BayHStA Staatsrat 244

18 Blätter. Unterschriften des Königs, des Kronprinzen und der Minister. Protokoll: Kobell.

Anwesend:

König Max Joseph; Kronprinz Ludwig.

Staats- und Konferenzminister: Montgelas; Reigersberg.

Geheime Räte: Graf v. Preysing-Hohenaschau; Ignaz Graf v. Arco; Graf v. Toerring-Gutenzell; Freiherr v. Weichs; v. Zentner; Johann Nepomuk v. Krenner; Graf v. Thurn und Taxis; Franz v. Krenner; Carl Maria Graf v. Arco; v. Effner; v. Schenk; Freiherr v. Asbeck; v. Feuerbach; Graf v. Welsberg.

Fall Reisach

Effner setzt seinen Vortrag über den Grafen Reisach fort, dem Unterschlagungen und Veruntreuungen vorgeworfen werden. Auf der Grundlage einer umfangreichen Ausarbeitung erklärt er den Geheimen Rat für nicht zuständig; die Sache ist an die Ministerien zurückzuverweisen. Montgelas, Reigersberg und die Geheimen Räte äußern sich eingehend zur Sache, manche Sprecher auch mit Blick auf Grundsatzfragen der Rechtsanwendung und Gesetzesauslegung, und folgen dem Antrag. Der König genehmigt den Antrag Effners.

{1v} 1. Seine Majestät der König, Allerhöchstwelche der auf heute angeordneten geheimen Raths Versamlung beizuwohnen geruheten, forderten den geheimen Rath von Effner auf, den bearbeiteten Vortrag wegen dem General Kommißär Grafen von Reisach zu erstatten936.

Diesen allerhöchsten Befehl allergehorsamst erfüllend lasen geheimer Rath von Effner den anliegenden lytographirten Vortrag *Beilage I* [Ergänzung auf der rechten Blatthälfte] ab937, und entwikelten darin nach kurzer Wiederholung der in einem unterm 4ten Juli im königlichen geheimen Rathe wegen demselben Gegenstande erstatteten Vortrage enthaltenen Umständen, und das von dem geheimen Rathe hierauf gefaßten Beschlußes938, die aktenmäsige Verhältniße 1) wegen den von dem General Kommißär Grafen von Reisach aus dem Leihehauße zu Augsburg entnommenen Geldern, 2) wegen Gelderhebungen, welche Graf von Reisach aus der gräflich Sternbergschen Sequestrazions Maße {2r} in der Summe von 3.000 fl. gemacht, und 3) wegen verschiedenen von dem General-Kommißär Grafen von Reisach in den Jahren 1809 und 1810 ohne Autorisazion in dem Lech- und Iller-Kreise erhobenen Gelder.

Geheimer Rath von Effner legten hierauf folgenden allerunterthänigsten Antrag vor.

Da bei Gelegenheit eines von Ihnen wegen Vorgericht-Stellung des Landrichters zu Freising abgelegten Vortrages der Beschluß des königlichen geheimen Rathes dahin erfolget939: daß wenn gegen einen Staatsbeamten Anzeigen über begangene pflichtwidrige Handlungen, welche schon beim ersten Anblike die Kategorie bloßer Disziplinar Vergehen zu überschreiten scheinen, vorkommen, die einschlägige königliche Ministerien bei administrativen Beamten die vorgängige spezielle administrativ Untersuchung vorzukehren haben, und wenn diese geendet ist, und das Resultat die Gegenwart eines Amts-Verbrechens {2v} gegeben hat, das einschlägige Gericht durch ministeriellen Auftrag zur Vornahme der General-Untersuchung aufgefordert, bei Justiz Beamten aber gleich auf die erste Anzeige diese General-Untersuchung vorgenommen werden, nach geendeter gerichtlicher General-Untersuchung aber erst die untersuchende Gerichts-Stelle über die Statt- oder Nichtstatthaftigkeit einer peinlichen Spezial-Untersuchung zu erkennen, und dieses Urtheil sodann zur allerhöchsten Stelle um Entscheidung in den geheimen Rath einzusenden haben solle, so ziehe sich aus der vorgetragenen Geschichte und dem Akten-Stande von selbst der Schluß, daß der königliche geheime Rath dermal über die Frage: ob Graf von Reisach wegen ein und anderer der vorgetragenen drei Geschichten vor Gericht gestellt werden solle? um so weniger entscheiden könne, als in Hinsicht derselben noch nicht einmal eine erschöpfend und vollendete administrative spezielle, minder eine gerichtliche General-Untersuchung {3r} vorausgegangen.

Da es nun ferner nach obigem, von Seiner Königlichen Majestät allergnädigst genehmigten geheimen Raths-Beschluße nicht mehr das Geschäft des geheimen Rathes sondern der königlichen Ministerien seie, über eine von einem Staats Beamten begangene strafwürdige Handlung eine administrative spezielle oder eine gerichtliche General-Untersuchung vornehmen, oder sonst in administrativem Wege eine Maaßregel eintreten zu laßen, so scheine es auch hier nicht mehr der Ort zu sein, an welchem die Erwägung Plaz finden könne, ob diese oder jene Verfügung in Hinsicht auf den Grafen von Reisach dermal statt finden solle.

Da Sie (von Effner) jedoch zum ausführlichen und erschöpfenden Vortrag in dieser Sache bereits vor dem ebenbemerkten geheimen Raths-Beschluße angewiesen worden, und da die hohe geheime Raths-Versammlung die umständliche Erzählung des Akten Verlaufes anzuhören, bereits die Mühe über sich genommen habe, so hielten Sie es nicht für überflüßig, wenn Sie Ihre unzielsezende Ansichten über jede der vorgetragenen {3v} Geschichten, (seie es auch nur zur Wißenschaft des königlichen geheimen Rathes) hier in Kürze äußerten, welches Dieselben auch, so wie in dem Vortrage enthalten, anführten.

Seine Majestät der König geruheten, die königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister und die geheimen Räthe zu Abstimmung über diesen Vortrag aufzurufen.

Der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas äußerten, daß Sie nach der Lage der Akten und nach dem erstatteten Vortrage nicht bergen könnten, daß in dem Verfahren des Grafen von Reisach viele Unförmlichkeiten lägen, und eine nähere Untersuchung erst aufklären müße, ob auch Gefährden940 von seiner Seite hiebei obwalteten, wenigstens gehe so viel aus dem was vorgelegt worden hervor, daß die Erholung der Gelder aus dem Leihehauße zu Augsburg und das Benehmen des Lieferanten Hartlieb in dieser Sache noch in einem Dunkel schwebe, und einer weiteren Aufklärung erfordere, um hierüber mit Bestimmtheit urtheilen zu können.

In der Sternbergschen Sache {4r} fänden Sie nichts, woraus man auf ein Kriminal-Verbrechen des Grafen von Reisach schließen könne. Er habe den ihme gewordenen Auftrag wegen Bezalung der 3.000 fl. befolget, dem Rentamte aber nicht befohlen, hiezu Staatsgelder herzugeben, welches der Rentbeamte, selbst wenn Graf Reisach es angeordnet, nicht zu thun befugt gewesen wäre, folglich falle alle Haftung auf den Rentbeamten.

Wegen den, dem Grafen von Reisach entgegen stehenden Rechnungs Bedenken über die in den Jahren 1809 und 1810 erhobene und verwendete Gelder seie derselbe noch nicht gehört, und hierüber müße vor allem seine Beantwortung erholt und abgewartet werden.

Sie vereinigten sich daher ganz mit dem Antrage des Referenten, diesen Gegenstand an die einschlägige Ministerien zurükzugeben, welche sodann die geeigneten Anträge, wie die noch nicht aufgeklärten Umstände herzustellen, und welche administrative Maaßregeln wegen den Dienstverhältnißen des Grafen von Reisach zu treffen nöthig, Seiner Majestät dem Könige allerunterthänigst vorlegen würden, welches sich {4v} nicht zum Wirkungs-Kreise des königlichen geheimen Rathes eigne.

Der königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg gaben anliegende Abstimmung zu Protokoll941. *Beilage II* [Vermerk auf der rechten Blatthälfte]

Geheimer Rath Graf von Preising fanden die dem Grafen von Reisach gemachte Rechnungs Bedenken noch nicht gelöset, die Sache nicht hinlänglich aufgeklärt, und folglich die Akten noch nicht geschloßen, stimmten daher mit dem Referenten auf Rükweisung dieses Gegenstandes an die Ministerien.

Geheimer Rath Graf von Arco der ältere [d.i. Ignaz] äußerten, es scheine zwar außer Zweifel, daß Graf von Reisach sich in den lezten Kriegs Jahren manche Excesse erlaubt, allein, ob das crimen des residuis942 vorliege, seie nicht hergestellt, und müße erst durch nähere Vernehmung des Hartlieb oder durch Einsicht der Bücher sich erweisen. Inzwischen seie zu supponiren, daß Hartlieb bezalt worden, da nicht vorkomme, daß er eine weitere Zalung begehre. Auch müße noch vor allem die Beantwortung der Rechnungs Bedenken von dem Grafen von Reisach erholt werden. {5r} Mit der Meinung des Referenten vereinigten Sie sich.

Geheimer Rath Graf von Törring beurtheilten nach dem von Seiner Majestät dem Könige sanctionirten geheimen Raths-Schluß vom 7ten Oktober943 diesen Gegenstand nicht zum geheimen Rathe geeignet, da das Corpus delicti noch nicht vollkommen und erschöpfend hergestellt, auch die Frage, ob eine Spezial-Inquisizion zu veranlaßen, nicht zur Entscheidung vorliege. Sie könnten deßwegen nicht stimmen, und würden mit dem Referenten diesen Gegenstand an die Ministerien zurükweisen.

Geheimer Rath Freiherr von Weichs stimmten für Rükweisung dieses Gegenstandes an die Ministerien. Auch geheimer Rath von Zentner fanden diesen Gegenstand nach dem angeführten allerhöchsten Beschluße nicht für den geheimen Rath geeignet, indem noch nicht hergestellt, daß Amts-Verbrechen vorliegen, wenn sich auch aus dem Erhobenen vermuthen laße, daß Amts-Vergehen obwalteten, [er stimmte] für die Rükweisung an die Ministerien zu dem geeigneten ministeriellen Antrage. {5v} Nach gleichen Ansichten äußerten sich geheimer Rath von Krenner der ältere [d.i. Johann Nepomuk], Graf von Tassis und von Krenner der jüngere [d.i. Franz].

Geheimer Rath von Krenner der ältere bemerkten dabei, wie Sie die von dem Herrn Justiz Minister Grafen von Reigersberg bestrittene Theorie, daß es nur zwei Amts-Verbrechen der Staats-Beamten gebe, ebenfalls nicht annehmen könnten, sondern wie Sie glaubten, daß nach gemeinen und baierischen Rechten noch mehrere Handlungen als die angegebene unter das Verbrechen der mißbrauchten Amts-Gewalt gerechnet, und als solche bestraft werden könnten, nur könnten Sie dieselbe nicht unter den Meineid subsumiren.

Geheimer Rath von Krenner der jüngere fügten Ihrer Abstimmung bei, daß wenn Sie bei dem Ministerium, an welches Ihrer Überzeugung nach dieser Gegenstand zurükgehen müße, eine Stimme hätten, Sie darauf antragen würden, von dem Grafen von Reisach die Vorlage seiner spezifizirten Abrechnung zu erfordern, woraus sich die Hartliebische Sache am leichtesten aufklären könne, denn die Täge {6r} wenn er Vorschüße gegeben, müßten bemerkt, und die erhaltene Quittungen darüber sich vorfinden. Eben so würden Sie denselben anhalten, die Quittung des Verwalters Link wegen den 3.000 fl. aus der Sternbergschen Maße einzulegen, und die seinige, oder jene des Direktor Preuß zurükzunehmen, die ohnehin in der Abrechnung nicht angenommen werden könnten.

Allein, wegen den Rechnungs Bedenken in der Ausgabe des Grafen von Reisach während den Kriegszeiten würden Sie liberaler urtheilen, und hiebei die Lage berüksichtigen, in welcher ein Staats-Beamter, vorzüglich in einer so hohen Stufe wie ein General-Kommißär im Drange des Krieges sich befinde, und die ein Rechnungs-Kommißär in seinem ruhigen Zimmer nicht zu würdigen wiße.

Geheimer Rath Graf Carl [Maria] von Arco beurtheilten die drei Vorträge des Referenten einzeln, und äußerten, daß Ihrer Überzeugung nach in der {6v} Sternbergschen Sache dem Grafen von Reisach nicht das Mindeste zur Last liege, sondern alle Verantwortung auf den Rentbeamten falle, der nie Staats-Gelder hiezu hätte verwenden sollen, selbst der Director Preuß scheine Ihnen hiebei nicht so fehlig, weil noch Sternbergsche Retardaten beizutreiben gewesen, womit die Staats-Gelder hätten gedekt werden können. Rüksichtlich der vielleicht etwas überspannten Diäten und sonstigen Aufrechungen des Grafen von Reisach während des lezten Krieges würden Sie, wie geheimer Rath von Krenner der jüngere schon bemerkt, mit Liberalität handlen.

Allein in Beziehung auf die aus dem Leihehauße in Augsburg entnommene Gelder hätten sie eine andere Ansicht. Hier scheine Ihnen eine eigenmächtige Gelderhebung eingestanden, und man könne annehmen, daß wenigstens ein administratives Vergehen vorliege, da die richtige Verwendung dieser Gelder zu einem öffentlichen {7r} Zweke nicht hergestellt, diese Gelder nicht in die Kriegs Konkurrenz Kaße, wie es nach aller Geschäfts-Ordnung hätte geschehen müßen, gelegt worden, und dieser Gelderhebung eine eigenmächtige Abänderung in der inneren Verwaltung der Leihehauß-Anstalt vorausgegangen, auch theilten Sie mit dem Herrn Justiz Minister Grafen von Reigersberg die Ansicht, daß nach den erhobenen und in dem Vortrage des Referenten angeführten neueren Thatsachen sich die Vermuthung eines Doli von Seite des Grafen von Reisach nicht vermindert, sondern eher bestärkt habe.

Ihrer Überzeugung nach liege in dem Sinne des allergnädigst bestätigten geheimen Raths Beschlußes vom 7ten Oktober dieses Jahrs944 nicht, daß eine [!] administrativen generellen Untersuchung die gerichtliche generelle vorhergehen, und die gegen einen Staats-Beamten vorhandene Anzeigen eines begangenen Verbrechens im Voraus schon so weit erschöpft sein müßten, indeme sonst die Absicht der Vorgericht Stellung {7v} eines fehligen Staats Beamten sehr oft vereitelt, oder auch durch die generelle administrative Untersuchung die Sache so verdorben werden könnte, daß die Gerichts Stellen hier fortzufahren oder sie zu reaßumiren, außer Stande sein würden. Sie glaubten daher, daß selbst nach diesem allerhöchsten Beschluße der vorliegende Gegenstand zwar an das Ministerium des Innern zurükgegeben, allein von demselben durch Benehmen mit dem Justiz-Ministerium die gerichtliche generelle Untersuchung eingeleitet werden sollte. Auch müßten Sie schlüßlich noch die Bemerkung beifügen, wie sehr es gewagt seie, einem Manne, gegen welchen solche Anzeigen vorlägen, die wichtige Stelle eines General-Kommißärs vorzüglich bei dem erweiterten Wirkungs-Kreise rüksichtlich der Stiftungen945 zu belaßen.

Geheimer Rath von Schenk beurtheilten die Beantwortung der dem Grafen von Reisach gemachten Rechnungs Bedenken {8r} für so sehr verbunden mit der demselben zu Last liegenden Erhebung der Gelder aus dem Leihehauße zu Augsburg, daß ohne die Aufklärung über das erste sich die Wahrheit des zweiten gar nicht erheben laße, denn wenn Graf von Reisach sich ausweisen könne, daß er diese Leihehauß-Gelder im Drange des Krieges zu irgend einem öffentlichen Zweke verwendet, so falle jede Anzeige eines Verbrechens weg, eine fortgesezte administrative Untersuchung könne hierin ganz zur nöthigen Aufklärung führen, und Sie vereinigten sich deßwegen mit dem Referenten, diese Sache zu den Ministerien zurükzuweisen.

Geheimer Rath Freiherr von Asbek fanden diesen Gegenstand noch nicht zum geheimen Rathe geeignet und trugen mit dem Referenten auf Rükweisung an die Ministerien an.

Geheimer Rath von Feuerbach äußerten: daß nach dem vorliegenden allerhöchsten Beschluße vom 7 Oktober diese Sache {8v} nicht zum geheimen Rathe sich eigne, und daß Sie selbst glaubten, einer gerichtlichen generellen Untersuchung müßte noch eine administrative vorhergehen, indem noch manche Aufklärungen erholt und hergestellt sein müßten, ehe diese zu dekretiren seie. Sie würden, wie Referent angetragen, diese Sache an die Ministerien zurükweisen.

Die Meinung des Herrn Justiz Ministers [Reigersberg], daß es außer den in dem Geseze ausgedrükten zwei Verbrechen der Staatsbeamten, einige wenige ausgenommen, die unter die verlezte Amtsgewalt zu rechnen, noch andere gebe, die in dieser ihrer Eigenschaft als Kriminal Verbrechen anzusehen und zu bestrafen, könnten Sie nicht theilen, und Sie glaubten, daß die Gerichts Stellen sich streng an die Geseze halten, und nicht willkührlich Verbrechen subsumiren dürften, denn welcher Beamte würde im Drange des Krieges oder sonst noch etwas thun, wenn die Gerichts-Stellen das Recht hätten, diese Handlungen nach der Analogie {9r} mit anderen Verbrechen zu beurtheilen.

Geheimer Rath Graf von Welsperg vereinigten sich nach dem allerhöchsten Beschluße vom 7ten Oktober, so wie er vorliegt, mit dem Antrage des Referenten, glaubten aber auch, daß dem Sinne dieses Beschlußes eine andere Auslegung zu geben, indeme sich sonst die Regierung die Hände binden, und mit den Grundsäzen der neuen Gesezgebung in Widerspruch kommen würde.

Nach Würdigung dieser Abstimmungen

geruheten Seine Majestät der König den Antrag des Referenten zu genehmigen, und in Folge deßen zu beschließen, daß die wegen dem General-Kommißär Grafen von Reisach verhandelte Akten an das Ministerium des Innern zurükgegeben, und von diesem die geeignet befindende ministerielle Anträge Allerhöchstdenenselben zur Prüfung und Entscheidung vorgelegt werden946.

Fideikommisse und Majorate

Kobell verliest das Reskript an den Geheimen Rat, mit dem die vom Geheimen Rat intensiv beratene Erklärung über die Fideikommisse und Majorate in eine gültige Form gebracht wird.

2. Auf allerhöchsten Befehl wurde durch den General Sekretär des geheimen Rathes [Kobell] {9v} das unterm 27ten dieses Monats an den geheimen Rath erlaßene allerhöchste Reskript wegen den bisherigen adeligen Fideikommißen und künftigen Majoraten abgelesen947, und hierauf [wurde] *Beilage III* [Vermerk auf der rechten Blatthälfte]

Geschlechtsfideikommiss von Langenmantel

Johann Nepomuk von Krenner prüft, ob das sog. Geschlechtsfideikommiss der von Langenmantel, das aufgelöst werden soll, in Wirklichkeit eine milde Stiftung ist. Er bejaht die Frage, um dann zu untersuchen, wie die Stiftung zu retten ist. Die Minister und die Geheimen Räte stellen fest, daß Krenners Anträge auf sich beruhen können, weil das zuvor verlesene Reskript diesen Fall entschieden hat.

3. von dem geheimen Rathe von Krenner dem älteren [d.i. Johann Nepomuk] nach erfolgter Aufforderung Seiner Majestät des Königs in Sachen von Langenmantel zu Augsburg contra von Langenmantel daselbst wegen der vorhabenden Auflösung ihres sogenannten Geschlechts-Fideikommißes schriftlicher allerunterthänigster Vortrag erstattet948, worin Dieselben nach Auseinandersezung der Verhältniße dieses sogenannten Geschlechts Fideikommißes rüksichtlich der Materialien dieses an den geheimen Rath gewiesenen Gegenstandes folgende zwei Fragen zur Beantwortung vorlegten 1) ob das von Langenmantelsche Institut quaestionis blos für ein der Auflösung zu untergebendes Geschlechts-Fideikommiß oder für eine aufrecht {10r} zu erhaltende milde Familien Stiftung anzusehen seie? 2) wie (im lezten Falle) diese Stiftung dermalen zu retten sein dürfte?

Zu Lösung der ersten führten Sie aus den Stiftungs Urkunden und sonst an, daß daßelbe eine wahre Familien Stiftung seie, und wenn man auch die dagegen in dem Vortrage angegebenen Einwürfe mehr gelten laßen wollte, als sie wirklich gelten, dermalen die von dem geheimen Rathe vorgeschlagene, und von Seiner Majestät dem Könige in der von Egloffsteinschen Sache949 bereits allergnädigst angenommene Final Disposizion in dem neuen Deklarazions Entwurfe § 6 den von Langenmantelschen Agnaten zu Hülfe käme, da es hierin ausdrüklich heiße Sollte auch die Eigenschaft einer Disposition in einzelnen Fällen zweifelhaft bleiben, so tritt die rechtliche Vermuthung für die Eigenschaft einer Stiftung ein und glaubten, daß die erste Frage nach diesem § zu entscheiden.

{10v} Zu Beantwortung der zweiten Frage äußerten geheimer Rath von Krenner, daß Sie hiebei mit den Ansichten des Stadtkommißariats in Augsburg zwar darin einig, daß diese nun schon einmal rechtshängige Sache nach § 4 Cap. 5 der Reichskonstitution von dem Appellazions-Gerichte nicht mehr abgerufen, und an die allerhöchste Stelle gezogen werden könne950, was auch selbst die von Langenmantelsche Agnaten nicht zu bitten scheinen da sie vielmehr um Aßistenz des Kronfiskals bei den Gerichten das Ansuchen gestellt hätten, doch glaubten sie deme entgegen, daß der einzige und ordentliche Weg seie, diese Stiftung (nebst andern ihres gleichen) noch erretten zu können, wenn wenigstens vor der Hand die königlichen Justiz-Höfe von der allerhöchsten Intention Seiner Königlichen Majestät, die im § 6 des neuen Deklarazions Entwurfes ausgesprochen worden, und wiederholtermalen allschon genehmiget vorliege in erforderliche Kenntniß gesezt würden, und machten daher aus den vorgelegten {11r} Gründen, und nach Anführung der von Leyser in seinem Medit. Sp. I § 4951 über den Fall in terminis, so wie er dermal in Sachen der von Langenmantel vorliegt, geäußerten Meinung den allerunterthänigsten Antrag an das Appellazions Gericht, dann sämtliche Appellazions- und Stadtgerichte den angefügten, nach Ihren Ansichten verfaßten Reskripts Entwurf, welchen Sie ablasen, allergnädigst zu genehmigen und ausfertigen zu laßen.

Da die königliche geheime Staats und Konferenz Minister Herren Grafen von Montgelas und von Reigersberg, so wie alle geheimen Räthe die Meinung äußerten, daß eine Entscheidung dieser von Langenmantelschen Sache, so wie die Ausfertigung des abgelesenen Reskriptes wegen Fortbestand der adeligen und andern Familien Stiftungen bei dem heute publizirten allerhöchsten Reskripte wegen den bisherigen adeligen Fideikommißen und künftigen Majoraten überflüßig seie, indeme dadurch dieser und alle ähnliche Fälle entschieden

{11v} so befahlen Seine Majestät der König, die Ausfertigung des angetragenen Reskriptes und die daraus folgende Interpraetazion der von Langenmantelschen Familien Stiftung zu unterlaßen, da das abgelesene allerhöchste Reskript alle Anstände dieser Art beseitige.

Fideikommissrecht

Johann Nepomuk von Krenner trägt über einen Streit zwischen Gräfinnen und Grafen Preysing vor, der sich um Ansprüche an dem Familienlehenhof der Preysing dreht. Der Geheime Rat stellt fest, daß der Fall durch das zu TOP 1 verlesene Reskript erledigt ist. Zu diskutieren ist indes der letzte Paragraph des entworfenen Edikts, der als Ergebnis der Beratungen einen kurzen Beisatz erhält.

Da Seine Majestät der König den weiter bearbeiteten Vortrag in Sachen der Grafinnen von Preising Leichtenek contra die Grafen von Preising zu Hohenhausen, Moos und Leichtenek, deren Ansprüche auf den gräflich Preisingischen Familien-Lehenhof betreffend, nach gleichen Ansichten als entschieden durch das allerhöchste Reskript vom 27ten dieses952 beurtheilten, so geruheten Allerhöchstdieselben nebst Seiner Königlichen Hoheit dem Kronprinzen die Sizung des geheimen Rathes zu verlaßen.

4. Geheimer Rath von Krenner der ältere [d.i. Johann Nepomuk] bemerkten aber, daß wenn auch die eigentliche Streit-Sache um diesen Familien Lehenhof durch das erwähnte allerhöchste Reskript entschieden seien, und es keiner provisorischen Anweisung der Gerichts Stellen {12r} mehr bedürfe, so seie demnach in Beziehung auf den lezten § des entworfenen Edictes nach dem neuen Sisteme eine allerhöchste Interpraetazion nothwendig, indeme sonst, wenn dieser §, der eigentlich auf das Transizions Sistem berechnet gewesen, in dem neuen Geseze erscheine, die Grafen von Preising sowohl als alle adelige Agnaten und Miteigenthümer der fraglichen Lehenhöfe, ja sogar alle zu Familien Stiftungen Berechtigte in Gefahr gestellt seien, ihr ganzes Eigenthum zu verlieren.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas, welche den Vorsiz in dem geheimen Rathe übernommen hatten, forderten in Folge dieser Bemerkung den geheimen Rath von Krenner auf, nachdem die königliche geheimen Räthe Graf von Preising und von Effner, lezterer als Schwager einer Grafin von Preising sich entfernt hatten, diesen Vortrag zu erstatten.

Geheimer Rath von Krenner genügten dieser Aufforderung durch Ablesung eines schriftlichen {12v} Vortrages, worin Sie zuerst die aktenmäsige Verhältniße dieser Streit-Sache der Gräfinnen von Preising gegen die Grafen von Preising und einen Reskripts-Entwurf an sämmtliche Gerichts-Stellen des Königreichs vorlegten, worin die nähere Bestimmungen des von dem geheimen Rathe vorgeschlagenen Edicts Entwurfes in Beziehung auf die sogenannte umgehende Aktiv-Lehen der adeligen Familien denselben vorläufig mitgetheilt werden.

Geheimer Rath von Krenner kamen nun auf den Anstand, den Sie bei dem lezten § des entworfenen Edictes nach dem neuen Sisteme zu finden geglaubt, lasen diesen ab, und äußerten nach Anwendung des gräflich Preisingschen und von Langenmantelschen Falles auf die Bestimmungen dieses §, daß es eigentlich selbst nicht in der ursprünglichen Absicht dieses lezten § gelegen, so eine harte Sprache zu führen; bei dem Transizions Sisteme, wornach die meisten Fideikommiße als künftige Majorate stehen geblieben wären, habe man sehr billig den Kreditoren, die {13r} etwa mittlerweil aus dem Fideikommiß bezalt worden oder mittlerweil Hypotheken auf das Fideikommiß erlanget, vorsehen. Jezt, nachdeme das Transizions Sistem verlaßen worden, in dem neuen Sisteme seie für die Kreditoren durch die ausgesprochene, allgemein bereits erfolgte Auflösung der Fideikommiße gewiß latissime gesorgt, und der § ult. würde jezt vorzüglich nur mehr auf die Stiftungen und die umgehenden Aktiv-Lehen mit seiner ganzen Schwere fallen, und demnach seie es bei den Berathungen des neuen Entwurfes der allgemeine Wille gewesen, daß die Familien Stiftungen erhalten, und die Lehenhöfe der adeligen Familien als bereits bestehendes wahres Familien-Eigenthum gerettet werden sollten. Wolle man dieses noch, so komme es etwa auf zwei Worte an. Man habe nämlich diesem §ho ultimo nur ein paar Worte beizusezen, und so anzufangen: Wenn jedoch seit dem 14 September 1808953 bei dem nach § 1 des gegenwärtigen {13v} Edictes erloschenen Fideikommißen bereits Rechts Verhältniße eingetreten sind pp. womit man dann auch wirklich werde sagen können pax et justitia re obsculatae [!] sunt954.

Da der königliche geheime Rath einstimmig der Meinung war, daß die gräflich Preisingsche Streit Sache gleich der von Langenmantelschen keine provisorische Anweisung der Gerichts Stellen erfordere, sondern durch das allerhöchste Reskript vom 27ten dieses entschieden seie, so beschränkten Seine Excellenz der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas nach eingetretenen Discußionen über diesen lezten §, und ob, dann welche andere Stellung demselben gegeben werden solle, die Umfrage blos auf den Vorschlag des geheimen Rath von Krenner des älteren, die Faßung des lezten § abzuändern.

Dieser Umfrage gieng eine besondere Besprechung unter den Mitgliedern des geheimen Rathes voraus, worin mehrere eine Aenderung der Faßung des lezten § als unnöthig {14r} und den Vorschlag des Referenten als bedenklich beurtheilten, weil er zu weit gehen, und alle Privat-Lehen-Höfe der Adeligen, so wie die Stiftungen von den Bestimmungen des lezten Artikel, welche auf alle seit dem 14 September 1808 geschehene gültige Handlungen gleich würken müßten, ausschließe, und alle von denselben oder von dritten abgeschloßene gültige Vergleiche zerstörten, und man ein Urtheil der untersten Instanzen auch als einen richterlichen Spruch annehmen könne.

Einige waren der Meinung, daß es hinreiche, beizufügen, durch gültige Vergleiche, richterliche rechtskräftige Sprüche, andere Mitglieder glaubten, daß eine andere Stellung des lezten Artikel nicht zu umgehen seie, indeme die darin enthaltene Bestimmungen auch nicht Betheiligte, welche den Rechten der Intereßenten zuwider Vergleiche abgeschloßen, zu sehr begünstigten. Einige andere Mitglieder waren der Meinung, daß die Deliberazionen über die Faßung dieses lezten § zu der Sekzions Sizung zu verweisen wären.

{14v} Die hierauf erfolgte Umfrage gab folgende Resultate.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg und die Herrn geheimen Räthe Graf von Preising, Freiherr von Weichs, von Zentner, Graf von Tassis und Freiherr von Asbek waren der Meinung, daß die Bestimmungen des lezten § so klar seien, daß ein Zusaz oder eine andere Stellung überflüßig, denn jeder Jurist müße wißen, daß ein richterliches Urtheil rechtskräftig sein müße, wenn ihme eine Wirkung beigelegt werden wolle. Zu dem einzigen Beisaze, richterliche rechtskräftige Sprüche könnten Sie sich verstehen, um jeder unrichtigen Auslegung vorzubeugen.

Geheimer Rath Graf von Arco der ältere [d.i. Ignaz] stimmten ebenfalls für den Beisaz rechtskräftige Urtheile, würden aber auch bei den Vergleichen, so mit andern Dritten geschloßen, beifügen, daß sie den Rechten der dritten Betheiligten unnachtheilig sein müßten.

Geheimer Rath von Krenner {15r} der jüngere schlugen folgende Faßung dieses lezten § vor: Wenn jedoch seit dem 14 Oktober [!] 1808 bereits Rechts Verhältniße zwischen den bisherigen Intereßenten der Fideikommiße, Stiftungen und Familien Lehenhöfen durch rechtsgültige Vergleiche oder rechtskräftige Urtheile festgesezt worden sind, so soll es bei denselben, wenn sie auch dem gegenwärtigen Edicte entgegen wären, sein unabänderliches Verbleiben haben.

Mit diesem Vorschlage des geheimen Rath von Krenner des jüngeren [d.i. Franz] vereinigten sich die Herrn geheimen Räthe Graf Carl [Maria] von Arco und Graf von Welsperg, auch nahmen diese Faßung Herr geheimer Rath von Krenner der ältere [d.i. Johann Nepomuk] an.

Die Herrn geheimen Räthe von Schenk und von Feuerbach erklärten sich dafür, die Deliberazionen über diese Faßung zu den Sectionen zu verweisen, indeme dieselbe nach verschiedenen Ansichten zu beurtheilen komme. Da die Mehrheit der {15v} Stimmenden für die Beibehaltung der Faßung des lezten § nach dem Entwurfe des Edictes mit dem einzigen Beisaze war, richterliche rechtskräftige Sprüche

so wurde beschloßen, hierauf bei Seiner Majestät dem Könige allerunterthänigst anzutragen.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas riefen die Herrn geheimen Räthe Freiherrn von Asbek und Grafen von Welsperg auf, die bearbeiteten Rekurs Sachen vorzutragen. In Folge deßen erstattete

Verteilung von Gemeindegrund (R)

Der Streit zwischen den Leerhäuslern in Thalmannsfeld und der Gemeinde dreht sich um die Frage, ob die Leerhäusler einen Anspruch auf einen Anteil am noch nicht verteilten Gemeindegrund haben. Asbeck bejaht die Frage und beantragt, den Rekurs der Gemeinde abzuweisen. Der Geheime Rat folgt dem Antrag.

5. Geheimer Rath Freiherr von Asbek wegen der Gemeinde-Gründe Vertheilung zu Thalmannsfelden955, Landgerichts Raitenbuch956 im Oberdonau-Kreise schriftlichen Vortrag, worin Dieselben die aktenmäsige Veranlaßung dieser Streit-Sache so wie die deßwegen erfolgten richterlichen Erkenntniße der untern Instanzen vorlegten, und äußerten, die zu entscheidende Frage seie „haben die Leerhäußler einen Anspruch auf die nicht ertheilte Gemeinde-Gründen, und können sie {16r} die Vertheilung derselben wider Willen der übrigen Gemeinde Glieder fordern“. Referent bejahete diese Frage, der Widerspruch der Gemeinde Glieder gründe sich einzig auf die Behauptung eines ihnen ausschließend zustehenden Eigenthums Rechtes an diesen Gründen. Das Herkommen und die bisherige Gemeinde-Verfaßung sollten dieses beweisen. Allein weder jenes Herkommen noch diese Verfaßung seie bewiesen, es könne mithin bei den klaren Bestimmungen des Edictes über das Gemeinde-Wesen vom 18ten [!] Oktober 1808 § 3. 4-27 (Regierungsblatt vom Jahre 1808 S[p]. 2406-10)957 welches jedem Einwohner, welcher in der Steinmarkung besteuerte Gründe besize, oder ein befreites Gewerb ausübe958, als Glied der Gemeinde erkläre, und gleichen Anspruch auf die unkultivirten Gemeinde Gründe ertheile, jene Behauptung der Rekurrenten keinen Werth haben, und Sie tragen daher auf Bestätigung beider Erkenntniße, respec Abweisung der Rekurrenten an.

Einstimmig vereinigten sich {16v} alle Mitglieder des geheimen Rathes nach der von Seiner Excellenz dem königlichen geheimen Staats- und Konferenz Minister Herrn Grafen von Montgelas verfügten Umfrage mit dem Antrage des Referenten, und so

wurde der abgelesene Reskripts-Entwurf an das General-Kommißariat des Oberdonau-Kreises genehmiget959.

Streit um Gewerberechte (R)

In dem Streit zwischen dem Wirt Thaler und dem Wirt sowie Posthalter Prez in Mittewald am Eisack um eine Gaststättenkonzession (der Streit hat eine über einhundert Jahre dauernde Vorgeschichte) beantragt Welsberg, den Rekurs Thalers abzuweisen und den Entscheid des Generalkommissariats des Eisackkreises zu bestätigen. Der Geheime Rat folgt dem Antrag.

6. Herr geheimer Rath Graf von Welsperg erstatteten wegen der Gewerbs-Streit-Sache des Wirths Balthasar Thaler in Mittenwald960, Landgerichts Sterzing mit dem Wirthe und Posthalter daselbst Johann Prez schriftlichen Vortrag, und legten den Grund dieser schon vor einem Jahrhundert angefangenen Streit-Sache vor, stellten dann den Gesichtspunkt, worauf es bei derselben Entscheidung ankomme, auf, und führten an, welche Entscheidungen von verschiedenen Stellen in dieser Streit Sache erlaßen worden.

Herr Graf von Welsperg glaubten, daß es bei einer schon so lange anhängenden und einfachen Frage, und aus Berüksichtigung der vorgeblichen Versehen bei einer neuen {17r} Gesezgebung durch Territorial Aenderung ein großes Gewicht auf die Formalien nicht gelegt werden sollte, sondern daß die Entscheidung gleich aus den Materialien hervorgehen könne.

Der Revers de anno 1703 habe 1) alle Erforderniße einer vollkommen gültigen Urkunde, es seie ein gerichtlicher Vergleich vor Obrigkeit errichtet, mit der Fertigung der Zeugen versehen, und aus den gerichtlichen Original Protokollen gezogen, und so sehr sich auch Thaler bestrebe, deßen Beweiskraft zu schmälern, so hätten doch alle politische und Civil-Instanzen diese Urkunde für vollgültig erklärt. 2) Seie aus den landschaftlichen Umgelds Akten erwiesen, daß Johann Prez an Umgeld961 127 fl. 12 kr., Balthasar Thaler aber nur 40 fl. 13 kr. an Umgeld jährlich bezalt, woraus auch zum Theil offenbar sich ein beschränkteres Gewerb von Seiten des Thaler sich folgere. 3) Habe Balthasar Thaler, obschon aufgefordert niemals das thun können, daß er oder sein Vorfahrer seit dem Jahre der Revers-Ausstellung, d. i. seit 1703 jemals eine erweiterte Tafern Wirths Concession {17v} nachhin erhalten hätten, ja wie aus den Akten ungeachtet einer Bittschrift von einigen Fuhrleuten erscheine, so seie auch dermalen keine Nothwendigkeit einer Konkurrenz Erweiterung vorhanden. 4) Endlich seie es wahr, daß die in dem Rechtswege eingeleitete Frage über den Bau einer Schupfen und über das ihme wegen Beeinträchtigung auferlegte Poenale per 50 fl. mit der Frage nichts gemein habe, ob ihme ein beschränktes oder unbeschränktes Tafern-Recht962 zukomme. Da diese Frage lediglich administrativ seie, und sich aus den vorausgeschikten Gründen entscheiden laße, so glaubten Sie auch aus allem diesem die Schlußfolge ziehen zu sollen, daß der Balthasar Thaler mit Bestätigung der General-Kommißariats Entscheidung des Eisak-Kreises lediglich abzuweisen sein mögte.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Montgelas verfügten über diesen Antrag die Umfrage.

Seine Excellenz, der königliche geheime Staats- und Konferenz Minister Herr Graf von Reigersberg, welcher über die Frage, ob diese Sache nicht auch als {18r} desert963 abzuweisen sein mögte, einige Erläuterungen von dem Referenten erforderten, vereinigten sich, nachdeme Sie dieselbe erhalten, so wie alle übrige Mitglieder des königlichen geheimen Rathes mit dem Antrage des Referenten, und so

wurde der abgelesene Reskripts Entwurf an das General-Kommißariat des Inn-Kreises genehmiget964.

Genehmigung der Beschlüsse des Geheimen Rates und Bestätigung der entschiedenen Rekurssachen durch den König. Ferner bestätigt der König den Antrag zu TOP 2 und befiehlt, „daß die beide Geheime Raths Sectionen der Justiz und des Inneren sich ungesäumt versamlen, um erwähnten Entwurf nach dem von Uns in dem allerhöchsten Rescript vom 27n d. [27. Oktober 1811] gegebenen Bestimmungen abzuändern, ohne sich aber in weitere Discussionen einzulaßen, da Wir diesen dringenden Gegenstand beendiget und zur Kentnüs der Gerichtsstellen und der dabey betheiligten Privaten unverzüglich gebracht wißen wollen und von den in erwähnten Rescripte vom 27n d. bestimt ausgesprochenen Haupt Grundsäzen nicht mehr abgehen werden“ (4. November 1811)965.

Anmerkungen

936

Vgl. Protokoll Nr. 25 (Geheimer Rat vom 4. Juli 1811), TOP 4.

937

Effner, „Vortrag in dem geheimen Rathe. Den General Kommissär Grafen von Reisach betreffend“, lithographierter Text, 86 S., BayHStA Staatsrat 244.

938

Vgl. Protokoll Nr. 25 (Geheimer Rat vom 4. Juli 1811), TOP 4.

939

Vgl. Protokoll Nr. 38 (Geheimer Rat vom 3. Oktober 1811), TOP 5.

940

Gefährde meint im juristischen Kontext: Arglist, Tücke, Untreue, Betrug; vgl. DRW Bd. 3, Sp. 1387-1390 s.v.; DWB Bd. 4.1.1, Sp. 2073-2078 s.v. G.

941

Reigersberg, „Abstimmung zum Geheimen Raths Protocoll vom 31 8ber [d.i. Oktober] 1811“, 3 Bll., BayHStA Staatsrat 244.

942

Das crimen de residuis bezeichnet nach Paul Johann Anselm Feuerbachs Definition „die Verwendung des anvertrauten öffentlichen Eigenthums zu Privatzwecken“; es gehört damit „zu den besondern Verbrechen der Staatsbeamten“ (Lehrbuch, S. 304, § 382).

943

Datum der königlichen Bestätigung von Protokoll Nr. 38 (Geheimer Rat vom 3. Oktober 1811).

944

Datum der königlichen Entschließung zu Protokoll Nr. 38 (Geheimer Rat vom 3. Oktober 1811), TOP 5.

945

VO betr. die „Formation der General-Kreis-Kommissariate“ vom 7. Oktober 1810, RegBl. 1810, Sp. 899-904, hier § II a (Sp. 901) mit Verweis auf OE „über die General-Administration des Stiftungs- und Kommunal-Vermögens im Königreiche Baiern“ vom 1. Oktober 1807, RegBl. 1808, Sp. 216-231, hier Artikel X ad b (Sp. 228).

946

Zum Fortgang: Protokoll Nr. 94 (Geheimer Rat vom 12. November 1812).

947

Reskript an den Geheimen Rat vom 27. Oktober 1811 (Beilage 3 zum Protokoll vom 31. Oktober 1811), BayHStA Staatsrat 244. Der König teilt mit, er habe sich die in den Sitzungen des Geheimen Rates vom 11. Juli (Protokoll Nr. 26, TOP 2), 18. Juli (Protokoll Nr. 27, TOP 4), 25. Juli (Protokoll Nr. 28, TOP 2) und 1. August 1811 (Protokoll Nr. 29, TOP 2) vorgetragenen und in Beratung gezogenen Entwürfe einer „Erklärung über die bisherigen adelichen Fidei Commisse und künftigen Majorate in Unserm Reiche“ vorlegen lassen. Er beschließt, daß das „neubearbeitete System angenommen“ und der danach gefaßte Entwurf mit folgenden Modifikationen ausgefertigt werde:

„A. Der erste und zweite Titel des 1. Theils vom § 1 bis 14 bleibt in seiner Fassung. B. Bei dem 1. Titel 1. Abschnitt 1. Kapitel des 2. Theils von § 15 bis 26 ist geeigneten Orts einzuschalten, daß ein jeder Edelmann welcher ein Majorat errichten will, gehalten seyn solle, einen vidimirten Extract aus der Reichs Adels Matrikel beizubringen, und dem Anlangen welches er wegen der Herstellung des Majorats einzureichen hat, beizulegen, zum Beweise, daß er sich zu dieser Eigenschaft bei Unserm Reichsheroldenamte gehörig legitimirt habe. C. Bei dem 2. Kapitel § 27-44 bestimmen Wir die Normal Rente auf viertausend Gulden ganz rein, mit Abzug der Administrationskosten, öffentlichen Lasten jeder Art und nach der vorgetragenen Fassion der Getreidpreise. Wir können auch den Vorschlag, daß Lehen zu einem Majorate verwendet werden, aus vollgültigen finanziellen Gründen nicht genehmigen, sprechen aber hiebei den Grundsatz aus, daß allen Kanzlei-Lehen der Krone, insoweit sie ganz geschlossene Bezirke bilden, die nämliche Gerichtsbarkeit wie den Majoratsherrn gebühre, und solche ganz die nemlichen Rechte genießen sollen. D. Bei dem 3. Kapitel § 45 bis 54, dann bei dem 2. Abschnitte 1. und 2. Kapitel, so wie bei dem 3. Abschnitte § 55-70 kömmt nichts zu erinnern. E. Die im 2. Titel im 1. Abschnitt § 71-77 in Vorschlag gebrachten Rechte der Majoratsbesitzer werden mit folgenden Modifikationen angenommen: 1. daß alle Majoratsbesitzer und ständigen adeligen Kronvasallen an der allgemeinen Kreisversammlung, Kreis-Deputazion und Nazional Repräsentazion den vorgeschlagenen Antheil nehmen, 2. den gefreiten Gerichtsstand genießen, 3. die Polizei- und Civil-Gerichtsbarkeit auf ihren geschlossenen Bezirken ausüben, und 4. Privat Inventuren ihrer Verlassenschaften, wo kein Streit obwaltet, vornehmen sollen. Was aber die nicht ohne einen im geheimen Rathe gefaßten Beschluß statthabende Stellung vor Gericht, das Prädikat Herr, den Gerichtsstand in peinlichen Sachen vor ihresgleichen, so anders der Art betrift, so behalten Wir Uns vor, auf Lebenszeit oder erblich derlei Vorzüge besonders zu ertheilen, und zwar motu proprio durch Unsern Minister der auswärtigen Angelegenheiten als Chef des Hoheits Departements, oder auf Ansuchen der Majorats Besizer auf desselben Vortrag. F. Bei dem 2. Abschnitte des 2. Titels Cap. 1, 2, 3 dann bei dem 3. Titel 1. & 2. Abschnitt § 78-117 wird keine Erinnerung gemacht. G. Bei dem 4. Titel 1. Abschnitt § 118 & sequ. wird bemerkt, daß ein gesezlich konstituirtes Majorat nach dem Tode des Konstituenten durch eine sich nachher zeigende Verletzung des Pflichttheiles nicht erlöschen könne, sondern dessen ungeachtet fortdauern müsse, da die Constituirung des Majorats mit vollkommener Sachkenntniß geschieht, da durch die Alimentazion durch die gegebenen Bestimmungen gesorgt ist, und endlich bei Majoraten der Krone diese Bestimmungen ohnehin nicht eintreten können. Hiernach ist also der § 118 zu ändern.“

948

Johann Nepomuk v. Krenner, „Allerunterthänigster Vortrag in Sachen von Langenmantel zu Augsburg contra von Langenmantel daselbst die vorhabende Auflösung ihres sogenannten Geschlechts-Fideikommisses betreffend“, 28. Oktober 1811, 14 Bll., BayHStA Staatsrat 244.

949

Vgl. Protokoll Nr. 38 (Geheimer Rat vom 3. Oktober 1811), TOP 6.

950

Konstitution für das Königreich Bayern vom 1. Mai 1808, Tit. V § 4, RegBl. 1808, Sp. 998 = DVR Nr. 286, S. 662: „Der König kann in Kriminal-Sachen Gnade ertheilen, die Strafe erlassen oder mildern; aber in keinem Falle irgend eine anhängige Streit-Sache oder angefangene Untersuchung hemmen, vielweniger eine Parthei ihrem gesezlichen Richter entziehen.“

951

Johann Nepomuk von Krenner zitiert in seinem verschriftlichten Vortrag vom 28. Oktober (BayHStA Staatsrat 244, Bl. 11r-13r) aus dem im 18. Jahrhundert mehrfach aufgelegten Digestenkommentar Augustin (von) Leysers (1683-1752). Der Rechtslehrer (Wittenberg, Helmstedt), Richter (Hofgerichtsbeisitzer in Wolfenbüttel; braunschweigischer Hofrat; Mitglied des Spruchkollegiums der Juristenfakultät, des Schöffenstuhls des kurfürstlichen Hofgerichts sowie des Konsistoriums in Wittenberg) und Gutachter publizierte zwischen 1717 und 1747 in zunächst zehn Bänden „Meditationes ad pandectas“, in denen nach der Ordnung der Pandekten in Gestalt eines Kettenkommentars (dazu Söllner, Literatur, S. 529) Urteile der Gerichte und Spruchkörper, denen Leyser angehörte bzw. angehört hatte, auszugsweise wiedergegeben und erläutert wurden. Die von Krenner herangezogene Stelle (Leyser, Meditationes, Bd. 1 [1717], S. 7-9 bzw. Bd. 1 [1772], S. 7-9 = Specimen I ad lib. I tit. I de iustitia, § 4) steht unter dem den Kapitelinhalt zusammenfassenden Leitsatz „Interpretatio authentica legis dubiae adhuc locum invenit, tametsi lis iam apud iudicem inferiorem mota, atque etiam sententia contraria ab eo lata sit“. Zu Leysers Leben und Werk vgl. Landsberg, Geschichte Bd. 3/1, S. 206-214; Luig, Richterkönigtum, bes. S. 298f.; ders., Art. Leyser, in: NDB Bd. 14, S. 437-439; Lück, Art. Leyser, in: HRG2 Bd. 3, Sp. 952-954. Auflistung der unterschiedlichen Ausgaben und Bearbeitungen der „Meditationes ad pandectas“ bei Söllner, Literatur, S. 540.

952

Reskript an den Geheimen Rat vom 27. Oktober 1811, BayHStA Staatsrat 244; vgl. oben TOP 2.

953

Datum der Verkündigung des „Edikt[s] über den Adel im Königreiche Baiern“ vom 28. Juli 1808, gedruckt im Regierungsblatt Nr. 51 vom 14. September 1808, Sp. 2029-2044.

954

Vgl. Psalm 84, 11: „iustitia et pax deosculatae sunt“. Biblia sacra iuxta vulgatam versionem, Bd. 1, S. 877.

955

Thalmannsfeld, Gemeinde Bergen, Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, Mittelfranken.

956

Raitenbuch, Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, Mittelfranken.

957

Das „Edikt über das Gemeinde-Wesen“ vom 24. September 1808 wurde im Regierungsblatt Nr. 61 vom 19. (!) Oktober 1808 verkündet.

958

Ebd., Sp. 2406, § 3: „In Bezug auf die Mitglieder einer Gemeinde besteht eine jede Gemeinde aus den Einwohnern, welche in der Markung besteuerte Gründe besizen, oder besteuerte Gewerbe ausüben.“ Die im Protokoll angeführten Belegstellen behandeln insbesondere das Gemeindegut, das Gemeindevermögen und die Gemeindegründe. Als Gemeindegründe galten die Güter, „welche zwar der Gemeinde gehören, aber von den einzelnen Gemeinde-Gliedern benützt werden“, § 25. Diese waren größtenteils nicht kultiviert, § 26. Auf die Gemeindegründe hatten „[a]lle Gemeinde-Glieder“ Anspruch, § 27 (Sp. 2410).

959

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 1686.

960

Mittewald (am Eisack), Gemeindeteil von Franzensfeste, Region Trentino-Südtirol, Autonome Provinz Bozen – Südtirol, Italien.

961

Ungeld (Ungelt, Umgeld) ist eine indirekte Steuer auf Getränke (Wein, Bier usw.) oder Nahrungsmittel DWB Bd. 11/3, Sp. 732-737 s.v. U.

962

Das Tafernrecht verpflichtete die jeweiligen Untertanen, „in keiner andern als eben ihres Herrn Tafern Verlöbnisse, Hochzeiten, Tauf- und Todten-Mahle zu halten“. BWB Bd. 1, Sp. 587f. s.v. Tafern, Zitat Sp. 586; DWB Bd. 11 I/1, Sp. 26 s.v. T.

963

Desert: aufgegeben, aufgehoben; Bruns, Amtssprache, S. 31 s.v. d.

964

Hinweis auf ergangene Entscheidung in vorliegender Rekurssache: RegBl. 1811, Sp. 1686.

965

Zum Fortgang: Protokoll Nr. 46 (Geheimer Rat vom 28. November 1811), TOP 5.