük wirken solle, so seie er überzeugt, daß die schon anhängige und bis 1ten Juli noch anhängig werdende Rechts-Sachen in diesen zwei Jahren nicht erlediget würden.
Sehe man daher nicht voraus, daß das neue Gesezbuch noch 5 oder 6 Jahre brauche, bis es vollendet und proklamirt werden könne, so würde er die Zeit, die man zur Revision des bisherigen baierischen Civil-Codex verwenden wolle, benüzen, das neue Gesezbuch zu vollenden, und er seie überzeugt, der Staat und der Unterthan würde aus dieser Arbeit weit größeren Vortheil, als aus dem vorgeschlagenen Provisorium ziehen.
Geheimer Rath von Feuerbach erbat sich die Erlaubniß, durch die verschiedene Abstimmungen veranlaßt, seinem schriftlichen Vortrage noch Folgendes beifügen zu dürfen.
Wenn der Beschluß Seiner Majestät des Königs dahin ausfallen sollte, die Revision des Codicis {12v} Maximilianei bavarici vorzunehmen, und darin alle organischen Edicte Provinzial Statuten und konstituzionelle Bestimmungen aufzunehmen, welches ungeheuere Schwierigkeiten veranlaßen und lange Zeit erfordern würde, so schlage er vor, eher an das neue Gesezbuch selbst Hand anzulegen, denn es würde eine weit leichtere Arbeit sein, daßelbe nach der Grundlage des Codex Maximilianeus civilis zu bearbeiten, als diese Revision zu vollenden.
Wenn daher Seine Majestät der König den Grundsaz genehmigten, und dem geheimen Rathe Freiherrn von Aretin und ihme die Hauptdirection dieser Arbeit mit Zugebung einiger Oberappellazions Räthe zu Sammlung der Materialien übertragen würden, so halte er sich ebenfalls überzeugt, daß in 3 Monaten dieses Gesezbuch vollendet sein könne, und es hänge dann von der allerhöchsten Entscheidung ab, ob es als Provisorium oder als definitives Gesezbuch proklamirt werden solle.
Sein schriftlich gemachter Antrag seie vorzüglich darauf gegründet gewesen, daß der Code Napoleon zu Grunde gelegt werden müße und daß, da die hiernach nöthige Arbeit wegen den vielen Anständen noch Jahre erfordere, der Codex Maximilianeus {13r} civilis mit allen seinen Fehlern einsweil, so wie er existiret, ohne neue Revision als Provisorium in allen Theilen des Königreichs einzuführen sei. Inzwischen aber würde er über diese Arbeit nichts bekannt machen, und an die Justiz Stellen keine Ausschreibung erlaßen.
Dieser Meinung trat auch Herr geheimer Rath von Zentner bei, indem er von seiner früheren Abstimmung abgieng, und sich dafür erklärte, statt der angetragenen Revision ein neues Gesezbuch nach der Grundlage des Cod. Max. bavarici civilis, so schnell als immer thunlich, bearbeiten zu laßen, in so ferne nicht die politischen Verhältniße ein anderes gebieten.
Der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg theilten ebenfalls diese Ansicht, in so ferne die politischen Verhältniße es erlaubten, und Seine Majestät der König genehmigten, daß das neue Gesezbuch nach der Grundlage des Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis bearbeitet werde, er würde dann Seiner Majestät dem Könige einige zu dieser Arbeit unter der Direction der geheimen Räthe Freiherrn von Aretin und von Feuerbach zu verwendende Oberappellazions Räthe vorschlagen, und glaube schon dermal antragen {13v} zu können, daß der Oberappellazions Rath Schellhaas110 hiezu mit Erfolg zu verwenden sei.
In Erwägung des in dem schriftlichen Vortrag des Referenten ausgeführten ungleichen Zustandes der Civilgesezgebung in verschiedenen Theilen des Königreichs111. In Erwägung der vielen Schwierigkeiten, welche der Vollendung des nach der Grundlage des Code Napoleon bearbeiteten neuen bürgerlichen Gesezbuches noch entgegen stehen, und zu deren Entfernung nach des Referenten Meinung noch Jahre erfordert werden. In Erwägung endlich, der aus den verschiedenen Abstimmungen der Mitglieder des geheimen Rathes sich zeigenden Unvollständigkeit, wenn nach dem Vorschlage des Justiz Ministeriums der Codex Maximilianeus bavaricus civilis nach seiner gegenwärtigen Faßung, wovon vielleicht nicht mehr die Hälfte, vielleicht nicht mehr als 1/3 Theil angewendet werden kann, im ganzen Königreiche eingeführt und proklamirt werden würde.
Haben Seine Majestät der König allergnädigst beschloßen, daß unter der Direction der geheimen Räthe Freiherrn von Aretin und von Feuerbach und mit Zugebung einiger Oberappellazions {14r} Räthe nach der Grundlage dieses Codex Maximilianeus Bavaricus civilis ein neues bürgerliches Gesezbuch verfaßt, und darin alle nach der Konstituzion und den in Folge derselben erschienenen organischen Edicten nicht mehr paßende Lehren ausgelaßen, dagegen aber die organischen Edicte selbst, als z. B. über das Lehen-Recht112, über die kirchliche Verfaßung113, über die gutsherrlichen Rechte114, Leibeigenschaft115 u.s.w. nach ihrem vollen Inhalte aufgenommen, auf die noch bestehende Provinzial Statuten hingewiesen, und die nöthige Bestimmungen wegen den katholischen Eherechten116, wobei das oesterreichische Eherecht117 vorzüglich benuzt werden kann, ausgesprochen werden solle. Auch solle, wenn es in dem gegebenen Zeitraume möglich, ein Sistem über das so dringende Hypothekenwesen bearbeitet und dem Gesezbuche einverleibt werden118.
*Auch wollen Seine Majestät der König, daß diese Arbeit so beschleuniget werde, daß mit dem 1ten Oktober dieses Jahrs dieses bürgerliche Gesezbuch in Ausübung kommen kann, und erwarten von Dero Justiz Minister [Reigersberg] den Vorschlag zu Benennung der zu diesem Geschäfte zu verwendenden Oberappellazions Räthe, wozu Sie den von Schellhaas als einen derselben vorläufig bestimmen werden.* [Ergänzung auf der linken Blatthälfte]119
Seine Königliche Majestät und Seine Königliche Hoheit der Kronprinz verließen hierauf die Sizung des geheimen Rathes und Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas, welche den Vorsiz {14v} übernahmen, riefen die königliche geheimen Räthe Freiherrn von Asbek und Grafen von Welsberg auf, die bearbeitete Rekurs Sachen vorzutragen. In Folge deßen erstattete
Welsberg trägt den Fall des Joseph Hainz vor, der gegen zwei gleichlautende Entscheidungen der unteren Instanzen (Landgericht, Generalkommissariat) den Rekurs zum Geheimen Rat ergriffen hat. Welsberg hat ein Reskript entworfen, das Hainz‘ Gesuch abweist. Für rechtlich ebenso vertretbar hält er es, das Gesuch anzunehmen und den Kleinhandel zu erlauben. Der Geheime Rat folgt dem zweiten Vorschlag.
3. der königliche geheime Rath Herr Graf von Welsberg über den Rekurs des Wirths zu Steinberg120 Joseph Hainz, Landgerichts Burglengenfeld [im Regenkreis] gegen den Augustin Pittlinger Krämerei Gerechtigkeit betreffend, schriftlichen Vortrag, der dem Protokoll in Abschrift beiliegt121, worin derselbe die Geschichte und den Veranlaß dieses Streites, so wie die Entscheidungen des Landgerichts und des General-Kommißariats anführte und des Rekurses erwähnte, den Joseph Hainz über diese lezte Entscheidung zum königlichen geheimen Rathe ergriffen.
Als in dieser Sache ernannter Referent machte Herr Graf von Welsberg gegen die Meinung der Polizei Section, welche in einem ausführlichen Gutachten für die Krämerei Conceßion des Joseph Hainz sich erkläret, den Antrag, den Joseph Hainz mit seinem unstatthaften Gesuche abzuweisen, da zwei gleichlautende Sentenzen der untern Instanzen vorliegen122.
Diesem Antrage fügte aber Herr Graf von Welsberg die {15r} Bemerkung bei, daß schon mehrere Praejudizen vorliegen, wo der Rekurs gegen zwei gleichlautende Sentenzen angenommen worden, und dieses bisher nur in Kulturs Sachen eine Ursache des Rekurses gewesen, er, wenn der königliche geheime Rath aus diesem Grunde der Appellazion statt geben, und den Joseph Hainz gegen den verstrichenen Fatal Termin restituiren wolle, sich in diesem Falle mit der Meinung der Polizei Section ganz vereinige, und auf die Bewilligung der Krämerei für den Hainz jedoch mit dem Vorbehalte antrage, daß dieses Krämerei Recht den Bestimmungen der Mandate vom 1ten September [!] 1804123 und 2 Dezember 1809124 unterworfen werde.
Graf von Welsberg las zwei auf diese verschiedene Anträge gerichtete Reskripts Entwürfe an das General Kommißariat des Regenkreises ab.
Auf die von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas verfügte Umfrage, erklärten sich Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg und alle Herrn geheimen Räthe für die Restituzion des Joseph Hainz und für die Bewilligung, daß derselbe seine Krämerei ausüben könne. {15v} In deßen Folge wurde
der nach diesem Antrage verfaßte Reskripts-Entwurf an das General Kommißariat des Regenkreises genehmiget, dabei aber beschloßen, von der darin enthaltenen Hinweisung auf die Mandate vom 1en September [!] 1804 und 2en Dezember 1809 Umgang zu nehmen125.
Gemeinderecht (R)
Vortrag Asbeck: Im Streit Brandl/Helmschmidt mit der Gemeinde Wachenzell ist zu klären, ob die Kläger der Gemeinde angehören. Asbeck bejaht die Frage; die Kläger haben folglich Anteil an den Gemeinderechten und -pflichten. Der Geheime Rat folgt dem Antrag.
4. In einem schriftlichen Vortrage, den der königliche geheime Rath Freiherr von Asbek in der Streitsache des Johann Brandl und Franz Helmschmidt gegen die Gemeinde Wachenzell126 Landgerichts Eichstädt wegen Gemeinde Rechts erstattet, führte derselbe die Geschichte dieser Streitsache und die Ursachen an, welche denselben veranlaßt, legte die Entscheidungen vor, welche von dem Landgerichte und dem General-Kommißariate erlaßen worden, und bemerkte, daß die Formalien dieses an den königlichen geheimen Rath gekommenen Rekurses, welcher ihme zum Vortrage zugetheilt worden, berichtigt seien, und die Materialien blos eine Vorfrage zum Gegenstand haben: gehören die Kläger zur Gemeinde Wachenzell?
Nach Beantwortung dieser Vorfrage und nach Vorlegung seiner Ansichten über die Streitsache, machte Freiherr von Asbek den Antrag, das Erkenntniß der {16r} 2ten Instanz zu bestätigen, wornach die Appellanten, von der Verkündung des Edicts über das Gemeindewesen an127, zur Theilnahme an allen Gemeinde Nuzungen und Gründen der Gemeinde Wachenzell ohne Ausnahme, folglich auch an ihrem Gemeinde-Holz eben so wohl berechtiget, als zur Mittragung sämtlicher Gemeinde-Lasten verpflichtet sein sollen, so ferne kein Vertrag eine andere Bestimmung gebe.
Freiherr von Asbek las einen mit diesem Antrage übereinstimmenden Reskripts Entwurf an das General Kommißariat des Oberdonau Kreises vor.
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas verfügten über diesen Antrag die Umfrage, und da Seine Excellenz der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg sowohl als alle Herrn geheimen Räthe sich mit diesem Antrage des Referenten vereinigten
so wurde der abgelesene Reskripts Aufsaz an das General-Kommißariat des Oberdonau Kreises genehmiget128.
Bürger- und Gemeinderecht (R)
Vortrag Asbeck: In der Streitsache Hellerer gegen die Gemeinde Neuhaus trägt Asbeck an, den Antragsteller abzuweisen. Der Geheime Rat folgt dem Antrag.
5. In der Streitsache des Georg {16v} Hellerer zu Neuhauß129 mit der Bürgerschaft daselbst wegen verweigertem Bürger und Gemeinde-Recht erstattete der königliche wirkliche geheime Rath Freiherr von Asbek schriftlichen Vortrag, worin er die Geschichte und den Veranlaß dieses Streites ausführte, die Entscheidungen des Landgerichts [Eschenbach130] und des General Kommißariats [des Mainkreises] aushob, und die Meinung vorlegte, welche die Polizei Section in dieser Sache aufstellte131.
Da diese Rekurs Sache an den geheimen Rath gekommen, und ihme Freiherrn von Asbek zum Vortrage zugestellt worden, so äußerte er sich, daß die Kompetenz des königlichen geheimen Rathes in dieser Streitsache allerdings begründet sei, und mehrere Ursachen, die er anführte, dafür sprechen, den Rekurrenten wegen den versäumten Fatalien brevi manu zu restituiren.
Nach Prüfung der Materialien dieser Sache machte Freiherr von Asbek aus verschiedenen vorgelegten Gründen den Antrag, das Erkenntniß des General Kommißariats vom 26. Jänner 1809 zu bestätigen, und dadurch die [!] Rekurrenten abzuweisen.
Ein nach diesem Antrag verfaßter Reskripts Aufsaz an das General-Kommißariat des Mainkreises wurde von {17r} Freiherrn von Asbek abgelesen.
Seine Excellenz, der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas ließen über diesen Antrag abstimmen und da nichts hiegegen erinnert wurde
so genehmigte der geheime Rath den abgelesenen Reskripts Entwurf an das General Kommißariat des Mainkreises132.
Genehmigung der Beschlüsse sowie Bestätigung der vorgetragenen Rekurssachen durch den König.
Anmerkungen
Welsberg, „Vortrag in dem geheimen Rath. Die Kulturs-Angelegenheit der Gemeinde Kloster Zimmern, und den Rekurs des Georg Rindl et Consorten, gegen den Joh. Musbeck, und den übrigen Gemeindgründen-Theilungs-Liebhabern zu Maichingen Justizkanzlei Öttingen Wallerstein betr.“, 20 Bll., BayHStA Staatsrat 207.
Die Entwicklung der Streitsache wird von Welsberg, ebd., S. 1r-10v, ausführlich geschildert. Ausgangspunkt war die im März 1810 von „einige[n] Gemeindsglieder[n]“ der Gemeinde Klosterzimmern beim Justizamt Maichingen eingebrachte Forderung, die aus einer Gänseweide und einer Heide bestehenden Gemeindegründe zu teilen. Im Streit sollte fortan insbesondere das Begehren stehen, „eine gleiche Theilung unter den Gemeindsgliedern [herbeizuführen], weil sie ein gleiches Benützungs Recht hätten, und alle ihre Häuser gleich besteuert seyen“ (ebd., S. 1r). Gegen die dem Antrag folgende Entscheidung des Justizamtes ergriffen die „Opponenten der Gemeinde“ (S. 1v) den Rekurs an das Generalkommissariat des Oberdonaukreises, das die Oetting-Wallersteinsche Justizkanzlei in Wallerstein anwies, den Fall zu entscheiden. Gegen die erstinstanzliche Entscheidung protestierte der Bürgermeister und Söldeninhaber Georg Kaspar Rindl „mit 16 von der Gemeinde, und noch 4 herrschaftliche[n] Hausbesitzer[n]“ (S. 20r), die sich insbesondere gegen die Verteilung der der Gänsezucht dienenden Weide wandten. Nachdem die Parteien Replik und Duplik vorgelegt hatten und ein Vergleich gescheitert war, entschied die Justizkanzlei wie die Vorinstanz. Gegen diese Entscheidung ging Rindl in Berufung an das Generalkommissariat, das in seinem Urteil die erstinstanzliche Entscheidung erneut bestätigte. Auf Grundlage der VO vom 8. August 1810 (s. folgende Anmerkung) wandte sich Rindl schließlich an den Geheimen Rat.
Die VO betr. die „Vervollständigung der Kompetenzregulirung des königlichen geheimen Rathes in administrativ, polizeilich und finanziellen Gegenständen“ vom 8. August 1810, Tit. I Art. 1 Nr. 1, RegBl. 1810, Sp. 643f., erlaubte u.a. in Landeskulturstreitigkeiten die Berufung zum Geheimen Rat, auch wenn „zwei gleichlautende Erkenntnisse der untern Instanzen“ vorlagen.
Die VO betr. die „Kultur der Gemeindegründe und Waldungen“ vom 4. Juni 1805, RegBl. 1805, Sp. 689f., legte mit Blick auf die Streitigkeiten, „welche bey Abtheilungen der Gemeindegründe über den Maaßstab der Abtheilung“ entstanden, eine allgemein anwendbare Norm fest: Sofern sich die Parteien nicht verglichen oder besondere Verträge bestanden, sollte fortan „immer der gleichheitliche Maaßstab zum Grunde gelegt werden“ (Sp. 690).
Die VO betr. die „Vertheilung der Gemeindegründe“ vom 14. Oktober 1803, RegBl. 1803, Sp. 835, bestimmte in der Hauptsache, „[d]aß bey einer jeden Vertheilung der Gemeindegründe – und zwar jeder Art, derjenigen Schule, zu welcher die Kinder der vertheilenden Gemeinde gewiesen sind, der verhältnißmäßige Antheil eingeräumt werden soll“.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 125.
Zuletzt hatte der Geheime Rat am 6. September 1810 über das neue Bürgerliche Gesetzbuch beraten. Nach Anhörung der Geheimen Räte ordnete der König damals an, den von Feuerbach auf der Grundlage des Code Napoléon (CN) erstellten Entwurf einer Revision zu unterziehen. Materiell sollte das neue bayerische Zivilrecht seine Grundlage in der Konstitution vom 1. Mai 1808, den Organischen Edikten und dem CN finden; auch sollten der CMBC und weitere „bewährte Gesezbücher“ herangezogen werden. Vgl. Protokolle Bd. 3, Nr. 63 (Geheimer Rat vom 6. September 1810), S. 647-661, TOP 2, Zitat S. 661. Ebd., S. 19 mit Anm. 64, Fundstellennachweise der vorangegangenen Zivilrechtsberatungen in der Staatskonferenz bzw. im Geheimen Rat (8., 18., 25. August, 1. September, 27. Oktober, 31. Dezember 1808, 21. Januar, 6. April, 4. Mai, 28. September, 7. Dezember 1809). Zu den Gesetzgebungsarbeiten vgl. Fehrenbach, Traditionale Gesellschaft, S. 133-145; Dölemeyer, Kodifikationsbestrebungen, S. 140-152; Schubert, Französisches Recht, S. 162-192; Demel, Gesetzgebungspolitik, S. XLIII-LVI; Schubert, Entwurf, S. LVII-LXXXIX; zusammenfassend Dölemeyer, Kodifikationen, S. 1472f.; Schimke, Regierungsakten, S. 261-266; Weis, Montgelas Bd. 2, S. 563-569; Mauerer/Stauber, Verwaltung, S. 304-310.
Konstitution für das Königreich Bayern vom 1. Mai 1808, Tit. I § 2, RegBl. 1808, Sp. 987 = DVR Nr. 286, S. 656: „[…] Das ganze Königreich wird […] nach gleichen Gesezen gerichtet […].“
Im Motivenbericht des fertiggestellten Entwurfs heißt es zum rechtspolitischen Zweck der Gesetzgebung (RevCMBC 1811, S. 97): „Seine Majestät geben ihrem Volke kein fremdes, von neuen Organisationen abhängiges, mit eigenthümlichen Quellen versehenes und ein eigenes Studium vieler ausländischen Schriften foderndes Gesezbuch; sondern ein Gesezbuch vaterländischen Ursprungs, an welches Baiern, der Mittelpunkt des Reichs, schon seit Jahrhunderten gewöhnt ist, und welches, geschöpft aus dem vormals in ganz Teutschland geltenden gemeinen Rechte, und ausgestattet mit großen inneren Vorzügen, nun verbeßert nach dem Bedürfniß der Zeit seiner Wiedergeburt und veredelt durch die seit seiner ersten Erscheinung erweiterten Ansicht über Rechtswißenschaft und Legislation sich ohne Beschwerde den übrigen neu erworbenen Provinzen mittheilen, die Bewohner der verschiedenen Provinzen der Baierischen Monarchie in Eine Nazion verwandeln, und so die Monarchie befestigen wird.“
Der Befehl erging in der Staatskonferenz vom 20. Januar 1808, Protokolle Bd. 3, Nr. 1, S. 55-64, hier S. 63 (Antrag) u. 64 (Genehmigung). Die Konstitution vom 1. Mai 1808, Tit. V § 7, RegBl. 1808, Sp. 998 = DVR Nr. 286, S. 662, hielt fest: „Es soll für das ganze Reich ein eigenes bürgerliches […] Gesezbuch eingeführt werden.“
Die Reform des Strafrechts war seit dem Regierungsantritt Max IV. Josephs 1799 ein vordringliches rechtspolitisches Ziel. Ein erster Entwurf von Gallus Alois Kleinschrod (1762-1824), Professor der Institutionen und des peinlichen Rechts an der Universität Würzburg, wurde 1803 nach negativer Evaluation zurückgezogen. Im August 1804 wurde Paul Johann Anselm Feuerbach (1775-1833), seit 1803 Inhaber einer Professur für Zivil- und Kriminalrecht in Landshut, mit den Gesetzgebungsarbeiten betraut, eine Aufgabe, die er seit dem Wechsel 1805 in das Ministerialjustiz- und Polizeidepartement (ab 1806 Justizministerium) zusammen mit den Arbeiten an einem Zivilrechtsentwurf vorantrieb. Der mehrstufige Redaktionsprozeß führte über Beratungen in der im Januar 1808 eingerichteten, vornehmlich mit Juristen aus der Rechtspraxis besetzten Gesetzkommission, in der Staatskonferenz (November 1808) und im Geheimen Rat (August 1810 bis November 1812) zur Verkündung des Strafgesetzbuches für das Königreich Bayern, das am 1. Oktober 1813 in Kraft trat. Näheres und Einzelnachweise bei Mauerer/Stauber, Verwaltung, S. 310-315, sowie in der Einleitung zu Protokolle Bd. 3, S. 33f.
Feuerbach führt in seinem Vortrag neben dem gemeinen römischen Recht folgende für bayerische Untertanen, „je nach dem Distrikt, welchen sie bewohnen“, einschlägige Rechte auf: österreichische Gesetze, das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten (1794), den Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (1756), das Bambergische Landrecht (1769) sowie Württembergisches Landrecht; vgl. Feuerbach, Vortrag vom 14. Januar 1811, BayHStA Staatsrat 207, S. 3.
Der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (CMBC) bildete den Abschluß der durch Kurfürst Maximilian III. Joseph (1727-1777, 1745 Kurfürst) initiierten Reform des bayerischen Landesrechts, die ihrerseits in Wechselwirkung mit weiteren Reformen (Verwaltung, Wirtschaft, Soziales) stand. Der CMBC trat nach dem Codex Juris Bavarici Criminalis (Strafrecht und Strafprozeß, 1751) und dem Codex Juris Bavarici Judiciarii (Zivilprozeß, 1753) mit Promulgationspatent vom 2. Januar 1756 als letztes Teilgesetz des insgesamt als Codex Maximilianeus bezeichneten Gesetzeswerks in Kraft. Im Wesentlichen von Wiguläus Xaver Aloys Freiherr von Kreittmayr (1705-1790; über ihn zuletzt Hecker, HRG2 Bd. 3, Sp. 225-228), damals Geheimratsvizekanzler und Mitglied der Geheimen Konferenz, verfaßt, bot der CMBC eine Kompilation des geltenden Rechts unter Einbeziehung des gemeinen Rechts. Die Schaffung einer modernen Kodifikation auf der Grundlage der naturrechtlichen Gesetzgebungstheorie war nicht Kreittmayrs Ziel. Die Gliederung des CMBC folgte mit Modifikationen dem römischrechtlichen Institutionensystem und unterschied im Zivilrecht Personen-, Sachen-, Erb- und Schuldrecht; in diesem Rahmen wurden beispielsweise das Recht der Leibeigenschaft, das Zehntrecht, die Fron- und Scharwerksdienste sowie das Recht der Familienfideikommisse geregelt. Es folgte das Lehensrecht. Hinzu kamen in umfangreichen Einzelbänden Anmerkungen und Kommentierungen zu den Einzelgesetzen: Wiguläus Xaver Aloys Freiherr von Kreittmayr: Anmerkungen über den Codicem Maximilianeum Bavaricum Civilem […], Tl. 1-5, München 1759-1768 = VD18 90067266.
Überblicke und (z.T. kritische) Würdigungen: Gehrke, Deutsches Reich, S. 410; Schubert, Entwurf, S. LXI-LXV; Schlosser, Art. Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis, in: ENZ Bd. 2, Sp. 783-785; ders., Rechtsgeschichte, S. 211-214; ders., Codex; Dölemeyer, Art. Bayerische Kodifikationen des Naturrechtszeitalters, in: HRG2 Bd. 1, Sp. 478-480; Hammermayer, Staatliche Herrschaftsordnung, S. 1248-1252. Zur Entstehungsgeschichte Zimmermann, Monita.
Anknüpfend an die Bestimmung der Konstitution von 1808, im ganzen Königreich gleiche Gesetze anzuwenden (Tit. I § 2), führt Feuerbach in seinem Vortrag, BayHStA Staatsrat 207, S. 3-5, weiter aus: „Die Unterthanen haben ein Recht auf Erfüllung alles dessen, was ihnen constitutionell zugesichert worden ist, und der Staat selbst hat das höchste Interesse, ihnen diese Verheißung, sobald als möglich durch die That zu gewähren. Ein Staat ist so lange noch nicht ein Staat, so lange nicht seine einzelnen Bestandtheile durch gemeinschaftliche Geseze verbunden sind. Nur unter der Gleichheit der Geseze kann Einheit des Geistes und der Kraft eines Volkes entstehen, nur durch dieses Mittel können verschiedene, durch Nationalhaß oder Nationalvorurtheil ursprünglich getrennte Völkerschaften allmählig in eine Nation zusammenwachsen. Ohne diese Einheit der Gesezgebung – mögen übrigens alle Provinzialnamen vertilgt oder die ehemaligen Provinzen durch neue Kreiseintheilungen geographisch ineinander verschmolzen werden – wird gleichwohl der innere Zwiespalt unter den lebendigen Kräften des Staats ewig forterhalten werden, und es wird immer nur einen Provinzialgeist, aber keinen Nationalgeist, einen Nationalpatriotismus aber keinen Landespatriotismus geben. So lange aber in den Grenzen des baierischen Staates noch andere Völker wohnen als Baiern, so lange nicht der Schwabe aufgehört hat, in dem ehemaligen Oestreicher und Preußen, der Alt-Baier in jedem, der über jenseits des Inns, des Lechs und der Donau wohnt, einen Fremden zu sehen, solange gibt es zwar ein baierisches Territorium und eine baierische Regierung, aber noch keine baierische Nation.“
Feuerbach führt dazu in seinem Vortrag aus, ebd., S. 6f., das Zivilgesetzbuch solle nicht nur als gemeines oder subsidiarisches Recht, sondern „als wahres allgemeines Landrecht“ gelten, das entgegenstehende Provinzialgesetze und Statuten verdränge. Es sei möglich, das neue Landrecht zum 1. Juni 1811 in Kraft zu setzen, denn ein Richter, der nicht in der Lage sei, sich in vier Monaten in den CMBC einzuarbeiten, „verdient schwerlich Richter zu seyn“. „Denn dieses Studium ist für ihn nicht viel mehr als eine Repetition der Pandekten, die er als gelehrter Richter doch wohl inne haben muß oder die er, wenn er sie als Pandekten vergessen oder vielleicht noch nicht gelernt haben sollte, wenigstens unter der Form und unter dem Namen seines Provinzialgesezbuches oder seiner Statute gelernt haben wird. Denn alle bürgerlichen Gesetzgebungen späterer Zeit, von dem Codex Fridericianus [Feuerbach bezieht sich auf: Project des Corporis Juris Fridericiani das ist Sr. Königl. Majestät in Preussen in der Vernunft und Landes-Verfassungen gegründete Land-Recht worinn das Römische Recht in eine natürliche Ordnung, und richtiges Systema, nach denen dreyen Objectis Juris gebracht […], Tl. 1-2, Halle 1749-1751] bis herab zum Code Napoléon sind nicht viel anders als compendirte, extrahirte, commentirte, hin und wieder variierte, manchmal meliorirte, zuweilen deteriorirte römische Geseze.“
Zum Rückwirkungsverbot führt Feuerbach ebd., S. 8, aus, dieses sei grundsätzlich unbestritten, doch sei die Anwendung oftmals zweifelhaft. „Denn diese hängt von der Frage ab: was ist in Beziehung auf ein neues Gesez ‚rückwärts‘ oder ‚vorwärts‘?“ Im Promulgationspatent müsse der Grundsatz daher näher erklärt werden.
Das Eherecht ist nach Feuerbach von der Bestimmung, Partikulargesetze grundsätzlich aufzuheben, ausgenommen (ebd., S. 8-12). Denn das Eherecht des CMBC sei als „kirchliches Institut“ für einen „katholischen Staat“ konzipiert; es gehöre nur hinsichtlich der zivilrechtlichen Folgen in den Bereich staatlichen Rechts. Jedoch haben diese Bestimmungen ihre Allgemeingültigkeit verloren, seit durch die territoriale Expansion Bayerns „die protestantische Kirche mit der katholischen gleiches Bürgerrecht […] erhalten hat“. In den Gebieten der ehemaligen Fürstentümer Ansbach und Bayreuth sei preußisches Landrecht (das ALR von 1794), für alle Protestanten seien die Normen des protestantischen Kirchenrechts anzuwenden (Ehe als bürgerlicher Vertrag; weniger restriktive Vorschriften zur Verwandtenehe; Scheidung dem Bande nach), um die Gleichheit beider Religionen zu gewährleisten. Zudem umfasse Bayern „sogar rein katholische Gebietstheile, wo nach den bestehenden Gesezen und Eheordnungen die Ehe bereits in vielen wesentlichen Punkten als bürgerlicher Contract betrachtet […] wird“. Es handele sich dabei um das Innviertel, Tirol und Vorarlberg, wo das Josephinische Ehepatent von 1783 und das ABGB von 1811 gelten (Nachweise sogleich unten) sowie um Salzburg und Berchtesgaden (Ehegesetz vom 13. April 1808, gedruckt in: GuV Bd. 30, Nr. 56, S. 167-186). Hier dispensiere der „weltliche Oberherr“ von Ehehindernissen, entscheide der weltliche Richter über Ehestreitigkeiten. Sollte man um der Einförmigkeit willen „diese besonderen Provinzialgeseze“ aufheben, müßte man sie früher oder später im gesamten Staatsgebiet wieder einführen, „will man nicht rückwärts, sondern vorwärts gehen“. Ähnliche Überlegungen Feuerbachs gelten dem ehelichen Güterrecht. – Zum Eherecht des CMBC vgl. die Darstellung bei Scholz Löhnig, Eherecht, S. 27-54.
Nach Feuerbach, Vortrag, BayHStA Staatsrat 207, S. 12f., ist es nicht sinnvoll, die in den ehemals österreichischen und preußischen Gebietsteilen sowie einem großen Teil von Schwaben, insgesamt in „dem größten Theil des baierischen Staats“ bestehenden Hypothekenbücher „als Grundsäulen des Realcredits“ mit dem Hinweis abzuschaffen, der CMBC kenne dieses Rechtsinstitut nicht. Vielmehr ist zu berücksichtigen, daß man seit ungefähr zwanzig Jahren in Altbayern an der Einführung der Hypothekenbücher arbeitet, die von Experten „als eine der größten Wohlthaten heilig gehalten werden“.
Die Emphyteuse, ein in Deutschland rezipiertes und adaptiertes Institut des römischen Rechts, war „das vererbliche und veräußerliche, dingliche Recht, ein fremdes, fruchttragendes Grundstück zu bewirtschaften und Früchte aus diesem zu ziehen und zu gewinnen“ (Klein-Bruckschwaiger, Art. Erbleihe, in: HRG Bd. 1, Sp. 968-971, zit. Sp. 968). Damit korrespondierte die Pflicht des Grundholden, das Grundstück zu pflegen und eine festgelegte Abgabe an den Eigentümer zu entrichten. Näheres s. Protokolle Bd. 3, S. 108 Anm. 124; zur Bewertung der Emphyteuse in der Rechtswissenschaft der Frühen Neuzeit vgl. Dannhorn, Emphyteuse. Feuerbach argumentiert (Vortrag vom 14. Januar 1811, BayHStA Staatsrat 207, S. 13f.), die in Altbayern eingeführte, dem CMBC zugrunde liegende Emphyteuse gebe es in anderen bayerischen Gebietsteilen nicht (zur Emphyteuse im CMBC vgl. Dannhorn, S. 283-286). Sie unterscheide sich völlig von der an vielen Orten bestehenden reinen bzw. römischen Emphyteuse, vor allem unterscheide sie sich von den Zinsgütern des Bayreuther Gebiets. Auch seien die Rechte des Gutsherrn in Altbayern vergleichsweise ausgedehnter.
Feuerbach betont in seinem Vortrag, daß das neu einzuführende Landrecht niemandem, „der zu einem besondern Stand oder zu einer besondern Classe von Unterthanen gehört, ein Privilegium ertheilt, welches er nicht vorher schon nach seinen besondern Landesgesezen oder Statuten beseßen“ hat, ebd., S. 14. Johann Georg Feßmaier, damals Professor in Landshut, definierte 1801 den Rechtsbegriff Privileg folgendermaßen: „Ein Privilegium ist ein gewisses Vorrecht, vermöge welchem eine Person, ein ganzer Stand, oder eine Sache von den im Staate geltenden Gesezen ausgenommen ist, oder ausschließend gewisse Vortheile zu genießen hat“. Fessmaier, Grundriß, S. 133, § 118.
Feuerbach erläutert in seinem Vortrag, BayHStA Staatsrat 207, S. 14: In Anwendung der lateinischen Rechtsregel lex posterior derogat legi priori (ein späteres Gesetz hebt ein früheres auf; vgl. Liebs, Rechtsregeln, S. 124 Nr. 43) haben Normen des CMBC, die durch spätere Gesetze oder Verordnungen geändert worden sind, keine Gültigkeit mehr.
Feuerbach führt ein kurfürstliches Patent von 1756 an, wonach in Bayern das gemeine Recht das subsidiäre Recht war und ist, ebd., S. 15. – Die angeführte Passage aus dem Promulgationspatent vom 2. Januar 1756 zum CMBC (nicht paginierter Teil) lautet: Der Kurfürst verfügt, daß „endlichen auch die mit der Zeit vorfallende erhebliche Dubia Juris in Thesi, welche sich wider Verhoffen ex Mente vel Verbis Legis nicht füglich heben liessen, aus denen gemein- geschrieben- natürlich- und anderen ehemaligen Rechts-Principiis“ entschieden werden.
Montgelas hatte Entsprechendes z.B. in der Sitzung des Geheimen Rates vom 6. September 1810 in der Diskussion zu Feuerbachs Vortrag über das Bürgerliche Gesetzbuch vorgebracht, Protokolle Bd. 3, Nr. 63, TOP 2, S. 647-661, hier S. 656.
Drucke der Konstitution für das Königreich Bayern vom 1. Mai 1808: RegBl. 1808, Sp. 985-1000 = DVR Nr. 286, S. 655-663; AK Bayerns Anfänge, S. 324-332. Ebd., S. 332-334, Auflistung und Fundstellennachweise der Organischen Edikte, „welche obigen Bestimmungen [der Konstitution] theils zur nähern Erläuterung dienen, theils die Art und Weise ihres Vollzugs vorzeichnen“ (so die Definition der Konstitution, RegBl. 1808, Sp. 1000).
Das Einstandsrecht (E.), auch Näherrecht (N.; jus retractus, Vorkauf) bezeichnet „das Recht eines besser Berechtigten, eine veräußerte Sache binnen einer bestimmten Frist gegen Erstattung des Kaufpreises und der aufgelaufenen Kosten an den Minderberechtigten an sich zu ziehen“. Vgl. DWB Bd. 3, Sp. 307f. s.v. E., Bd. 13, Sp. 298f. s.v. N.; DRW Bd. 2, Sp. 1465 s.v. E., Bd. 9, Sp. 1338f. s.v. N.; Carlen, Art. N., in: HRG Bd. 3, Sp. 827-831, Zitat Sp. 827; Becker, Art. N., in: HRG2 Bd. 3, Sp. 1753-1756. Das jus retractus, definiert als ein Recht, kraft dessen „der Käufer das erkaufte Gut auf die nemliche Weis, wie er es an sich gebracht hat, einem Dritten überlassen muß“, ist geregelt im CMBC Tl. 4, Kap. 5, §§ 1-18, S. 66-80, zit. § 1, S. 66.
„Edikt über die Aufhebung der Leibeigenschaft“ vom 31. August 1808, RegBl. 1808, Sp. 1933-1936. Das Edikt hob mit Verweis auf Tit. I § 3 der Konstitution von 1808, ebd., Sp. 987, die Leibeigenschaft auf, unter der „das Verhältnis verstanden [wurde], nach welchem der Unterthan seinem Herrn auf solche Weise dienstbar und unterwürfig war, daß ihm und seinen Kindern entweder kein, oder nur ein sehr beschränktes Recht über ihren Stand und Erwerb zustund“, § 1, ebd., Sp. 1933.
„Edikt über die Konfiskationen“ vom 29. August 1808, ebd., Sp. 1937-1939. Das Edikt führte die Regelung der Konstitution Tit. V § 6, ebd., Sp. 998, näher aus. Danach waren Güterkonfiskationen als Strafmittel, außer bei Desertionen, verboten; erlaubt war indes die Sequestration der lebzeitigen Einkünfte des Verbrechers zur Bestreitung der Gerichtskosten. Grundsätzlich galt, „daß der Staat aus den Verbrechen der Unterthanen zum Nachtheile schuldloser Erben keinen Gewinn ziehen soll“. Besondere Bestimmungen galten in Desertionsfällen, bei Vergehen gegen das Kantonsreglement, bei unerlaubten Auswanderungen sowie in „Polizei- und Defraudationsfällen“, vgl. Edikt, ebd., Sp. 1937, 1938.
„Edikt über die äusseren Rechts-Verhältnisse der Einwohner des Königreiches Baiern, in Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften, zur näheren Bestimmung der §§ VI und VII des ersten Titels der Konstitution“ vom 24. März 1809, RegBl. 1809, Sp. 897-920. Nach Tit. I § 6 der Konstitution war allen Religionsgemeinschaften der Besitz ihrer Pfarr-, Schul- und Kirchengüter garantiert, nach § 7 gewährte der Staat allen Bürgern „vollkommene Gewissensfreiheit“, RegBl. 1808, Sp. 988. Ausgehend von diesen Normen regelte das sog. Religionsedikt die Religionsverhältnisse im Allgemeinen, §§ 1-27, handelte näher von Religions- und Kirchengesellschaften, §§ 28-54, auch in ihrem Verhältnis zum Staat, §§ 55-94, und bestimmte das Verhältnis der im Staat bestehenden Religionsgemeinschaften gegeneinander, §§ 95-118.
OE „über die gutsherrlichen Rechte“ vom 28. Juli 1808, RegBl. 1808, Sp. 1833-1852. Das Edikt führte die Vorschrift der Konstitution Tit. I § 5, RegBl. 1808, Sp. 987, näher aus, wonach der „Adel […] seine Titel und, wie jeder Guts-Eigenthümer, seine gutsherrlichen Rechte nach den gesezlichen Bestimmungen“ behielt. Davon ausgehend bestimmte das Edikt 1.) die den Gutsherren vom Staat „in Beziehung auf die verschiedenen Zweige der Regierungs-Gewalt“ übertragenen Rechte (Getzgebung und Oberaufsicht, Justiz-, Polizei-, Kirchen-, Finanz- und Militärgewalt), 2.) die Eigentumsrechte der Gutsherren.
Das Eherecht in Österreich erfuhr durch die „Verordnung In Ehesachen, was den bürgerlichen Vertrag (Civilkontrakt) und dessen Folgen betrifft, für die sämmtlichen christlichen Religionsgenossen“ vom 16. Januar 1783 eine grundlegende Neuorientierung. Druck: Wien 1783 = VD18 14090570, nicht pag., danach im Folgenden zitiert. Es gibt zeitgenössisch weitere Einzeldrucke und authentische Drucke in Sammlungen, z.B. SPE 1782-1783, Nr. 7, S. 4-14; JGS 1783, Nr. 117, S. 192-203. Auszüge: Klueting (Hg.), Josephinismus, Nr. 139, S. 321-323.
Wie Kaiser Joseph II., Erzherzog von Österreich, im Motivenbericht mitteilte, habe er sich entschlossen, aus „Vollkommenheit landesfürstlicher Macht“ über die Gültigkeit des Ehevertrages, „in so ferne es die bürgerlichen Wirkungen desselben betrifft, […] genauere Grundsätze zu bestimmen“. Daher ordnete er an: „§ 1. Die Ehe an sich selbst als ein bürgerlicher Vertrag (Kontrakt) betrachtet, wie auch die aus diesem Vertrage herfliessenden, und den Vertrag errichtenden gegeneinander zustehenden bürgerlichen Gerechtsame und Verbindlichkeiten erhalten ihre Wesenheit, Kraft, und Bestimmung ganz, und allein von unsern landesfürstlichen Gesetzen. […].“ Somit hing die Ehe „an sich selbst“, als zivilrechtlicher Vertrag betrachtet, in ihrem gültigen Bestand vom Landesfürsten ab. Die staatliche Eherechtskompetenz überwölbte das kirchliche Verständnis der Ehe als Sakrament. Die im Josephinischen Ehepatent getroffene „Unterscheidung von Vertrag und Sakrament setzt voraus, daß auch die sakramentale Ehe, weil und insofern sie den Vertragscharakter besitzt, der staatlichen Kompetenz zufallen muß. Nicht nur die Wirkungen oder ein Teil der Wirkungen sind bürgerlicher Natur, sondern der Vertrag selbst“ (Mühlsteiger, Geist, S. 80).
Einzelbestimmungen: Wenn der Vertrag gültig geschlossen war, galt die Ehe als unauflöslich, § 36, doch waren unter bestimmten Umständen Eheungültigkeitserklärungen möglich, §§ 38-40. Im Fall ehelicher Gewalt bzw. bei „Verführung zu Lastern und verderbten Sitten“ sah das Ehepatent die Trennung von Tisch und Bett vor; dabei bestand das Eheband fort, § 45. Nichtkatholischen Ehegatten war in bestimmten Fällen die Scheidung grundsätzlich erlaubt, Wiederverheiratung war möglich, §§ 49-57. Die Geistlichkeit spielte bei der Eheschließung weiterhin eine wichtige Rolle, §§ 29-30 (Ehekonsenserklärung), §§ 31-35 (Aufgebot, Führung der Trauungsbücher); für Streitfälle waren jedoch die „landesfürstliche[n] Gerichtsstellen“ zuständig, § 1. Fortan war für Katholiken die vor dem Ortspfarrer geschlossene Ehe Vertrag und Sakrament zugleich – die Gültigkeit des Vertrages war Voraussetzung für die Wirksamkeit des Sakraments.
Das Josephinische Ehepatent bildete einen „wichtigen Abschnitt auf dem Wege der Verstaatlichung des Eherechtes“ (Conrad, Staatliche Theorie, S. 1171). Schärfer formuliert Schwab, Grundlagen, S. 212: Mit dem Ehepatent „war zum ersten Male für einen ‚katholischen‘ Staat ein vollständiges Eherechtssystem geschaffen, welches mit dem Anspruch auf Ausschließlichkeit auftrat, die bisher die Kirche dem kanonischen Recht beigelegt hatte. Soweit die Geltung des staatlichen Gesetzes reichen konnte, gab es hinfort keine andere eherechtliche Quelle mehr […]. Damit war das kanonische Eherecht für den staatlichen Geltungsbereich aufgehoben“. Das Josephinische Ehepatent wurde 1786 in das Josephinische Gesetzbuch (3. Hauptstück: „Von den Rechten zwischen Eheleuten“, §§ 1-126, GVJ 1787, S. 80-104 = JGS 1785/1786, S. 80-104) und mit Ergänzungen in das ABGB von 1811 (2. Hauptstück: „Von dem Eherechte“, §§ 44-136, JGS 1804-1811, S. 282-294) übernommen. Vgl. insgesamt Mühlsteiger, Geist; Conrad, Staatliche Theorie; Schwab, Grundlagen, S. 208-218; Pranzl, Verhältnis, S. 47-49; Flossmann, Privatrechtsgeschichte, S. 81f.
Der Rheinbund, im Juli 1806 als staatenbündische Vereinigung deutscher Staaten unter dem Protektorat Napoleons gegründet, bestand formal aus gleichberechtigten Gliedern, die ihre „gemeinschaftlichen Interessen“ auf einem Bundestag zu verhandeln hatten („Konföderations-Akte der rheinischen Bundes-Staaten“ vom 12. Juli 1806, Art. 6, RegBl. 1807, Sp. 105/106). Näheres sollte ein vom Präsidenten der (nie zusammengetretenen) Bundesversammlung, Fürstprimas Dalberg, zu entwerfendes, von den Bundesmitgliedern zu genehmigendes Fundamentalgesetz regeln (Art. 11, ebd., Sp. 107/108). Dazu kam es indes nicht. Der von Dalberg im August 1806 vorgelegte Entwurf, der Napoleon „zum absoluten Monarchen des Rheinbundes“ (Weis, Montgelas Bd. 2, S. 353) gemacht hätte, wurde vom Kaiser der Franzosen zurückgewiesen, weil er diese Stellung keineswegs anstrebte. Vom (bisweilen unterstellten) Interesse an einem deutschen Kaisertum war auch keine Rede in Entwürfen für ein Fundamentalstatut, die sich Napoleon im Februar 1808 von seinem Außenminister Champagny vorlegen ließ. Gleichwohl zielten die der bayerischen Seite wenigstens teilweise bekannten Konzepte, so Eberhard Weis, auf eine „Diktatur des Protektors im Rheinbund“ (ebd., S. 362). Allerdings wurden sie nicht realisiert – Napoleon nahm im Laufe des Jahres 1808 von Plänen, den Rheinbund durch ein Fundamentalstatut konstitutionell neu zu gestalten, Abstand und kam auch später nicht darauf zurück. Die vormals mit Nachdruck vorgebrachte Forderung, den Code Napoléon in Bayern (und Württemberg) einzuführen, schwächte sich im gleichen Zeitraum ebenfalls ab. Vgl. Weis, Napoleon; ders., Montgelas Bd. 2, S. 330-370. Zur Verfassung des Rheinbundes vgl. knapp Kotulla, Verfassungsgeschichte, S. 289-295; eingehend Liebmann, Das Alte Reich.
Ohne Modifikationen wurde das am 21. März 1804 als Code civil des Français in Kraft getretene, mit Dekret vom 3. September 1807 in Code Napoléon (CN) umbenannte Gesetzbuch im Großherzogtum Berg, in Kraft getreten am 1. Januar 1810, eingeführt. Mit kleinen Änderungen rezipierten das Königreich Westphalen (mit Wirkung vom 1. Januar 1808), das Herzogtum Anhalt-Köthen (mit Wirkung vom 28. Dezember 1810) und das Großherzogtum Frankfurt (in Kraft getreten zum 1. Januar 1811) das Gesetzeswerk, während das Herzogtum Arenberg (in Kraft getreten zum 1. Februar 1809) und vor allem das Großherzogtum Baden (als Landrecht des Großherzogtums Baden zum 1. Januar 1810 in Kraft getreten) umfangreichere Modifikationen vornahmen. In unterschiedlicher Intensität geplant und vorbereitet, aber nicht vollzogen, wurde die Einführung des CN (außer in Bayern) im Großherzogtum Hessen-Darmstadt, im Großherzogtum Würzburg, im Herzogtum Nassau, im Fürstentum Waldeck sowie im Herzogtum Sachsen-Weimar. Zu den Einzelheiten vgl. Grimm, Verfassung, S. 109-116; Dölemeyer, Kodifikationen, S. 1443-1457; Leiser, Art. Code Civil, in: HRG Bd. 1, Sp. 619-626, hier Sp. 622f.; Peters, Code civil, S. 30-33; zu den Modifikationsstufen v.a. Schubert, Rezeption, S. 90-100. In den Staaten, die den CN rezipierten bzw. rezipieren sollten, gab es jeweils eigene, zum Teil amtliche, zum Teil private Übersetzungen des Gesetzbuches aus dem Französischen; vgl. die Übersicht bei Dölemeyer, Originaltext, S. 2-7, 21-27.
Das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch (ABGB; später als „Josephinisches Gesetzbuch“ bezeichnet) war am 1. Januar 1787 nach längeren, 1752 einsetzenden Planungen bzw. Vorarbeiten als unvollständige Privatrechtskodifikation in Kraft getreten (Drucke: Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch. Erster Theil, Wien 1787; GVJ 1787 [= JGS 1785/1786; Digitalisat: URL: http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?apm=0&aid=jgs&datum=1003 (Aufruf: 22.1.2020)], Nr. 591, S. 71-129). Das „Teil-ABGB“ wurde ab 1790 umgearbeitet, ergänzt und novelliert. 1801 intensivierten sich diese Arbeiten, die über mehrere Redaktionsstufen 1811 in die Kundmachung des ABGB für die deutschen Erbländer der österreichischen Monarchie mündeten (Kundmachungspatent vom 1. Juni 1811; in Kraft gesetzt am 1. Januar 1812). Vgl. Brauneder, Art. Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, in: HRG2 Bd. 1, Sp. 146-155; Berger, Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB), in: ENZ Bd. 1, Sp. 205-208; Neschwara, Einleitung, S. 46f., jeweils mit weiteren Nachweisen.
Das zum 1. Juni 1794 für das gesamte preußische Staatsgebiet in Kraft gesetzte Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten. Erstdruck: Tl. 1-4, Berlin 1794; moderne Edition mit Einführung und Bibliographie: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794. Mit einer Einführung v. Hans Hattenhauer u. einer Bibliographie v. Günther Bernert, 2., erw. Aufl. Neuwied/Kriftel/Berlin 1994. Einführend zum ALR vgl. Eckert, Art. Allgemeines Landrecht (Preußen), in: HRG2 Bd. 1, Sp. 155-162; Pahlow, Art. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR), in: ENZ Bd. 1, Sp. 208-211.
Reigersberg bezieht sich auf folgende halbamtliche Sammlungen: Josephs des Zweyten Römischen Kaisers Gesetze und Verfassungen im Justizfache. Für Böhmen, Mähren, Schlesien, Oesterreich ob und unter der Enns, Steyermark, Kärnten, Krain, Görz, Gradiska, Triest, Tyrol, und die Vorlande […], Bd. 1-6, Prag/Wien 1786-1790; Leopolds des Zweyten Römischen Kaisers Gesetze und Verfassungen im Justizfache. […], Bd. 1-2, Prag 1791-1792; Franzens des Zweyten Römischen Kaisers Gesetze und Verfassungen im Justizfache, […], Bd. 1-2, Prag o.J. [1796-1798]. Daneben existierten weitere einschlägige Sammlungen, z.B. das von Joseph Kropatschek (gest. 1809; Biogramm: Wurzbach, Biographisches Lexikon Tl. 13, S. 263f.) kompilierte Handbuch aller unter der Regierung des Kaisers Joseph des II. für die K. K. Erbländer ergangenen Verordnungen und Gesetze in einer Sistematischen Verbindung, Bd. 1-18, Wien 1785-1790; [Fortsetzung:] Sammlung der Gesetze, welche unter der glorreichsten Regierung des König [ab Bd. 2: Kaiser] Leopold des II. in den sämm(en)tlichen k. [k.] Erblanden erschienen sind, in einer chronologischen Ordnung, Bd. 1-5, Wien 1791-1792; [Fortsetzung:] Sammlung der Gesetze, welche unter der glorreichsten Regierung Kaisers Franz des II. in den sämtlichen k. k. Erblanden erschienen sind in einer Chronologischen Ordnung, Bd. 1-25, Wien 1792-1808 [Fortsetzung der Serie ab 1812]. Diese und andere Gesetzessammlungen sind via ALEX – Historische Rechts- und Gesetzestexte online („digitale[r] Lesesaal der Österreichischen Nationalbibliothek für Gesetze“) als Digitalisate aufrufbar: URL: http://alex.onb.ac.at/zeitlichegliederung.htm (Aufruf: 22.1.2020).
Franz Georg Edler von Kees, Kommentar über Josephs des Zweyten allgemeine Gerichtsordnung, Wien 1789, weitere Ausgabe Prag/Wien 1789. Kees (auch Keeß, 1747-1799), Studium der Rechte in Wien, 1767 Eintritt in den Justizdienst, 1770 Rat bei der niederösterreichischen Regierung, 1774 Hofkommissionsrat bei der Illyrischen Deputation. Seit 1777 Hofrat bei der Obersten Justizstelle, oblagen Kees insbesondere Gesetzgebungsarbeiten (Kommission zur Beratung der Allgemeinen Gerichtsordnung, Kompilations-Hofkommission); in diesen Funktionen avancierte er „bei allen gesetzgeberischen Vorhaben der josephinischen Ära […] zur tragenden Figur“. 1786 wirkte Kees als Kommissar des Wiener Hofes bei der Reorganisation des Bozener Stadtrates und der Implementierung der Gerichtsordnung in den Justizgang der Stadt. Nach dem Tod Kaiser Josephs II. zeitweilig auf die Arbeit in der Obersten Justizstelle beschränkt, wurde Kees 1792 in die neue Hofkommission in Gesetzessachen aufgenommen, wo er bis zu seinem Tod tätig war. Vgl. Wurzbach, Biographisches Lexikon Tl. 11, S. 118-120; Binder/Suchomel, Zur Lebensgeschichte; Kocher, Kees, Zitat S. 95. Zur Tätigkeit in Bozen: Stauber, Zentralstaat, S. 261-274.
Allgemeine Gerichtsordnung für Böheim, Mähren, Schlesien, Oesterreich ob, und unter der Ennß, Steyermarkt, Kärnten Krain, Görz, Gradiska, Triest, Tyrol, und die Vorlanden [vom 1. Mai 1781], Wien 1781; weitere Drucke z.B. Augsburg 1781, Freiburg i.Br. 1781, Prag 1782 = VD18 13302213.
Allgemeine Konkursordnung für Böheim, Mähren, Schlesien, Oesterreich ob, und unter der Enns, Steyermark, Kärnten, Krain, Görz, Gradiska, Triest, Tirol und die Vorlanden [vom 1. Mai 1781], Wien 1781 = VD18 11856378, weitere Drucke z.B. Freiburg i.Br. 1781, Prag 1782 = VD18 13540181. Beide Ordnungen sind z.B. auch gedruckt bei [Kropatschek], Handbuch Bd. 4, S. 155-365 (GerichtsO), S. 374-396 (KonkursO), und in: Vollständige Sammlung Tl. 1, Nr. 146, S. 77-169 (GerichtsO), Nr. 147, S. 169-183 (KonkursO).
Johann Michael Edler von Zimmerl, Handbuch für Richter, Advocaten und Justitz-Beamte in den k. k. Erbstaaten. Erster Theil, welcher die erbländische allgemeine Gerichtsordnung, sammt allen darüber bis zum Jahr 1807 ergangenen gesetzlichen Erläuterungen enthält. 3., verm. Aufl. Wien 1807 (11801). Das Werk erlebte bis 1838/39 (Handbuch der allgemeinen Gerichts- und Concursordnung und der allgemeinen Gerichtsinstruction, Tl. 1-2, hg. v. Ignaz Hofmann) neun Auflagen. Zur zeitgenössischen Rezeption vgl. die Rezensionen der ersten Auflage in: Critisches Archiv der neuesten juridischen Litteratur und Rechtspflege 3 (1803), S. 585-596; Annalen der Literatur und Kunst in den österreichischen Staaten 4 (1805) 2, S. 141f. – Zimmerl (1758-1830), Studium der Rechte in Wien, 1781 Infanterieregimentsauditor, 1790 Stabsauditor, dann Rat bei dem niederösterreichischen Merkantil- und Wechselgericht, 1802 Mitglied der Hofkommission in Gesetzsachen, 1809-1816 mit der Abfassung eines Gesetzbuches über Handels- und Wechselrecht befaßt, 1818 k. k. niederösterreichischer Appellationsrat; Wurzbach, Biographisches Lexikon, Tl. 60, S. 109f.
Reigersberg bezieht sich auf die auf den Ordnungen von 1526 (VD16 T 1355) und 1532 (VD16 T 1356) beruhende, 1573 (VD16 T 1361, VD16 T 1363) erlassene und 1603 erneut gedruckte Tiroler Landesordnung (New Reformierte Landsordnung der Fürstlichen Grafschafft Tirol vom 14. Dezember 1573). Da es nie zu einer grundlegenden Neuredaktion der Landesordnung von 1573 kam, bildete diese „bis zur Zeit der Aufklärung die eherne Grundlage der Tiroler Landesverfassung“, so Pauser, Gesetzgebung, S. 229, mit weiteren Hinweisen zum materiell- und formellrechtlichen Gehalt der Landesordnungen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ersetzten die neu kodifizierten Rechte die entsprechenden Titel und Bücher der Landesordnung. Gleichwohl galten einige Titel der Tiroler Landesordnung, insbesondere das grundherrschaftliche Verhältnis betreffende Regelungen, bis zum Inkrafttreten des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches in Tirol 1815; Pauser/Schennach (Hgg.), Landesordnungen, S. 30. Eingehende Analyse der Landesordnungen bei Schennach, Gesetz, S. 508-612. Edition: Pauser/Schennach (Hgg.), Landesordnungen; Digitalisate der Texte zugänglich via DRQEdit – Deutschsprachige Rechtsquellen in digitaler Edition: URL: http://drw-www.adw.uni-heidelberg.de/drqedit-cgi/zeige (Aufruf: 22.1.2020).
Die Landesordnung von 1573 galt in der „Normalzeit“ 1811/1819 in 26 Landgerichten des Innkreises sowie im Stadtgerichtsbezirk Innsbruck nach den österreichischen Zivilgesetzen und vor dem gemeinen Recht als subsidiäres Recht. Ebenso verhielt es sich in dem dem Landgericht Rattenberg inkorporierten Teil des Patrimonialgerichts Rottenburg am Inn (heute: Gemeinde Buch in Tirol, Politischer Bezirk Schwaz, Tirol) sowie in der Hofmark Stumm (heute: Politischer Bezirk Schwaz), vgl. Jäck, Statistik, S. XVIII, S. 75.
Welsberg, am 25. August 1808 zum Generalkommissär des Etschkreises ernannt, wurde während des Tiroler Aufstands im April (Mai?) 1809 von den provisorischen österreichischen Autoritäten seines Amtes enthoben und deportiert. Vgl. VO betr. die „Besezung der General-Kreis-Kommissariate“ vom 30. August 1808, RegBl. 1808, Sp. 1857/58, mit Personallisten, hier Sp. 1867/68; Biogramm: Protokolle Bd. 3, S. 36f.
Das „Edikt über die Lehen-Verhältnisse im Königreiche Baiern“ vom 7. Juli 1808, RegBl. 1808, Sp. 1893-1932, begriff das Lehenswesen als Zweig der „Staats-Verwaltung“, dem eine „dem Geiste der Konstitution angemessene gleichförmige Gestalt“ gegeben werden sollte. Der Gesetzgeber beabsichtigte, den Übergang von Lehen in freies Eigentum „zur Beförderung des National-Wohlstandes“ möglichst zu erleichtern und das Rechtsinstitut in „einfachere Formen zurückzuführen“ (Prolog, Sp. 1893). Künftig sollte es nur noch Mannlehen der Krone geben, § 1 (Frauen waren damit in der Regel von der Lehensnachfolge ausgeschlossen, § 55). Sie zerfielen in die vom König verliehenen Thronlehen und die vom obersten Lehenhof verliehenen Kanzleilehen, § 2. Thronlehen bestanden in besonderen Würden und Gütern, § 3. Zum einen waren das die vier höchsten Kronämter (Hofmeister, Kämmerer, Marschall, Postmeister), § 4, zum anderen größere Herrschaften, mit deren Besitz die fürstliche oder gräfliche Würde verbunden war, § 5. Als Kanzleilehen wurden Landgüter mit eigener Gerichtsbarkeit verliehen, § 6. Alle bisher bestandenen königlichen Lehen wurden in eine der genannten Kategorien eingeteilt, § 7. Gelang das nicht, verloren die Lehen die Leheneigenschaft und mußten bis zum 1. Januar 1810 in andere zivilrechtliche Grundverträge umgewandelt werden, §§ 11, 12. Grundlage der Neuordnung war die monarchische Lehensherrschaft: „Alle Lehen können in Zukunft nur von dem König ausgehen. Ausser dem König kann in Baiern kein Lehen-Herr bestehen“, § 22, ähnlich § 34. Da königliche Lehen nicht weiter verliehen werden durften, erloschen alle Privat- und Afterlehen, §§ 23, 24. Sie waren bis zum 1. Januar 1810 zu allodifizieren oder in andere Grundverträge umzuwandeln, §§ 25, 26. Weitere Titel handelten von der Konstituierung und Erlangung eines Lehens, Tit. II, §§ 34-77, von den aus dem Lehenverband entspringenden Rechten und Verbindlichkeiten, Tit. III, §§ 78-180, von der Auflösung des Lehenverbandes, Tit. IV, §§ 181-215, von der Lehengerichtsbarkeit, Tit. V, §§ 214f. Zugleich wurde ein oberster Lehenhof eingerichtet, Tit. VI, §§ 216-229. – Zum Edikt vom 7. Juli 1808, das „die rechtlichen Voraussetzungen für Lehenbeziehungen abschließend und für ganz Bayern einheitlich“ regelte, eingehend Becker, Lehenrechtsgesetzgebung, S. 78-94, Zitat S. 78.
„Edikt über die äusseren Rechts-Verhältnisse der Einwohner des Königreiches Baiern, in Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften, zur näheren Bestimmung der §§ VI und VII des ersten Titels der Konstitution“ vom 24. März 1809, RegBl. 1808, Sp. 897-920. Inhaltsparaphrase oben in vorliegendem TOP.
OE „über die gutsherrlichen Rechte“ vom 28. Juli 1808, RegBl. 1808, Sp. 1833-1852. Inhaltsparaphrase oben in vorl. TOP.
„Edikt über die Aufhebung der Leibeigenschaft“ vom 31. August 1808, RegBl. 1808, Sp. 1933-1936. Inhaltsparaphrase oben in vorl. TOP.
Geregelt in RevCMBC 1811, Tl. 1, Kap. 6: „Von der Ehe“, S. 27-41; dazu Schubert, Entwurf, S. LXXVf.; Scholz Löhnig, Eherecht, S. 144-153.
Neben den schon angeführten Rechtsquellen sind zeitgenössische Sammlungen und Kommentierungen des österreichischen Eherechts zu nennen: Joseph Kropatschek, Oestreichs Staatsverfassung vereinbart mit den zusammengezogenen bestehenden Gesetzen […], Bd. 2, Wien o.J. [1794], S. 342-425 = VD18 11999950; [Karl Prugger von Pruggheim], Das Ehepatent vom 16ten Jenner 1783 mit allen bis 1803 ergangenen dahin gehörigen allerhöchsten Verordnungen. In einem planmäßigen Zusammenhange zum allgemeinen Gebrauche. […], 3., verm. u. verb. Aufl. Graz 1803 (zuerst 1788 = VD18 14826178-001); Carl Christian Sattler, Handbuch des österreichischen Ehe-Rechts, nach den darüber erlassenen Gesetzen und Verordnungen, und mit Bemerkung der Abweichungen des bürgerlichen Gesezbuchs für Westgalizien. In systematischer Ordnung bearbeitet, Tl. 1-2, Wien 1804; Matthäus Christian Schili, Versuch einer Erläuterung des Ehepatents vom 16. Jäner 1783 mit allen bis 27. Hornung 1805 nachträglich darüber ergangenen Verordnungen […], Graz 1805. Weitere Quellennachweise bei Dollinger, Handbuch Bd. 1, S. 1-3.
Zur Ausführung des königlichen Beschlusses bildete sich eine Redaktionskommission, der neben Aretin und Feuerbach auch Nikolaus Thaddäus Gönner (1764-1827; Biogramm s. Protokoll Nr. 20 [Geheimer Rat vom 16. Mai 1811], TOP 3), seit 1800 Professor in Landshut, angehörte. Ab Ende Mai 1811 arbeiteten die drei Kommissionsmitglieder an Teilentwürfen, die nach gegenseitiger Begutachtung und konsensualer Redaktion Ende September zu einem Gesamtentwurf zusammengeführt wurden. Die von einem Kanzlisten erstellte Reinschrift des Entwurfs wurde in zahlreichen Exemplaren lithographiert und ab Dezember 1812 allen Mitgliedern der Geheimratssektionen des Inneren und der Justiz zur weiteren Beratung vorgelegt. Der Entwurf ist nach dem Archivale (BayHStA Staatsrat 2149, 8228 und 8210) ediert von Demel und Schubert, vorliegend zit. als RevCMBC 1811. Zur Entstehung des Entwurfs vgl. Demel, Gesetzgebungspolitik, S. IL-LII; ders., Editionsgrundsätze, S. XC; Schubert, Entwurf, S. LXVIII-LXX; ebd. auch zum Inhalt und Würdigungen („[…] eines der hervorragendsten Reformprojekte der Rheinbundzeit […]“, S. LXXXVIII). Zur Genese s. auch Aufzeichnungen Feuerbachs vom 1. April 1813, Feuerbach, Leben, S. 258f.
Die Sprüche der unteren Instanzen waren am 15. September 1809 und 5. November 1809 ergangen, Vortrag Welsberg, Bl. 4r. Die VO betr. die „Vervollständigung der Kompetenzregulirung des königlichen geheimen Rathes in administrativ, polizeilich und finanziellen Gegenständen“, die die Berufung im vorliegenden Fall erlaubte, erging erst später, am 8. August 1810, vgl. RegBl. 1810, Sp. 642-646, hier Sp. 643, Tit. I Art. 1 Nr. 2.
Gemeint ist die VO betr. die „Handwerks-Befugnisse“ vom 1. Dezember (!) 1804, RegBl. 1805, Sp. 43-49.
VO betr. die „Verlaudemisirung der Real-Gewerbe und die fürohin nicht mehr statt habende Versteuerung für die den Patrimonial-Gutsherren vormals zugestandene Befugniß der Verleihung der Gewerbs-Rechte betreffend“ vom 2. Dezember 1809, RegBl. 1809, Sp. 1947-1949.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 125f.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 126.
Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 126.